Das Grabmal des Virgils. Unmittelbar über der Grotte vom Pausillppo *) durch wel- che die Strasse von Neapel nach Puzzoli führt, befindet sich das Grabmal dieses unsterblichen Dichters. Das Grab selbst, das von viereckigen Mauersteinen erbaut ist, verräth nach der Bauart, daß es unter Augustus Regie- rung errichtet wurde. Doch wie die Zeit an Allem nagt, so auch an diesem Grabe, das zum Theil nicht mehr seine erste Gestalt hat, und von Schlingpflanzen umwunden ist. Die Inschrift, welche man gegenwärtig noch auf diesem Denkmale sieht, ist aus dem sechszehnten Jahrhundert, und lautet in der Übersetzung: „Ihr sucht die Asche des Virgils? Ihr wer- det nichts als die Merkmale des Grabes von je- nem Sänger finden, der die Wiesen, die Fel- der und die Helden besungen hat!" Sie wurde statt der, dem Virgil selbst zugeschriebenen, gesetzt: *) Diese Hohle ist in dem Gebirge Pausitippo ausgegraben. Ihre Länge beträgt 63 Fuß, ihre Höhe 50, und ihre SSmte 18 Fuß. Wenn dieses so kühne als schwierige Werk zu Stande gebracht worden ist, weis man nicht. Man vermu- thet indessen, daß es in der grauesten Vorzeit unternommen ward, und selbst vor der römischen Herrschaft. Daß dieser unterirdische Weg, den ein Bette von vulkanischem Tufstein durchschneidet, veranlaßt wurde, entweder um Baumateria- lien zu gewinnen, oder eine bequeme Strasse anzulegen, vermittelst welcher das Uebersteigen des Gebirges oder Um- wege vermieden wurden, beweist, daß diese Gegend vormals sehr bevölkert war. Don Juan von Arragonien, Vizekönig von Neapel, und Peter von Toledo, unter Karl dem Fünften, ließen diesen Weg erweitern, und gestalteten ihn so, wie er noch heuti¬ ges Tages ist. Durch zwei in der Mitte der Strasse 'be- sindliche Oeffnungen fällt Licht hinein; es ist aber so schwach, daß man am hellen Tage Fackeln anzünden muß, um ein- ander ausweichen zu können; denn dieser Weg ist beständig voll von Fuhrwerken, Reitern und Fußgängern. . **) In dem Werke: Die Landbaukunst. „Mantua gebar mich, Kalabrien erzog mich, Parthenope ^jetzt Neapel genannt) begrub mich. Ich sang die Wiesen, die Felder und die Helden!" V ir g i l i u s (Publius) Maro, der glückliche Dichter des herrlichen Epos-Alerüis betitelt, welches zwar nicht Ho¬ mers Heldengrößen und Kämpfe in einem großartigen Style schildert, aber in romantischen Szenen, denen es jedoch auch nicht an Waffenruhm mangelt, gemüthlicher uns anspricht, war unter dem Consulat des Crassus und Pompejus im Jahre 70 vor Christi Geburt zu Andes, einem Flecken unweit Man- tua geboren. Sein Vater besaß ein kleines Landgut, das er selbst baute. Virgil erhielt eine liberale Erziehung. Er be- suchte für seine Studien Cremona, Mailand und Neapel. Un- (er einem gewissen Syro ftudirte er die epikureische Philoso- phie, und hatte wahrscheinlich jenen Varus, an den er seine sechste Ekloge richtete, zum Mitschüler. Wenn, wie man glaubt, Virgil seine eigenen Begebenheiten als Tityrus in der ersten Ekloge erzählt, so war er dreißig Jahre alt, als er zum er- stenmal nach Rom kam, um seine Ländereien, welche nach dem Kriege gegen die Republikaner von des Octavius und Anto- nius Soldaten in Besitz genommen worden, rückzuerbitten. Hier ward er von Pollio oder einem andern Beschützer bei Octavius eingeführt, und gewann die Besondere Gunst des Mecänas. Auf ihre Verwendung wurde ihm die Rückgabe sei- nes Gutes versprochen. Als er es aber wieder in Besitz neh- men wollte, widersetzte sich der neue Eigentümer, und be- drohte sein Leben. Erst nach einer zweiten Reise nach Rom und wiederholten Ansuchungen gelangte er zum Wiederbesitze. Er dichtete um diese Seit noch mehrere Eklogen, deren zehnte und letzte man in sein 33stes oder 34stes Lebensjahr setzt. Der Anfang seiner Georgica, die er aufMecänas Antrieb unternahm, soll nach den Grammatikern in sein 34stes Jahr fallen. Er arbeitete sieben Jahre daran, meistens zu Neapel. Diese Angaben sind jedoch nicht ganz sicher» Gewisser ist, daß die Aeneide sein letztes Werk war. Er stand jetzt in großer