Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

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Formel für den Moment ihres Falles kann dann jeder Militärschüler 
errechnen. Conrad war daher im Rechte, wenn er das Aufgeben 
der Festung intendiert hatte. Gewiß, der moralische und politische 
Effekt wäre ein ungünstiger gewesen, doch noch immer weniger un 
günstig, als es dann jener der Bezwingung der Festung war. 
Sie fiel durch Hunger! Ob dies unausweichlich war, wird eine 
objektive Geschichtsforschung zutage fördern, desgleichen die Mo 
tive für den wenig erfreulichen Umstand, daß bei Übergabe der 
Festung über iooooo Mann in Gefangenschaft gerieten! — darunter 
allerdings etliche tausend Militärarbeiter und sonstige non-valeurs. 
Die zehrten aber vorher an den Rationen mit, und es ergab sich das 
Mißverhältnis, daß die die Festung direkt einschließende feindliche 
Kraftgruppe nicht stärker war als die eingeschlossene. Somit war 
von Anfang November an der Wert der Festung so gut wie Null. 
Die Tränen, die aus den Augen des erzherzoglichen Oberkomman 
danten bei Erhalt der Nachricht vom Fall der Festung geflossen 
sein sollen, wären daher schon in den ersten Novembertagen zu ver 
gießen gewesen — allerdings in beiden Fällen mit demselben sach 
lichen Effekt. 
Die durch den Fall der Festung freigewordenen russischen Divi 
sionen wurden hauptsächlich zum,Einbruch in die Duklasenke heran 
geführt. Doch hatte man Zeit gehabt, sich darauf vorzubereiten. 
Und rechtzeitig herangeführte Verstärkungen, speziell einige deutsche 
Divisionen, parierten auch diesen Stoß. 
Auch war indessen die großartige Winterschlacht an den Masu 
rischen Seen geschlagen worden, in der Hindenburg die russische 
io. Armee total vernichtet hatte. Diese Schlacht fand — mit Recht — 
allseits die größte Bewunderung, doch lag auch hierbei der strate 
gische Effekt mehr in der Negative. D. h. die Situation hätte sich 
katastrophal gestaltet, wenn Hindenburg nicht gesiegt hätte. Einen 
durchschlagenden, positiven, richtiger gesagt, operativen Erfolg aber 
hatte auch dieser Sieg nicht erbracht. Und wie die Dinge damals 
lagen, hätte er ihn auch nicht erbringen können. Es war gewisser 
maßen das organische Verhängnis der Mittelmächte, daß alle ihre 
Siege die eigene Katastrophe wohl abwenden, doch die der Gegner 
nicht erzwingen konnten. Ich habe diese Ansicht schon im Jänner 
1916 in einem längeren Essay vertreten, der in einem Artikel der 
„Zeit“ Aufnahme gefunden hat. *— 
So war es Mitte April geworden, als mir wieder ein Brief Kroba- 
tins zugestellt wurde, in welchem er mir — sozusagen freundlich 
lächelnd — mitteilte, daß jetzt der Zeitpunkt gekommen wäre, meinen 
Rücktritt ins Werk zu setzen. Und da mir mittlerweile souffliert
	        
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