Volltext: Jildirim [4] (Ban 4/1925)

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wahr, ein Platz wie von der Natur geschaffen für ein deutsches Ge- 
nefungsheiml 
Gleich hinter dem Leuchtturm Karmel liegt das alte Karmeliter- 
kloster. vor dem Krieg von etwa 30 französischen und italienischen Mön- 
chen, jetzt nur noch von einem deutschen Pater behütet. Ich treffe ihn im 
Klostergarten, wo er die jungen Pflanzen gießt. Pater Haut, der im 
Kriege bereits als Feldgeistlicher an der deutschen Vogesensront gewirkt 
hat, trägt das Eiserne Kreuz und ist glücklich, deutsche Offiziere bei sich 
begrüßen zu können. Das Kloster ist über jener Felsenhöhle erbaut, in 
welcher der Prophet Elias wohnte, der von Israeliten, Christen und Mo- 
hamedanern in gleicher Weise verehrt wird. Ohne Zweifel aber war der 
Karmel nach seiner ganzen Lage, aus Meilen hinaus auch vom Meer 
aus sichtbar, eine uralte Kultstätte lichtspendender Gottheit, seit Menschen 
hier wohnten und „mit dreifach gepanzerter Brust" wie die Phönizier das 
weite Meer befuhren. 
Pater Hauk führt mich im Kloster umher; in der reichen Bibliothek, 
dem Refektorium, dem Betchor, dem kleinen Laboratorium zur Her- 
stellung des altberühmten Karmelitergeistes. Alles verlassen und 
totenstill. Aber überall die brutalen Spuren der türkischen Soldaten, 
die hier — im eigenen Lande und im Heiligtum des auch von ihnen 
verehrten Propheten Mar Eljas — geplündert und nach Schätzen gesucht 
haben, sogar unter den Marmorplatten des Altars, dem Tabernakel und 
— in den uralten Gräbern der Äbte, deren Inschriften aus das 12. und 
13. Jahrhundert hinweisen. Von den Meßgewändern und dem Seiden- 
kleid des wundertätigen Jesuskindes schnitten türkische Offiziere und Sol- 
baten die Goldtressen ab. um sie auf ihre Uniform zu nähen. 
Meine dienstliche Aufgabe, hier oben auf der luftigen Höhe des 
heiligen Karmel ein deutsches Genesungsheim einzurichten, wurde mir 
leicht gemacht Das evangelische, unter Leitung des Pastors Schneider 
stehende Karmelheim ist wie geschaffen für diesen Zweck: die vor- 
bereitenden Abmachungen waren schnell abgeschlossen. Kein Ort auf 
Gottes Welt wird sich so leicht finden, der in gleicher Weise zur Er- 
holung sich eignet für Menschen, denen die Wüste und der harte Kriegs- 
dienst das Mark in den Knochen und das Herz in der Brust verdorrt 
hat. Nur eine ernste Sorge bedrückte mich; was würde aus unseren 
Pfleglingen werden, wenn eines Tages eine feindliche Landung er- 
folgen sollte? Der Krieg mit seinen Schrecken hatte uns gelehrt, daß das 
Genfer Kreuz kaum unsere kampsmüden Streiter schützen würde vor 
dem feindlichen Zugriff. Die einzige Rettung blieb für diesen Fall
	        
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