Volltext: Loretto [17] (Band 17/1927)

sammeln und vielleicht gar (wer kann es wissen?) auf den Gedanken 
zu kommen, noch einmal zurückzukehren an den schmählich im Stich ge- 
lassenen Waldrand. 
Aber was ist das? Just wie sie weiterstürmen wollen im fiebrigen 
Drang des Jagens, stolpert einer mit dem Fuß über ein weiches Etwas. 
Die Gebüschzweige öffnen sich. 
Da liegt er. Den Kopf zurückgeworfen mitten unter die Zweige, 
die Fäuste verkrallt im Moos. Weiß, weiß das Gesicht, blutleer die 
Lippen rings um den weit geöffneten Mund, der wie eine dunkle Höhle 
starrt, umsäumt von den gelben Zähnen. Blut daneben, eine große 
Lache, halb schon eingesogen von dem hungrigen Waldboden, halb ver- 
spritzt in grausamer Verschwendung in das Blättergerinnsel der Zweige. 
Da liegt er, einer Mutter Sohn ... da liegt er, der erste Tote. 
Dieser Heerwurm, der sich aus dem unerschöpflichen Reservoir von 
Beaumont-Schöneberg bei Tagesgrauen in den Nebel hineingewunden 
. . . dieser Heerwurm, dessen monotones Geräusch die Straßen angefüllt 
in südwestlicher Richtung, wo in der Ferne geborgen die anmutigen 
Höhen von Vimy, geradenwegs zwischen Lens, der Fabrikschlotenstadt, 
und Arras, der alten Feste, gestreckt . . . dieser Heerwurm, was mag 
aus ihm geworden sein jetzt, wo die Nebel sich lichten und einem wunder- 
bar klaren Herbsttage das Land zu enthüllen beginnen? 
Wo ist er? Ringelt er sich noch über die Straße, unentwegt vor- 
wärtsstrebend im Gleichtakt seiner eintönigen Bewegung? Ist er ab- 
gebogen vom Wege der Gewohnheit und schlängelt sich um Waldstücke 
und Häuserreihen, seinen Zug sorgfältig verbergend dem spähenden Auge 
von fernher beobachtender Kundschafter? Hat er sich aufgelöst in einzelne 
Teile, seine Absicht schlau verhüllend durch scheinbar heillose Ver- 
wirrung? Hält er ein, um sich auf engem Raum zu versammeln, bereit, 
den Anstoß des Gegners abzuwehren, oder auch selbst gewillt, in breiter 
Front vorzubrechen, auf das gegebene Signal, zur befohlenen Stunde? 
Alle Straßen find leer. Höchstens daß ein paar Meldereiter oder 
Radfahrer oder eine heimkehrende Patrouille darüber hinwegeilen. 
Nichts verrät dir die Anwesenheit so vieler Tausende von Menschen 
und Pferden. Du könntest meinen, ihre ungeheure Menge sei auf- 
getrunken von der Sonne gleich dem Nebel. 
Vermöchtest du aber von oben hereinzusehen in dies scheinbar tote 
Land ohne Bewegung, so entdecktest du mit geübten Augen abgesessene 
Loretto.
	        
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