Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

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gern im vorhinein jeden Rechtsanspruch auf die eroberten Provinzen 
vorwegzunehmen — also ein Verhältnis herzustellen, als ob Ungarn 
alle diese kaiserlichen Truppen in Miete genommen und mit diesen 
Söldlingen seine Provinzen „befreit“ hätte. Kurzweg eine Negation 
des primären Eroberungsrechtes. 
Das Willkürliche und Irrige dieser Anschauung möge durch ein 
vergleichendes Beispiel dargestellt werden. Nehme man an, daß es 
dem alten Österreich durch irgendeine besondere Schicksalsfügung 
gelungen wäre, sich durch Waffengewalt wieder in den Besitz Schle 
siens zu setzen, würde es da jemandem eingefallen sein, von einer 
„Befreiung“ zu sprechen? Gewiß nicht! Und die Großteile Ungarns 
standen nicht kürzere Zeit unter der Herrschaft des Sultans, als 
Schlesien dem preußischen Königreich angegliedert ist. 
Nach der Vertreibung der Türken — 1687 — wurden die gesetz 
lichen Erbansprüche des Hauses Habsburg auf die Krone Ungarns 
zwar erweitert, doch die Bestrebungen dieses Hauses, eine engere 
innerstaatliche Verbindung mit Ungarn herbeizuführen, also die Er 
oberungsrechte irgendwie geltend zu machen, forderten den Wider 
stand der Ungarn sofort heraus, der sich in den blutigen Kuruzzen 
kämpfen äußerte, welche erst mit dem Friedensschluß von Szatmar- 
Nemety ihren Abschluß erreichten. 
1721, respektive 1723 erfolgte dann die pragmatische Sanktion 
Kaiser Karl VI. brachte diesem papierenen Dokument viele Opfer, 
gab erworbene Rechte preis, und schließlich blieb es doch immer nur 
ein papierenes Dokument. Wohl stützte sich der Aufbau der Habs 
burger Monarchie auch weiter auf dieses Staatsgrundsgesetz, doch 
wie viele Auslegungen und Deutungen erfuhr es trotz seiner außer 
ordentlich sorgsamen Diktion! Besonders wenn als Gegenpart Ulysses 
Ungarn partizipierte. Daraus erklärt es sich, daß seit dem Bestehen 
dieses Paktes — der pragmatischen Sanktion — die innere Politik 
in Schaukelbewegung auf und nieder ging. Die hervorragendste Per 
sönlichkeit im Habsburger Stamme, Maria Theresia, rief zwar durch 
ihre Person das vielgerühmte, in seiner tatsächlichen Wirkung aber 
weit überschätzte „Vitam et sanguinem consecramus“ hervor. Zur 
selben Zeit bestand aber nahezu der dritte Teil der preußischen Hu 
saren aus ungarischen Überläufern, deren Offiziere vielfach den Ma 
gnaten- oder Gentryfamilien angehörten. Immerhin war während der 
Regierungszeit Maria Theresias ein Abflauen der national-chauvi 
nistischen Bewegung bemerkbar. Die Adelshäupter nahmen bei Hof 
und im Staatswesen hohe Ämter ein und machten sich meist in Wien 
ansässig. Andere lebten auf ihren Uatifundien, kleinen Göttern gleich, 
in nahezu vollständiger Souveränität und fanden sich mit relativ ge
	        
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