Volltext: Ypern 1914 [10] (Band 10/1925)

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wohl immer dieser dritte sein, weil er mir der mutigste und stärkste unter 
den Dreien schien . . . 
Im Frieden ging man abends zu Bett und stand morgens wieder 
auf. Und wenn man den Heraufzug des Tages einmal erlebte, so war 
es ein rauschendes Freudenfest. Vom Dunkel der Nacht bis zum ersten 
Strahl der Sonne, der gleich dem Speerwurf eines jungen Kriegers über 
den Rand der Berge glitzert, war nur eine Erwartung. Im Kriege, da 
war das Morgenrot keine Erwartung, sondern ein Verharren. Kein 
Übergang zum Aufbruch der Sonne, sondern ein mahnender Abschluß 
der Nacht. Kein Anfang, fondern ein Ende. Keine Hoffnung, fondern 
ein Grabmal . . . 
Alle Geheimnisse, die zwischen Nacht und Tag verborgen sind, der 
erste rötlich verglimmende Lichtstreifen, das kühle Schreiten des heim- 
lich der Nacht folgenden Windes, das erste schwermütige Seufzen der 
erwachenden Baumkronen, das leise Rauschen der Wellen im Bach, der 
erste erschrockene Vogelgruß und der flüchtige Schritt eines Wildes über 
die Straße — alle Geheimnisse zwischen Nacht und Tag enthüllen sich 
dem, der das Sterben kennt . . . 
Dieser Gedanke an das Sterben, den das Morgenrot weckt, ist ein 
ganz anderer als der des Tages oder der Nacht. Er ist kein Aufbäumen 
und kein Verzweifeln, kein standhaftes Hinnehmen des Unabwendbaren, 
kein heroisches Opfern des Lebens und kein verschwenderisches Hinwerfen 
des Höchsten. Er ist vielmehr eine Feier . . . 
Den, der in das Morgenrot schaut, überkommt die Majestät des 
ewig ungelösten Rätsels des Woher und Wohin. Keine Ohnmacht des 
Nichterkennen-Könnens, sondern die Stille des Nichtbegreisen-Wollens. 
Die Anbetung des Unlösbaren, des Ewigen . . . 
Da werden die Lautesten still, die Unruhigsten ruhig, die Ungläubig- 
sten gläubig, die Unreinsten rein . . . 
Und das alles macht jener bleiche Lichtschimmer, der lautlos von 
Osten herauf den Himmel bedeckt, die Sterne zur Ruhe bettet und den 
Mond erblassen läßt. Dem Büchlein entrollt er das erste Glitzern, den 
Hahn auf dem Kirchturm überzieht er mit herrlichen Farben, den Giebeln 
verleiht er ein mattes Blinken, und die mürrischen Bäume heißt er hervor- 
treten aus dem Schatten. Selbst die schweigsamen Tannen, die sich mit 
ihren Köpfen eng zusammengedrängt, können es nicht verhindern, daß 
ihre Stämme sich mit rötlichen Tupfen schmücken, und daß der Teppich zu 
ihren Füßen von wunderbaren leuchtenden Streifen überzogen wird.
	        
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