Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

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Was ich in jenen Tagen und Nächten durchlitten, ist unbeschreib 
lich. Dennoch blieb ich aufrecht, und am Tage der Urteilsfällung war 
ich weitaus der ruhigste der ganzen Familie. Frau und Kind und 
mein Schwager, Dr. Maurer, der uns in der ganzen Zeit die treueste 
Stütze und durch seinen hellen Kopf auch der wertvollste Berater 
war, warteten unten im Auto, während ich oben dem Schicksal ent 
gegensah. Und als nach endlosen Formeln und Einleitungen das er 
lösende Wort ,,Freigesprochen“ ertönte, war die Elastizitätsgrenze 
meiner Nerven schon so überspannt, daß ich kaum ein freudiges 
Aufblitzen verspürte und mein Kopf dem anschließenden Motiven- 
bericht mit größter Aufmerksamkeit und Sachlichkeit zu folgen ver 
mochte. Klar verfaßt, erhob er sich im Maximum zur Annahme 
einer ,,eventuellen Indiskretion“ (bezüglich der Karte), die einer dis 
ziplinären Beurteilung möglicherweise zu unterziehen war, vor 
ausgesetzt, daß sie angeklagt und nicht schon verjährt gewesen wäre. 
Der Freispruch erfolgte — nicht nur mangelnden Beweises, 
sondern auch mangelnden Tatbestandes wegen. Wie ich 
später erfuhr, wurde er einstimmig gefällt. 
Ich kehrte zu meiner Familie zurück, bei der sich die nervenzer 
reißende Spannung und Aufregung, das wochenlange Martyrium in 
krampfhaftem Schluchzen auslöste, um endlich einer beruhigenden 
Genugtuung Platz zu machen. 
Die Präklusivfrist, die der Anklage den Rekursweg freiließ, wurde 
nicht benützt, da alle Argumente des Anklägers zerschellt waren. 
So endete trotz all der aufgewendeten ungeheuren gerichtlichen 
und vor allem diktatorischen Gewaltmittel der Prozeß mit einem 
vollständigen Niederbruch meiner haßerfüllten Feinde. 
Ich glaube, in einem anderen Fand hätte schon der Fluch der 
Eächerlichkeit und Blamage die Clique unnachsichtig weggeschwemmt. 
Bei uns traf dies aber ganz und gar nicht zu. Im Gegenteil. Sie gab 
ihr freundwilliges Spiel noch lange nicht verloren. 
Zunächst wandte sie die traditionellen kleinlichen Mittel und Mittel 
chen an, die zwar nicht vernichten, aber tief schmerzen. So ließ sie 
beispielsweise sieben Tage verstreichen, ehe sie die Urteilspublikation 
verkündete, wo sie doch dreiundeinhalb Monate vorher meine Ver 
haftung und Beschuldigung nicht rasch genug in die Welt hatte po 
saunen können. Dann erfolgte endlich die Verlautbarung. Aber nicht 
etwa in einer würdigen, die Motivierung des Freispruches enthalten 
den Form, sondern in einem mit Gesetzesparagraphen und Uber- 
tretungsmöglichkeiten angefüllten Communique, in dem das frei 
sprechende Urteil fast mit Mühe herauszufinden war. Sie taten es 
mit gutem Grund. Hätte man den Motivenbericht publiziert, wäre
	        
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