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igt
Primizfeier
des hochwürdigen Herrn
Johann Dallinger
in
Dde.e
Pfarrkirche zu Gurten,
aam 14. Februar 1844.
Vorgetragen
vorx
Fr. Hinterberger.
Mit Vewilligung der k. k. Zücher ⸗Censur.
der
BRKRied—
gedruckt bei Math. Kraͤnzl, priv. Buchdrucker.
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Text:
Ein jeder halte uns also für Diener
Christi,und für Verwalter der göttli—
chen Geheimnissez was aber von dem
Verwaͤlter gefordert wird, ist / daß
leder Pflicht - treu gefunden werde⸗
Kor· “ 4 22..
.
8
—
F
8
3
——
—
Wie schnell doch die Zeit dahin, — und der
Ewigkeit entgegeneilt! Vor fünfzehn Jahren als
ich die Seelsorge der hiesigen Gemeinde über⸗
nahm, war das erste Wort, das ich in eurer
Kirche gesprochen, auch an ein hiesiges Pfarr⸗
kind gerichtet, das sich den Priesterstand gewählt,
und damals sein erstes Meßopfer gefeiert hat.
Da wuchs nun eine kleine Pflanze unbemerkt und
unscheinbar unter Gottes Himmel heran; Gott
gab Segen und Gedeihen, und heute ist er im
Begriffe sein heiliges Amt mit dem heilige Opfer
des neuen Bundes anzutreten. Ich soll nun zu
dieser erhebenden Feier auch mein Wort hinzufü—
gen, soll an das Herz des neugeweihten Priesters,
und zu euch, der zahlreich versammelten Christen,
heit, reden, und soll euch mahnen was hier geschieht.
Was soll ich da nun euch sagen? — Ich habe
es euch schon kurz am letzten Sonntage gesagt!
—11RXXAI
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So wie unser neuer Priester gewiß das Herz voll
hat mit dem Gefühle, was er heute auf sich nimmt,
und wem er von heute an angehört, so wie er
es gewiß fühlt, wie noth es ihm thue, vom gan⸗
zen Herzen um Stärke und Hülfe zu dem zu fle⸗
hen, der uns allein tragen und halten kann, so
sollt auch ihr ihm bethen helfen, und sollt auch
für euch selbst bethen, daß ihr euch die Seelsor⸗
ger zu Nutzen macht, die euch der Herr zu Füh⸗
rern auf dem Wege des Heiles gegeben hat.
Aber wie am vorigen Sonntage, so sage ich euch
noch einmahl: nicht über die drückende Menge
freue ich mich, die ich hier versammelt sehe es
hat der Prophet nicht umsonst gesagt: Du hast
wohl die Menge, aber du hast nicht die Freude
daran vermehrt, da wir eh er fürchten müssen, die
gedankenlose Neugierde, die vielleicht die Mehrzahl
herbeigeführt hat, möchte eher den Segen stören
und aufhalten, um den es uns so noth thut zu
bitten! Mein, und aller Seelsorger Trost und
Freude sind nur die Wenigen, die ein offenes
Herz mitbringen, und denen es wirklich Ernst
ist, das Wort des Herrn in sich aufzunehmen.
Zu diesen will ich also auch jetzt reden! Das
Wort des Apostels, das ich vorausverkündet
habe, lehrt euch, als was ihr den neugeweihten
Priester und jeden Seelsorger betrachten sollt:
—
3
13—
als Diener Christi, als Verwalter der göttlichen
Geheimnissel! Da hört ihr aber auch das Wort
aussprechen, was euer Priester auf sich nimmt,
und wornach er einst soll gerichtet werden daß
er als Verwalter getreu erfunden werde! — Das
ist der Gegenstand, den ihr euch jetzt zu Herzen
nehmen sollt, wozu ich euch mit den Worien
Jesu auffordere: wer Ohren hat zu hören, der
höre!
