Kriechbaum, Vom Baiernstamme 5 A. W. Zlckfeldl, Osterwieck/Harz lieferung und freut sich über alte Geschichten. Man ist Neuerungen gegenüber sehr mißtrauisch, pflegt aber immer noch uralte Bräuche, wie Pferdeumritte und Tier opfer, Perchtentänze und Beschwörungen böser Geister. Man glaubt an Hexen und steht das wilde Gjoad (— Jagd) durch die Lüfte ziehen. Bairisches Land wird von allen Kennern nicht nur als Bauern- sondern auch alSgeistlichesLand bezeichnet. Zu dieser Namengebung paffen vor allem die zahlreichen Klöster, die Fülle an Wallfahrts- und Filialkirchen, die allerorts auf tauchenden Hauskapellen, Bildstöcke, Marterln und Wegkreuze. Wer aufmerksamen Auges durch'S Land wandert, der merkt gar bald, daß die Heiligenverehrung kaum irgendwo eine solche Pflege gefunden hat wie bei den Baiern. In jüngster Zeit hat freilich die Muttergottes zu Altötting, Maria Zell oder Maria Taferl, zahlreiche andere Heilige in den Hintergrund gedrängt, aber St. Florian, der Patron für Haus und Hof, St. Leonhard, der Viehpatron, und St. Sebastian, der Be schützer vor bösen Krankheiten, stehen noch überall oberhalb der HauSein- gänge oder in Kapellen. Bald sind es köstliche bäuerliche Schnitzwerke, dann wieder höchst altertümlich anmutende Hinterglasmalereien, die sich auch bis in die jüngste Zeit im Herrgottswinkel zahlreicher Bauernhäuser fanden. Religiosität und katholische Gläubigkeit dürfen nicht gleichgestellt werden. Die Religiosität des Baiern ist auch etwas anders geartet als die des Schwaben. Die des letzteren ist tiefer und innerlicher, die des Baiern mehr nach außen gekehrt, festlicher und prunkvoller. In diesem Sinne ist auch die Vorliebe des Baiern für den festlichen Stil des Barock zu verstehen. Wer also wesentliche Eigenschaften des bairischen Bauern kennenlernen will, der muß diesen nicht nur auf seinem Einödhofe oder im Dorfgasthause beobachten, sondern der muß auch eine der überaus prunkvollen Wallfahrtskirchen besuchen, zumal dann, wenn sich diesen oft uralten Gnadenstätten an hohen Festtagen Prozession um Prozession mit fliegenden Fahnen nähert. Auch in der Kleinstadt bleibt der Baier vielfach Bauer und selbst dort, wo er in Stadt oder Land anderen Beschäftigungen obliegt, bleibt die enge Bindung an den Boden bestehen. Es ist hier nicht Raum, in dieser Hinsicht die Ar beiten im Walde (Jäger, Holzknecht, Köhler, Flößer, Sägemüller), die Gewinnung von Salz und Eisen näher zu verfolgen. Selbst im Handel spielt der ländliche Markt eine beherrschende Rolle. Bei der Schilderung bairischen Wesens darf die Nachbarschaft von Oberitalien nie vergessen werden. Sie gibt manche Erklärung für die vieles beherrschende Katholizität, für das weithin den Kirchenbau bestimmende Barock, aber auch für das frühzeitige Eindringen des Mauerbaues, der zumal in den Städten den ursprünglichen Holzblockbau ganz verdrängte. Wie trefflich paßt schließlich das Bild des bairischen Bauernhofes in seiner behaglichen Weite, das Gefüge der bairischen Kleinstadt mit ihren riesengroßen Marktplätzen zu der körperlichen und seelischen Haltung des Baiern. Hier wie dort schauen wir etwas schweres, wuchtiges, massiges, das fest im Boden wurzelt. Und doch mildert wieder ein theatralischer Zug, eine üppig barocke Ausschmückung, eine merkwürdig zierliche Geste das Groß flächige und das oft allzu Derbe.