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Beumelburg
Sperrfeuer um Deutschland
Linbandgestaltung von Lurt Tillessen
S8Z7V
AlleRechte, insbesondere das der Übersetzung in fremde Sprachen, der
Verfilmung und Verbreitung durch Rundfunk vorbehalten. Copyright
zgsb by Gerhard Stalling AG., Oldenburg (Oldb). Gedruckt und ge-
bunden 1942 von der Gerhard Stalling AG., Oldenburg (Oldb).
Printed in Germany
Vorwort
Es scheint mir nötig, der Jugendausgabe von „Sperrfeuer um
Deutschland" einige besondere Worte vorauszuschicken. Vielfach ist
schon in den letzten Jahren an mich der Wunsch herangetreten, eine
solche Ausgabe zu schaffen. Ich habe diesen Wunsch abgelehnt, so-
lange der Staat mir nicht den Idealen und Grundsätzen zu entsprechen
schien, die mich bei der Niederschrift dieser umfassenden Darstellung
des großen Krieges erfüllten und die ich als das heilige Vermächtnis
meiner gefallenen und lebenden Kameraden an ein neues deutsches
Geschlecht betrachtete.
Dieser hemmende Grund ist nun fortgefallen, und ich lasse diese
Ausgabe hinausgehen in der festen und freudigen Überzeugung, durch
sie die gewaltigen Vorgänge des großen Krieges und das tiefe Erleben
des deutschen Soldaten einer Jugend zu übermitteln, deren innige
Verbindung mit ihrem deutschen Vaterland mir Inbegriff meines
Schaffens war und ist.
Die vorliegende Jugendausgabe ist eine stark gekürzte, straffe Zu-
sammenfaffung des ursprünglichen Textes. Sie soll der Jugend die
Möglichkeit geben, sich einen wahrhaftigen und lebendigen überblick
über das gewaltige Geschehen zu erwerben und wird auch dem Lehrer
als Mittel zum Unterricht dienen, ohne ein Leitfaden im alten Sinne
zu sein.
Die Zusammenziehung des Textes und die Gestaltung des An-
hangs lagen in der Hand von Or. Jürgen Eggebrecht, dem ich hierfür
zu Dank verpflichtet bin.
Berlin, is;;/zs
Der Verfasser
TO i b muntj
ie Ereignisse, die dieses Buch darstellt»
4 j^JtPurfem von einem einzelnen beschrieben.
JttQgg/s Aber der Geist des Schreibenden ge-
horchte dem Geist der Masse, -ie jene Ereignisse
gestaltete. Dreizehn Millionen Deutsche trugen den
Waffenrock. Sechs Millionen davon bluteten. §ast
zwei Millionen kehrten nicht mehr heim. Die heim-
kehren dursten, sind über das deutsche Land ver-
streut, und jeder arbeitet an seinem Teil. Einmal aber
waren sie einer Idee unterworfen, einem willen,
einem Schicksal. Ein Name aus jenen stählernen
Jahren überleuchtet alle anderen. Er war Glaubens-
bekenntnis, Hoffnung und Zuversicht. Im Geiste
der Millionen, der lebenden und der toten, ist
dieses Buch als ein Gelöbnis und ein Bekenntnis
indenburg
gewidmet.
XX>iömung dieses Buches, das die
Ereignisse des ^Weltkrieges in ihrem
Zusammenhange darstellt und diese Schilderung
mit dem Fühlen des tapferen deutschen Front-
kämpfers erfüllt, nehme ich in treuerErinnerung
an meineRameraden, die lebenden und die toten,
dankbar entgegen. Möge der Geist, der in den
vier stählernen Iahren des großen Lrieges alle
Deutschen, die im Felde und die in der Heimat,
beseelte, der Geist aufopfernder Vaterlandsliebe
und zusammengeschlossener Einigkeit, unserem
deutschen Volke wiederkehren!
Generalfeldmarsch all, Reichspräsident
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil
Kampf ums Leben
Seite
1. RapLtel: Die Schüsse von Serajewo ........................ )7
r. RapLtel: Siegeslauf Lm Westen ............................ rr
3. RapLtel: Tannenberg ...................................... 30
4. Rapitel: Das Marnedrama, Antwerpen und Apern.............. 36
5. RapLtel: Feldzug in Polen, den Rarpaten und Masuren ...... 47
6* RapLtel: Rreuzerkrieg, Rolonien und Blockade ............. 54
7. RapLtel: Das zweite Jahr ................................. 60
Zweiter Teil
In Feffeln geschlagen
6. RapLtel: Angriff auf Verdun............................... 77
9. RapLtel: Die Brussilow-Offensive ......................... 84
)o. RapLtel: Die Gommeschlacht .............................. 66
1). RapLtel: HLndenburg ................................... 93
ir. RapLtel: Rumänien ...................................... 95
13. RapLtel: Skagerrak...................................... )o)
14. RapLtel: Heer und Heimat ................................107
15. RapLtel: Der Rreuzzug der Amerikaner ....................111
16. RapLtel: Die dreifache Frühjahrsschlacht .................US
Dritter Zeit
Der Zusammenbruch
17. RapLtel: Die Friedensresolution .........................1*5
16. RapLtel: Flandern .......................................1*9
19. RapLtel: Vom Isonzo bis an den Piave.....................135
ro. RapLtel: Friede Lm Osten ............................... 140
ri. RapLtel: Die große Schlacht .............................145
rr. RapLtel: Der Umschwung ..................................154
L3. RapLtel: Die RapLtulation ............................. )6z
Anhang
Übersicht ....:..............................................177
Die Originalausgabe umfaßt 542 Seiten. Sie ist aufgeteilt Ln 34 RapLtel.
Zum Geleit
Es sind viele Bücher über den Krieg geschrieben worden. Solche,
die den historischen Verlauf der Ereignisse feststellen, und solche, die
sich zum Ziel gesetzt haben, die seelischen Vorgänge an der Front und
in der Heimat zu ergründen.
Mit vollem Bewußtsein wird in diesem Buche ein Schritt weiter
getan.
Es soll unternommen werden, die kriegerischen Vorgänge mit den
seelischen Vorgängen zu verschmelzen. So soll ein Gemälde entstehen,
das, begründet auf den Ergebnissen zuverlässiger Forschung, das
lebendige Gesicht des Krieges festhält.
Die Ergebnisse der Forschung liegen fest. Das lebendige Gesicht
droht zu verblassen, wie fern erscheinen uns heute schon jene Jahre,
in denen wir das große Sperrfeuer um Deutschland legten, dem feind-
lichen Ansturm ringsum begegnend.
Der Krieg war hart, seine Forderungen unerbittlich. Ihm ins
Angesicht zu schauen, erfordert Mut.
Ich wende mich an die Eltern, die ihren Söhnen begreiflich machen
wollen, wie es in jenen Jahren zuging, welche Gefühle uns beherrsch,
ten, welche Forderungen an uns gestellt wurden.
Ich wende mich vor allem aber an die Jugend selbst, die den Krieg
nur vom Hörensagen kennt und von den Grabsteinen, vor denen sie
bisweilen steht.
Ich lasse dieses Buch hinausgehen, ohne zu fürchten, das harte
Gesicht des Krieges, das ich zeige, werde irgend jemanden erschrecken.
Jedermann soll ihm offen ins Auge schauen.
So wird das Vermächtnis derer, die er aus dem Leben riß, als
ihr Erbe auf uns kommen.
Dies Vermächtnis heißt Männlichkeit, Kameradschaft und Liebe
zum Vaterland.
Werner Beumelburg
1. Kapitel
Die Schüsse von Serajewo
Im gerbst )oir hebt der russische Großfürst Nikolai NLkolaje-
witsch, als Vertreter des Zarenreiches an den großen französischen
Manövern teilnehmend, beim Abschiedsdiner sein Glas, gefüllt mit
schäumendem Lhampagner, und ruft unter dem begeisterten Beifall
der französischen Offiziere: „Ich trinke auf unsere gemeinsamen Siege
Ln der Zukunft! Auf wiedersehen in Berlin, messieurs!" Rußland
aber hat seine Vorbereitungen für den Krieg noch keineswegs beendet.
Im Dezember des gleichen Jahres tagt Ln London die große
Balkankonferenz der Mächte. Es gilt, den Krieg zu liquidieren, den
der Balkanbund auf Rußlands Geheiß gegen die Türkei vom Zaune
gebrochen. Mögen Deutschland und Österreich sich auch sträuben, die
Türkei verschwindet bis auf einen unbedeutenden Zipfel aus Europa.
Ein selbständiges Albanien entsteht, dem Protest der Balkanstaaten
zum Trotz.
Unter stärkstem Druck versuchen die Großmächte die lüsternen
Sieger zu zähmen. Da bricht zwischen den beiden größten von ihnen,
Serbien und Bulgarien, der ^ader um die Beute aus. Griechenland
ergreift Partei für Serbien. Rumänien beeilt sich, Bulgarien in den
Rücken zu fallen, und Serbien ist der Nutznießer seines Unglücks.
Die Stunde rückt näher, in der die großferbischen Träume reifen.
Rußland hat während des Balkankrieges und während der Londoner
Konferenz gut sekundiert.
Noch bevor man Ln London sich heiß und vergeblich bemüht, den
Balkan zu ordnen, setzen im September des Jahres i§ir nach ein-
gehenden und jahrelangen Besprechungen die Vertreter der eng-
lischen und französischen Admiralität ihre Unterschriften unter die
englisch-französische Marine-Konvention. Ihre Bestimmung ist die
Regelung des Zusammenwirkens der beiderseitigen Flotten im Falle
eines Krieges mit Deutschland. England wird die ganze Nordsee
einschließlich der französischen Nordküste unter seine Fittiche neh-
men. Frankreich übernimmt das Mittelmeer, denn man weiß noch
nicht mit Bestimmtheit, auf welche Seite Italien, das vertraglich
8 Sperrfeuer, Jugendausgabe
17
immerhin ein Mitglied des mitteleuropäischen Dreibundes ist, sich
stellen wird.
Dies Abkommen, sehr bald durch Vereinbarungen über das Zu-
sammenwirken der Landheere ergänzt, hat seine besondere Geschichte.
England will die Verständigung mit Deutschland wohl, wenn
Deutschland einseitig Opfer dafür bringt und seine Flotte reduziert.
Es will sie nicht, wenn es selbst dadurch zu einer klaren Stellung-
nahme gezwungen wird. Es hat im Gegenteil nichts Eiligeres zu
tun, als seinen schon lange bestehenden engen Beziehungen mit Frank-
reich durch die Marine-Konvention und durch militärische Verein-
barungen einen eindeutigen, gegen die Mittelmächte gerichteten Cha-
rakter zu geben.
Rasch folgt eine Verständigung mit dem Zarenreich über die alten
Differenzen der beiderseitigen Politik im nahen Asien. Sie ist das
persönliche Werk König Eduards VII.
Das Jahr 1014 zieht herauf, mit ungeheueren und kaum noch er-
träglichen Spannungen geladen.
Rußland schließt mit Frankreich die letzte Milliardenanleihe ab.
Sie gilt, wie offen zugegeben wird, für den Bau strategischer Bahnen
gegenüber Österreich und Deutschland. Ein russischer Kronrat stellt
im Februar ein „Aktionsprogramm" auf. Der russische Außen-
minister Sasonow erklärt vor diesem Kronrat, vielleicht müsse Ruß-
land sich schon in naher Zeit „seiner historischen Aufgabe unter-
ziehen" und die Herrschaft über den Bosporus und die Dardanellen
antreten. Es bestehe kein Zweifel, daß dieses Ziel nur durch einen
europäischen Krieg erreicht werden könne.
Serbien besitzt schon Rußlands geheime Zusicherung, daß die
österreichische Provinz Bosnien sein Eigentum werden solle.
Frankreich hat das Höchstmaß seiner militärischen Friedens-
anstrengungen fast erreicht. Getrieben von dem nimmer ruhenden
Schrei nach Revanche, von einer verhetzten und durch den letzten
marokkanischen Zwiespalt leidenschaftlich erregten Volksstimmung
getragen, hat die Regierung sich von der Kammer mühelos die drei-
jährige Dienstpflicht gewähren lassen. Ihre Auswirkungen werden
bald voll in die Erscheinung treten. Seit mehreren Jahren ist die
militärische Organisation der Kolonien so gefördert worden, daß im
Kriegsfalle alsbald eine halbe Million Marokkaner und Senegalesen
zusammengebracht werden kann, um sie gegen die Mittelmächte zu
verwenden.
Deutschland lebte im Frieden seiner Arbeit und seines Wohlstan-
des, den es, gestützt auf seinen Fleiß, seine Begabung und auf die
glückliche politische Hand der vergangenen Generation erworben. Es
gab durch einen Krieg nur zu verlieren, durch den Frieden nur zu
gewinnen. Aber die Zeichen der Zeit wollten verstanden sein. VNchs-
würdig die Nation, die, von feindlichen Waffen umgeben, im Genuß
eines trügerischen Friedens ahnungslos dem Verderben entgegen-
treibt.
wer ahnte um die Mitte des vergangenen Jahrhunderts, daß
Deutschland J9J$ mit -r,5 Milliarden Ein- und Ausfuhr als zweit-
größte Handelsmacht der Welt nur um 4,5 Milliarden hinter Groß-
britannien zurückstehen würde, während die Vereinigten Staaten
von Nordamerika als dritte erst mit 7 Milliarden folgten) )67)
zählte das neue deutsche Reich bismarckischer Prägung 4) Millionen
Einwohner. 1914 umschlossen die deutschen Grenzen 0$ Millionen.
Nur zögernd und mit unsicher tastenden Schritten betrat Deutsch-
land den weg der Kolonialpolitik, der ihm durch seine Industriali-
sierung und seine Entwicklung zum welthandelsvolk vorgeschrieben
war. Als Bestreben galt, niemanden zu reizen und niemandes Groll
zu erregen.
während England und Frankreich dabei waren, die herrenlosen
Gebiete der Welt untereinander zu verteilen, gab Deutschland sich
mit Geringem zufrieden. Das Tempo unserer Kolonialpolitik blieb
weit hinter dem unserer wirtschaftlichen Entwicklung zurück. Als wir
uns endlich besannen und uns zu einem aktiveren Vorgehen ent-
schlossen, war die Welt bereits aufgeteilt.
