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Nachtmarsch auf Udine.
200. und 26. Infanterie-Division, die dem Ziele Udine zuströmen, das
bis vor wenigen Stunden noch den Oberbefehlshaber des italienischen
Heeres. General Eadorna,in seinen Mauern beherbergt hat.
Todmüde wanken die preußischen Jäger und die württembergischen
Infanteristen dahin. Kaum vermag der Wille den überanstrengten
Körper noch aufrecht zu erhalten. Bei jedem Halt sinken Ungezählte
trotz des Regens und Morastes am Wegesrand hin, wo sie in todes-
ähnlichen Schlaf fallen und liegen bleiben. Fürwahr, eine Verfolgung
hatte man sich nach den Schlachtschilderungen, die man einst daheim
im warmen Zimmer gelesen hatte, anders vorgestellt, als eine letzte,
leichte Mühe, welche die überreife Frucht des Sieges mühelos in den
Schoß fallen läßtl Statt dessen diese übermenschlichen Anstrengungen,
Märsche und Kampf, Kampf und Märsche, und kein Ende abzusehen!
Aber immer wieder reißt der Wille der Führer die Ermattenden vor-
wärts, und, wie überall im Kriege, leistet der deutsche Soldat auch hier
willig das unmöglich Erscheinende!
Ein Antrieb für die Verzagenden wäre es, wenn sie einen Blick auf
die Seite des Gegners werfen könnten. Gleich Wassermassen, die nach
dem Dammbruch die Ebene überfluten, wälzen sich die Trümmer der
geschlagenen italienischen 2. Armee über das Land. Nur noch wenige
Truppenteile sind fest in der Hand ihrer Führer. Die Masse ist in völliger
Auflösung und strebt mit dem einzigen Ziel, der drohenden Vernichtung
zu entgehen, nach Westen. Die schlechten Instinkte sind erwacht und ge-
Winnen überall die Oberhand. Plünderung und Brandschatzung machen
vor dem Haus des Volksgenossen nicht Halt, Desertion wird bei den der
Auflösung verfallenen Verbänden zur Gewohnheit. Heeresgerät, das der
eiligen Flucht hinderlich ist, wird weggeworfen, auf allen Straßen ballen
sich aufeinander aufgeprellte und ineinander gefahrene Fahrzeuge und
Geschütze zu Knäueln, türmen sich Berge von Ausrüstungsgegenständen
und Waffen.
Innerhalb weniger Tage war die italienische Front zwischen Kärnten
und der Adria zertrümmert worden. Der entscheidende Stoß hatte am
24. Oktober die 2. Armee bei Flitsch und Tolmein getroffen, wo ein tiefer
Einbruch der verbündeten Deutschen und Österreicher erfolgt war. Am
25. begann die am unteren Isonzo kämpfende 3. Armee zu wanken, und
am folgenden Tage hatten auch die Truppen in den Kärtner Bergen
mit dem Rückzug beginnen müssen, nachdem in ihrem Rücken ein Loch