Volltext: Adalbert Stifter als Schulmann

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winnen die Kinder das nötige Zutrauen, daß seine Zucht besonders 
in sittlicher Hinsicht fruchtbringend wird. 
Der Unterricht leidet selbst bei noch so genau festgesetzter 
Methode immer Abbruch, wenn der Lehrer gewechselt wird, weil 
bei selbst gleich guten Lehrern und gleichmäßiger Methode doch 
nach der Natur des Menschen Verschiedenheit in der Lehrart herrscht, 
und die Kinder sich an die neue Lehre erst gewöhnen müssen, wo¬ 
durch viele kostbare Zeit verloren geht. Besonders grell tritt dieser 
Umstand bei dem Schönschreiben hervor, wo die Kinder sich in jeder 
Klasse andere Züge angewöhnen müssen, selbst wenn nach denselben 
gestochenen Vorschriften geschrieben würde. Am übelsten aber wirkt 
dieser Umstand bei der so leicht erreglichen Eifersucht der Lehrer, 
die sie verleitet, zu glauben, der Vorhergehende oder Nachfolgende 
könne es nicht so gut als er. Diese Eifersucht erklärt sich leicht 
aus der edlen menschlichen Eigenschaft, ein Werk ganz tun zu 
wollen. Es ist dem einen schmerzlich, ein angefangenes Werk einem 
andern übergeben zu müssen, und dem anderen, ein Werk zu über¬ 
nehmen, dessen Anfang von jemand anderem herrührt. 
Dem Gefertigten kam aus diesem Grunde und dann als Aus¬ 
rede gegen einen etwaigen Tadel ohne Ausnahme jedesmal der 
Spruch entgegen: „Die Kinder kommen mit zu geringen Vorkennt¬ 
nissen in die Klasse, ich muß immer von vorn anfangen." Dies 
wird sogar (und dann am meisten) von schwachen Lehrern gesagt, 
denen ein ausgezeichneter voranging. 
Die Einübung eines Lehrers in das gesamte Lehramt ist nicht 
möglich, wenn der Lehrer immer in derselben Klasse bleibt, ja in 
dieser Klasse selber kann er die rechten Erfahrungen nicht machen, 
da er den praktischen Blick über das, was künftig notwendig ist, 
verliert und die Lehre in seiner Klasse mechanisch abhandelt, wie ein 
Arbeiter an einer Maschine, der das Gesamtresultat der Maschine 
nicht kennt. Und doch sollen Hilfslehrer an Hauptschulen sehr 
häufig auf Pfarrschulen als Oberlehrer versetzt werden, wo sie die 
ganze Schule zu leiten haben. 
Die Freude und Liebe zu dem Lehrfache wird durch 
das Aufsteigen geweckt, weil der Turnus, den der Lehrer macht, 
ganz sein Werk ist, und die Ehre über guten Erfolg sowohl 
bei den Behörden als auch bei der Bevölkerung ganz sein 
Eigentum ist.
	        
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