Volltext: Ypern 1914 [10] (Band 10/1925)

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Er war seiner Sache so sicher, daß er es verschmähte, heimlich und 
leise, in einer Menschenbrust versteckt, seinen Einzug zu halten. Er gab 
sich auch nicht erst mit schwachen Kindern ab. sondern er fiel mit gellendem 
Schrei erwachsene Männer an und wars sie hin auf die Straße und auf 
die Felder. Er wühlte nicht heimlich in ihren Gedärmen und schlich nicht 
lautlos weiter, nachdem er an ihre Stirn getupft, sondern er zerriß mit 
jähem Griff ihre Stirn und ihre Brust und ließ ihr Blut zur Erde 
strömen. Schamlos und nackt, brüllend und gröhlend ritt er durch die 
Luft auf feurigen Strahlenbögen und hüllte sich in stinkende Schwefel- 
wölken. Fauchende Eisenstücke schleuderte er nach allen Seiten mitten 
unter die zusammengedrängten Menschen und schrie vor trunkener Wild- 
heit, wenn ihrer ganze Gruppen auf einmal zerrissen. Dem Freund, der 
dem Freund die Wunden verband, stieß er die Lanze hinterrücks durch 
die Brust. Den Ahnungslosen, der über die Straße schritt, sprang er 
mit jähem Lärm aus weiter Entfernung an und trat ihn nieder, daß 
fein blutendes Fleisch sich mit dem Lehm vermengte. In rasender Toll- 
heit lief er durch das Land und legte Feuer an die Häuser. Wenn hinter 
ihm rauchende Trümmer verkohlten, pflanzte er längst den roten Hahn 
auf einen andern Turm. Des Nachts, wenn ringsum gleich blutenden 
Wunden die Flammen gen Himmel züngelten, fuhr er heulend und 
pfeifend durch die Luft und machte hier und da unter krachendem Lärm 
einen trunkenen Sprung. 
Auf allen Wegen zog er heran, hinter allen Hecken lauerte er, in 
allen Wäldern versteckte er sich, alle Kanäle färbte er mit seiner Lieblings- 
färbe Rot. 
Mit tausend Hämmern begann er auf die Stadt zu schlagen, die 
seine Wiederkehr vergessen. Hundert züngelnde Feuer legte er an. Und 
wenn einer es wagte, den Brand zu stören, fuhr er in einem heulenden 
Schwung heran und warf den Venne,fenen zu Boden, daß die Flammen 
über ihn krochen gleich lüsternen Schakalen. Nach mondelanger Arbeit 
fand er, daß das Werk nur langsame Fortschritte mache und verschwor 
sich, nicht eher zu ruhen, bis kein Haus dieser Stadl ohne sein Mal sei. 
Er besann sich, daß er fünfhundert Jahre gesäumt, und daß er sich darum 
Zeit nehmen müsse, um alles zu Ende zu führen. Er nistete sich für den 
Winter ein und ruhte sich aus. Und er begann im Frühjahr mit ver» 
doppelter Wut zu arbeiten. Er blieb auch im nächsten Jahre und begann 
im dritten, da es ihm immer noch nicht schnell genug ging, mit einer 
hämmernden Walze hin und her über die unglückliche Stadt zu fahren. 
Da sanken die letzten Türme in Schutt.
	        
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