Der Schutz unseres Handels erforderte nach den politischen Grund-
sätzen, denen alle Mächte gehorchten, eine starke Kriegsflotte. Die
Flotte machte England zu unserem erbittertsten Gegner, weil sie der
stärkste und sichtbarste Ausdruck unserer rasch fortschreitenden Han-
delsentwicklung war. Es glaubte sich nur solange Ln Sicherheit, als
es die unbedingte Herrschaft über die See innehatte.
Am r§. Juni 1914 krachen in den Straßen von Serajewo, der
bosnischen Hauptstadt, die Revolverschüffe, die ein serbischer Stu-
dent abgefeuert. Der österreichisch-ungarische Thronfolger, Erzherzog
Franz Ferdinand, und seine Gemahlin sind die Opfer.
Das Echo dieser Schüsse schallt über Europa und bringt den
ganzen Erdteil zum Erzittern.
woher der Haß gegen den Erzherzog)
Serbien wartete mit Ungeduld auf den Tod des alten Kaisers
Franz Joseph. Alle Welt wußte, daß Ln erster Linie seine Ehrfurcht
gebietende Person die auseinanderstrebenden Teile der Donau-Mo-
narchie aneinanderband. Auch Franz Ferdinand, der Thronfolger,
war davon durchdrungen. Er versuchte die feindlichen Glieder der
Monarchie miteinander zu versöhnen und dadurch einen bindenden
Ersatz für die Gestalt Franz Josephs zu finden.
wo aber blieb dann die Erfüllung der großserbischen Pläne)
19
2*
Am 4. Juli sendet der bedauernswerte alte Kaiser, der so viel
Unglück in seinem Hause sah, ein Handschreiben an seinen kaiser-
lichen Verbündeten in Berlin und erklärt darin, daß Österreich-
Ungarn nun der hemmungslosen serbisch-russischen Agitation auf
dem Balkan nicht mehr untätig zuschauen könne. Das Verbrechen
von Serajewo verlange nach Sühne.
Kaiser Wilhelm bringt in seiner Antwort zum Ausdruck, daß
auch er die Lage für ernst halte. Gleichwohl begibt er sich auf die
gewohnte Nordlandreise. Auch die amtlichen Stellen der deutschen
Politik halten sich in den ersten Tagen noch zurück. Man glaubt noch
nicht an die Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Verwicklung und
verläßt sich auf die Arbeit der Diplomatie. Als sich aber die un-
mittelbar drohende Kriegsgefahr immer deutlicher abzeichnet, setzt
eine energische deutsche Friedenspolitik ein.
Am 22. Juli gibt der österreichische Botschafter in Berlin der
deutschen Regierung Kenntnis von dem Text des Sühne-Ultimatums,
das bereits unterwegs ist. Der Reichskanzler findet den Inhalt ziem-
lich scharf und drückt sein Befremden aus, daß man ihn nicht vorher
zu Rate gezogen hat.
Das Ultimatum, am 23. Juli in Belgrad überreicht, fordert eine
Erklärung der serbischen Regierung, daß sie die großserbische Pro-
paganda verurteile. Es ist mit zwei Tagen befristet.
Am nächsten Tage wendet sich Serbien an Rußland und erklärt
Ln Petersburg, daß es den Ratschlägen folgen werde, die man ihm
dort gebe. Rußland braucht Zeit, um sich mit seinen großen Verbün-
deten ins Benehmen zu setzen.
„Lokalisierung" des Konflikts oder nichts
England und Deutschland sind gemeinsam darum bemüht. Ruß-
land und England fordern, daß Österreich die Laufzeit des Ultima-
tums um zwei Tage verlängert. Deutschland befürwortet diesen
Vorschlag Ln Wien. Die deutsche Regierung spricht deutliche Worte
Ln Wien und erklärt, Deutschland sei nicht bereit, durch Mißachtung
seiner Ratschläge sich in einen unabsehbaren Weltenbrand hinein-
ziehen zu lassen. Berlin fordert, daß Wien sich unmittelbar mit
Petersburg auseinandersetze.
Der dringende Appell kommt zu spät.
Des russischen Beistandes sicher, hat Serbien schon vor der Über-
reichung seiner Antwort an Österreich die Mobilmachung seiner ge-
samten Armee angeordnet. Als Antwort auf die serbische Mobil-
machung befiehlt Kaiser Franz Joseph am Abend des 25. Juli die
Mobilisierung einiger Armeekorps gegen Serbien.
Rußland, offiziell immer noch bemüht, mit England und Deutsch-
land zusammen den Konflikt zu lokalisieren, hat insgeheim und tat-
ro
sächlich diese Rolle längst aufgegeben. Der Zar ordnet in der Nacht
vom 25. auf den 26. Juli den Beginn der „Kriegsvorbereitungs-
Periode" an.
Kaiser Wilhelm, immer noch auf seiner Nordlandreise, steht im
Telegrammwechsel mit dem Zaren, dessen Worte von Versicherungen
der Friedensliebe voll sind, obwohl er schon seinen Namen unter
Schriftstücke gesetzt hat, die den Krieg fast unvermeidlich machen.
Österreich, durch die serbische Mobilmachung und durch das Aus-
bleiben einer Vermittlung zum handeln getrieben, erklärt am 26. Juli
Serbien den Krieg. Auch jetzt noch hütet es sich, irgendeine Hand-
lung zu begehen, die als Feindseligkeit gegenüber Rußland gedeutet
werden könnte. Eine allerletzte Möglichkeit zur „Lokalisierung" be-
steht immer noch — wenn Rußland will.
Rußland will nicht. Am 29. Juli antwortet es mit der Kriegs-
bereitmachung seiner Korps in den Bezirken von Odessa, Kiew,
Moskau und Kasan. 13 Korps marschieren gegen Österreich auf.
Nun spricht Wien notgedrungen die Gesamtmobilmachung seiner
Truppen aus.
Kaiser Wilhelm beschwört den Zaren abermals, die russischen
Vorbereitungen einzustellen, während der Zar ausweichend ant-
wortet, erzwingt in Petersburg seine Umgebung von ihm die Mobil-
machung aller russischen Streitkräfte. Man will Deutschland einen
Zeitvorsprung abjagen.
Jetzt ist die Katastrophe fast unabwendbar. Man kann nur noch
einen letzten Versuch machen, sie auf den Osten und den Süden zu
beschränken. Alles hängt von der Haltung Englands und Frank-
reichs ab.
Aber die Rollen sind allzulange und allzu gründlich vorbereitet.
Es gibt kein Einhalten mehr. England erklärt in Paris, daß es die
Abmachungen von i§12 innehalten wird. Das heißt, es wird in
einem deutsch-französischen Konflikt auf Frankreichs Seite stehen.
Die französische Regierung, aller Sorgen entledigt, sagt dem deut-
schen Botschafter in Paris klipp und klar, daß Frankreich bei einem
Konflikt zwischen Rußland, Österreich und Deutschland keine Neutra-
lität zusichern könne und daß seine Handlungen nur von seinen
eigenen Interessen bestimmt sein würden. Ohne weitere Erklärung
wird die Mobilmachung der gesamten französischen Streitkräfte be-
fohlen. Vorbereitungen dazu sind schon seit Tagen im Gange.
Es ist der j. August 1014.
Noch einmal läßt Deutschland in London anfragen, ob England
sich neutral verhalten wolle, wenn Deutschland garantiere, die Neu-
tralität Belgiens zu achten und Frankreich einschließlich seiner Kolo-
nien beim späteren Friedensschluß unversehrt zu lassen. London sagt
lakonisch, es werde sich freie Hand wahren. In Wirklichkeit waren
Englands Hände an Frankreich und Rußland gebunden.
Am Tage vorher hat der deutsche Kaiser den „Zustand drohender
Kriegsgefahr" verkündet. Nun, am ). August, flattert der Mobil-
machungsbefehl über das Reich. Gleichzeitig mit ihm ergeht die
Kriegserklärung an Rußland. Die übertriebene formale Gewissen-
haftigkeit der deutschen Regierung geht so weit, am 3. August auch
Frankreich die Kriegserklärung zuzustellen.
Die Schüsse, die den Waffengang einleiten, sind indessen schon an
allen Grenzen gefallen.
r. Kapitel
Siegeslauf im Westen
Das Korn, trächtig und gelb auf den Feldern, ist reif zum Schnitt.
Die Schnitter lassen die Sensen stehen und eilen in die Kasernen.
Die das Feuer unter den Kesseln schürten, wischen den Ruß aus der
verschweißten Stirn und nehmen Abschied von daheim.
Sturm fegt über das deutsche Land, das unter der Sonnenglut
eines heißen Augusts liegt. Fegt in die Klaffenräume der höheren
Schulen und leert sie im Handumdrehen, wirft sich Ln die Kontore
der Gesellschaften und der Fabriken und bringt sie zu einem jähen
Stillstand. Braust durch die Hörsäle der Universitäten und zerstiebt
ihre Insassen Ln alle winde. Rüttelt an jedem Haus, wo der Friede
gewohnt. Kümmert sich nicht um Vatersorgen und Mutterschmerzen,
nicht um Weib, Kinder und Eltern. Entfacht einen einzigen, weit-
hin schallenden und jeden anderen Laut übertönenden Schrei: „Alles
für die Heimat! Alles für das Reich!"
Es ist ganz unmöglich, alle Freiwilligen, die sich melden, sofort
anzunehmen. Die Verschmähten eilen verzweifelt von Ersatzbataillon
zu Ersatzbataillon. Sie halten sich für mindere Menschen, bis man
sich ihrer endlich erbarmt.
Ein paar Telegramme, kurz und mit Stichworten, verwandeln
alles in eine ungeheure Bewegung, die nach dem Minutenzeiger ab-
läuft. Eine gigantische Maschine arbeitet — und es ist nichts mehr
Lm ganzen Lande, das nicht ein Glied dieser Maschine wäre.
Schon rollen die ersten Militärzüge westwärts. Blumengeschmückt
sind die mit Stoff überzogenen Helme, funkelnagelneu Lederzeug und
feldgraue Uniformen. Strahlend die Gesichter und lachend der Mund.
rr
3n Berlin, dem Reichstage gegenüber, steht ein schmuckloses,
mächtiges Gebäude von viereckigen Ausmaßen, aus rotem Sandstein
gebaut. Davor sieht man das Denkmal des alten Moltke. Es ist
der Große Generalstab.
Mit dem Augenblick der Mobilmachung ist dieses Haus zum Zen-
tralgehirn des ganzen ungeheuren Apparates geworden, den die
deutsche Feldarmee darstellt.
Seit im Jahre 7906 Graf Schliessen, der Erbe des großen
Moltke, den Dienst verlassen, regiert hier als des 2llten Nachfolger
sein Neffe, Generaloberst Helmuth von Moltke.
Fünf Tage währt die Mobilmachung. Es bedarf nicht einer ein-
zigen Rückfrage an den Großen Generalstab. Mehr als 3 Millionen
Menschen, fast eine Million Pferde, an 6000 Geschütze aller Kaliber
und viele Hunderttausende von Fahrzeugen müssen aus ihren Mobil-
machungsplä'tzen in die Aufmarschrä'ume der Armeen im Osten und
Westen gefahren werden.
Fünfzehn Tage nach Ausspruch des Mobilmachungsbefehls, zehn
Tage nach vollendeter Mobilmachung, ist jeder Mann, jedes Pferd,
jedes Geschütz, jedes Fahrzeug an seinem Platz. Die Armeen stehen
vormarschbereit an den Grenzen.
Graf Schliessen hat seinen Mitarbeitern und Nachfolgern ein
Vermächtnis hinterlassen, das im ganzen Generalstabe als eine 2trt
Glaubensbekenntnis gilt. Bevor die russische Dampfwalze zu voller
Wirksamkeit gelangt und das Land im Osten hemmungslos über-
schwemmt, muß im Westen die Entscheidung gefallen sein, die uns
die Hände frei macht.
Mittel zu diesem Zweck ist eine gewaltige Schlacht mit starkem
rechten und schwachem linken Flügel. Strategische Voraussetzung ist
die offenkundig zu erwartende Parteinahme Belgiens für unsere
Feinde.
Sieben deutsche Armeen sind für den Westen bestimmt. Die
r., 3., 4. und 5. Armee stehen zwischen Aachen und Metz. Ihre Auf-
gabe ist, gemäß dem Schlieffenschen Plan eine gewaltige Schwen-
kung durch Belgien und Luxemburg um den Drehpunkt Metz nach
Frankreich hinein zu machen und dort die Entscheidungsschlacht zu
schlagen. Die 6. und die 7. Armee versammeln sich zwischen Metz-
Vogesen—Schweizer Grenze. Sie haben einstweilen abzuwarten, ob
und wie sich der französische Stoß gegen Lothringen entwickelt.
Der Aufmarsch im Osten hat beschränktere Ziele. Eine einzige
deutsche Armee, die §., übernimmt den Schutz der Ostgrenze. Das
Landwehrkorps des Generals von woyrsch in Oberschlesien bildet
das Verbindungsglied zu den Österreichern.
An der Spitze des österreichischen Generalstabes steht Lonrad
von Hoetzendorf, ein tüchtiger, leicht beweglicher General, voll ge-
dankenreicher strategischer Pläne, ein treuer Bundesgenosse Deutsch-
lands.
Etwa 200 ooo Deutsche und 900 000 Österreicher, das sind 1 ) 00 000
Verbündete, stehen im Osten gegen fast drei Millionen Russen.
Am Abend des 2. August spricht der deutsche Gesandte in Brüssel
bei der belgischen Regierung vor und überreicht eine Note seiner
Regierung. Der deutsche Reichskanzler ersucht um Zulassung des
freien Durchmarsches deutscher Truppen durch belgisches Gebiet und
sichert für diesen Fall die Unversehrtheit Belgiens und eine an-
gemessene Entschädigung zu. Es wird um sofortige Antwort ersucht.
Jedermann weiß, daß die belgische Neutralität nur noch zum
Schein besteht. Längst sind militärische Vereinbarungen zwischen
Belgien und Frankreich getroffen. Der Ausbau der belgischen Fe-
stungen ist einseitig gegen Deutschland gerichtet. Die belgische Armee
versammelt sich bereits gegenüber der deutschen Grenze.
Am 5. August wendet sich König Albert von Belgien an die eng-
lische Regierung.