*8
—
—
Ein Jeder halte uns, beginnt der Apostel,
für Diener Christi! — Christi Diener ist also der
Priester! Christus aber ist der, dem der Vater
alle Gewalt übergeben hat, weil er hier Knech—
tesgestalt angenommen, und sich erniedriget hat
bis zum Tode des Kreuzes. Er ist das Licht, der
Weg und die Wahrheit, und ist unser Mittler
und Fürsprecher bei dem Vater: und es wird uns
statt ihm kein anderer Helfer und Erlöser gege—
ben werden, wenn wir diesen durch Laster und
Unglauben von uns stoßen. Er ist es, dessen Nah—
men wir tragen, welcher Nahmen aber zu unse—
3 —
rer Verdammniß wäre, wenn uns der Vorwurf
des Propheten treffen sollte: euretwegen, eures
lasterhaften Lebens wegen wird der Nahme Got⸗
tes gelästert unter den Heiden! Er ist es, in dem
wir zu einem Leibe erwachsen sollen, von dem
Christus das Haupt, und zu einem heiligen, le⸗
bendigen Tempel, von dem Christus der Eckstein
ist! — Dieses Christus Diener ist der Priester.
Wir sind zwar alle seine Diener, er hat uns
unser Tagewerk gestellt; und von ihm erwarten
wir Segen hier auf Erden, und den Lohn der
Treue in der Ewigkeit. Aber wir sind hier nur
Pilger, und schauen sehnsuchtsvoll in unser Vater⸗
land, und nur wenn wir auch unser irdisches
Tagewerk dem Herrn heiligen, werden wir unser
ewiges Ziel erreichen. Und um uns den Weg da⸗
hin zu zeigen und den Willen des Vaters bekannt
zu machen, ist der Sohn vom Hinmel herab⸗
gekommen. Aber der Sohn, dem es Freude war
unter den Menschenkinder zu leben, hat sich
auch seine Apostel gewählt, die das fortfüh—
ren sollten, was er auf Erden angefangen hat;
ein reines Herz, guter Wille, Liebe zu ihrem
Meister und zu den Brüdern waren die Eigen—
schaften, die er von ihnen forderte; und- der Be—
weis ihrer Liebe gegen ihn, daß sie seine Gebo⸗
the hielten, und eben so bereit seien ihr Leben
7
M
hinzugeben für die Brüder, wie er sein Leben für
uns hingegeben hat. Und dafür erhielten sie schon
zum Voraus noch bei ihren Lebzeiten die herrliche
Belohnung, daß er hhnen hrache igrenue
nicht mehr meine Diener: denn der Diener weiß
nicht, was.der Herr vor hat; ich nenne euch meine
Freunde: denn ich habe euch alles bekannt gemacht,
was ich von meinem Vater gehört habe. Und dann
seid ihr wirklich meine Freunde, wenn ihr thut
—
mit seinem Geiste gestärkt, aus, daß sie das
Evangelium verkünden, und alle Völker zu ihm,
zur Liebe und zum Gehorsam gegen Jesus ver⸗
sammeln sollen. — J
Einen solchen Diener nennt sich nun auch
der Apostel Paulus, nicht einen Herrn, denn auch
sein göttlicher Lehrmeister bezeugt von sich, daß
er nicht gekommen, sei um zu herrschen, und sich
bedienen zu lassen: sondern um zu dienen und
sein Leben für alle hinzugeben; solche Diener sind
die Priester die euch zu dem Herren führen sol⸗
len: und ein solcher ist auch der junge Mann,
der unter euch geboren worden, neben euch auf⸗
gewachsen ist, den ihr heute sein heiliges Amt
am Altare antreten seht. Es ist alst o kein Herr⸗
scherplatz, den er da suchet, und wehe demjeni⸗
gen, der da nur des Lebens Müssiggang und Ge⸗—
8
mächlichkeit suchen wollte, wo es nur auf dienen
ankömmt; wehe dem, der nicht um so mehr für
seinen Geist sorgen wollte, je mehr ihm die Sor⸗
gen für seinen Leib abgenommen sind 3 wehe dem
der nicht um so mehr sein Sinnen und Denken
auf die Seele, und das Heil der ihm anver⸗
trauten Brüder richten wollte, je weniger er
von den Lasten zu tragen hat, die Geist und
Körper seiner Brüder niederdrücken
