Volltext: Aus Österreichs Höhe und Niedergang

Klaps wegkriegte. Aber gemütlich war’s doch, besonders wenn Vater 
guter Eaune war. Mutter und wir Kinder waren's ja immer! 
Und die Wohnung, das Ameublement — wie einfach war das alles! 
Ein Schlaf-, zugleich Speisezimmer, ein Entree — zugleich Schreibzim 
mer, darin ich auch schlief, und eine gute Stube, euphemistisch Sa 
lon genannt. 
Dabei herrschte viel Geselligkeit. Im Sommer traf man sich im 
,,Kiosk“, wo die Regimentskapelle konzertierte, am ,,Gilschwitzer 
Berg“ und bei besonderen Gelegenheiten im ,,Park“. Für die reifere 
Jugend gab’s Ballester und Kegelspiel, für die eigentliche Jugend das 
Reifspiel. Im Winter erfreute man sich am vorzüglich geleiteten 
Theater. Räuber- und Ritterstücke, namentlich aber Stücke mit pa 
triotischem Einschlag bevorzugte ich in erster Einie. Dabei wurmte 
es mich, wenn Offiziere über die Bühne gingen, die die preußische 
und nicht die von mir so glühend geliebte kaiserliche weiße Uniform 
trugen, zumal sich damals in der Grenzstadt schon eine gewisse Span 
nung zwischen hüben und drüben geltend machte. 
Von einfachstem Zuschnitt waren die gesellschaftlichen Unterhal 
tungen. Kaffee-oder Schokoladejausen, viel Gugelhupf und Sträußel- 
kuchen. Herren waren selten anwesend, da bei dieser Gelegenheit 
strenges Rauchverbot herrschte. Bei Abendgesellschaft gab’s einen 
Braten und einen kleinen Nachtisch. Man blieb lange sitzen, medi- 
sierte und kannegießerte wie heute, doch immer mit einer gewissen 
Deferenz vor allem, was Obrigkeit hieß und bedeutete. Natürlich 
fanden sich auch gesellschaftliche Kristallisationspunkte — schle 
sische Adelsfamilien, der Statthalter usw., wogegen die Industriellen 
und die reichgewordenen Geschäftsleute noch keine gesellschaftliche 
Rolle spielten. 
Der Geburtstag des Kronprinzen Rudolf, 20. August 1858, steht 
mir noch im Gedächtnis. Tags zuvor war schon alles in Spannung, 
ob 101 oder 21 Kanonenschüsse erdröhnen würden. Als dann der 
22. Schuß fiel, jubelte die ganze patriotisch und dynastisch fühlende 
Stadt. 
Der Silvesterabend 1858 erbrachte die neue Geldwährung, offiziell 
,,Wiener Währung“ genannt. Noch in jüngster Zeit spielt das ,,Sech 
serl“ eine Rolle, trotzdem seit 28 Jahren die Wiener Währung durch 
die Gold-, resp. Kronenwährung verdrängt wurde. Ein Beweis des 
konservativen Sinnes der Bevölkerung. Damals brachte der Vater 
das neue Geld ins Haus, und eine Düte voll funkelnagelneuer „Neu 
kreuzer“ setzte mich in helles Entzücken. 
Das Jahr 185g begann als Typus eines auf Tradition haltenden, 
wohlerzogenen Kriegsjahres. Ich denke da nicht an den berüchtigten
	        
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