Oberösterreichische Bauzeitung: VII. Jahrgang, 1902

Nr. 16. ÖBERÖSTERREICHISCHE BAUZEITUNG. Seite 133. schmolzen sind. Sehr günstig wirkt die Dachausbildung, respective Ausmittelung. Die Abbildungen sind natürlich sämmtlich stark verkleinert. In den Sammlungen selbst sind sie ganz bedeutend grösser. Das Format der ein¬ zelnen Tafeln beträgt 24,/2X31 Centimeter. Wir empfehlen das Werk der Aufmerksamkeit unserer Leser. Weiteres ist aus den ausführlichen Prospecten zu entnehmen, die der Verleger gratis und franco versendet. d. r. Zum Thurmbau von Babel. Eine Expedition von amerikanischen Archäologen unter der Leitung von Dr. Edgar Banko will jetzt den aus der Bibel bekannten „Thurm zu Babel“ erforschen und hat sich daher an den Sultan der Türkei gewandt um die Erlaubnis zum Graben in dem grossen Wall am Fusse des Thurmes zu erhalten. Der Thurm ist den Arabern als „Birs Nimrud“, der Thurm Nimrods, be¬ kannt. Aus Inschriften, die in Ninive gefunden wurden und aus den wenigen bei Ausgrabungen gemachten Entdeckungen nimmt man als sicher an, dass man an dieser. Stelle zahlreiche culturelle Schätze finden wird. Der Erdwall des „Birs Nimrud“ ist — wir folgen hier der Darstellung eines amerikanischen Archäologen — nur 10 engl. Meilen vom Mittelpunkt der Stadt Babylon entfernt und die Forscher stimmen darin überein, dass er einst einen Theil der Hauptstadt bildete, obgleich er jetzt zu der Stadt Borsippa, einer früheren Vorstadt Babylons, gehört. Der „Thurm zu Babel“ bedeckt eine Fläche von 49.000 Quadratfuss und ist fast 300 Fuss hoch. Sogar als Ruine mapht er noch einen grossartigen Eindruck. Herodot beschreibt ihn als ein Gebäude, das sich auf jeder Seite über zwei Stadien erstreckt; der Thurm war ein Stadium lang und ebenso breit. Auf diesem Thurm war ein zweiter errichtet, der wieder einen anderen trug und so fort acht Thürme. Sie wurden von der Aussenseite auf einem Wege erstiegen, der sich in einer Spirale herumzog und in der Mitte passende Ruheplätze hatte. Im obersten Stockwerk befand sich ein geräumiger Tempel. Er wurde theilweise von Xerxes nach seiner Rückkehr aus Griechenland zerstört. Ein Theil dieses prächtigen Tempels bestand noch fünf Jahr¬ jahrhunderte später, aber der andere war zur Zeit Alexanders des Grossen ein wüster Trümmerhaufen. Alexander der Grosse wollte ihn wiederbauen, aber da 10.000 Arbeiter den Bauschutt in zwei Monaten nicht entfernen konnten, gab er es wieder auf. Der noch zu Plinius Zeit stehende Theil des Baues hiess Tempel des Belus. Im zwölften Jahrhundert beschrieb ihn Benjamin von Fudela als ein Ziegelgebäude, zu dem ein Zugang in Spiralen führte, und er fügt hinzu, dass man von der Höhe einen weiten Ueberblick hatte. Die ältesten be¬ kannten babylonischen Legenden stimmen völlig mit den Erzählungen der Bibel über den Thurmbau zu Babel überein. Der englische Archäologe George Smith fand auch einige unvollkommene Täfelchen, die sich auf den Thurmbau zu Babel beziehen. Ueber diese Fragmente äusserte sich Professor Sayce: „Sie sind so beachtens¬ wert, dass es schade ist, dass wir nicht auch den Rest haben. Im ersten Theil haben wir den Aerger Bels, des Vaters der Götter, über die Sünde derer, die die Mauern Babylons und einen Wall des Thurmes oder Schlosses bauten. Dieser Wall heisst „der erhabene“ und der Gott Anu, der die Erbauer zerstreute, heisst