Volltext: Ypern 1914 [10] (Band 10/1925)

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linie. Das Zentrum der 238er war bis mitten in Broodseinde hinein- 
gelangt, nachdem das Engländernest am Nordrand gefallen war . . . 
Aber am Südrand hielt sich immer noch ein hartnäckiger Gegner, 
der aus Grabenstücken und Häusern jeden Verkehr vom Ostrand nach 
rückwärts verhinderte. Offenbar waren die Engländer an der Straße 
von Keiberg nach Broodseinde eingenistet. 
Bei Stockdunkelheit erfolgte der Angriff. Im Sturmschritt wurde 
die Straße genommen. Im Geländeeinschnitt am Nordrand der Straße 
postierten sich ein paar Gruppen und überschütteten die feindlichen Gräben 
nördlich davon, so gut es in der Nacht ging, mit einem Hagel von Ge- 
schössen. Die Engländer blieben die Antwort nicht schuldig. Auf kürzeste 
Entfernung peitschten die Kugeln hin und her, und obwohl niemand 
ihnen genaue Richtung geben konnte, fanden genug ihr Opfer. Die 238er 
erkannten, daß es so nicht weiter ging. Man mußte noch näher heran. 
Im Handumdrehen wurden ein paar Häuser besetzt. Aus den Fenstern 
und aus Dachluken wurde das Feuer auf die Gegner gelenkt, deren Reihe 
sich durch eine zuckende Kette von kleinen Mündungsflammen verriet. 
Jetzt endlich merkte Tommy, was die Stunde geschlagen. Bon Norden 
und Süden umfaßt, unter ein verheerendes Kreuzfeuer genommen, ent- 
wichen die Grabenbesatzungen in der Dunkelheit und zogen sich durch 
den Südteil des Dorfes zurück. Sobald die 238er merkten, daß das Feuer 
nachließ, setzten sie zum Sturm auf die Grabenstücke an. Ein lautes 
Gebrüll erschütterte die Nacht. Wie nächtliche Raubtiere fielen die 
Schützen über die Gräben her. Die Enttäuschung war nicht gering, daß 
der gute Fang entwichen war. Aber eine große Anzahl von Simulanten, 
die sich unter die zahlreichen Toten gemischt und erst auf energisches 
Anklopfen sich wieder zum Leben bekannten, entschädigte die Angreifer 
einigermaßen. Die Engländer glaubten nichts anderes, denn daß ihr 
letztes Stündlein gekommen fei, waren aber nicht unangenehm überrascht, 
als die gefürchteten Barbaren ihnen nicht ohne weiteres an den Hals 
sprangen, um ihnen die Kehle durchzubeißen. Schließlich ertrugen sie ihr 
Schicksal mit lässiger Miene und steigendem Vertrauen in die Menschen- 
ähnlichkeit der deutschen Bestien . . . 
In diesem Augenblick war über den Besitz von Broodseinde ent- 
schieden. Aber die 238er gaben sich auch jetzt noch nicht zufrieden und 
nutzten die Dunkelheit und die Verwirrung der Engländer zu neuen 
Streichen. Das I. Bataillon, nicht achtend der Anstrengungen des vier- 
zehnstündigen Gefechts und der schweren Verluste, stieß in einem Zuge
	        
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