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Mit heiserem Heranheulen springt ein vierfacher Schlag mitten auf
den Platz. Ein paar Scheiben splittern. Die Scherben klirren zu Boden
und bedecken die Füße der Verwundeten. Schwefeldunst zieht durch den
Eingang. Die Mauern dröhnen bis in die Grundfesten. Ein paar Eisen-
stücke fegen herein und klatschen gegen das Gebälk. Unruhe fällt über
die am Boden Liegenden. Einige versuchen sich aufzurichten und auf-
zustehen. Kraftlos fallen sie wieder um. Die Sanitäter laufen hin und
her und versuchen die Armen zu beruhigen. Wenn doch nur Wagen
kämen, daß man sie alle fortschaffen könnte. Aber es sind ihrer ein paar
Hundert . . .
Eben haben zwei Sanitäter einen baumlangen sächsischen Jnfante-
risten hereingebracht. Er stützt sich auf seine Begleiter. Der Kopf ist so
verbunden, daß kaum die Augen zu sehen sind. Kein einziger Platz ist
mehr in der Kirche. Man stellt einen Stuhl in den Eingang. Behutsam
wird der Lange daraus gesetzt. Ein Arzt kommt herbei. Der Verband
wird gelöst. Just wie der Arzt den letzten Bandstreifen voll geronnenen
Blutes loslöst, gibt es einen Schlag. Das Haupt des Verwundeten sinkt
schwer vornüber, der Körper rutscht langsam vom Stuhl zur Erde. Der
Arzt springt beiseite und erblaßt. Eine Jnfanteriekugel hat dem Sachsen
die Stirn durchbohrt, mitten zwischen den Augen. Leise singend rauschen
die Kugeln hoch über den Platz um den brandverkohlten Kirchturm. Zwei
Träger fassen die Leiche und tragen sie hinaus zu den anderen . . >
Die nächste Batteriesalve fällt mitten auf den Kirchhof unter die
Leiber derer, die ausgelitten haben. Von den Wänden der Kirche stürzt
der Mörtel und streut sich über die Verbände. Unterdessen läuft die
Nachricht von dem Tod des Sachsen von Mund zu Mund unter denen,
die noch sprechen können. Die Arzte beratschlagen, wie man die Kirche
räumen und die Verwundeten aus dem Ort bringen kann. Es ist nicht
möglich mit den wenigen vorhandenen Hilfskräften. Man muß es ab-
warten. Und wenn der Engländer in den Ort eindringt . . . nun, man
muß eben sehen . . .
Nach einer Stunde läßt das Feuer etwas nach. Allmählich kehrt
Beruhigung ein. Alles geht seinen Gang, die Träger bringen ihre Last,
die Ärzte arbeiten in der Sakristei, die Toten werden neben die Kirche
getragen, ab und zu fährt ein Wagen ein paar Verwundete davon. Aber
immer noch mehrt sich die Zahl.
Durch die zerbrochenen Scheiben der Kirchenfenster fällt helles
Sonnenlicht und streut bunte Flecke über den Boden hin. Die ganze
Kirche wird mit Glanz gefüllt. Auf den Pfeifen der Orgel blinkt der