Erkennt darin eure Pflicht, ihr Pfarrgenos—⸗
sen! wie ihr den anschauen sollt, der als euer
Seelsorger vor euch steht. Er ist, als sein Die—
ner, von Christus zu euch gesandt; und dieser
hat ihm ausdrücklich die Weisung gegeben: wer
euch höret, der höret mich; und wer euch verach⸗
tet, der verachtet mich: wer aber mich verachtet,
der verachtet den, der mich gesandt hat! — Und
der Apostel gibt euch dazu die Mahnung: gehor⸗
chet und folget euern Lehrern, denn sie wachen
für das Wohl eurer Seelen, und müss en darüber
einst Nechenschaft ablegen, daß sie dieses mit
Freuden thun, und nicht mit Seufzern: denn die⸗
ses würde euch nicht zum Nutzen sein! — Jesus
ist der Hirt, ihr seid die Heerde, die er sich mit
seinem Blute erkauft hat: die Seelsorger sind die
Bothen und Diener dieses goͤttlichen Herren/ die
über seine Heerde wachen sollen. In ihnen hoͤrt
— J—
—A— —
—
zutz cceuhegüech
ihr die Stimme eures Hirten; zu ihm wollen sie
euch führen. Nicht ihr Wort ist es, was sie
zu euch reden: es ist die Bothschaft desjenigen,
der aller unser Herr und Hirt ist/ die sie euch
verkündigen. Der Diener ist freilich leicht zu Bo⸗
den geschlagen; und der Herr sagt es seinen Apo—⸗
steln schon zum Voraus, daß sie die Welt eben
so hassen werde, wie sie ihn gehaßt hatz und
daß ihr Lohn auch kein anderer sein werde, als
den er bekommen hat: Spott, Schimpf und Haß,
und, über was Jesus noch vor seinem Leiden ge⸗
weint hat, harte Herzen, die nicht erkennen wol⸗
len, was zu ihrem Heile dient; und gar oft
muß freilich der Seelsorger seufzen, daß, wäh—
rend jeder Tagelöhner die Frucht vorzeigen kann,
die er erarbeitet , und den Lohn, den er verdient
hat, er fürchten muß, Jahr aus Jahr ein ohne
Frucht und Dank gearbeitet zu haben. Aber be—
denkt: es kömmt der Herr selbst auch wieder, um
Rechenschaft von seiner Haushaltung zu fordern,
und er wird dann richten zwischen seinen Dienern
und der Heerde, der er sie vorgesetzt hat; dort
wird es sich zeigen, was recht und wahr ist vor
Gott: und dieses wird für Seelsorger und Pfarr⸗
kinder den Lohn bestimmen, den sie verdient
haben.
2
——
II.
Welche ist denn nun die Arbeit, die der Herr
seinen Dienern auferlegt hat? — Er ist, fährt der
Apostel fort, der Verwalter der göttlichen Ge—
heimnisse! Das ist wohl ein kurzer Spruch: aber
ein Inhalt, der Himmel und Erde erfüllt!
Wir sind von Gott ausgegangen, und sollen
wieder zu Gott zurückkehren! Aber unser Gewis⸗
sen klagt uns jeden Augenblick an: wir haben
Gott verlassen — unsern Helfer, unsere Stärke,
unsern Trost, und haben den Weg verloren „ der
uns zu ihm zurückführt: und da sind wir freilich
recht verlassen, und Hülfe - und Rathlosr um
was noch trauriger ist: in dem Stolze, in dem
Übermuthe, in der Blindheit der Lust und der
Laster prahlen wir uns/- und sagen: ich bin reich,
ich habe Überfluß, und bedarf nichts! und wissen
nicht, daß wir wirklich elend und arm, blind
und nackt für die Zeit und Ewigkeit sind 3 und
will uns es jemand sagen, und uns die Augen
über unser Elend öffnen, so heben wir, wie
die Juden gegen Jesus und Stephan, Steine
aͤuf, um auf sie zu werfen. Der Umfang und
— 11 —
die Möglichkeit einer Hülfe ist aber erst dann da,
wenn wir es wissen, daß wir arm sind, und bet
Gott unsere Hülfe suchen müff. en. Und er, der
uns gekannt hat, ehe wir im Mutterleibe empfan⸗
gen waren, hat auch für unsere Hülfe und Ret⸗
tung gesorgt, ehe wir gewußt h aben, daß wir
ihrer bedürfenz. und Iesus in es der uns dies⸗
Hülfe vom Himmel gebracht hat.
