Volltext: St. Pölten (III / 1928)

Stadt und Stadtrecht, die geschichtliche Entwicklung. 
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Das folgende 14. Jahrhundert ist für die Geschichte der Stadt von besonderer Bedeutung 
geworden. Nicht die blutigen Ereignisse zu Beginn dieses Säkulums sollen hier erzählt 
werden, die — fnrchtbar für die Betroffenen — doch Episoden blieben. Wichtiger für die 
Zukunft war die 1338 erfolgte Verbriefung des Stadtrechtes durch den Passauer Bischof 
Albrecht II. Ohne auf die ausführlichen Bestimmungen meist straf- und zivilrechtlicher Art 
an dieser Stelle des Näheren eingehen zu können, muß doch die hier festgelegte bedeutsame 
Rolle des Stadtrats (seine Mitglieder heißen „Die Geschworenen" oder die „Zwölf") 
betont werden. Neben dem vom Stadtherrn bestellten Richter ist dieser Rat, der sich durch 
autonome Zuwahl ergänzt, das entscheidende Organ der städtischen Verwaltung. Seine 
Zustimmung ist erforderlich, wenn jemand liegendes Gut in der Gemeinde erwerben oder 
daselbst eine „Einung" aufrichten will, des weiteren bei gewissen Bußgelderbestimmungen, 
Schadenersatzbemessungen und Kautionsnahme. Er bestellt gemeinsam mit dem Richter den 
„Nachrichter", er entscheidet zusammen mit jenem darüber, ob ein Bewerber trotz Ablehnung 
des Handwerks in eine Innung aufgenommen werden soll. Andere, zumal strafrechtliche 
Entscheidungen bedürfen der Mitwirkung der Gesamtheit der Bürger. Waren so Rechte und 
Pflichten der Bürger verbrieft und festgelegt, hatte damit die innere Verfassung der Stadt 
einen gewissen Abschluß erfahren, so harrte doch ein anderer Punkt noch einer der allgemeinen 
Entwicklung entsprechenden Regelung. Zwei Stadtherren geboten, wie wir wissen, über 
St. Pölten. Schon früh führte dieser Zustand zu Streitigkeiten, die indes ihre Erledigung 
fanden und bald vergessen wurden. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts jedoch 
häuften sich die Konflikte und Klagepunkte und die Absicht Passaus, die alleinige Herrschaft 
in der Stadt zu erringen, wurde immer deutlicher. Noch versuchte das Kloster mit Hilfe 
älteren und jüngeren Urkunden und Privilegien sein gutes Recht zu behaupten, doch das 
mächtige Hochstift und der allgemeine Zug der österreichischen Städteentwicklung auf eine» 
Herrn hin waren stärker als vergilbte Pergamente. Im Jahre 1367 gelangte ein Ausgleich 
zwischen dem Kloster und dem Bistum zum Abschluß, der jenem eine Fülle einträglicher 
Güter und Zehente einbrachte, dem Passauer Hochstift aber die ausschließliche Stadtherrschaft 
in St. Pölten übertrug. War derart der Bischof von Passau der alleinige Herr der Stadt 
geworden, so mußte in Zukunft ihr Schicksal aufs engste mit dem des Bistums verknüpft 
bleiben. Zweimal nahm sie als Zufluchtsort in ihren Mauern den um den Besitz seiner 
Würde ringenden Bischof Georg I. auf und auch in den folgenden Jahrzehnten entging sie 
nicht ganz ihrem Anteil an den mannigfachen politischen Wirren. Die infolge der endlosen 
Kämpfe ins Ungemessene gestiegenen Geldschulden der Passauer Bischöfe zwangen diese 
endlich, die Stadt St. Pölten vorerst auf Zeit, im Jahre 1445 aber verkaufsweise gegen 
eine Summe von 25.000 Goldgulden*) an das Geschlecht der Wallseer zu überlassen. Noch 
einmal schien dem Bistum die Wiedererwerbung der Stadt zu gelingen, als Bischof Ulrich III. 
wenigstens einen Teil der Besitzungen und die Herrschaft über die Stadl von den Wallseern 
zurückkaufte. Da traten wenige Jahre später Ereignisse ein, in deren Verlauf St. Pölten 
den Passauern endgültig verloren ging und der natürlichen Lage entsprechend dem nieder 
österreichischen Ländergebiet der Habsburger einverleibt wurde. 
Nach dem Aussterben der albertinischen Linie der Habsburger war es den Überlebenden 
nicht gelungen, die zu Beginn des Jahrhunderts erworbenen Länder Böhmen und Ungarn 
*) Man beachte die gegenüber heute bedeutend höhere Kaufkraft des Geldes in der damalige» Zeit.
	        
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