Eilends sucht der englische Botschafter in Berlin den Reichs-
kanzler auf und fordert die strikte Achtung der belgischen Neutra-
lität. Der Reichskanzler erklärt dem Botschafter, Deutschland sei
bereit, die Versicherung abzugeben, daß es selbst dann nicht an den
Erwerb belgischer Gebiete denke, wenn Belgien sich auf die Seite
seiner Gegner stelle. Aber es bedeute ein unmögliches Begehren,
von Deutschland zu verlangen, daß es ohne Gegenwehr dem zu er-
wartenden französischen Aufmarsch durch Belgien hindurch zuschaue.
Am Tage darauf spricht der Kaiser im Berliner Schloß vor den
Reichstagsabgeordneten das Wort: „Ich kenne keine Parteien mehr,
nur noch Deutsche." Eine starke Erhebung ergreift den Reichstag.
Die Kriegskredite werden fast einstimmig bewilligt. Reichskanzler
von Bethmann-Hollweg gibt eine Erklärung ab, die darin gipfelt,
daß Deutschland sich genötigt gesehen habe, die Neutralität Belgiens
zu verletzen.
Noch während der Sitzung erscheint der englische Botschafter in
den Arbeitsräumen des Kanzlers im Reichstagsgebäude und bittet
den Kanzler abermals um die Versicherung, daß Deutschland die bel-
gische Neutralität achten wird. Der Kanzler kann nur erwidern, daß
in dieser Stunde die deutschen Truppen bereits die belgische Grenze
überschritten haben. Gleichwohl fügt er hinzu, Deutschland sei bereit,
sich an seine letzten Erklärungen zu halten, wenn England neutral
bleiben wolle.
24
Der Botschafter sich zurück. Abermals spielt der Draht
zwischen Berlin und London.
Drei Stunden später läßt sich der Botschafter in der Reichs-
kanzlei melden und fordert eine Erklärung des Kanzlers, daß Deutsch-
land sein Vorgehen in Belgien einstellen und seine Truppen zurück-
rufen wolle. Die Erklärung ist bis Mitternacht befristet, wird sie
nicht abgegeben, so ist der Botschafter beauftragt, seine Pässe zu ver-
langen und abzureisen. Der Krieg mit England ist da.
In den Vogesen, wo französische und deutsche Sicherungen längs
der Grenze aneinandergeraten, wirft der erste Deutsche die Arme in
die Luft und bricht, eine feindliche Gewehrkugel in der Brust, zu
Boden nieder. Der erste Tote liegt zwischen den Gräsern.
Ein paar leichte deutsche Kreuzer durchfurchen unter Volldampf
die Ostsee, erscheinen vor Libau und schleudern ihre Granaten in den
russischen Seehafen. Vorhuttruppen plänkeln an der ostpreußischen
Grenze mit schnellen Kosaken.
Noch sind die Armeen hüben und drüben im Aufmarsch begriffen.
Da bricht nach wenigen Tagen wie ein Heller Blitzstrahl die Nach-
richt von einer deutschen Waffentat ein, glänzender als die Erstür-
mung der Spicherer Berge damals bei Saarbrücken, verwegener
als der Angriff auf die Düppeler Schanzen, jauchzender Vorbote
einer Kette schlagartiger Ereignisse.
Lüttich gefallen!
Die gewaltige Sperrfeste des Maastales, der Eckpfeiler Belgiens,
ist in deutscher Hand. Ihr Besitz war Vorbedingung für die Aus-
führung der großen Schlieffenschen Operation.
Zäh verteidigen sich die Belgier. Franktireurs und Heckenschützen
fordern viele Opfer.
General von Emmich, der Kommandeur des gesamten Angriffs-
Detachements, reitet zwischen den Marschkolonnen der Bataillone.
In seiner Umgebung befindet sich der Generalmajor Erich Luden-
dorff. Er ist Oberquartiermeister der r. Armee, die sich um Aachen
versammelt. Sein Lhef hat ihn zu Emmich gesandt, damit er den
Angriff auf Lüttich aus nächster Nähe verfolge.
Ludendorff beobachtet die zunehmende Verwirrung, die durch die
Dunkelheit noch vergrößert wird. Man ist noch weit von Lüttich.
Vor Morgengrauen fällt der Kommandeur der 14. Brigade. Luden-
dorff übernimmt aus freien Stücken das Kommando und ergreift die
Truppen, die ihm gerade zur Hand sind. Nun geht es vorwärts
ohne Besinnung.
Am frühen Morgen des 7. August vollzieht sich das Unerhörte.
Deutsche Schützenlinien steigen von den Höhen herab auf Lüttich zu,
besetzen die Maasbrücken mitten Ln der Stadt und rücken durch das
jäh bestürzte Gewimmel der Bevölkerung zur Zitadelle hinauf. Die
belgische Besatzung streckt auf die erste Aufforderung hin die
Waffen. Die Masse der belgischen Truppen ist vorher schon ab-
gerückt.
Vor den grauenvollen Wundern der neuen 4r-em-Mörser zer-
bricht Fort nach Fort. Am 15. August ist das letzte und stärkste Boll-
werk, Fort Loncin, zertrümmert.
Das Maastor ist geöffnet.
Vinn kann es gehen, wie Schliessen gewollt hat.
Der französische Generalissimus Ioffre sieht sich einstweilen nicht
veranlaßt, seinem wohldurchdachten Aufmarsch eine andere Richtung
zu geben.
hinter dem wall der französischen Ostfestungen, zwischen Mau-
beuge, Montmedy, Verdun, Toul, Epinal und Belfort versammeln
sich seine Korps. Um Maubeuge herum sammelt sich das britische
Expeditionskorps unter Marschall French. Vorläufig warten die
Engländer ab, wie sich die Dinge entwickeln werden. Sie wähnen
sich weit hinter der Front, geruhsam mit ihrem Aufmarsch beschäftigt.
Bis zum 1 r. August treibt die Heereskavallerie die Belgier unter
fortdauerndem Geplänkel hinter den Lauf der Gette zurück.
Die Belgier stehen beiderseits Tirlemont. Schon ist die Ver-
bindung mit ihrer zweiten großen Maasfestung, mit Namur, ab-
gerissen.
Am ) r. August reitet das Kavalleriekorps von der Marwitz gegen
die Nordflanke der belgischen Stellung, wird in einem heftigen Ge-
fecht abgewiesen und zieht sich befehlsgemäß auf die nachrückende
). Armee zurück. Mit fiebernder Ungeduld erwarten die Belgier den
Anmarsch der Franzosen aus dem Süden. Joffre vertröstet, aber er
marschiert nicht.
Dann wirft sich am 18. August die voll versammelte 1. Armee des
Generals von Kluck mit ganzer Wucht auf die Belgier.
General von Kluck, dem Grundsatz der nördlichen Überflügelung
getreu, setzt eine starke Angriffsgruppe gegen die belgische Rückzugs-
linie an.
Ein schwacher Versuch wird unternommen, hinter Löwen noch
einmal zum Stehen zu kommen. Nutzlos, die deutschen Divisionen
sind nicht mehr aufzuhalten. Die ganze belgische Feldarmee taucht
Ln der schützenden Sperrkette der Antwerpener Forts unter.
Im Verlaufe dieser Gefechte ist Marschall Ioffre endlich zur
Besinnung gekommen. Mit einem Schlage sieht er seinen ganzen
Nordflügel aufklaffen. Die belgische Armee ist aus der offenen Feld-
fchlacht ausgeschieden.
26
An dem Tage, an dem die Deutschen unter den Augen der Ant-
werpens Forts die Verfolgung der Belgier einstellen, stehen die
Franzosen zwischen Maubeuge und Givet und harren der Ereignisse,
die sich jenseits Namur entwickeln.
Dieser Tag bedeutet für die Franzosen das endgültige Begräbnis
ihres Offensivgedankens in östlicher Richtung nach Lothringen hin-
ein. Die Offensive selbst ist schon vorher gescheitert.
Am 7. August brechen Teile der ). französischen Armee von Bel-
fort her durch die burgundische Pforte und besetzen Mülhausen.
Diese Kämpfe sind ohne strategische Bedeutung. Das Schwer-
gewicht liegt weiter nördlich an der lothringischen Grenze.
Am ) 5. August treten die r. und 3. französische Armee gegen die
6. deutsche Armee unter dem Befehl des Kronprinzen Rupprecht von
Bayern an. 'Hier erwartet Joffre die Entscheidung. Die besten Trup-
pen Frankreichs sind auf schmalem Raum versammelt.
Die 6. Armee besteht fast ausschließlich aus bayrischen Korps. Sie
brennen darauf, sich mit dem Feind zu messen. Aber die deutsche
Heeresleitung in Koblenz hegt andere, bessere Pläne mit dieser Armee.
Vloä) ist dort alles von dem Lannae-Gedanken Schliessens durch-
drungen. Man befiehlt den Bayern, sich in nordöstlicher Richtung auf
Saarbrücken und Saargemünd zurückzuziehen.
Zähneknirschend gehorchen die Bayern dem Befehl.
Zögernd folgen die Franzosen. Die traditionelle Furcht vor den
Bayern, die man ihnen in der Schule schon als einen wüsten Haufen
ungesitteter und mordlustiger Gesellen geschildert, wandelt sich lang-
sam in spöttischen Übermut.
So geht es einige Tage lang. Da aber die Franzosen nur sehr
langsam nachrücken, entstehen beim 2trmee-Oberkommando Zweifel,
ob es dem Gegner überhaupt Ernst ist mit dem Vorstoß nach Loth-
ringen und ob die Armee ihre Aufgabe, die Fesselung starker feind-
licher Kräfte, bei weiterer Fortsetzung des Zurückgehens lösen kann.
Die Oberste Heeresleitung überläßt die Entscheidung dem Kron-
prinzen Rupprecht. Der Kronprinz, dem inzwischen auch die 7. Armee
unterstellt ist, entschließt sich zum Angriff. — Kehrtmachen, sich auf
den Feind stürzen und ihn nach mörderischem Kampfe in einem Zuge
bis über die Grenze und Ln die Linie Nancy—Luneville werfen, ist
das Werk zweier Tage. Die Schlacht Ln Lothringen, kurz, wild,
blutig und ohne den willen der Strategie entbrannt, endet am
rr. August als ein Sieg.
Ist ein Tannae zwar nicht gelungen, so kann die deutsche Heeres-
leitung nun doch Ln voller Ruhe ihre Aufgaben im Norden erfüllen,
die immer gewaltiger anschwellen.
Hätten die Bayern Ln der erreichten Linie haltgemacht, und hätte
die Oberste Heeresleitung, mit aller Entschlossenheit nun zu dem
strategischen Grundgedanken zurückkehrend, ihnen alle entbehrlichen
Kräfte mit größter Schnelligkeit entzogen, um sie in den Norden zu
werfen — vielleicht stünde die Schlacht in Lothringen heute noch als
jubelnder Sieg am Anfange einer raschen Kriegsentscheidung.
Aber es kommt anders.
Inzwischen ist die Riesenschlacht im Norden zu einer Entwicklung
gelangt, die alle Ereignisse an anderen Fronten verblassen läßt. Das
Schicksal will es, daß sich die deutsche Heeresleitung erst jetzt auf ihr
Glaubensbekenntnis besinnt.
„Macht mir den rechten Flügel stark!" dringt Schliessens Stimme
aus dem Grabe.
Auf den Straßen Belgiens drängen sich die deutschen Marsch-
kolonnen Ln südwestlicher und südlicher Richtung. Die riesige Schwen-
kung um den Drehpunkt Metz ist im vollen Gange. Fächerförmig
ziehen sich die Armeen im Vorwärtsschreiten auseinander.
Augusthitze sengt herab. Die schweren Tornister drücken. Staub
von morgens bis abends, Schweiß ohne Ende. Dann rauschen Regen-
güsse nieder und durchnässen die Marschierenden bis auf die Haut.
Die Bevölkerung ist feindselig und heimtückisch. Es gibt kein Rasten
und kein Ruhen. Marschieren, marschieren, marschieren.
Schon am Lo. August besetzt die ). Armee Brüssel und trifft ohne
Aufenthalt, hart südwestlich einschwenkend, bei Mons, einerglühenden
Sturmwolke gleich, auf die Engländer des Marschalls French. Am
23. August, drei Tage, nachdem die Armee Brüssel überrannt, erfolgt
der Zusammenprall und schleudert die Engländer in erstem Anlauf
auf Le Lateau und Solesmes zurück.
Ein schwaches Beobachtungskorps ist von der Obersten Heeres-
leitung abgezweigt worden, um Hand und Auge auf Antwerpen zu
halten. Es ist noch nicht an der Zeit, einen Schlag gegen die Festung
zu führen, die man die stärkste der Welt nennt.
Die r. Armee unter dem Generalobersten von Bülow, fast südlich
eingeschwenkt, rückt gegen die Sambre westwärts Vlamut.
Südlich Namur steht die 3. Armee des Generalobersten von Hausen
im Frontalangriff auf die Linie Dinant-GLvet.
Zwei Tage lang wird bei Lharleroi gekämpft. Die beiden deut-
schen Armeen, die r. und die 3., in allzu loser Verbindung mit der
Obersten Heeresleitung, verpassen einen großen Augenblick. Gleich-
wohl wird General Lanrezac mit der 5. französischen Armee geschlagen
und muß in Richtung auf St. Ouentin weichen. Südwestlich zurück-
gehend, läßt er eine gefährliche Lücke zwischen sich selbst und seinem
rechten Nachbarn, der 4. französischen Armee, entstehen.
Unterdessen ringen bei Neufchateau die 4. Armee des Herzogs
Albrecht von Württemberg und bei Longwy die 5. Armee des deut-
schen Kronprinzen siegreich mit den Franzosen.
Der Drehpunkt der gewaltigen Schwenkung des deutschen Nord-
flügels hat sich von Metz auf Verdun vorgeschoben.
Die ). deutsche Armee, nach der siegreichen Schlacht von Mons
bei le Lateau aufs neue die Engländer Marschall Frenchs angreifend,
gönnt sich nicht einen einzigen Atemzug Ruhe.
Zum zweiten Male werden die Engländer geworfen. Das fran-
zösische Kavalleriekorps Sordet springt ihnen rettend bei und bewahrt
sie vor dem Schlimmsten. Trotzdem müssen die englischen Korps
überhastet nach Süden zurück. Atemlos stößt Generaloberst von Kluck
mit seiner ). Armee weiter. Immer noch dem Grundsatz der nörd-
lichen Umfassung des offenen feindlichen Flügels getreu, lenkt er feine
Korps zur überholenden Verfolgung in südwestlicher Richtung. In
den letzten Augusttagen kämpft er an der Somme.
