Volltext: Loretto [17] (Band 17/1927)

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versuche. Nie waren die feindlichen Wachen des Nachts so aufgeregt und 
so schnell bei der Hand mit ihren Gewehren, wie nach dieser Schnee- 
schmelze. Nie hatten die Kolonnenfahrer in der Schlammulde — nun 
fast ein Schlammeer — so viel zu fluchen, von dem Gebell der feindlichen 
Batterien fern hinter der Höhe und dem rasselnden, funkenquirlenden 
Einschlag der Granaten angefeuert. Nie stolperten die Essenträger, die 
geringen Minuten der Feuerpausen wahrnehmend, so eilig über die zer- 
fchundenen Wiesen zwischen Souchez und Carency, den klebrigen Dreck 
von den Stiefeln schüttelnd. 
Ja, als ob einer dem andern die Schuld an dem scheußlichen 
Schlammwetter vorzuwerfen habe, erhob sich ein zeterndes Zanken 
zwischen den Batterien hüben und drüben und spielte sich, wie meist, 
auf den Köpfen derer ab, die unbeteiligt dazwischen lagen. 
Notre Dame de Lorette wurde in dieser Zeit zu einer kleinen Festung. 
Nichts war mehr erkennbar von feiner alten Gestalt. Wohl ragten noch 
ein paar Mauern, undeutlich ein Viereck erkennen lassend, wohl gab 
es noch kümmerliche Reste der alten Einfassung. Aber die tausend und 
abertausend Granaten, hartnäckig immer sich diesen mißhandelten Erden- 
fleck auswählend, hatten gründliche Arbeit verrichtet. Unter einem wirren 
Trümmerhausen begraben ruhte das Bildnis der heiligen Mutter Maria, 
keinem Auge mehr sichtbar. Hineingeworfen von draußen türmte sich 
schwarze Erde ringsum, an den Mauerresten hinaufkletternd. Selbst das 
Grab an der Seite der Kapelle, zehnmal umgewühlt, unterschied sich 
durch nichts mehr von seiner Umgebung. Den Kapellenweg, den Höhen- 
weg, den Barrikadenweg und den Hohlweg hatten die Granaten längst 
schon zermahlen, in Trichter verwandelt wie alles ringsum. 
Aber geradeaus von der Kapelle, nach Westen zu, wo am Kamm 
der Höhe, dem bloßen Auge gut sichtbar, die feindlichen Gräben ver- 
liefen . . . geradeaus von der Kapelle gab es solide Gräben neuerdings, 
zwei Meter tief, und Unterstände, fünf Meter unter der Erde, mit 
schwerem Stollenholz abgestützt, und breite Hindernisse aus Stacheldraht. 
Drin hockten 111er und schöpften — elende Beschäftigung! — das Regen- 
waffer über die Böschung, sofern sie nicht Posten stehen oder Patrouille 
gehen mußten. Drin hockten sie in den geringen Stunden der Muße 
und schrieben ein paar Feldpostkarten nach daheim, schmökten ein Pfeif- 
chen, sofern der Nachbar noch Tabak hatte in seinem Beutel, und sprachen, 
die Hände am Kanonenöfchen wärmend, von diesem und jenem. Horchten
	        
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