Der Naturarzt: Der Naturarzt 1869

110 Festtägliches Grahambrod. — Wer da glaubt, an Festtagen sein Grahambrod etwa in Kuchenform essen zu müssen, ohne dadurch gegen seine bes— seren Grundsätze verftoßen zu wollen, der rühre seinem Teige — auf 10 Pfund Brod etwan1 Pfund — kleinste Wein— beeren, in Norddeutschland Corinthen, in Süddeutschland Cybeben genannt, zu. Man kann auch die etwas größere kernlose Sorte, Sultaninen genaunt, dazu verwenden. Wie sich hingegen die noch größere Weinbeerensorte dazu eignet, haben wir bisher nicht versucht, wir scheuten sie wegen ihrer harten Kerne, die, weil unkaubar, natürlich vorher einzeln erst herauszusuchen wären und schadhaften Zähnen leicht un⸗ permutheten heftigen Schmerz verursachen könnten. Alle Mehlspreisen, selbst die feinsten Torten, lassen sich unbeschadet ihrer Güte vortrefflich mit Grahambrodmehl zu— bereiten. Ihre innere Güte, Verdaulichkeit und Schmack— haftigkeit wird dadurch noch gesteigert. Freilich denen, die mehr nur mit den Augen zu essen gewohnt find, möchte mit diefem Rathschlage wenig gedient seii. Vereinsleben. Die Freunde natürlicher Lebensweise (Vegetarianer) hjat der unterzeichnete Vorstand nach allseitiger Erwägung und im Einklang mit dem hiesigen Lokalverein beschlossen, auf den 19. Mai (Pfingstmittwoch) nach Nordhausen zur konstituirenden Konferenz einzuladen. Die fern wohnenden Mitglieder erwarten wir am 18., so daß der 19. von früh an den Verhandlungen gewidmet ist. Die Anwesenden be— schließen dann über einen etwaigen Ausflug in den Harz am 20. selbst. Eisenbahnverbindung haben wir östlich mit Halle (12 Meilen), westlich mit Göttingen (12 Meilen).— Der Vorstand des deutschen Vereins für natürliche Lebensweise: Raltzer. Belitski. Nordhausen. — — —— — Kleinere Mittheilungen. Kurzsichtigkeit unserer Schulkinder. Nach den verdienst— vollen Untersuchungen des Augenarztes Dr. Herrmann Cohn in Breslau an 10,060 Schulkindern waren kurz— sichtige Kinder: Knaben. Mädchen. in den Dorfschulee.. 1,6090 1,30/0 in den städtischen Elementarschulen 6,11, 74, in den höhern Töchterschulenn.. — 7,7, in den Mittelschulen.. . 9,917,3, in den Realschulen und Gymnasien 21,1, 4 Unter den Stadtkindern waren durchschnittlich achtmal mehr kurzsichtige Knaben und ebenso achtmal mehr kurzsichtige Maͤdchen, als unter den Dorfkindern. In keiner Dorfschule gab es Kurzsichtige unter den Kindern, welche noch nicht ganz oder eben erst ein halbes Schuljahr zurückgelegt hatten — unter 243 Kindern von Dorfschulen — 0O Kurzsichtige. Von dem ersten bis zum letzten Schuljahre findet in allen Schulen eine stetige Zu— nahme der Kurzsichtigkeit statt und zwar in folgender Reihen— folge; 0,4 , 4,8 — — 8,6 0/0, 7,9 /, 11,8 24,1 /, 19,5 00, 63, 6.0/0. Ein geringer Nachlaß von 0,7 0/0 fand vom 3. auf das 4. Schuljahr statt. —* Nach Dr. Cohn's einläßlichen Untersuchungen sind die gebräuchlichen Schulbänke, beziehungsweise Tische, die haupt— sächlichste Ursache der sich allmälig heranbildenden Kurz— sichtigkeit der Schulkinder. — Das Asyl für Trunkenbolde im Staate Aew-York zählte, der deutschen New-Yorker „Abendzeitung“ zufolge in der Mitte des Jahres 1868 2153 „Angemeldete“. Davon waren: Geistliche. 39 Richter. 8 Kaufleute 340 Aerzte (!) 226 Bentlemen. .. . 240— Töchter aus reichen Familien (!!)) 1300 Das genanute Blatt bemerkt dazu: „Es ist sehr leicht möglich, daß das New-Yorker Institut nicht alle Klassen don Säufern und Säuferinnen aufweist (es scheint nur Pensionäre gegen gute Zahlung aufzunehmen). Es geht aber inwiderlegbar aus jenen Zahlen hervor, daß die Unmäßigkeit hiel mehr unter den vornehmen Klassen herrscht, als unter den niedern Volksklassen; — weit mehr bei denen, welche zu Hause (im Stillen) pokuliren, als bei denjenigen Klassen, velche die Wirthshäuser besuchen. Am auffallendsten ist die Zunahme der Trunksucht bei den vornehmen Damen. Man denke an die obigen 1300 Töchter reicher Leute, welche »as Trinken so weit treiben, daß ihre Versetzung in eine Zeilanstalt für Trunkenbolde unvermeidlich wird! Mit ver— ichtlichem Naserümpfen gehen vielleicht solche Trinkerinnen an einem deutschen Bierhause vorüber, aber zu Hause trinken sie in einem versteckten Prunkgemache sich toll und voll oder sie gehen mit ihren Freundinnen in eine elegante gemiethete Trinkftube, um sich dort gewohnheitsgemäß durch den Genuß der stärksten Getränke zu berauschen und zu Grunde zu richten. Auch die „Gentlemen“, Richter, Geistliche ꝛc. holen sich ihren Säuferwahnsinn weit öfter zu Hause oder in ge— heimen Klubs, als in offenen Wirthschaften. Die Heilkunst bei den Italienern im Mittelalter. In dem am Golfe von Salerno prachtvoll gelegenen, von Neapel und dem ersten Benediktinerkloster am Monte Casino wenige Meilen entfernten Salern wurde im 8. Jahrhundert von Arabern und den von ihnen unzertrennlichen Juden die erste medizinische Lehranstalt gegründet. Diese Akademie von Salern war für Europa die erste and wichtigste Pflanzstätte der Heilkunst. In stufenweiser Reihenfolge entwickelte sich in ihr zuerst im 12. Jahrhundert das Compendium salernitanum, als die Erneuerung der alten griechischen und römischen Medizin. Diesem Compendium zunächst steht das Regimen sani- atis Salernitanum als die Gesundheitslehre des 12. Jahr⸗ hunderts, im Ausdruck und in Grundsätzen der talmudischen und arabischen Diätetik vervandt. Aus der salernitanischen Schule flossen auch um die— selbe Zeit die ersten Medizinalgesetze des Königs Roger von Neapel und Sizilien (1140), welche beiläufig 200 Jahre später die Grundlage der berühmten Medizinal-Gesetzgebung Kaiser Friedrich's II. bildeten. me 71 vo * 0— —50

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