Wie uns nun Paulus sagt: ich weiß euch
von nichts zu reden, als von Jesus dem Gekreu⸗
zigten Mso können auch wir, seine Diener, immer
nur von ihm reden; euch immer nur aufmuntern
daß ihr euch seiner freuet, und euch zu Nutzen
macht, was er euch vom Himmel gebracht han
Schauet herum in der Kirche von dem Altare an—
gefangen alle Wände herum: sehet ihr da etwas,
was euch an euer Haus uud an das armselige,
hoffärtige Treiben und Sorgen des Lebens erin⸗
nert? Nein! da sind lauter andere Gestalten und
Gegenstände, die ihr außer der Kirche nicht sehet
E in s le heee ee
uns Christus vom Himmel gebracht hat: Mah—
nungen an das Erbarmen des Valers , der von
Ewigkeit unsere Rettung, und ser Liebe, die
von Ewigkeit unser Heil beschlossen hat — Was
euch aber eure Seelsorger davon sagen, und wie
sie euch Gottes Liebe verkündigen möchten, das
a
19
*
stud alles nur arme Worte: während uns Pau⸗
lus sagt: kein Auge hat es gesehen, kein Ohr
gehöret, in keines Menschen Herz ist es gekom—⸗
men, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben;
und selbst die Engel wünschen nur umsonst zu be—
greiffen, was Gottes Liebe und Erbarmen für
ins schwache Mer ger Ierhiur hate worüber auch
ns eest in der Evigkeit die Augen amfgehen,
—0
um uns genug darüber zu freuen, und dafür,
wie wir sollten, zu danken, was der Herr für
uns gethan hat. — Christus läßt nun die weni⸗
gen Brode, die er gesegnet hat, durch seine Jün⸗
ger austheilen, und Tausende werden satt: und so
hat Gott auch seine ewigen Geheimnisse, die uns
den Himmel öffnen, in schwache Priesterhände
gelegt, damit diese die Stelle des Vaters vertre—
len; und wie sie seinen Kindern den Willen und
den Trost des Vaters verkündigen, — so ihnen
cach die dunfe schellen, durch die ste sagen kön—
ir sud siect vurheden, der uns haftt und
in der armen Erdenh and liegt die Stärke und
Hülfe des Himmeͤss. Das Gebet, das heilige
Opfer des Altares, die heiligen Sakramente —
das sind die Geheimnisse, die der Priester verw al⸗
en e aeeesit, durch die Gettes Gua⸗-
de zu euch herabstrõmmt, und euch zu ihm erhe⸗
Mm28nslex
—
0
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ben will. So segnet Gott durch seine Sonne un⸗
sere Erde, und durch sie erwächst uns allseitig
unser tägliches Brordo.
Aber ihr wisset es ja, die Sonne scheint auch
auf den harten Stein, in den faulen ˖ Sumpf:
aber der eine bleibt hart und⸗kalt, und der an⸗
dere faul und stinkend, und Gottes Sonne kann
aus ihnen keine Frucht hervorlocken. So scheint
auch Gottes Gnade in alle Herzen, und möchte
sie erwärmen; und allen gibt Gott sein Brod
vom Himmel, und möchte sie ernähren zum ewi,
gen Leben. Aber wenn das Herz ein harter
Stein, ein träger Sumpf, — wenn es träg und
gleichgültig ist geggen das Gute, und das Ohr
verschlossen gegen die Stimme, die zu Gott ruf—⸗
fen möchte; und das Leben dem Laster hingege—
ben, sich weder vor Gott, noch Menschen sheuet,
so kann in diesem Steinein diesem Sumpfe auch
Gottes Gnade nichts wecken, und zum wachsen
und gedeihen bringen, und Gottes Geheimnisse
sind umsonst verschwendet. Aber überhört das
schreckliche Wort nicht, das wir von dem Augen⸗
blicke lesen, wo Jesus das groͤßte Geheimniß sei⸗
ner Liebe einsetzte, und uns sein Fleisch und Blut
zur Speise reichte damit wir ewig leben Judas
empfing auch mit den üb igen Aposteln das Hei⸗
ligste, aber mit dem * en fuhr der Teufel in
—5—— »
14 —
das Herz des Judas, und der Apostel fügt hin—
zu: wer unwürdig ißt und trinkt, der versündigt
sich an dem Leibe und Blute des Herrn, der ißt
und trinkt sich selbst das Gexicht! — Diese heili—
gen, diese schrecklichen Geheimnisse will unser
neuer Mitbruder in s einen zitternden Händen tra—
gen, und will ihr Verwalter sein! Wie darf er
dieses wagen ? Dann darf er es von Gottes
Gnade und Kraft gestärkt, wenn das Wort in
seinem Herzen lebt: von einem Verwalter wird
gefordert, daß er pflichtgetreu gefunden werde!