Lanrezac, von Marschall Joffre leidenschaftlich ermahnt, versucht
bei St. Ouentin noch einmal der 2. deutschen Armee des General-
obersten von Bülow die Stirn zu bieten, Hart mitgenommen, weicht
er nach Süden. Die Schlacht von St. Ouentin wird zu einem vollen
Siege der 2. deutschen Armee.
Zwischen der 5. französischen Armee Lanrezac und der 4. klafft seit
der Schlacht von Lharleroi immer noch eine weite Lücke. Joffre ist
im Begriff, dort, eine neue Armee zu bilden. Es ist die 9. französische
Armee, ihr Befehlshaber heißt General Foch.
Unterdessen ist im Rücken der 3. deutschen Armee des General-
obersten von pausen die belgische Maasfestung Namur nach einer
nur dreitägigen Belagerung gefallen. Die beiden zur Belagerung
verwendeten Armeekorps werden von der Obersten Heeresleitung Ln
bedauerlicher Verkennung der Lage auf dem westlichen Kriegsschau-
platz unverzüglich nach dem Osten verladen. Sie kommen dort zu
spät an, um die Hauptereigniffe noch zu beeinflussen. Ihr Fehlen im
Westen rächt sich furchtbar.
Vorläufig allerdings scheint alles noch im besten Fluß. Die Schlief-
fensche Schwenkung vollzieht sich mit rasender Gewalt.
Die 5. deutsche Armee umklammert schon Verdun von drei Seiten.
Ihr rechter Flügel steht südlich der Argonnen. Die 4. ist tief Ln die
Champagne eingedrungen. Die 3. Armee hat Reims genommen. Die
2. steht bei LHLteau Thierry schon an der Marne.
Am 29. August schreibt Marschall French an Lord Kitchener, dem
englischen Kriegsminister: „Ich kann nicht sagen, daß ich den weiteren
Verlauf des Feldzuges in Frankreich mit Hoffnung betrachte. Mein
29
Vertrauen zu den Fähigkeiten der französischen Führer, den Feldzug
zu einem glücklichen Ende zu führen, schwindet schnell."
Ein englischer General spricht davon, man müsse die englischen
Divisionen zum Meere hinführen, solange der weg noch frei sei,
und sie so schnell wie möglich nach England einschiffen.
In den ersten Septembertagen steht General von Kluck mit seiner
Armee nordöstlich von Paris und schickt sich zum Angriff in südlicher
Richtung, östlich an der Hauptstadt vorüber, an. Seine Truppen
haben furchtbare Strapazen hinter sich, aber der Siegeslauf durch
ganz Belgien und Nordfrankreich hat in ihnen eine Stimmung un-
bedingter Entschlossenheit geschaffen, die sie bereit macht, die letzte
Kraft an die letzte Entscheidung zu wagen.
Die französische Regierung tritt zu einer Sitzung zusammen. Prä-
sident poincare führt den Vorsitz. Es ist genau wie 1670, die Paral-
lelität der Ereignisse wirkt erschütternd. Zum zweiten Male schlägt
die Stunde. Der Beschluß ist rasch gefaßt.
Am Abend des r. September siedelt die Regierung mit dem Prä-
sidenten nach Bordeaux über.
3. Kapitel
Tannenberg
In der Frühe des rr. August — eben haben sich die schweren
Kämpfe der r. Armee um Lharleroi und die Sambrelinie entwickelt —
verläßt ein Automobil des Oberkommandos das Armeestabsquartier
und fährt, so schnell es die mit Kolonnen überfüllten Straßen ge-
statten, auf Lüttich und das Maastal zu.
Bald ist die Festung erreicht. Der Mann, der in dem Automobil
sitzt, betrachtet die Gegend aufmerksamer, als erwache er soeben aus
tiefen Gedanken. Er wirft einen Blick auf die Zitadelle, und als seine
Straße jenseits die Maashöhen hinaufführt, wird sein Gesicht sehr
ernst. Der General kennt diesen weg noch genau.
Die Wälder um Herbesthal nehmen ihn auf.
In der Tasche hat er zwei Briefe. Der erste ist vom Lhef des
Großen Generalstabes. „Ich weiß keinen anderen Mann", schreibt
Moltke, „zu dem ich so unbedingtes Vertrauen hätte wie zu Ihnen.
Vielleicht retten Sie im Osten noch die Lage."
Der zweite Brief ist vom Generalquartiermeister von Stein.
„Schwer ist die Aufgabe, aber Sie werden es schon machen."
30
Zwischen 5 und 6 Uhr nachmittags fährt das Automobil über die
alte Moselbrücke in Koblenz.
Ludendorff meldet sich im Hauptquartier und wird sofort von
Moltke empfangen. Zwei Stunden lang dauern die Beratungen, nach
denen auf Ludendorffs Wunsch sofort neue Weisungen nach dem Osten
gegeben werden. Um o Uhr abends verläßt der Sonderzug den Kob-
lenzer Bahnhof.
Eine der letzten Nachrichten, die Ludendorff am Zuge entgegen-
nimmt, ist der Inhalt eines Telegramms, das soeben aus Hannover
eingetroffen ist. Das Telegramm besagt, daß Exzellenz von Finden-
burg, seit drei fahren dort als pensionierter General lebend, die Auf-
forderung des Kaisers angenommen habe, wonach er als Nachfolger
des Generalobersten von prittwitz das Kommando über die s. deutsche
Armee in Ostpreußen zu übernehmen hat.
Um 3 Uhr nachts steigt Generaloberst von Hindenburg, ein sechs-
undsechzigjähriger, rüstiger, großer und breitschultriger Herr, in Han-
nover in den Zug ein. Beide Männer sehen sich zum erstenmal in
ihrem Leben.
Lonrad von Hoetzendorf sah schon zu Beginn der ersten Ope-
rationen ein, daß es ein Fehler war, den Angriff auf Serbien und
Rußland gleichzeitig zu beginnen. Die Kräfte der österreichischen
Armee konnten unmöglich dazu ausreichen. Schon während des Auf-
marsches war der Befehl ergangen, die eine der drei gegen Serbien
aufgestellten Armeen, die r. österreichische Armee, unverzüglich auf
den russischen Kriegsschauplatz hinüberzufahren. Die kurze, verlust-
reiche und nicht glückliche Offensive gegen Serbien fand ohnehin ein
rasches Ende.
Der gesamte russische Aufmarsch entsprach dem Grundsatz, sich
von Anfang an mit ungeheurer Übermacht auf die Österreicher zu
werfen. Großfürst Nikolai Nikolajewitsch ließ sich von diesem Ge-
danken auch nicht durch die Aussicht auf die Karpaten abbringen, die
sich als mächtiges Bollwerk der Natur vor Ungarn und das Herz
Österreichs legen. Gegen Deutschland begnügte er sich einstweilen mit
zwei Armeen, der j. russischen Armee um Kowno, der r. zwischen
Grodno und Lomza. Erst als er die verblüffende Schwäche der deut-
schen Aufstellung erkannte, entschloß er sich auch hier zur Offensive,
sein Vorgehen zu einem gigantischen Angriff auf beiden Flügeln aus-
gestaltend. Die Verbindung zwischen worden und Süden stellte die
Festung Warschau dar.
Da es sich bei dem Aufmarsch der Russen um den Transport der
dreifachen Menschenmenge aus zum Teil weit entfernten Gebieten
handelte, glaubte Lonrad von Hoetzendorf um so eher zu einem An-
griff berechtigt zu sein.
Das war ein Rechenfehler. Die russischen Vorbereitungen, lange
vor Kriegsausbruch eingeleitet, hatten den natürlichen Vorsprung
der Österreicher zum größten Teile wettgemacht. Die französischen
Milliarden waren zweckentsprechend angelegt.
Am ro. August stieß die j. österreichische Armee in nordöstlicher
Richtung vor. Sie überschritt in ganzer Breite den San.
Die Russen, die Österreicher so schnell und so angriffsfreudig nicht
erwartend, gerieten nach heftigem Kampf ins Wanken. Der nächste
Tag sah sie im Zurückweichen auf Lublin und Iwangorod, von den
scharf nachdrängenden Österreichern verfolgt. Dort aber standen sie
Ln vorbereiteten Feldbefestigungen und wichen nicht einen Schritt
mehr.
wenige Tage später setzte Lonrad von Hoetzendorf als zweite
Gruppe seine 4. Armee unter General von Auffenberg an. Es ent-
wickelte sich ein ähnliches Bild.
Lonrad von Hoetzendorf kam mitten im Vorwärtsdrängen die
Erkenntnis, daß der russische Aufmarsch viel weiter fortgeschritten
war, als er erwarten zu dürfen glaubte, Hätte er jetzt schon seine
2. Armee zur Hand gehabt, die von der Donau gegenüber Belgrad
Zug um Zug quer durch Ungarn anrollte!
Aber verhängnisvoll wurde die Lage für die Österreicher erst in
dem Augenblick, als die russische Südarmee mit der ganzen trägen
Wucht ihrer Überlegenheit sich über die offene Grenze Ostgaliziens
ergoß, was stand ihnen entgegen; Die 3. österreichische Armee bei
und südlich Lemberg und die schwache, nur für Beobachtungszwecke
bestimmte Armee-Abteilung Köveß, die mit ihren wenigen Divisionen
plötzlich vor den Schwerpunkt der russischen Offensive gerückt war.
Schon waren Tarnopol und Lzernowitz von russischen wogen
überspült. Am 20. August war die Lage des österreichischen Süd-
flügels verzweifelt.
Die Schlacht von Lemberg zog immer neue Kräfte auf sich. Lon-
rad von Hoetzendorf, den tödlichen Ernst der Stunde erkennend, ließ
die gegen Lholm vorgestoßene 4. Armee Auffenberg stehenden Fußes
kehrtmachen und auf das zum äußersten bedrohte Lemberg eilen. Da-
durch geriet Dankl mit der ). Armee, seines rechten Nachbarn be-
raubt, in Gefahr. Er mußte zurück. Nach einer blutigen Schlacht
von zwei Wochen Dauer stand er wieder Ln seiner Ausgangsstellung
hinter dem San. wie sah seine Armee aus;
Vom rechten Flügel setzte sich das Unheil immer weiter nach dem
linken fort.
32
Wun trafen endlich, endlich die Formationen der r. Armee aus
Serbien über Ungarn ein und wurden, wie sie ankamen, zwischen
Köveß und die 3. Armee Brudermann, im Süden Lembergs, in die
Schlacht geworfen.
Eine schwache, ganz schwache Aussicht tat sich noch einmal auf.
Aber die 4. Armee Auffenberg, auf den Raum nördlich Lemberg um-
schwenkend, konnte sich von ihren Verfolgern nicht frei machen. Die
5. russische Armee walzte sich unaufhaltsam über Rawaruska heran,
schwenkte, ursprünglich gegen przemysl gerichtet, nach Süden auf
Grodek um und drang weiter.
Zahlreiche Geschütze und viele Gefangene waren in der Hand des
Feindes geblieben. Die Schlacht bei Lemberg war verloren und mußte
sofort abgebrochen werden, um das Schlimmste zu vermeiden.
Es waren die bittersten Stunden im Leben Lonrad von Hoetzen-
dorfs, als er seinen genialen Plan zerbrechen sah und sich anschickte,
die k. und k. Armee nach heroischen Kämpfen hinter den San und
den Dnjestr zurückzuführen. Lemberg, Galizien und die Bukowina
waren verloren.
Das bös zugerichtete österreichische Heer konnte San und Dnjestr
gegen die russische Übermacht nicht halten. Der Rückzug mußte unter
schweren Einbußen weitergeführt werden und endete erst hinter der
wisloka und auf den Karpaten. Zusammengepreßt standen dort die
Armeen. Sie haben sich von den Schlägen der ersten Kriegswochen
nie wieder erholt.
In den gleichen Tagen zerbricht die russische Dampfwalze die ost-
preußische Grenze. Kosaken morden und rauben in Tilsit, Insterburg,
Goldap, Angerburg und Lyck. Das Land nördlich und östlich der
Masurischen Seenplatte steht Ln Flammen!
General von prittwitz kommandiert als 6. Armee das I., XVII.
und XX. Armeekorps, das I. Reservekorps, die 3. Reservedivision und
eine einzige Kavalleriedivision. Er stellt sich im Raume Insterburg—
Angerburg auf und detachiert das XX. Armeekorps unter General
von Scholtz mit der Aufgabe, die ganze Südgrenze Ostpreußens von
Lyck bis Soldau zu schützen.
Großfürst Nikolai Nikolajewitsch hat sich von der geringen Stärke
der Deutschen überzeugt und gibt seiner 1. Armee unter Rennenkampf
den Vormarschbefehl.
Generaloberst von prittwitz führt, preußischer Tradition gemäß,
die Verteidigung angriffsweise. Die Deutschen fechten mit der Er-
bitterung derer, die sich jeden Schrittbreit Heimatboden mit Blut
bezahlen lasten.
33
3 Sperrfeuer, Jugendausgabe
Am frühen Morgen des ro. August kommt es auf breiter Front
bei Gumbinnen zur Schlacht, und schon sieht es aus, als solle es ein
deutscher Sieg werden. Da tritt eine Wendung ein. Großfürst Niko-
lai Nikolajewitsch, ein gefährlicher und rücksichtsloser Gegner, hat
seine r. Armee unter Samsonow von ihrer Basis bei Grodno weiter
nach Westen auf Lomza und Ostrolenka geschoben. Jetzt läßt er sie
antreten, um auf Allenstein vorzudringen und das Schicksal Ost-
preußens von Süden her zu besiegeln, weit auseinandergezogen steht
dieser 2lrmee das XX. Armeekorps gegenüber, ein einzelner Stein, der
sich dem Felssturz entgegenstemmt.
Bei der deutschen Obersten Heeresleitung Ln Koblenz laufen Tele-
gramme des Generalobersten von prittwitz ein, daß er der Meinung
ist, die Lage im Osten nur durch einen Rückzug bis hinter die Schranke
der Weichsel retten zu können. Moltke telegraphiert zurück, er glaube
nicht an die Notwendigkeit so weitgehender Rückwärtsbewegungen»
Er denkt dabei auch an den Aufschrei des Schmerzes, den die Aus-
lieferung ganz Ostpreußens an die russischen Worden Ln Deutschland
Hervorrufen würde.
