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Punkt 8 Uhr erfolgte auf ein verabredetes Zeichen (Abschießen einer Leucht-
kugel auf Notre Dame de Lorette) das Vorbrechen. Die Truppe kletterte auf
vorbereiteten Ausfallstufen über die Brustwehr und aus den Sappenspitzen her-
aus und stürmte mit aufgepflanzten Seitengewehren und geladenem, aber ge-
fichertem Gewehr lautlos auf den feindlichen Schützengraben los. Bald war die
stark besetzte, französische Stellung erreicht, einzelne Schüsse fielen, man hörte
die Rufe „pardon, pardonl" Auch ein feindliches M.G. fing an zu feuern,
verstummte jedoch ziemlich bald.
Vor dem feindlichen Graben lagen einige unbedeutende Hindernisse, die über-
wunden werden mußten. Dabei wurde der seiner Kompagnie voranstürmende
Leutnant Issel durch Schuß ins linke Auge verwundet. Da fast gleichzeitig auch
Offizierstellvertreter K u l i f ch durch Schuß in den Oberschenkel verwundet wor-
den war, so übernahm Pionierleutnant G e i g e s den Befehl über die in den
feindlichen Graben eingedrungenen Mannschaften. Diese konnten sechs Mann
vom französischen Jägerbataillon 10 gefangen nehmen und auf die Fliehenden
wirksames Verfolgungsfeuer abgeben. Der ganze Graben war in etwa 200 m
Ausdehnung in deutschem Besitz.
Sofort wurde nach genau vorher geregeltem Befehl mit Schanzen und Um-
bauen begonnen. Da der eroberte Graben breiter war, als man vorher an-
genommen hatte, wurde die 6. Kompagnie (Leutnant v. S ch i r p) mit in die
vorderste Linie gezogen und der 8. Kompagnie (Hauptmann d. R. O r l o v i u s),
die an einem Laufgraben im Schlammtal arbeitete, befohlen, ebenfalls vorzu-
rücken. So befand sich das ganze Bataillon in vorderster Linie. Die eigenen Ver-
luste waren verhältnismäßig gering. Bei der 7. Kompagnie war ein Mann
gefallen, ein Offizier, ein Offizierstellvertreter und 5 Mann verwundet, dazu
kamen noch bei den Pionieren ein Unteroffizier, sieben Pioniere verwundet, also
im ganzen 16 Mann. Die Verwundeten wurden im Schlammtal von Oberarzt
Dr. Hoffmann verbunden und von Krankenträgern nach Souchez zurück-
geschafft. Zwei von diesen ereilte hierbei das Geschick. Krankenträger Kropp
fiel durch Kopfschuß, Krankenträger Lang erhielt einen Bauchschuß, dem er
bald daraus erlag. — Vermißt wurde Dr. Weber. Noch während des Sturmes
hatte man ihn in dem eroberten Graben kämpfend gesehen. Niemand wußte, ob
er gefallen oder in Gefangenschaft geraten war. Tags darauf erkannten ihn
Leute durch das Fernglas an seinen hohen Reiterstiefeln im Vorfeld tot liegend,
in jeder Hand einen Revolver. In der Nacht wurde der tapfere Kriegsfreiwillige
geborgen und auf dem Friedhof in Lens beigesetzt.
Die neue Stellung erhielt zunächst wenig Infanterie- und gar kein Artillerie-
feuer. Dagegen schoß feindliche schwere Artillerie ins Schlammtal, in die alte
Stellung, auf den Laufgraben und in das Dorf Souchez.
Die 6. und 7. Kompagnie befanden sich um Mitternacht in der eroberten
Stellung. Die stark verschmutzten Gewehre wurde gereinigt und am Ausbau des
Grabens, der gänzlich verschlammt und teilweise auch nicht tief genug war, eifrig
gearbeitet. Zur Sicherung der rechten Flanke baute man 4 Jnfanterie-Schutz-
schilde ein, ein Horchposten wurde vorgesandt.
Am folgenden Tage, dem 20. Januar, gegen 7 Uhr morgens erfolgte nach
kurzem, heftigen Feuerüberfall, der von den beiden Kompagnien, sowie der in
der alten Stellung verbliebenen 1. Kompagnie (rechts von der 7. Kompagnie)
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