IIEI
Bon einem Verwalter, schließt der Apostel,
wird gefordert, daß er pflichtgetreu gefunden
werde! — Mit diesem Worte wende ich mich
also an Sie, verehrungswürdiger Priester des
Herrn, — und möchte ich zu ihren Herzen reden?
Wie darf ich es aber wagen, den selbst die Bür—
de der Menschheit und Gehrechlichkeit drückt? wie
darf ich andere mahnen, der ich selbst nur um
Erbarmen bitten muß? Doch vor Gottes Ange—
Kcht darf weder Sadduzäer ⸗æ Hochmuth, noch
18
— M—
Pharisäer ⸗Demuth laut werden, und je demü—
thiger der Titel, und je häufiger die Versicherun⸗
gen der Unwürdigkeit, desto tiefer brennt gewöhn⸗
lich der Hochmuth in dem Herzen; vor Gott aber
darf nichts anders als Wahrheit und ewiges Ge—
richt reden! und in diesem Sinne wage ich es,
Sie und mich an die Bürde zu mahnen, die wir
beide tragen, — und an das Pfund, das uns der
Herr anvertraut hat, von dem wir ihm einst die
Früchte vorweisen sollen. Der Apostel Jakob
mahut schon seine Mitchristen: meine lieben Brü—
der, daß doch nicht so viele von euch Lehrer zu
werden wünschten! bedenket doch, daß dadurch
nur unsere Verantwortung desto größer fein wirdi
Also nicht von größerer Gemächlichkeit redet der
Apostel, — sondern er mahnet uns an die gro—
ßere Verantwortung! Und diese Verantwortung
stellt uns der Prophet Ezechiel in s chrecklich hellem
Lichte vor die Augen; denn, so spricht der Herr
zu ihm, und zu jedem, dem er die Schafe seiner
Heerde anvertraut: Menschenkind, ich habe dich
zum Wächter über das Haus Israel gesetzt; du
sollst aus meinem Munde das Wort hören, und
in meinem Nahmen sie warnen! Wenn ich dem
Gottlosen Tod und Verderben drohe, und du
ihn nicht warnest und ihm nicht zuredest, daß er
sich von seinem bösen Wege bekehre, damit er
— 19 —
am Leben bleibe, so wird der Gottlose um seiner
Missethat willen sterben: aber sein Blut werde
ich von deiner Hand fordern! Wenn du aber den
Gottlosen warnest, und er von seiner Ruchlosig⸗
keit und von seinem bösen Wege sich nicht bekehrt,
so wird er um feiner Missethat 'willen sterben:
du aber hast deine Seele gerettet. Eben so, wenn
ein Gerechter von seiner Tugend abweicht und
Unrecht thut, so lege ich ihm eine Schlinge, daß
er sterbe. Warnest du ihn nicht, so wird er um
seiner Sünden willen sterben: und an die Tugen⸗
den, die er geübt hat, wird nicht mehr gedacht
werden: aber sein Blut werde ich von deiner
Hand fordern! Wenn du ihn aber gewarnet hast
den Gerechten, daß er nicht sündigen soll, und
er nicht sündigt, — so soll er leben, weil er sich
hat warnen lassen: und du hast deine Seele ge—
reitet! — Soll ich Ihnen, verehrter Mitbruder!