Zum erstenmal taucht der kühne Gedanke auf, die Hauptkraft der
§. Armee von Rennenkampf zu lösen, nach Süden zu werfen und eine
Angriffsschlacht gegen Samsonow zu führen.
Hindenburg und Ludendorff sind schon unterwegs.
Der Sonderzug passiert, von Hannover kommend, Berlin, hinter
Küstrin tut sich die endlose Ebene auf. Schneidemühl. Am frühen
Nachmittag ist die Weichsel erreicht. Marienburg, das Armeestabs-
quartier. General von prittwitz hat es bereits verlassen.
Dann sitzen Hindenburg und Ludendorff mit dem Ersten General-
stabsoffizier, Oberstleutnant Hoffmann, zusammen, Hoffmann erklärt
die näheren Umstände.
Schon Ln Koblenz ist Ludendorff sich über die grundsätzliche An-
lage der Schlacht klargewesen, und Hindenburg hat seine Auffassung
gebilligt. Die Armee Samsonow mußte mit ihrem linken Flügel durch
starke deutsche Kräfte an der Südgrenze Ostpreußens festgehalten
werden. Im Zentrum ist dem Angriff Samsonows unbedingt stand-
zuhalten. Alle Kraft aber gehört auf die Flügel. Das ist das Aller-
wichtigste, um zu einem Lannae zu gelangen, ehe Rennenkampf heran
ist. Hindenburg und Ludendorff stimmen Ln diesem Grundsatz voll-
kommen überein.
Es wird folgendes angeordnet:
% Das XX. Armeekorps bildet das Zentrum der Schlachtfront beider-
seits Tannenberg. Seine Aufgabe ist, möglichst viele feindliche Divi-
sionen auf sich zu vereinigen.
Z4
Deutsche
Russen
Örtenitein
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Den weit ausholenden linken Gtoßflügel der 6. Armee bilden das
I. Reservekorps des Generals Otto von Below und das XVII. Armee-
korps des Generals von Mackensen. Below operiert über die Linie
Allenstein-—Martenburg, Mackensen über paffenheim—-Ortelsburg.
Das I. Armeekorps stellt sich, quer durch Ostpreußen mit der
Eisenbahn transportiert, rechts vom Zentrum zwischen Gilgenburg
und Lautenburg auf. Es stößt bei Beginn der Schlacht über Usdau
auf Neidenburg vor und schneidet die russische Rückzugslinie ab.
Schlacht bei Tannenberg. fLageamAbend des taAug/OTt)
Das Armeeoberkommando geht nach Löbau, um dicht hinter dem
Zentrum der Schlachtfront zu sein. Die Bewegungen der Truppen in
die Aufmarschräume sind ohne Rücksicht auf ihren Zustand durchzu-
führen. Sie müssen Ln zwei Tagen beendet sein.
Vor Rennenkampf bleibt — eine Kavalleriedivision.
Alles ist auf Schnelligkeit, alles auf Erfolg gesetzt, Hauptfaktor
in der Rechnung ist die Überlegenheit des deutschen Soldaten über
den russischen.
Am rz. August mischen sich die Farben zu einem ungeheuren
Schlachtengemälde.
während die deutschen Truppen noch Ln der Versammlung be-
griffen sind, stößt am Nachmittag das XV. russische Armeekorps bei
Lahna und Orlau auf die linke Division des XX. deutschen Armee-
korps. Immer neue russische Regimenter treten aus den Wäldern
und entwickeln sich. Nach hartem Kampf wird der Angriff abge-
schlagen. In der Nacht zum 24. August rückt ein zweites russisches
Korps heran und versucht, den linken Flügel des XX. Armeekorps zu
umfassen. Mit zusammengepreßten Lippen schaut das deutsche Ober-
kommando auf die dünnen und biegsamen Linien des Zentrums. Jedes
Gewehr, jedes Geschütz gehört auf die Flügel. Scholtz weiß das. Er
bittet nicht um Hilfe.
Am Morgen des 20. August ist der deutsche Aufmarsch vollendet.
Jetzt werden die Flügel lebendig. Das I. Armeekorps und die
Brigade Mühlmann ringen um den Besitz von Usdau, wo Samso-
now sich verzweifelt wehrt, als ahne er schon das Kommende. Am
27. August gerät das brennende Dorf, ein russischer Scheiterhaufen,
in deutsche Hand. Das I. russische Armeekorps vor sich hertreibend,
dringen die Ostpreußen, nichts als die Rettung der Heimat vor sich,
südwärts bis Soldau vor und schwenken dann ostwärts gegen Neiden-
burg ein.
Das I. Reservekorps und das XVII. Armeekorps ringen zwischen
Allenstein und Passenheim gegen die rechte Flanke Samsonows. Am
27. August erzwingen die Westpreußen des XVII. Armeekorps vom
äußersten linken Flügel der Deutschen her den Stoß auf passenheim
und Ortelsburg. Am 2S. August stehen sie tief im Rücken der Russen.
Von Neidenburg im Westen und von Ortelsburg im Osten her schie-
ben sich die Klauen der Zange langsam gegen willenberg zusammen.
Seit dem 20. August ist auch das XX. Armeekorps, durch die Land-
wehrdivision von der Goltz verstärkt, im fortschreitenden Angriff.
Das Zentrum bei Hohenstein, wo am 2s. August schwer und ent-
scheidend gekämpft wird, spürt schon ein Nachlassen des russischen
Angriffs, weiß Samsonow, welche Stunde für ihn geschlagen hat;
Das russische I. Korps bei Mlawa und das VI. Korps Ln der
Iohannisburger Heide, die beiden außerhalb des Kessels gebliebenen
Flügel Samsonows, bewegen sich, wenn auch schon einmal schwer
geschlagen, auf Neidenburg und Ortelsburg. Rennenkampf erwacht
endlich aus seiner rätselhaften Lethargie und setzt sich langsam Ln
Bewegung. Dem Vernehmen nach eilen Teile einer bei Warschau
neu Ln Bildung begriffenen 9. russischen Armee herbei. Die Öster-
reicher müssen soeben ihrer Offensive aus Galizien heraus bei Lem-
berg ein furchtbares Grab schaufeln. Die Lage ist auf das äußerste
gespannt, und es gehören eiserne Nerven dazu, an dem ursprünglichen
Plan der Schlacht festzuhalten.
Die Russen, zusammengepreßt durch einen Ring von unzerreiß-
barem Metall, beginnen ihr Verhängnis zu erkennen. Die Panik hebt
ihr Medusenhaupt grinsend aus den Sümpfen.
Am 3). August ist das Werk vollendet. Ostpreußen und West-
preußen reichen sich bei willenberg die Hand. Die Zange ist ge-
schlossen. was jetzt kommt, ist nur noch die schaurige Liquidation
des Vorangegangenen. 90 000 Gefangene und ebenso viele liegen tot
und verwundet am Boden.
Unter den Toten findet man einige Tage später einen General mit
weißem Haar. Es ist Samsonow. Er hat sich das Leben genommen.
An den Biwakfeuern von Neidenburg, Tannenberg, Hohenstein
und Ortelsburg erklingt der Choral von Leuten.
Rennenkampf erbleicht, als er von dem Schicksal Samsonows hört.
Es ist nicht anders denkbar, als daß eine ganz neue deutsche Armee
aufgetreten ist, denn die alte, so wähnt er, steht ja mit ihren Haupt-
teilen geschlagen vor seiner eigenen Front. Als er am 5. September
angegriffen wird, glaubt er zu wissen, daß der neue Gegner da ist.
Ihn beherrscht nur der Gedanke, dem Zaren den Verlust einer zweiten
Armee zu ersparen. Rennenkampf glaubt sich einer gewaltigen Über-
macht gegenüber. Nach kurzem Kampf weicht er über die Grenze,
läßt viele Tausende von Gefangenen und große Beute zurück.
Mitte September beendet die S. Armee die Verfolgung der Russen
westlich Kowno und Grodno, tief Ln Feindesland. Es sind die gleichen
Truppen, die vor einem knappen Monat vor der drohenden Über-
macht zweier russischer Armeen hinter die Weichsel zurückgehen
sollten.
Neue Aufgaben rufen. Das Verhängnis der Österreicher hat sich
inzwischen vollzogen.
37
4- Kapitel
Das Marnedrama, Antwerpen und )1pern
Im Westen hebt sich schon der Vorhang zum Beginn des gewal-
tigsten Dramas, das der Weltkrieg sah. Ungehört verhallen seine
ersten Worte für Deutschland im Siegesjubel von Tannenberg und
Paris.
wie den Deutschen im Osten in der Stunde höchster Gefahr zwei
Männer erwachsen, die das Schicksal wenden, so schenkt der Fimmel
auch Frankreich zwei Führer. Das sind der Generalissimus Joffre
und der Gouverneur von Paris, General Gallieni.
Gallieni ist es, der als erster die Möglichkeit der Schicksalswende
erkennt. Mit grimmiger Genugtuung sieht er, daß die Deutschen öst-
lich an Paris vorbeistreben. Man muß sie, die den Grundsatz ihrer
Strategie im Westen, die Umfassung des freien feindlichen Flügels,
verlassen, mit ihrer eigenen Strategie schlagen.
Marschall Joffre erfaßt diesen Gedanken sofort. Es ist sein histo-
risches Verdienst, daß er ihn mit eiserner Konsequenz in die Tat
umsetzte.
Schon Ende August ist die 6. Armee neu gebildet worden. Kom-
mandant ist General Maunoury, einer der fähigsten hohen Offiziere
des. Heeres.
Am 4. September teilt Joffre den Armeeführern seine Angriffs-
absichten zwischen Paris und Verdun mit. In der Nacht zum 6. Sep-
tember erläßt er Ln seinem Hauptquartier in Bar sur Aube, dicht
hinter der Front seiner schwer ringenden Armee, den für die Truppen
bestimmten Befehl. Er enthält die stolzen Worte: „Beim Beginn
der Schlacht, von der das Bestehen des Vaterlandes abhängt, muß
jeder sich klar sein, daß es kein Rückwärtsschauen mehr gibt. Alles
muß darangesetzt werden, den Feind anzugreifen und zu schlagen. Eine
Truppe, die nicht mehr vorzugehen vermag, muß das eroberte Ge-
lände halten, koste es, was es wolle. Lieber auf dem Platze sterben
als zurückweichen! Unter den jetzigen Umständen darf nicht die ge-
ringste Schwäche geduldet werden!"
Die Truppen des deutschen Nordflügels bis herab zum rechten
Flügel der 5. Armee kennen seit drei Wochen nichts als Fechten und
Marschieren, Marschieren und Fechten. Es gibt schon lange kein
Brot mehr. Granaten sind wichtiger als Brot. Zweihundert Pa-
tronen schleppt jeder Mann. Schnurgerade sind die Straßen, von
riesigen Pappeln gesäumt. Das zieht sich stumm von Hügel zu Hügel
durch Sonnenglut und Hitze. Und dann Ebene, nichts als Ebene. Ob
dies Marschieren jemals aufhören wirdr
3S
Die französische Artillerie ist vorzüglich, wie Lämmerherden
weiden die paffenden Wölkchen ihrer Schrapnelle über wiesen und
Feldern. Man liegt da und zieht den Kopf ein. Bleiregen gießt zur
Erde. Und dann wieder Vormarsch und Sieg. Fiebernd strebt alles
der letzten großen Entscheidung zu, mit der nun täglich gerechnet wird.
Das deutsche Hauptquartier ist von Koblenz nach Luxemburg
übergesiedelt. Die Entfernung bis zum Schwerpunkt der Schlacht, dem
rechten Flügel, beträgt Ln der Luftlinie ein paar hundert Kilometer.
Am 4. September, während Joffre in Bar für Aube seinen An-
griffsbefehl entwirft, muß Moltke Ln Luxemburg erkennen, daß der
Grundgedanke der westschlacht, die nördliche Umfassung, gescheitert
ist. Unbezwungen steht Paris, und man hat keine einzige Reserve,
um sie im Norden entscheidend in die Waagschale zu werfen.
„Macht mir den rechten Flügel stark!" sprach Schliessen. Es ist
zu spät.
Zwischen dem Stabsquartier der Armee Kluck und der Obersten
Heeresleitung besteht fast überhaupt keine Verbindung mehr. Moltke
kann Kluck nicht genügend klarmachen, wie er sich die neue Operation
denkt.
Kluck seinerseits gelingt es nicht, Moltke über seine eigenen Ab-
sichten und Maßnahmen zu unterrichten.
Noch glaubt Kluck sich mitten im Siege. Er treibt die Engländer
weiter südwärts, um in die Flanke der 5. französischen Armee zu
gelangen, die zwischen Montmirail und Joches vor der Armee Bülow
über den Petit Morin weicht. Westwärts gegen Paris hat er ein
einziges Korps gestellt, das IV. Reservekorps unter dem General
von Gronau.
Der plänkelt am 5. September nördlich Meaux mit französischen
Sicherungen, die er als Teile der pariser Besatzung ansieht, wenige
Stunden später erregt die Stärke der Franzosen seine Verwunderung.
Mittags zwölf Uhr entschließt er sich zu einem kräftigen Vorstoß, um
den Feind besser kennenzulernen. Bei Anbruch der Nacht gibt es
kein Zweifeln mehr — man hat eine ganze, festgefügte, angriffsbereite
französische Armee vor sich.
Meldungen stiegen zu Kluck. wenn er nicht sofort den Blick vom
Petit Morin nach Norden richtet, droht eine Katastrophe.
Der 6. September ist der Tag der Joffreschen General-Offensive.
Das IV. Reservekorps spürt den Stoß am mächtigsten. Maunoury
tritt mit seiner 0. Arme nach Osten an, um Ln den Rücken der deut-
schen Front zu gelangen. Joffre und Gallieni sehen auf ihn, der ihr
Werkzeug ist, um die Schlacht zu wenden und Frankreich zu retten.
Kluck hat das II. Armeekorps über Nacht aus der Linie im Süden
herausgelöst. In Gewaltmärschen eilen die Pommern herbei und
39
werfen sich neben die Magdeburger. Am Nachmittag tobt die Schlacht
westlich des Ourcq. Aber Maunoury ist noch nicht außer Atem. Kluck
muß auch das IV. Armeekorps von den Engländern lösen und nach
Norden hinaufbringen, er leitet sogar die Umgruppierung des III.
und IX. Korps ein.