deshalb „Sar- tuli-elli, der König des erhabenen Walles“. Da der babylonische Name des Monats Tischri, unseres October, der „Monat des erhabenen Walles“ bedeutet, so scheint, es, dass man glaubte, der Bau habe zur Zeit des Herbst- äquinoctiums stattgefunden. Die Erbauer wurden von der Gottheit bestraft und die am Tage errichteten Mauern nachts zerstört. Es ist aus den ersten Reihen klar, dass der ganze Versuch gegen die Götter gerichtet war und die Erbauer wie die Giganten und Titanen in der griechischen Mythologie den Himmel erstürmen wollten. Sie wurden jedoch auf dein Wall in ihrer Sprache ver¬ wirrt. Merkwürdigerweise findet man dasselbe Wort für „verwirren“ im babylonischen und hebräischen Text, nämlich „Balal“ oder „Balali“. Das merkwürdigste Zeugnis über die Erbauung des Thurmes findet sich auf zwei Toncylindern, die man am Fusse des Thurmes selbst fand. Sie lauten in der Ueber- setzung: „Wir melden Folgendes: Der Tempel der sieben Lichter der Erde, der Thurm von Borsippa, den ein früherer König errichtet und bis zu einer Höhe von 42 Ellen vollendet, dessen Spitze er jedoch nicht auf¬ gesetzt hatte, ist seit frühen Zeiten zu Trümmern zer¬ fallen. Für die Taufrinnen seines Wassers war nicht richtig gesorgt worden, Regen und Stürm hatten seine Ziegel fortgewaschen, die Dachziegel waren gespalten, die Ziegel der Gebäude waren zu Trümmerhaufen fort- geschwemmt. Ilm wiederherzustellen, drängte mich der grosse Gott Merodach; seine Lage beeinträchtigte ich je¬ doch nicht, änderte nichts an den Grundmauern. In einem Monat des Glücks an einem günstigen Tage besserte ich die Ziegel des Gebäudes und des Daches zu einem festen Gebäude, erneuerte den Unterbau und setzte die Inschrift meines Namens auf das Karnies seines Gebäudes. Um es wieder herzustellen und die Spitze aufzusetzen, erhob ich meine Hand, ich baute ihn, wie er vor Jahren war, ich errichtete seine Spitze, wie sie in fernen Zeiten war“. Auf diesem Cylinder erscheint der Name Nebukadnezars. Der grosse Tempel war Nebo, dem babylonischen Gott der Wissenschaften, gewidmet. Die Inschriften eines assyrischen Herrschers, der vor ihm regierte, bezeichnen bestimmter die Art der Schätze, die zweifellos von den Ruinen von Birs Nimrud bedeckt sind: Assurbanipal liess die Täfelchen der babylonischen Bibliothek ab¬ schreiben, damit die jungen Assyrer zu ihrer Ausbildung nicht nach Babylon zu gehen brauchten und dort un¬ erwünschte Einflüsse erfahren könnten. Die grosse Bibliothek von Tontäfelchen, die er so in Ninive angelegt hatte und die von Layard entdeckt wurde, enthält doch nur Oopien von den Originalwerken, die sich im „Thurm zu Babel“ befanden. Die amerikanische Expedition hofft jedoch, bei genauen Nachforschungen unter seinen Trümmern diese Originale selbst und damit unschätz¬ bares Material für die älteste Geschichte der Menschheit, neben diesen älteren Täfelchen aber auch wertvolles Material für die späteren Zeiten des Nebukadnezar, des Wiederherstellers des Thurmes, zu finden. Südd. Z. u. C.-Z. Das erzieherische Element in der Architektur. ii. (Schluss.) Es werden ja zwar immer noch Gotteshäuser von grossen Abmessungen und vollendeten Kunstformen er¬ richtet, sobald dieselben eine Geltung als Staats- oder Stadtmonumente beanspruchen sollen; aber auch diese

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