Volltext: St. Pölten (III / 1928)

Rund um ©t. Pölten. 
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Sang mit einzustimmen, der in des Ötschers Graten und Abstürzen (1898 m) ein zu 
Fels gewordenes „Lursuin eorcka" darstellt. Wasserfälle, Eishöhlenwunder, Schroffen und 
Wände, pittoreske Täler und Gebirgsurwülder vereinigen sich, um die Pracht der Alpen 
nicht nur dem genußfrohen Bergsteiger, sondern auch dem Jäger, Botaniker und Geologen 
vorzuführen. Aus dem strengen Hintergründe der Forste blicken die Gemäuer verfallener 
Burgen bedächtig in die Täler. Rabenstein und Weißenburg grüßen durch die Spiegel 
scheiben. 
Zum Ausgangspunkt zurückgekehrt, verfolgen wir das Traisental südwärts und durch 
queren das Steinfeld mit dem Kraftwagen. Hölzerne Andenken der ,,Eisernen Zeit" lassen 
für kurze Zeit beim Anblicke der Baracken des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers im Stadt 
bezirke Spratzern schmerzvolle Reminiszenzen auftauchen 
und dann rauscht unter uns im tiefen Bett die Traisen. 
Die „Eilende", „Laufende", „Tragisa", nannten schon die 
Kelten das ungestüme Kind der Berge und noch gegen 
wärtig schwellen im Frühjahr ihre Fluten gefahrvoll an. 
Doch friedvoll plätschern im Sommer ihre Wellen und 
singen leise des großen Genius Franz Schuberts echt öster 
reichische Weisen, dessen Aufenthalt im Schlosse Ochsen 
burg den Ort weihte. Auf halber Höhe des Berges er 
hebt sich der massige Bau, ein „Lng-ins-Land", gleichwie 
das nördlich gegenüber gelegene Schloß Viehofen. Gegen 
wärtig im Besitze des Bistums St. Pölten, bewahrt es 
treu die Erinnerung an Schuberts Weilen in seinen 
Mauern, der hier gemeinsam mit seinem Freunde Schober 
die Oper „Alfonso und Estrella" schuf. Kulissenartig 
schieben sich die Berge ineinander und schließen traisen- 
aufwärts das Tal kesselförmig ab. Auf der schnurgeraden 
Straße eilen die Wagen nach dem kleinen Babenberger 
orte Wilhelmsburg, um die Verbindung der Industrie- 
gegend an der oberen Traisen mit dem Verkehrsknoten 
punkte St. Pölten herzustellen. Parallel läuft die Eisen 
bahn St. Pölten—Leobersdorf und St. Pölten—Kernhof, der durch den geplanten Ausbau nach 
der Steiermark noch zukunftsreiche Entwicklung harrt. Vorläufig ist sie den Wintersportlern 
und Bergwanderern ein bequemes Mittel, in ein Eldorado ihrer Sehnsüchte zu fahren. 
Aber auch der Kunstbeflissene kommt auf seine Rechnung, mag er dem 1202 vom Baben 
bergerherzog Leopold dem Glorreichen gegründete Zisterzienserstifte Lilienfeld, mit seinen 
reichen Sammlungen, der mittelalterlichen, mit anspruchsloser Barocke gemischten Architektonik 
der Kirche und des Klostergebäudes oder dem „Berghofe" des Dichters I. F. Castelli seine 
Aufmerksamkeit schenken. Welche kulturelle Aufgabe dieses Stift erfüllte, vermag nur der 
zu ermessen, der die Zustände des 13. Jahrhunderts in der Ostmark zu würdigen weiß. In 
allen Zeitstürmen der Türkenkriege und Reformation hat Lilienfeld seinen Stand behauptet 
und gehört noch heute zu den reichbegütertsten Grundherren des oberen Traisen-, Pielach- 
und Erlaftales. Die ruhige und staubfreie Umgebung hat den Ort zu einer begehrten 
Sommerfrische gehoben.
	        
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