Im gleichen Maße, wie Kluck ein Korps seiner Armee nach dem
andern auf seinen Nordflügel wirft, muß die r. Armee Bülow ihre
rechte Flanke weiter einbiegen. Schon während des 7. September
entsteht eine Lücke zwischen beiden Armeen. Sie erreicht am 9. die
verhängnisvolle Breite von vierzig Kilometern.
Nirgends sonst hat der Feind Boden gewonnen. 2m Gegenteil,
die 3., 4. und die 5. deutsche Armee befinden sich in vorwärtsschrei-
tendem Gefecht.
2m gleichen Maße, wie Kluck langsam Sieger wird, beginnen sich
jetzt die Engländer und Teile der 5. französischen Armee Ln die Lücke
zwischen Bülow und Kluck einzuschieben. Moltke muß nun endlich
die furchtbare Krise im Norden in ihrer ganzen Schwere erkennen.
Der 9. September bringt die Entscheidung. Sie wird, tragisch
genug, durch einen deutschen Sieg eingeleitet. Maunoury kann sich
nicht mehr halten; am Abend des 6. September gibt er seinen Unter-
führern schon den Geheimbefehl für den Rückzug.
Moltke kann unmöglich die rasche Entwicklung bei der j. und
2. Armee überschauen. Es geht zu schnell, und er ist viel zu weit ent-
fernt. Ein Abgesandter der Obersten Heeresleitung eilt im Auto-
mobil zu den kämpfenden Armeen. Obwohl er alles tun sollte, um die
Krise des rechten Flügels Ln günstigem Sinne zu beheben, enthält
feine Anweisung doch auch die Möglichkeit eines vorübergehenden
Zurückweichens.
Oberstleutnant Hentsch trifft bei Bülow am Abend des §. Sep-
tember eine ernste, aber zuversichtliche Auffassung von der Lage. Der
Rückzug der r. Armee wird ins Auge gefaßt, falls die Engländer am
nächsten Tage zwischen der j. und der r. Armee weiter vordringen
sollten. Leider unterläßt man es, sich über die vermeintlich ungün-
stige Lage bei der Armee Kluck Klarheit zu verschaffen. Am Mittag
des 9. September ist Hentsch beim AOK. ). Er trifft die 1. Armee
mitten im Sieg über die 6. französische Armee Maunoury. Der Ge-
neralstabschef sträubt sich gegen den Rückzugsgedanken. Da eröffnet
ihm hentsch, daß die r. Armee zu dieser Stunde bereits im vollen
Zurückgehen sei. Nun bleibt auch der ). Armee nichts anderes übrig,
als den Rückzug anzuordnen.
Tatsächlich hatte um diese Zeit Bülow, der Vereinbarung mit
Hentsch am Vorabend entsprechend, den Rückzug seiner Armee hinter
die Marne angeordnet, nachdem er aus Fliegermeldungen vom Vor-
dringen des Gegners über den Fluß und Ln die Flanke Klucks Kennt-
nis erhalten hatte. Von dem Siege der j. Armee über Maunoury
und ihrem günstig fortschreitenden Gegenstoß gegen die Engländer
wußte er nichts, wieder war jeder Versuch, über die Lage des rechten
Nachbarn und die Gefahr Ln der Lücke wirkliche Klarheit zu erlangen,
unterblieben.
Unterdessen wirft sich die 3. Armee unter General von Kaufen
mit verstärkter Heftigkeit von ihrem rechten Flügel aus auf die
Trennungsstelle zwischen der 5. und der 9. französischen Armee bei
Sezanne.
Die Lage ist auch hier durchaus hoffnungsvoll. Aber es ist nie-
mand da, der entsprechende Befehle gäbe. Bülow ist im Rückzüge
zwischen Dormans und Epernay. Kluck weicht gegen die Aisne bei
Soiffons. Beide Armeeführer glauben, daß sie sich Ln einer kurzen,
taktisch bedingten Rückwärtsbewegung befinden.
Noch ahnen Engländer und Franzosen nicht, wie nahe ihnen der
Giegeslorbeer. Erst einen ganzen Tag später bemerken sie den völ-
ligen Umschwung der Lage.
Paris befreit! Schicksalswende!
Die Nachricht vom Rückzug der 2. und kurz darauf auch der
1. Armee trifft die Oberste Heeresleitung am Abend des 9. September
als eine furchtbare Überraschung. Moltke, ein kranker Mann, fährt
am )). September zu den Armeen, die ihm am nächsten sind. Als er
ins Hauptquartier zurückkommt, hält er eine kurze Beratung ab. In
der gleichen Stunde erläßt er den Befehl, daß auch die 3., 4. und
5. deutsche Armee den Rückzug anzutreten haben. Als neue Front gibt
er ihnen die Linie Reims—Suippes—St. Men4hoult an. Das be-
deutet für die südlichsten Teile dieser Armeen siebzig Kilometer Rück-
marsch.
Alle drei Armeen trifft der Befehl wie ein Blitz.
General von Kluck stellt seine Korps zwischen Soiffons und Lom-
piegne zum ersten Male wieder mit dem Gesicht gegen den Feind.
Bülow ist fast bis auf Reims zurückgegangen. Immer noch klafft
jenes Loch, das Ursache zu so verhängnisvollen Entschlüssen war.
Endlich kommen Helfer aus dem Norden. Die Sieger von Maubeuge
sind heran. General v. Zwehl wirft sein VII. Reservekorps südlich
Laon den Franzosen entgegen.
Mitte September drehen die Truppen die Flintenläufe wieder dem
Gegner zu. überall erwarten sie mit Ruhe seinen Angriff.
Die Front verläuft von Noyon, wo zur rechten Zeit das IX. Re-
servekorps eingetroffen ist, über Soiffons nach Reims, von dort quer
durch die Champagne bis zum Nordrand der Argonnen. Nördlich
Verdun hat sie Anschluß an die alte Linie vor der Schlacht.
41
Die deutschen %tmttn haben dem Feind im Westen zwar das
Schlachtfeld und ihren großen strategischen Plan, aber nicht den Sieg
überlassen. Das Marnedrama ist beendet.
On diesen Tagen übt die Geschäfte des Generalstabschefs bereits
der bisherige Kriegsminister, General Erich von Falkenhayn, aus,
den der Kaiser zu Moltkes Nachfolger berufen hat.
Falkenhayn übernimmt sein Amt Ln einer der bittersten Stunden,
die je über dem deutschen Heere gewaltet haben. Er ist der Inbegriff
eines kühlen und sorgfältigen Rechners. Sein Fleiß, seine Ausdauer,
seine Ruhe sind bewundernswert. Eines ist ihm mit jedem preu-
ßischen General gemeinsam: das ist der Wille zum Sieg.
Unbezwungen liegt an der Scheldemündung, wo Belgien und Hol-
land zusammenstoßen, das größte Waffen- und Truppenlager der
Welt, die Festung Antwerpen. Die gesamte geflüchtete belgische Feld-
armee, dazu 70 000 Mann Besatzung liegen darin. Ganz England
schaut nach Antwerpen. Hier werden die Lebensinteressen des Insel-
reiches verteidigt.
Am 9. September erhält der General von Beseler den Befehl,
den Angriff vorzubereiten. Kann er nicht umfassend attackieren, so
muß er einen spitzen Keil Ln die Mauer treiben und sie zum Einsturz
bringen. Er soll alles an schwerer Artillerie bekommen, was an der
Westfront frei zu machen ist. Die 42-em-Mörser, die Lüttich, Namur
und Maubeuge zerbrochen haben, sind bereit. Die österreichischen
Skodawerke haben einen vorzüglichen 30,5-em-Motormörser geschickt.
Am 28. September kracht dumpf der erste Mörserschuß. Das Ge-
schoß zieht rauschend seine Bahn, verliert sich im Äther, fährt nieder
mit dem Geräusch einer abwärtsfallenden unsichtbaren Orgel und ruft
im Fort Lierre eine furchtbare Explosion hervor.
Zwei Tage orgelt es durch die Luft. Am r. Oktober sind die Forts
Lierre, Koningshoyckt, Wavre-Saint-Latherine und waelhem zu
rauchenden Trümmern verwandelt. Zwischen den Städten Lierre und
Mecheln klafft eine 15 Kilometer breite Bresche im äußeren Fort-
gürtel.
Der Sumpf- und wiesenabschnitt der Nethe legt sich quer vor
die Angreifer. Dahinter drohen die alten Forts des inneren Gürtels.
Am 7. Oktober geben die Belgier und die inzwischen eingetroffenen
3 englischen Marinebrigaden den Nethe-Abschnitt auf. Das gelb-
liche Wasser ist vom Blut gerötet. Die Feldartillerie der Geschla-
genen bleibt im Schlamm stecken. Sie fällt fast unversehrt in deutsche
Hand. Der 6. Oktober vergeht. Die Kanonade nimmt ihren un-
geschwächten Fortgang.
4r
Bei Morgengrauen des 9. Oktober kommt der Befehl zum Sturm-
angriff. Das Wetter ist regnerisch. Es geht in unaufhaltsamem
Schwung. Die Truppen haben nach den Erfahrungen mit den äuße-
ren Werken ein unbedingtes Zutrauen in die Arbeit der Mörser.
Nach wenigen Stunden ist die ganze Südfront des inneren Gürtels
aufgerissen. Am Nachmittag erlahmt der letzte widerstand. Die Ba-
taillone dringen Ln Antwerpen ein.
Westwärts über St. Nicolas zieht schon seit dem 7. Oktober das
Gros der belgischen Feldarmee mit den Engländern ab. Die zahlen-
mäßige Schwäche der Belagerer hat die Abschließung der Festung
unmöglich gemacht. Beseler leitet sofort die Verfolgung ein. Es
gelingt, einen großen Teil auf holländisches Gebiet abzudrängen. Die
meisten eilen in Gewaltmärschen nach Westen, von Beseler hart be-
drängt. Es ist ein toller wettlauf, dessen Tempo einzigartig in der
Kriegsgeschichte dasteht. Am 14. Oktober steht die 4. Ersatzdivision
Ln Brügge. Abermals einen Tag später steigen die Reservisten bei
Ostende aus den Dünen, sehen das Meer und treiben atemlos den
Gegner die Küste entlang südwestlich auf Dünkirchen zu.
Ganz neue Ereignisse haben sich unterdessen hier angesponnen.
General Falkenhayn verlegt das deutsche Hauptquartier sofort
von Luxemburg nach Mezieres-Lharleville. Er ist nun dicht hinter
der 7., 2., 3., 4. und 5. Armee zwischen Noyon und Verdun.
Das Bild des Westfeldzuges hat sich ganz verändert. Der linke
deutsche Flügel von Verdun südwärts bis zur Schweizer Grenze
scheint endgültig erstarrt. Auch im Zentrum tritt die ganz neue Er-
scheinung des Stellungskrieges auf. Es ist etwas, was sich ganz aus
sich selbst heraus entwickelt, von Tag zu Tag, aus geringen An-
fängen, zunächst kaum beachtet und wenig gefördert, hüben genau so
wie drüben.
Auch der rechte Flügel, die j. und r. Armee, zwischen die nun die
7. eingeschoben ist, verharrt zwischen Noyon und Reims. Kein Zweifel,
daß auch hier ein Gleichgewicht der Kräfte erreicht ist, das vorläufig
strategische Bewegungen ausschließt.
Zwischen Noyon und dem Meere aber gähnt ein fast leerer Raum
von zweihundert Kilometer Breite, der zu neuen Operationen ge-
radezu zwingt. Es kann nur so geschehen, daß man zur Grundlage
Schlieffenscher Gedankengänge zurückkehrt. Noch einmal muß das
Prinzip der nördlichen Umfassung angewendet werden.
Aber schon hat Joffre, noch in der Erwartung des Sieges im
Zentrum, bei Amiens eine neue Armee unter dem General de Castel-
nau zusammengeballt. Stolz nennt Frankreich sie die „armee de
poursuite", Verfolgungsarmee. Sie soll, von Amiens auf St. Ouentin
vorrückend, den Deutschen den Genickstoß geben — hier oben, wo
4$
noch keines deutschen Soldaten Stiefel den Boden Frankreichs „be-
schmutzt" hat, muß es unzweifelhaft gelingen.
Am r). September tritt die „aruiee de poursuite" den Vormarsch
an, und Ioffre sendet triumphierende Telegramme nach Paris.
Aber was ist das; General Lastelnau meldet, daß er zwischen Ba-
paume und Roye auf den Feind gestoßen ist und sich zum Kampf ent-
wickelt. Ioffre wird unruhig.
Am Abend meldet Lastelnau, daß er schwere Verluste hat. Er ist
auf seiner ganzen Front in heftige Kämpfe verwickelt und gelangt
nicht einen einzigen Schritt über die erreichte Linie hinaus.
welche neuen deutschen Truppen stehen hier vor Lastelnau;
Moltke hatte die Verlegung des größten Teiles der 6. Armee des
bayerischen Kronprinzen von Lothringen nach dem rechten Flügel
schon eingeleitet. Falkenhayn beschleunigt die Bewegung bis aufs
äußerste. Beide, Ioffre und Falkenhayn, begraben an der Somme
eine kühne Hoffnung. Dennoch hält jeder an seinem Plan fest. Die
Lage zwingt dazu. Man muß noch weiter nach Norden ausholen.
westlich Arras versammelt Ioffre abermals eine neue Armee.
Ihr Führer ist der General Maudhuy. Zwischen Bethune und Arras,
die berühmte Lorettohöhe im Zentrum, trifft Maudhuy mit dem
rechten Flügel der 6. deutschen Armee zusammen, die eben gerade zur
Überflügelung angesetzt ist. wild ist der Streit um Notre Dame de
Lorette.
Abermals steht die Westfront, um hundert Kilometer nach Norden
verlängert. Zweimal ist den Deutschen Ioffre zuvorgekommen.
Es handelt sich jetzt um die Entscheidung der Frage, ob die Deut-
schen in Flandern eine Basis für ihre Unterseeboote bekommen oder
nicht.
England spürt, es geht hier um sein Leben. Zwischen Ioffre und
French entstehen heftige Zerwürfnisse. French hat nicht die geringste
Neigung, die englische Expeditionsarmee an der Aisne verbluten zu
lassen, während den Deutschen die belgische Küste ohne Schwertstreich
in die Hände fällt.
