Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

sich just in den allerletzten Stunden so verderblich herausgebildet 
hatte, besaß dieser Vorgang zweifelsohne eine charakteristische Be 
deutung. — 
Und damit schließe ich meine Bebensschilderung und halte un 
mittelbar vor dem bodenlosen Abgrund, in den die Kamarilla- und 
Günstlingswirtschaft stürzte, doch auch — zu unser aller Entsetzen — 
das schöne, alte Reich in finstere Tiefe versank. Was und wie 
dies geschah, gleicht einem fürchterlichen Kataklysma, wobei das 
eigene Leid im Leid von Millionen unterging. Darüber zu berichten 
und zu zeigen, wie aus dem Niedergang des alten Österreich der 
Niederbruch des Donaustaates in einer noch nie gesehenen Weise 
erfolgte, bedarf es größerer Distanz, als sie die jetzige Zeit gewährt, 
die noch wie das stets sich erneuernde Nachbeben einer katastro 
phalen Erderschütterung anmutet. 
Der Weg ,,aus Österreichs Höhe zum Niedergang“ und schließlich 
zum Niederbruch ist, am grandiosen Maßstab der Geschehnisse ge 
messen, ungeheuer lang; nach der Zeitdauer aber und nach geschicht 
lichen Perioden beurteilt, winzig kurz. Kürzer als ein Menschen 
leben, als mein Dasein, dessen Lebenskraft und Lebensarbeit in diese 
Epoche fallen, und dessen Auffassung und Bestrebung durch die Er 
eignisse der versunkenen Monarchie mitbestimmt wurden. Niemals 
gab’s eine größere Tragödie im Staatengeschick, als den Niederbruch 
unseres armen Vaterlandes. Sie übertraf weitaus die tragische Schuld. 
Doch nur der vermag die ganze Tragik mitfühlend zu erfassen, der 
seine beste Überzeugung und sein ehrlichstes Wirken für eine Idee 
eingesetzt hat, die nun tot ist. Tot, wie das einst so schöne, große 
Reich, dessen Zerfall aber noch Generationen aufs schwerste empfinden 
werden. — 
Mein Leben war ein steter Kampf, den mir Schicksal und Men 
schen aufzwangen. Ich führte ihn mit dem Worte, mit der Feder und 
mit dem Schwert, war oft siegreich und wurde letzten Endes nie 
besiegt. Das Resultat meiner persönlichen Erlebnisse, meiner Er 
fahrungen und Beobachtungen drängt sich aber zusammen in den 
ekklesiastischen Spruch: ,,Vanitas vanitatum et omnia vanitas“. 
Wien, im Sommer 1920
	        
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