Volltext: St. Pölten (III / 1928)

Das Handwerk. 
133 
Mit den Jahren kam dem Handwerk ein neues Hilfsmittel zur Hilfe — die Maschine. 
War sie anfangs mit Freuden begrüßt und als Helfer geschätzt, so wurden anderseits das 
Handwerk oder Teile davon mit der Zeit industrialisiert. Damit schieden eine ganze Reihe 
von Handwerkern aus dem öffentlichen Leben, neue Erwerbszweige erscheinen, neue Arbeits 
methoden halten Eingang in die Werkstätte, kurz — es wurde vieles ertragreicher und 
auch lebensfähiger gestaltet. So hat der Wandel der Zeit beispielsweise verschlungen: die 
Multrer, Fischer, Leinweber, Mühlsteinbrecher, Nadler, Sporer, Hesieber (Haarsiebmacher) usw. 
Neu erscheinen 1782 die Buchdrucker mit einem Betriebe (heute Firma Sommer), ihnen 
folgten die Buchbinder, die verschiedenen Arten der Mechaniker, die Photographen usw. Mag 
auch die Zeit das Handwerk wie immer gestalten — die Bedeutung der verschiedenen Be 
triebe gehen nicht verloren; wer Qualitätsarbeit wünscht, wer persönliche Wünsche äußert 
und nicht zuletzt die Kunst greift immer wieder zum Handwerk, welches daher unter der 
Privatkundschaft und den Wirtschaftsfaktoren eine große Rolle inne hat. Die Kriegsjahre 
und die Nachfolgezeit sind an unserer Stadt und ihrem Handwerk nicht spurlos vorüber 
gegangen, ja haben oft großen Schaden angestiftet, z. B. manch alter Handwerker hat Haus 
und Geschäft verkauft, um seinen Lebensabend nunmehr ruhig genießen zu können. Vorbei! 
Die Geldentwertung fegte das Opfer mancher arbeitsreichen Jahre hinweg! Wieder hieß es 
zum Werkzeug greifen — sich sein Brot schaffen. Und heute darf man wohl sagen, daß sich 
die Anzeichen einer Besserung der Verhältnisse mehren. Hier ist ein energischer Zug not 
wendig, hier muß das Vertrauen der führenden Männer gestärkt — aber gleichzeitig von 
diesen Männern gesucht und erworben werden! Die Notwendigkeit der Gewerbeförderung 
hat ein Amt geschaffen, welches dem Handwerker Belehrungen angedeihen läßt, Kurse er 
richtet, die richtige Art der Preiserstellung, des Einkaufes, der Lagerung von Waren, die 
Verarbeitung der Rohstoffe nach modernen Erfahrungen usw. lehrt. Das St. Pöltener Hand 
werk war und ist immer allen Anforderungen gerecht geworden und dieses Vertrauen zu 
erhalten, bleibt das Bestreben unserer Meister. Hier sollte die Kundschaft mithelfen. Mißlich 
sind in der heutigen Zeit die Kreditverhältnisse, welche nur beunruhigend wirken. Steige 
rung der Nahrungsmittelpreise, Lohnerhöhungen, soziale Abgaben und Steuern sind die Er 
scheinungen unserer Zeit, bringen das Publikum um seine Kaufkraft und schaden dem Hand 
werk. Wir können nur wünschen, daß es der Regierung und den Behörden gelingen möge, 
alle Hindernisse zu beseitigen, dem Wirtschaftsleben frisches Blut zuzuführen und die Mög 
lichkeit zur Kraftentfaltung dem Handwerke wieder zu bieten. 
Das St. Pöltener Handwerk ist in Zwangsorganisationen zusammengefaßt, welche sich 
nicht allein über das Stadtgebiet erstrecken, sondern meistens noch den politischen Bezirk 
St. Pölten-Land oder gar das Viertel ob dem Wienerwalde umfassen. Ja einzelne Genossen 
schaften erstrecken sich über ganz Niederösterreich. Gegenwärtig haben folgende Genossenschaften 
und Innungen ihren Sitz in St. Pölten: 1. die allgemeine Gewerbegenossenschaft, welche alle 
jene Handwerker umfaßt, welcher keiner Fachgenossenschaft angeschlossen sind, 2. Bäcker, 
3. Binder, 4. Buchbinder, 5. Dachdecker, 6. Fleischhauer, 7. Friseure, 8. Fuhrwerker, 9. Gärt 
ner, 10. Schmiede, 11. Hutmacher, 12. Kleidermacher, 13. Maler und Anstreicher, 14. Photo 
graphen, 15. Sattler und Tapezierer, 16. Schlosser, 17. Schuhmacher, 18. Tischler, 19. Uhr 
macher und Goldschmiede, 20. Zuckerbäcker, 21. Spengler, 22. Glaser, 23. Modistinnen. 
Nachstehende Gewerbe in St. Pölten, deren Ausübung an eine besondere Bewilligung gebunden 
sind, werden als konzessioniert behandelt: Buchdrucker, Standplatz-Fuhrwerk, Baumeister
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.