In diese Erörterung trifft die Nachricht vom Fall Antwerpens
wie ein Hammerschlag. Schon eilen die deutschen Divisionen in Ge-
waltmärschen auf Ostende. Da gibt Ioffre nach. Die Engländer ver-
lassen eiligst die Äisnefront und sammeln sich ostwärts Boulogne bei
Hazebrouck. Es gelingt French gerade noch, östlich Dünkirchen die
von Antwerpen herbeigeeilten Belgier in seinen Reihen aufzufangen.
An deren Fersen hängen schon die Regimenter Beselers.
Das Meer gebietet Halt. Der Gedanke der nördlichen Umfassung
hat sich ausgelaufen. Eine schmale Unterseebootbasis ist gerade noch
44
Ln deutscher Hand geblieben. Fcench braucht Zeit, um seinen Angriff
auf sie vorzubereiten.
Aber Falkenhayn will mehr als diese Basis. Zum letztenmal schickt
er sich an, durch einen furchtbaren Stoß längs der Küste das Erstarren
der Front zu verhindern und den Sieg in offener Feldschlacht zu er-
zwingen.
Die Nächte sind schon kühl in Flandern. Es ist Mitte Oktober.
Endlos ist das Gewirr von Dörfern, Hecken, Feldern, Pappel-
alleen und wafferläufen. wie ein umgeworfener Kinderbaukasten
sieht das Land aus.
Die Straßen sind mit Marschkolonnen angefüllt. Alle wandern
westwärts, der untergehenden Sonne entgegen.
Unter Jünglingen, die eben die Schulbank verlassen, gehen bär-
tige Männer. Es ist wie eine Wanderung der deutschen Univer-
sitäten, die eine seltsame Verwandlung durchgemacht haben. Die
Offiziere sind zumeist ältere Herren, die schon inaktiv warsn. Aber
das jugendliche Feuer steckt sie an.
Die Helme und die Gewehrläufe sind mit Blumen und Grün ge-
schmückt. Marschlieder erklingen vom Morgen bis zum Abend. Nur
bei der Mittagshitze wird es still.
Nein, man läßt sich die Strapazen des Marsches nicht anmerken.
Man beißt die Zähne zusammen und sieht starr geradeaus, immer in
der Richtung der Pappeln.
Das Gepäck drückt und die Füße schmerzen. Die Gesichter lachen
und der Mund singt.
Die Nächte sind schon kühl in Flandern.
An den Biwakfeuern erzählen die älteren Herren, wie es 1872
zuging. Alles soll möglichst mit dem Bajonett gemacht werden. Ba-
jonettieren, das ist das wichtigste. Das vertragen sie drüben nicht.
Die Jungen reißen die Augen auf und hören zu, daß ihnen nur
kein Wort verlorengeht. Man wird die Engländer vor sich haben.
Sie können zwar gut Fußball spielen und Gummi kauen, und es
heißt sogar, daß jeder von ihnen einen Tennisschläger mit sich führt,
aber sie betreiben auch den Krieg als eine Art Sport, der sie nur
bis zu einem gewissen Grade interessiert. Vor der j. Armee sind sie
ausgerückt wie Hasen.
So geht es von Mund zu Mund. Niemand sagt ihnen, daß die
englischen Truppen zum größten Teil aus geübten und im Kolonial-
krieg erfahrenen Soldaten bestehen.
Es ist eine fiebrige, feierliche Erwartung, die sich von Tag zu Tag
steigert. Heute mögen es noch vier Abende sein, morgen noch drei...
übermorgen noch zwei ... und dann ...
45
Sechs Wochen ist man in den Garnisonen gedrillt worden. Alles
hat man willig geschluckt, nur um bald kampfbereit zu sein.
wenn man nur endlich rankommt, wenn man sie nur erst Vor
den Gewehrläufen und den Bajonetten hat!
Fallen- Sterben- Schwerverwundet irgendwo liegenbleiben- „Und
schießt mich eine Kugel tot, kann ich nicht heimwärts wandern . . ."
Und ganz aus der Tiefe, wie Orgelton und ein wenig beklommen: „Kein
schönrer Tod ist in der Welt, als wer vorm Feind erschlagen . .
Ja . . und hin und wieder auch, wenn morgens Alarm geblasen
wird, wenn die Kompanien in zwei Gliedern auf dem Marktplatz
antreten, und wenn es dann fern im Osten, weit hinten über Lourtray
und Gent am Fimmel steht — „Morgenrot, Morgenrot ..
Die Nachte sind schon kühl in Flandern.
Vier Reservekorps, in der Hauptsache aus Kriegsfreiwilligen ge-
bildet, sind mit dem Korps Beseler zu einer neuen 4. Armee ver-
einigt worden. Sie steht am 15. Oktober bereit, den Angriff gegen
die Front zwischen dem Meere bei Nieuport und der Lys mit Rich-
tung auf Merville aufzunehmen.
Der Zusammenprall ist furchtbar. Mit beispielloser Todesverach-
tung, genau nach den Regeln des Exerzierreglements, werfen sich die
jungen Regimenter auf den Feind, der ein Meister im Ausnutzen
aller Geländevorteile ist.
Um Dixmuiden, Bikschoote, Langemark, passchendaele, Beeelaere,
Hollebeke, wytschaete und Messines branden Gefechte von wilder
und mittelalterlicher Verbissenheit. Die Blüte der deutschen Iugend
zeigt sich als Meister im Draufgehen und im Sterben.
Bis zur Lys herunter brandet die Schlacht auf mehr als ein-
hundert Kilometer Breite. Ohne Unterbrechung währt sie zwei
Wochen lang, eine bis dahin für unmöglich gehaltene Erscheinung.
Ende Oktober steht fest, daß der Durchbruch nördlich Rpern nicht zu
erzwingen ist.
Ganz im Norden haben die Engländer und Belgier in ihrer Be-
drängnis einen mächtigen Bundesgenossen herbeigerufen. Am 27. Ok-
tober öffnen sich die Schleusen von Nieuport. Das Meer strömt her-
ein und füllt das Land bis über Dixmuiden hinaus.
Nur um so heftiger krampst sich die Schlacht um Rpern zu-
sammen. Sie steht auf des Messers Schneide.
French glaubt, sich nicht mehr halten zu können. Aber General
Foch weist ihn auf die Hilfe hin, die von den Franzosen kommt.
Joffre hat am 4. Oktober schon die „Heeresgruppe Nord" unter dem
Kommando des Generals Foch gebildet. Ihr gehören alle Truppen
zwischen der Somme und der Meeresküste an. Am 19. Oktober schiebt
4ö
er zwischen den Engländern und den Belgiern eine neue französische
Armee-Abteilung unter dem General d'Urbal ein.
Teile der Franzosen werfen sich bei Dixmuiden ins Gefecht.
Eine zweite deutsche Stoßtruppe unter Linsingen prallt mit furcht-
barer Gewalt am )o. November abermals gegen den weit vorsprin-
genden Bogen der feindlichen Front südöstlich Rpern.
Im Norden stürmen die Freiwilligen Dixmuiden zum zweiten
Male und halten es gegen alle Gegenangriffe der Franzosen. Es sind
die besten französischen Regimenter.
French wirft neue Truppen in den Kessel.
Am i). November hält die r. preußische Gardedivision beiderseits
der Straße von Rpern über Gheluvelt auf Menin in einem Gefecht
von ungeheurer Hartnäckigkeit den feindlichen Gegenstoß Ln Wald-
stücken und Decken auf.
Schon hat der flandrische Herbstregen eingesetzt. Das Land wird
zum Morast.
Um Mitte November zerrinnt die Schlacht zu Stellungskämpfen.
Zerrinnt ungefähr Ln der Linie, Ln der sich der erste Anprall vollzogen
hat. Beide Gegner sind zu Tode erschöpft. Sie liegen einander auf
kürzester Entfernung gegenüber.
Auch das ist neu und unerhört, daß man dreißig Meter vonein-
ander entfernt in Trichtern Hausen kann, tagelang, wochenlang.
Von Norden, Osten und Südosten haben die deutschen Regimenter
den Blick auf das langsam sterbende Rpern gerichtet.
5. Kapitel
Zeldzug in Polen, den Rar palen
und Masuren
Hindenburg und Ludendorff überlegen, wie sie am schnellsten und
sichersten den schwer bedrängten Österreichern helfen können.
Nikolai Nikolajewitschs erste große Offensive, gegen den Nord-
flügel Ln Ostpreußen und gegen den Südflügel Ln Galizien gerichtet,
hat nur im Süden Erfolg gebracht.
Zwei Faktoren bestehen im Osten, auf denen neben der Tapferkeit
und der Ausdauer der Truppen alles beruht. Das ist einmal die nun
bewiesene Führerkunst des Generalobersten von Hindenburg und
seines Stabschefs Ludendorff. Das ist zum zweiten die fabelhafte
Beweglichkeit der deutschen Armeekorps auf diesem ungeheuren
47
Raume, die dem vortrefflichen Zustande des deutschen Eisenbahnnetzes
zu verdanken ist.
Hindenburg und Ludendorff denken an einen Stoß von der Süd-
grenze Ostpreußens aus gegen Warschau. Falkenhayn lehnt diesen
Gedanken ab. Hindenburg will nun aus dem Raume südlich Posen
zum Angriff ansetzen. Immer hat er sein Augenmerk darauf gerich-
tet, an die Nordflanke des Gegners heranzukommen. Man will nicht
nur siegen, man will vernichten. Abermals lehnt Falkenhayn ab. Er
ordnet an, daß die neue Operation genau auf dem linken Flügel der
Österreicher ihren Ausgang nimmt.
Das Unmögliche wird möglich gemacht. Am 30. August Dannen-
berg, am 13. September ostwärts der masurischen Seen — am
r6. September stehen die gleichen Regimenter vormarschbereit in Ober-
schlesien. Alle vierzehn Tage eine Schlacht, und dann wieder mar-
schieren, als ob der Teufel die Spitze übernommen habe.
Ein paar Korps bleiben als 6. Armee vor Kowno und Grodno,
wo Rennenkampf seine zweite Njemen-Armee aufbaut, nachdem ihm
die erste so bös zugerichtet wurde.
Das XX. Korps des Generals von Scholtz und das XVII. des
Generals von Mackensen, die Sieger von Tannenberg, bilden den
Grundstock der neuen 9. Armee in Oberschlesien. Führer der 9. Armee
ist Hindenburg, gleichzeitig Befehlshaber aller deutschen Truppen im
Osten. Das Landwehrkorps woyrsch, das den linken Flügel der
Österreicher in der ersten Unglücksschlacht vor dem Zusammenbruch
bewahrt hat, tritt jetzt zur 9. Armee auf deren rechten Flügel.
Lonrad von Hoetzendorf will das gesamte österreichische Heer von
der Wisloka-Mündung über die Karpaten bis zur Theiß-Ouelle dies-
seits der Bukowina aus seiner Ohnmacht herausreißen und einem
neuen Sieg, womöglich der Entscheidung, entgegenführen.
Aus der Linie Krakau—Kreuzburg, das Zentrum rittlings der
Bahn Kattowitz—Kielce—Radom—Iwangorod, tritt am rs. Sep-
tember die 9. Armee an. Die Sieger von Ostpreußen wiffen, was
marschieren heißt. Aber hier lernen sie noch Neues hinzu.
Russische Sicherungen werden jählings überrannt. Nach fünf
Tagen steht die Armee im Kampf um den Höhenzug der Lysagora
beiderseits Kielce. Nach abermals zwei Tagen sind die Höhen über-
schritten. Die ). österreichische Armee ficht wacker mit und schreitet
längs der Weichsel kräftig gegen die San-Mündung vorwärts.
Das Vorgehen der übrigen österreichischen Armeen entspricht nicht
den stolzen Erwartungen Lonrads von Hoetzendorf. Die 3. Armee
entsetzt gerade noch die Festung przemysl.
Jetzt aber zeigt sich Großfürst Nikolai Nikolajewitsch in der
ganzen Meisterschaft seiner Strategie. Sobald er die deutschen Vor-
4S
Bereitungen zum Angriff in Südpolen erkannt, stellt er sich vollstän-
dig um. während bisher das Schwergewicht seiner Operationen auf
den beiden Flügeln, in Ostpreußen und Galizien, gelegen, läßt er
nun seine Truppenmaffen in das polnische Zentrum strömen, um dem
deutsch-österreichischen Vorgehen zwischen Südpolen und den Kar-
paten durch einen machtvollen Stoß gegen die deutsche Nordflanke
zu begegnen.
Auf mächtige Festungen stützt sich die Operation. Über Polen und
Schlesien hinweg winkt Berlin.
Der Großfürst gibt seiner Dampfwalze den Befehl zum An-
treten. Die nördliche Überflügelung der y. deutschen Armee bereitet
sich unmittelbar vor.
Ganz neue Entschlüsse müssen gefaßt werden.
Die Truppen sind geschwächt und ausgezehrt durch den zehn-
tägigen Gewaltmarsch über Südpolen hinweg und die dauernden Ge-
fechte. Aber Hindenburg und Ludendorff werden schon wissen, was sie
ihnen zumuten dürfen.
Sie wissen es allerdings. Ihrem Grundsatz getreu, jede Opera-
tion schon während des Ablaufs der vorausgehenden vorzubereiten,
haben sie ihre Pläne schon fertig. Diesmal heißt es nicht überflügeln
und vernichten. Diesmal ist es bitterer. Ausweichen und Zurück-
gehen bis auf die Ausgangsstellung. Alles aufgeben. Die Meister des
strategischen Vormarsches wandeln sich zu Meistern des strategischen
Rückzuges.
Der polnische Landregen meldet sich als Begleiter. Die Marsch-
ziele sind fast brutal in ihren Entfernungen.
Brücken und Eisenbahnbauten fliegen in die Luft. Straßenkreuze
werden gesprengt. Der Feind soll nichts finden, was seinen Vor-
marsch beschleunigen kann.
Aber das ist der moralische Glanzpunkt dieses musterhaften und
wohl einzig dastehenden Rückzuges — nicht eine einzige Stunde lang
kommt auch nur bei einem Musketier das Empfinden auf, daß hier
etwas nicht stimmt. In voller Ordnung vollzieht sich alles. Angriff
und Rückzug verschmelzen zu einer einheitlichen strategischen Hand-
lung.
Die Österreicher geben abermals alles Errungene preis und kommen
diesmal sogar erst hinter dem Dunajek beiderseits Tarnow zum Ein-
halten.
