Volltext: St. Pölten (III / 1928)

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St. Pölten. 
freien Entschließung der Selbstverwaltungskörper überlassen. All dies, das ganze große Bereich 
der Wohnungs-, Jugend-, Gesundheits- und Körpersportfürsorge sind ja durch 
wegs Dinge, die das alte Österreich als Gegenstand der öffentlichen Verwaltung überhaupt 
noch kaum erfaßt hatte! Der heutige Staat anerkennt diese Dinge wohl grundsätzlich als Ver 
waltungsausgaben, er fördert sie gelegentlich, billigt oder mißbilligt gewisse Richtlinien in 
ihrer Behandlung, aber er regelt sie nicht durchgreifend. Daher, da die Gemeinden 
auf diesem Gebiete nicht viel zwingende Vorschriften antreffen, bewirtschaften sie es in 
größerer Freiheit, aber auch in größerer Armut. Können sie sich doch nicht berufen 
auf ein System staatlicher Befehle, durch welches ihnen auf der einen Seite ein gewisser 
Aufwand zwangsläufig aufgebürdet, eben deshalb aber auch ein unbestreitbarer Rechtsanspruch 
geschaffen würde, die Mittel für diesen Aufwand zu erhalten. 
Es ist ein Problem der österreichischen Provinzstädte, mit knappsten Mitteln 
ausgestattet, inmitten einer noch wenig in solchen Fragen geschulten, daher zum Mißverstehen 
und zur Ablehnung sehr geneigten Öffentlichkeit, aus eigener Verantwortlichkeit und 
Entschließung auf allen jenen Gebieten doch das Notwendige für ihre Bewohner 
schaft finden und tun zu müssen. Darüber hinaus sollen sie, gering an Zahl und von 
bescheidener Größe, durch weite Landstrecken voneinander getrennt, sich zu kulturellen 
Mittelpunkten für das umgebende, zerstreut bevölkerte Land entwickeln, ihre städtische 
Eigenart zur Reife bringen, obschon sie von alters her nur ein sehr dürftiges Rüstzeug mit 
bringen zur Erfüllung größerer kultureller Aufgaben. Wenn man im allgemeinen behaupten 
kann, daß die reichsdeutschen Städte auch in finanzieller Hinsicht vollkräftig entwickelt sind, 
so sind dagegen Österreichs Städte auch in diesem Punkte noch unreif, unentwickelt, in 
einer noch problematischen Lage und zwar dergestalt, daß sie nicht nur gelegentliche 
Zeitläufe der Einkommensknappheit mitzumachen haben, was auch Deutschlands Städten 
nicht erspart bleibt; sie sind von Grund aus, habituell, unterversorgt und zwar sowohl 
im Vermögen als im Einkommen. Sie können also ihrer Mission, wie sie sich aus der 
Eigenart des Landes und den besonderen Verhältnissen der Nachkriegszeit ergibt, wegen ihrer 
wirtschaftlichen Schwäche nicht voll gerecht werden. Ihre Bemühungen aber, sich aus dieser 
Schwäche zu erheben, stoßen auf schwere Hindernisse, die wohl zu einem Teile objektiv be 
gründet sind in der bedrängten Wirtschaftslage des Landes überhaupt, die aber wesentlich ver 
mehrt werden durch den Mangel an Wohlwollen und Interesse für die kommunalen Dinge in 
weiten Kreisen. In einer schaffenden Gemeindepolitik wollen viele bei uns, auch Leute 
von Einfluß und Gewicht, noch immer eher ein Feld sehen, auf dem sich der sportliche Ehr 
geiz der Gemeindemandatare austobt, als eine grundlegende, lebenswichtige Funktion des 
Volkskörpers. Daher ist die Einstellung zu den finanziellen Bedürfnissen der Städte selbst 
an regierender Stelle etwa so, daß „die Gemeinde ja schließlich auch leben müsse", daß man 
ihr also „auch gewisse Anteile zukommen lassen müsse". Aber die Erkenntnis ist noch ferne, 
daß es sich hier eben nicht um eine „halt so mitlaufende", leider unvermeidliche Belastung 
handelt, sondern um primäre Bedürfnisse des staatlichen Lebens, für welche genau 
mit der gleichen Selbstverständlichkeit vorgesorgt sein muß wie für jene An 
sprüche, die im Namen des Gesamtstaates auftreten. 
Soll das Städtewesen Österreichs erstarken und seinen Aufgaben gerecht werden, dann 
müssen Staat und Öffentlichkeit lernen, daß für die Städte Grundprobleme ihrer wirt 
schaftlichen Existenz, das Vermögens- wie das Einkommensproblem, ungelöst bestehen und ihre
	        
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