Der Krieg ... in Wort und Bild: 112. Heft 1914/16

888 OOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOCTOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOOO OQOQOOOOOOOOQQOOQOOQDOOOQCJ Willig gehorcht, leicht steigt und wendet — — man möchte immer in der Luft sein, aber die Natur fordert ihr Recht, wir müssen Pause machen und ausruhen. So geht es jeden Tag. In der vorigen Woche hörte das Schießen überhaupt nicht auf. Tag und Nacht Trommelfeuer, das sich anhört wie starkes Gewitter. Dann wurde es stiller, und nur ein fernes Grollen ließ sich vernehmen. Eigenartig ist es, abends gegen den röt- lichen Westhimmel durch das Glas die Flieger an der Front zu beobachten. Die Flugzeuge, die Rauchwölkchen der Flags — alles hebt sich deutlich ab. Zeitig geht man zur Ruhe, denn der Morgen bricht früh an. Gute Nacht, ihr Lieben! Ich bin zufrieden und stolz, daß ich ein Teil des großen Ganzen sein darf. ..." * * * Die Fernrohrbüchse. „Es ist der Krieg ein roh gewaltsam Handwerk". Schiller. Kein Wunder, daß unser Kompagnieführer mir die Fernrohrbüchse anvertraute, hatte ich als Försterssohn schon srüh schießen gelernt und in den beiden Jahren der Dienstzeit mir die Schießschnüre und Medaillen errungen. Nun hatte ich endlich die längst ersehnte Büchse. Nicht als ob man mit unserm her- vorragend s chießenden Militärgewehr nicht auch treffenkönnte, in Dunst und Dämme- rung verschwimmen leider Korn und Kimme zu schnell, als daß man ganztotsicher Fleck schießen könnte. " Aber durch das Fernrohr erkennt man sein Ziel auch dann noch deutlich, und das Fadenkreuz darin erlaubt ein genaues Abkommen: die Panjes sollten sich vorsehen. Die Gräben lagen auf etwa 200 Meter einander gegenüber. Drüben lauerten einzelne sibirische Scharf- schützen. Sowie jemand sich bei uns unvorsichtig sehen ließ, pfiff auch schon von drüben eine Kugel. Vor allem drohte die Gefahr aus einer etwas erhöhten Stellung im russischen Graben. Dort saß ein langbärtiger Sibirier mit großem, dunklem Vollbart „der schwarze Tod" auf Anstand und hatte schon einige unsrer Leute, sowie den allgemein beliebten Leutnant B. zur' Strecke gebracht. Von vorn war ihm nicht recht beizukommen, er hatte sich einen auf die verhältnismäßig große Entfernung völlig unsichtbaren.Schießschlitz zurechtgemacht. Aber er war da, und lauerte. Wer's nicht glaubte, brauchte nur die Hand einen Augenblick über die Brustwehr hochhalten, schon knallte es drüben Ich ärgerte mich über den gewitzten Kerl und be- schloß alles daranzusetzen, um ihn unschädlich zu machen. Von rechts und von links beobachtete ich lange und vor- sichtig seinen Anstandsplatz. Anscheinend saß er in einem kleinen vorgebauten Unterstand, der sich auch jeder Ein- sicht von der Seite her- entzog. Hier konnte nur List helfen. Also mal erst eine Puppe her! Aus einigen Sandsäcken und einer Feldmütze war bald eine herge- stellt. Vorsichtig lugte sie über unsern Graben. Patsch! klatschte auch schon eine Kugel im Sandsack. Ich hatte scharf durch mein Fernrohr hingesehen. Zwar ist das neuzeitliche Pulver rauchlos, aber ein ganz geringer bläulicher Dampf verrät dem geübten Jägerauge doch die Stelle, von der geschossen wurde. Ich erkannte nun auch deutlich den Schießschlitz; durch einen ganz schmalen Spalt hatte er die Mündung der Büchse gesteckt, sie nach dem Schuß sofort zurückgezogen und den Schlitz durch einen Sandsack verstellt. Also dort saß das Bürschchen. Jetzt galt es. Schußfertig stand ich auf der Lauer und beobachtete durch zwei Stahlschilde. Sie waren etwas schräg voreinandergestellt, daß nur von der Schießscharte ein schmaler Streifen blieb. „Langsam die Puppe zeigen" rief ich. Es geschah, im gleichen Augenblick zeigte sich drüben einen Moment ein ganz kleiner Heller Fleck. Der ' Sandsack war beiseitegeschoben. Gleich war es drüben wieder dunkel. Gewehr und Schütze deckten die helle Stelle wieder zu. Die Puppe war schon wieder' verschwunden, der Sibiriak drüben lag im Anschlag und wartete auf ihr Wiedererscheinen. Deutlich konnte ich ein Stück seiner Stirn und den Rand der Pelzmütze durch das Fernrohr der Büchse erkennen. Eine grimmige Freude beschlich mein Herz. Der Zielstachel des Fern- rohrs bohrte sich mitten in die braune Stirn, jetzt beugte er sich tie- fer, die Puppe war wohl aufgetaucht, und zielte. Da krachte mein Schuß, ich sah' im Fernrohrnoch den hellen Fleck eine tausendstel Sekunde lang auftauchen, dann drückte der Rückstoß meine Büchse aus der Zielrichtung. Ich war meines Schusses sicher, war ich doch genau abgekommen und traf mit der Fernrohrbüchse auf 200 Meter jedes Talerstück. Drüben war zunächst Stille, offenbar hatte der sibirische Posten ganz allein hier aufgepaßt. Aber ich mußte Gewißheit haben und schlich mich vorsichtig den Graben entlang, etwa 300 Meter weiter nach links. Dort stieg unsere Stellung zu einer bastionartigen Höhe auf, von der man einen, wenn auch beschränkten, Einblick in die russischen Gräben bei jenem sibirischen Posten hatte. Dort lag ich mit der Fernrohr- büchse im Anschlag. Lange wartete ich. Endlich kamen vorsichtig zwei russische Soldaten, sie wischten jedesmal blitzesschnell um die Ecke der Schulterwehren herum, offenbar wußten sie, daß man sie dabei beobachten konnte. Jetzt waren sie am Stand des Postens. Ein Weilchen waren sie nicht zu sehen, dann kamen sie langsam zurück, sie trugen einen Mann mit'blutiger Pelzmütze, wohl die Leiche des Sibiriers. Vorsichtig drückten sie sich um die Schulterwehren. Meine Jagdleidenschaft war erwacht: beide, beide mußte ich haben! Jetzt legten sie den Toten hin, sie wollten ruhen und Atem schöpfen; der eine holte Zigaretten heraus und bot dem andern an; er nahm. Jetzt beugte der sich über den Leichnam vor, um Feuer zu bekommen. Die Schultern beider Leute deckten sich einen Augenblick. Es waren zwar über 400 Meter, aber ich besann mich keinen Augenblick, ließ fliegen und beide Russen brachen über ihrem toten Kameraden zusammen. Seit jener Zeit haben wir mehr Ruhe vor den feindlichen Scharfschützen. J> Phot. A. Drücke, Wien. Drahthindernisse auf dem Eise in Form von spanischen Reitern.

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