Volltext: Loretto [17] (Band 17/1927)

133 
Ton aus der Ebene. Nur das Auge und das Gehirn sind des Eindrucks 
von dort unten fähig und bewußt . . . 
O diese Nacht . . . diese letzte Nacht . . . aber wer weiß denn, ob 
es die letzte ist? Für manchen freilich ist es die letzte . . . 
☆ 
Gegen Morgen erfüllt ein blutroter Schein das Land, indessen der 
Feuerorkan immer weiter sich steigert. Ein blutroter Schein erfüllt das 
Land, übermalt die Gräben, dringt in die Trichter und gibt selbst dem 
Gesicht des ärmsten Gefallenen noch etwas ab von seinem Glänze . . . 
Sind es bengalische Feuer brennender Munitionsstapel? Hat die 
Erde sich aufgetan und einen gewaltigen Farbenschrei hinaufgestoßen 
gen Himmel, die zermarterte? Ist Notre Dame de Lorette erwacht aus 
ihrer Erstarrung und verkündet ein Wunder? 
Nichts dergleichen. Weiter nichts als das Morgenrot, verschwen- 
derisch und großartig die Nacht hinwegverweisend und vor dem Tag, 
dem gebieterisch und prahlerisch heranrückenden, von tausend Speer-- 
werfern und zehntausend Schildträgern geleitet . . . vor dem Tag er- 
blassend, lächelnd und tief sich verneigend . . . 
& 
So entsteht aus der Nacht mählich der neunte Mai. 
Alle Verbindungen nach rückwärts sind zerrissen. Für sich allein, 
gottverlassen in dem dröhnenden Feld, angewiesen auf sich selbst und 
den engen Ausschnitt des Geländes, den jeder vor sich sieht, liegen die 
Badener auf dem Lorettoberg, um Ablain, zwischen Ablain und Earency, 
vor Carency. Lebendige zwischen Toten, Verwundete, wimmernd in der 
Not ihrer Schmerzen, unter Gesunden, die hinüberstarren in den Kessel 
des Grauens und der Vernichtung. . . 
Nein . . . Schlimmeres ist nicht mehr möglich! 
Wenn es wenigstens losginge! Der rasende Kampf um die 
Trichter . . . das blutige Hinschleudern des Leibes vor die Waffen des 
heranquellenden Gegners ... die berauschende Musik berstender Hand- 
granaten und die zitternde Anspannung des Jnfanteriegefechts. O welche 
Erlösung! Welche Seligkeit gegenüber diesem Zustand, bei dem jeder 
Nerv langsam platt gehämmert wird wie ein glühender Draht unter 
den Schlägen des Schmiedemeisters. Nein... da wäre es schon besser, 
einer der zahllosen Splitter, die kreuz und quer über das Gelände 
fauchen, hätte ein rasches Erbarmen ... ein Klatschen, gerade noch 
dem eigenen Ohr vernehmbar ... ein Umsinken, ein letzter rascher Ge¬
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.