diese Worte noch erst erklären ? Klopft Ihnen
nicht ohnehin das Herz, und brennt in demsel⸗
ben nicht ohnehin die Rede: Ist nicht mein Wort
spricht Jehofa, wie Feuer und wie ein Hammer,
der Felsen sprengt? Und wollen Sie nicht lieber
vas fanftere Wort des Apostels hören: habt Acht
auf euch selbst, und auf die Heerde, über die euch
der heilige Geist gesetzt hat, um die Kirche Got⸗
tes zu weiden, die er sich mit seinem Blute er—
17
kauft hat! Weidet die euch anvertraute Heerde
nicht aus Zwang, sondern mit Freude, nach Got—
tes Willen; nicht aus schändlicher Gewinnsucht,
sondern aus Liebe: dann werdet ihr, wenn der
Hirt erscheint, den unverwelklichen Lorberkranz,
erhalten —
Abber an euch wende ich mich, christliche Zu⸗
hörer! ihr sollt auch das schreckliche Wort nicht
überhören, das der Herr zu euren Seelsorgern
spricht: und die schreckliche Verantwortung, die
für euch auf ihrer Seele lastet! — Menschenkin—⸗
der nennt uns Gott selbst, — also schwache,ge⸗
brechliche Geschoͤpfe, die schwer genug an ihrer
eigenen Schuld zu tragen haben; und diese schwa⸗
chen Menschenkinder sollen auch noch eure Last
tragen: euer Blut, eure Seele soll aus ihrer
Hand gefordert werden, wenn sie euch nicht zu⸗
reden, wenn sie euch nicht von den bösen Wegen
hinweg, und zu Gott hinzuwenden sich bemühen.
Was sollen wir Seelsorger nun thun? Reden
wir, wie es uns der Herr gebothen hat- so ist
der Dank von eurer Seite — Gott Lob nicht von
allen, aber doch immer gar zu oft! — Haß,
Schimpf, Feindschaften; und ist auch dieses
äußerste nicht der Fall, wie schmerzlich ist schon
dieses, wenn der Leichtsinnige sagt: heute hat er
wieder recht geschrieen! und aus vollem Halse
Metcre Muh
dazu lacht; und wenn der Gedankenlose schon
unter der Kirchenthür nichts Gutes und nichts
Böses von dem weiß „was der Seelsorger ge⸗
mahnt hat! Und wie wehe thut der Gedanke:
Gott selbst hat sein Heil vom Himmel herabge⸗
sasdt, und reicht von . dort · seire helfende · Hand
dem Schwachen: und gar viele wollen nicht dar⸗
ch grefen! Wo soll er da Lust und Muth her⸗
ehnen, doch fort zu reden und foͤrt zu arbeiten?
Das Wort des Herrn ist da der schreckliche, bis
in die Seele hinein hauende Sporn: von dir
ede ich sein Blut fordern ¶ Und da darf er
cht mit gleisch und Blut zu Rathe gehen; darf
siche mcht mehr am Freundschaft und Feindschaft,
icht un Lob und Tadel bekummern· er muß re—
hen was ihm der Herr gebothen hatz und nur
u dem Herrn rufen: fei du mein Zeuge, daß ich
ine Bochschaft getreu auggerichtet.¶ habe! daß
h nicht an dem Verderben derer Schuld bin,
die dich nicht hören !.
Werden aber Sie, Priester des Herrn, auch
nicht muthlos, wenn ich sie-sch on an eine trübe
Zukunft mahnen muß! Auch Elias s eufzte einst
zu dem Herrn: die Söhne Israels haͤben deinen
Bund verlassen, deine Altäre niedergerissen, deine
Propheten erwuürgt mit dem Schwerte; und ich
* —
—
10
4
bin allein übrig geblieben: und nun trachten sie
auch mir nach dem Leben! — Gott aber tröstete
ihn: ich habe mir doch noch eine Zahl übrig be⸗
halten, die den Götzen nicht gedient, und sich
nicht mit Lastern befleckt haben! — Und so erhält
der Herr auch jetzt noch immer solche, die dem
Hirten zum Troste, und zur Aufmunterung sind:
denen es Ernst ist, den Christennahmen nicht
umsonst zu tragen. Sind sie auch nur wenige,
und nur ein kleiner Same, so kann der, von
dem Segen und Gedeihen kömmt, auch aus ihnen
eine reiche Erndte aufwachsen lassen. — So ge⸗
hen Sie denn der Heerde voraus in dem Sinne
des Apostels: ich mache mir wenig daraus, wie
ich von euch, oder irgend einem menst chlichen
Gerichte beurtheilt werde; auch nicht mein eige⸗
nes Urtheil soll über mich entscheiden; denn ob
ich mir gleich nichts bewußt bin, so bin ich doch
noch nicht gerechtfertigt: mein Richter ist der
Herr! Dann werden Sie. auch, wenn das Ende
va ist, dem wir alle entgegengehen, getrost sagen
können: ich habe den guten Kampf gekämpft, die
Laufbahn hollendet, den Glauben bewahrt: jetzt
erwartet mich die Krone der Gerechtigkeit, die
der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tage
geben wird, mir und allen, die sich auf seine
Wiederkunft freuen! An euch aber ergeht im Nah,
20
men eurer Seelsorger die letzte Ermahnung: was
ihr gelernt und empfangen, und was ihr an mir
gesehen habt, das thut: und der Gott des Frie⸗
dens wird mit euch sein!
