Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

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Kapitel XVI 
Die folgenden Lebensjahre 
Ich will zunächst zurückgreifen, um ein kurzes Resume jener Be 
trachtungen zu geben, die die fortlaufenden Kriegsereignisse in mir 
auslösten. 
Ich knüpfe an den Fall von Przemysl an — 22. März 1915 —, 
den ich im Kapitel XIV kurz besprochen habe. Die Karpathen 
kämpfe, die sich vor- und nachher abspielten, bildeten die eigentliche 
Krisis dieser Kriegsepoche. Innerhalb der Zeit Ende März bis An 
fang Mai 1915 waren die Russen am Höhepunkt ihrer Erfolge an 
gelangt, und auch für die anderen Ententemächte standen damals 
die Chancen so günstig wie bis dahin noch nie. Zwei Drittel von Gali 
zien, fast die ganze Bukowina und nicht unbeträchtliche Teile Ober 
ungarns befanden sich im festen Besitze der Russen, denen überdies 
die Möglichkeit geboten war, sich an den gewonnenen festen Plätzen 
und strategisch günstig laufenden Wasserlinien eine sichere Basis ein- 
zurichten. Am litauisch-ostpreußischen Kriegsschauplatz war wohl 
die Winterschlacht an den masurischen Seen geschlagen, die Russen 
aus Ostpreußen verjagt, doch Warschau, die Weichsellinie und ihre 
Fortsetzung, die Narewlinie, sowie fast alle Festungen waren noch 
in Rußlands Besitz, Ergänzungen und Neuformationen in gewaltiger 
Menge im Nachrücken begriffen. Und jetzt begann es sich erst so 
recht zu zeigen, welch ungeheurer Leistungen Rußland fähig sei. 
Serbien und Montenegro waren vollkommen frei. Wenngleich sie 
in einer damals nicht recht verständlichen Untätigkeit verharrten, 
so büdeten sie doch eine stete Drohung, und die moralischen Folgen 
der mißlungenen Offensive vom Dezember 1914 machten sich stets 
steigernd fühlbar. Es kann auch nicht geleugnet werden, daß in 
jenen ernsten Tagen die Depression in beiden Staaten der Monarchie 
eine tiefgehende war, wozu dann noch der Umstand trat, daß die 
subversiven Bestrebungen dissidierender Volksteile eine steigende In 
tensität auf wiesen. Und da muß eine objektive, wahrheitsgetreue 
Darstellung jener beiden ungarischen Oligarchen Tisza und Apponyi 
gedenken, die ihren prädominanten Einfluß nützten, um durch macht 
volle, die Gemüter fassende Reden den Kleinmut zu bannen, Hoff 
nungen aufzurichten. Schade, daß sie auch hierbei ihren engbegrenz 
ten „nürmagyarischen“ Standpunkt nicht zu verlassen vermochten. 
Die Deutschen standen wohl in Belgien und in den Nordostdepar 
tements von Frankreich, doch war ihre Stoßkraft fürs erste ge 
brochen, und den gewaltigen Anstrengungen Deutschlands und öster
	        
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