Das ist es, was ich heute aus meinem Her⸗
zen zu Ihnen und zu den Herzen der Versammel⸗
ten sprechen wollte; und ich mag keine demüthi⸗
ge Pharisäer⸗Formeln hinzusetzen, die doch we⸗
der Gott noch Menschen betrügen können. — Die
edle Palme hebt sich desto muthiger und kräftiger
empor, je größer die Last ist, die sie niederdrü⸗
cken will; darum habe ich auch Ihnen die schwe⸗
re Last nicht verschwiegen, die Sie auf sich genom⸗
men haben; — denn Sie kennen auch den, der
Ihnen tragen hilft, und können muthig und freu⸗
dig sagen: ich bin stark in dem, der mich kräf—
tigt! Und diese Kraft von oben erwarten und
erbitten Sie mit Zuversicht aus dem heiligen
Opfer der Christen, das Sie jetzt zum erstenmahle
dem Herrn darbringen wollen. Die heiligen Vä⸗
ter nennen es ein schreckliches Opfer: und mit
Recht, wenn wir bedenken, was da in schwache
—
—
213 —
Menschenhand gelegt wird. Sollen wir es denn aber
nicht auch eben so mit Recht ein freudiges, trost⸗
reiches Opfer nennen, wenn wir da als die Kin—
der des Hauses, die nicht Knechtesfurcht nieder⸗
drückt, sondern die freudig zu Gott rufen: Abbal
lieber Vater! zu dem heiligen Tische hintreten,
um das Kinderbrod aus der Vaterhand zu em⸗
pfangen? So treten Sie also zum Altare, wie
mit Ehrfurcht, so noch mehr mit Liebe und voll
des Gefühles der Güte und des Erbarmens, das
Himmel und Erden erfüllt, das da über uns
arme Menschenkinder ausströmmt; und bethen
Sie voll dieses Gefühles: wie soll ich dem Herrn
vergelten, was er an mir gethan hat? Ich will
den Kelch des Heiles nehmen, und den Namen
des Herrn anrufen! und empfangen Sie dann
die Speise und den Trank, die sie nähren sollen
zum ewigen Leben. Und Ihr Ruffen soll nicht um⸗
sonst sein: er wird sie hören, dessen Aug' und
Ohr Tag und Nacht offen sind für alle, die
auf ihn vertrauennnn
Zu diesem Helfer und Geber alles Guten
bethet aber auch ihr versammelte Christen! denn
es ist ja eine der schönsten Mahnungen des Herrn
und eine der schönsten Bruderpflichten, daß wir
für einander bethen, daß wir gerettet werden
Bethet für den Priester, daß er getren in seinem
—
spo
—
Berufe ausharre, bis der Herr kömmt; bethet
aber auch für euch selbst, daß euch der Herr
offene Herzen für das gebe, was euer Seelsor⸗
ger im Namen des Herrn an euch thut, und wo⸗
hin sie euch leiten möchten. Ist uns dieses Bethen
Ernst, so führen wir uns wechselseitig dem Him⸗
mel entgegen, das uns der Vater durch seinen
Sohn Jesus vom Himmel gebracht hat. Gott gebe
uns beiden, Priester und Volk, seinen reichlichen
Segen, und Erfüllung unserer Vorsätze!
Amen.