Mitten in diesen schwarzen Tagen sind Willenskraft, Gedanken-
reichtum und unerschütterlicher Siegesglaube der beiden Führer im
Osten schon mit einem neuen Plan beschäftigt, der das Schicksal zum
zweitenmal wenden soll.
4 Sperrfeuer, Jugendausgabe
49
Ludendorff fährt nach Berlin. Er kommt sich vor wie Ln einer
andern Welt, die er nicht begreift. „Der Unterschied zwischen der
ungeheuren Anspannung, die ich seit Kriegsbeginn durchlebt hatte,
und dem Treiben Ln Berlin war zu groß", schrieb er später. Falken-
hayn kommt aus Lharleville ebenfalls nach Berlin. Die Aussprache
mit ihm ist unerquicklich. Man geht beiderseits unbefriedigt aus-
einander.
wenigstens hat Falkenhayn Ln die dringend notwendige Befehls-
umgliederung im Osten eingewilligt, Hindenburg gibt die Führung
der 9. Armee an Mackensen ab. Er ist nun ausschließlich Oberbefehls-
haber Ost und geht mit seinem Stabe nach Posen. Die Provinzen
Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, Posen und Schlesien werden
ihm als Kriegsgebiet unterstellt.
Ehe der Heimat zum vollen Bewußtsein gekommen, welche un-
geheure Gefahr plötzlich im Osten entstanden ist, fällt schon der
Schlag, der diese Gefahr beseitigt.
Am i). November greift Mackensen mit der 9. Armee an. Sein
linker Flügel lehnt sich an die Weichsel bei Thorn, der rechte etwa
an die Warthe südöstlich Gnesen. Abermals sind es die Sieger von
Tannenberg, von Masuren, von Warschau und Iwangorod. Sie ver-
wandeln sich jeweils nach zwei Wochen, als seien ihre Kräfte un-
erschöpflich.
Zwei Tage später, indessen Mackensen schon halbwegs vor Lodz
kämpft, reift die Frucht.
Die Dampfwalze hält an. Der Großfürst, unverwüstlich in seiner
Energie und allen Schicksalsschlägen trotzend, wirft seine Reserven
auf den Nordflügel. Es nützt ihm nichts. Mackensen steht vor Lodz,
wo sich die russischen Massen zu einem verstrickten Knäuel zusammen-
ballen.
Schon sieht es so aus, als könne sich bei Lodz ein neues Tannen-
berg entwickeln. Aber der äußerste linke Flügel Mackensens, der weit
vorgeprallt ist, gerät seinerseits Ln harte Bedrängnis. Die Russen
ziehen neue Massen aus Warschau herbei. Am 23. November sind
das ganze XXV. Reservekorps und die 3. Gardedivision völlig um-
zingelt. Sie stehen bei Brzeziny und kämpfen nach allen Seiten.
„Rache für Samsonow", denken die Russen. Transportzüge für die
deutschen Gefangenen werden schon bereitgestellt.
Da machen die drei Divisionen kehrt. Voran die 3. Gardedivision
unter General Litzmann, geht es gegen den Feind im Rücken. In der
Nacht wird der Ring in Stücke gehauen. Die Divisionen bringen
ihren gesamten Troß und obendrein -0000 russische Gefangene mit.
Lodz wird am 6. Dezember, Lowicz am 15. genommen.
50
Seit Beginn der Mackensen-Offensive hat der Großfürst eine
viertel Million Menschen eingebüßt. $o ooo Gefangene zählen die
Deutschen. Abermals ist der Osten gerettet.
In den gleichen Tagen erzielen die Österreicher bei Limanowa
gegen die südlich Krakau aufs neue vordringenden Russen einen be-
deutsamen Waffenerfolg. Die Schlacht bei Lodz und die Schlacht bei
Limanowa bilden eine strategische Einheit.
Der Großfürst weiß, was er seinen Alliierten schuldig ist. Man
kann auch in Schnee und Eis kämpfen.
Es ist Dezember.
Kühl und zäh bereitet Nikolai Nikolajewitsch seine neue Offensive
vor. Sie wird über die zweitausend Meter hohen, völlig verschneiten,
von Eis überdeckten Karpatengipfel führen.
Der Plan ist so ungeheuerlich, daß er nur in dem Hirn eines sla-
wischen Machthabers entstehen kann. Noch kann man dem russischen
Soldaten alles zumuten. Eine Million Menschen sind geopfert. Eine
zweite wird folgen, ohne zu murren.
Nicht genug damit wird gleichzeitig der neue Stoß gegen die
verhaßten Deutschen vorbereitet. Im Oktober wird die alte Njemen-
Armee mit der neuen jo. unter General SLewers vereinigt, um die
schwachen Landwehr- und Landsturmformationen der zwischen Tilsit,
Angerburg und Johannisburg stehenden 6. Armee unter General
von Below zu überrennen und diesmal ganze Arbeit zu leisten.
In der zweiten Ianuarwoche )9)5 soll der Angriff auf die Kar-
patenpässe und nach Ungarn hinein beginnen. Siewers erhält Befehl,
sich bereitzustellen.
Lonrad von Hoetzendorfs beweglicher Geist verzagt auch Ln dieser
Lage nicht. Er schlägt eine neue gemeinsame deutsch-österreichische
Operation im Norden und im Süden vor. Hindenburg unterstützt
diesen Plan aufs wärmste. Falkenhayn ist klug genug, Hilfe zu ge-
währen.
Es wird eine deutsche Süd-Armee gebildet, deren Oberbefehl der
General von Linsingen übernimmt. Operativ untersteht die Süd-
Armee Lonrad von Hoetzendorf. Andererseits werden Linsingen eine
Anzahl österreichischer Divisionen zugeteilt.
Meterhoch liegt der Schnee Ln den Karpaten.
Die Österreicher rechts und links sind von der herzlichsten und
fürsorglichsten Kameradschaft. Ihre Dankbarkeit für die deutsche
Hilfe ist ehrlich und unumwunden.
Lonrad von Hoetzendorf und Hindenburg sind sich einig, daß sie
im Süden und im Norden den erwarteten russischen Angriff durch
Gegenangriff aus der Vorhand zu parieren haben.
Inzwischen ist Linsingen angetreten. Grimmig und kompliziert
sind die Gefechte mit den Russen. Der Feind will sich die Aussicht auf
die ungarische Ebene um keinen preis nehmen lassen. Aber vergeb-
lich, Ende Januar ist die Kette des Hochgebirges Ln deutscher Hand.
Es ist hohe Zeit. Schon sind die Vorbereitungen des Großfürsten
gediehen. Fast anderthalb Millionen Menschen treten unter dem Ge-
neral Iwanow gegen die Karpatenfront an, um sie, koste es, was es
wolle, von den Kämmen herabzureißen.
Noch bevor diese furchtbare russische Welle aus der galizischen
Ebene gegen die Pässe heranschwillt, holt das Schicksal zu einem
neuen Schlage gegen den Großfürsten und gegen Rußland kurz, hart
und vernichtend aus. Geführt wird er von den Deutschen im obersten
Norden.
General Siewers wartet auf den Befehl zum Angriff gegen Ost-
preußen. Die Deutschen gegenüber scheinen im tiefsten Winterschlaf
versunken. Offenbar haben sie keine Ahnung, was ihnen bevorsteht.
Noch ist Samsonow ungerächt.
Da krachen am 7. Februar frühmorgens über die Johannisburger
Heide die Batteriesalven. Es klingt, als ob das Eis der Seen zer-
breche. Ehe die Russen sich über die plötzlich toll gewordenen Deut-
schen genugsam verwundert, brechen schon die Schützenkolonnen durch
die Niederungen und über die verschneiten Lichtungen.
General Siewers traut seinen Ohren und seinen Augen nicht.
Offenbar handelt es sich um ein rein örtliches Unternehmen. An;
S. Februar erwacht er zu einer furchtbaren Überraschung. Das Bild
entrollt sich in seiner ganzen Klarheit.
Mit ungemeiner Schnelligkeit und unter der größten Geheim-
haltung haben Hindenburg und Ludendorff abermals eine völlige
Umgruppierung der deutschen Osttruppen vorgenommen. Ziel ist, die
Ln der Aufstellung zum Vormarsch begriffene und sozusagen schon fer-
tige Armee Siewers zu überfallen und zu vernichten, ehe sie einen
einzigen Fuß vorwärts gerührt hat. Mittel: schwache Mitte, starke
Flügel.
Zwischen Tilsit und Darkehmen wird eine neue, 10., Armee ge-
bildet. Sie untersteht dem Generalobersten von Eichhorn. Below
behält mit der §. Armee den Abschnitt zwischen Darkehmen und Jo-
hannisburg. Vor ihm liegen die masurischen Seen. Bei und südlich
Johannisburg steht die Gruppe Litzmann, der §. Armee zugehörig.
Eichhorns Nordflügel ist die nördliche Zangenklaue, Litzmann die
südliche. Sie haben so schnell und so kräftig vorzustoßen, daß es
gelingt, die Masse der Russen zwischen Suwalki und Augustowo,
mitten im Gewirr der verschneiten Forsten, Ln einem Kessel zusammen-
zutreiben.
5r
Das Werk gelingt, ehe die Rüsten aus ihrer Dumpfheit erwacht
sind. Es gibt kein langes Hin und Her bei den Russen wie seinerzeit
in der Tannenberger Schlacht. Dumpf in ihr Schicksal ergeben, lasten
sie sich abführen.
Am ro. Februar war die Einkreisung vollendet. Bis zum rz. sind
lioooo Menschen und 300 Geschütze gezählt, dazu ein unermeßlicher
Troß.
Die winterschlacht in Masuren hat ein Lannae von noch größerem
Ausmaße als Tannenberg ergeben. Die 10. russische Armee ist ver-
nichtet.
Der Großfürst, dem die eine Hälfte seines Doppelstoßes in Ost-
preußen und in Galizien so rasch zerronnen, setzt alles daran, die
zweite zu gewinnen.
Mitte März ergeht der Befehl zum Angriff.
Dann entfaltet sich das Bild einer Schlacht, die in der Verschwen-
dung an Menschen auf der Seite des Angreifers ohne Beispiel ist.
In der Mitte steht die Front der deutschen Regimenter. Es gibt
kein weichen. Mit kaltblütiger Ruhe erwarten sie den täglichen An-
prall. Sie sehen die Leichen der Russen vor ihren Hindernissen sich
auftürmen. Welle auf Welle brandet und zerbricht in einer schreck-
lichen Monotonie.
przemysl, bis auf die letzte Brotkante ausgehungert, streckt am
rr. März die Waffen. General Kusmanek, der Festungskommandant,
gerät mit 75 000 Österreichern in Gefangenschaft. Die Russen erhalten
einen Zuwachs von einigen Korps. Der Großfürst jagt sie gegen die
Karpaten. Zum ersten, zum zweiten, zum dritten, zum zehnten Male.
Um Ostern wird zur Stützung der 3. k. u. k. Armee das deutsche
Beskiden-Korps unter dem General von der Marwitz eingeschoben.
Es wird Anfang April. Der Schnee ist geschmolzen und rinnt
schmutzig-naß von den Höhenzügen in die Täler. Dort, wo er nach
Galizien zu abfließt, ist er vom Blut rot.
Um Mitte April legt sich endlich Friedhofsruhe über die Karpaten.
Eine halbe Million Menschen hat der Wahnsinn des Großfürsten
Mütterchen Rußland gekostet. Die Bilanz der Zahlen ist einstweilen
noch nicht beängstigend. Die Bilanz der inneren Kraft ist trostlos
und ein furchtbares Vorzeichen für den Sommer 1915. Zahlen kann
man sehen und ihre Veränderungen messen. Die innere Kraft und der
Geist verändern sich unsichtbar, langsam, unwägbar, heimlich be-
reiten sich die Katastrophen vor, die eines Tages Führer und Ge-
führte zum Erschrecken bringen.
53
s. Kapitel
Lreuzerkrieg, Kolonien und Blockade
Anfang November 1014 lief durch sämtliche Kabel der Welt eine
Nachricht ganz besonderer Art und gelangte auch nach Deutschland.
Ein deutsches Kreuzergeschwader unter dem Vizeadmiral Graf von
Spee habe an der Westküste von (Lhile, nicht weit von Valparaiso
entfernt, etwa auf der Höhe von Loronel ein englisches Geschwader
angegriffen. Die Seeschlacht war kurz und heiß. Die beiden eng-
lischen großen Kreuzer „Good Hope" und „Monmouth" sanken Ln die
Tiefe. Der kleine Kreuzer „Glasgow" entkam mit dem Hilfskreuzer
„Otranto" schwerbeschädigt im Schutze der Nacht.
Die Engländer hatten eine empfindliche Schlappe erlitten. Deutsch-
land jubelte. Dann vernahm man einen Monat lang nichts mehr.
Die Ereignisse des Landkrieges fesselten das Interesse.
Im Dezember kam es, wie es kommen mußte. Abermals spielten
die Kabel. Eine neue Schlacht. Diesmal auf der östlichen Seite von
Südamerika, hart östlich der Falklandinseln.
Vizeadmiral Graf von Spee will Port William, den britischen
Flottenstützpunkt auf den Falklandinseln, zerstören! Frühmorgens am
s. Dezember steuern die deutschen Schiffe Port William an. Zwischen
acht und neun Uhr sichten „Gneisenau" und „Nürnberg" den Hafen-
leuchtturm und erkennen im Innern des Hafens englische Kriegsschiffe.
Um elf Uhr vereinigt sich das deutsche Geschwader südöstlich von
Port William. Jetzt können die Deutschen das Auslaufen von acht
großen Schiffen beobachten. Zwei von ihnen werden als Schlacht-
kreuzer erkannt.
Es ist zu spät, um sich dem Feind durch ein Manöver zu ent-
ziehen. wenige Minuten vor ein Uhr eröffnet „Inflexible" auf sech-
zehn Kilometer Entfernung das Feuer. Kurz darauf brüllen auch die
panzertürme des „Invincible".
Graf Spee weiß, daß die Stunde seines Geschwaders geschlagen
hat. Sowohl an Schnelligkeit wie an Kaliber sind die Engländer ihm
weit überlegen.
Kurz nach vier Uhr, nach zweieinhalbstündigem Gefecht, sinkt das
deutsche Flaggschiff „Scharnhorst" mit wehender Kriegsflagge. Nie-
mand wird gerettet. Auch der Admiral stirbt. Um einhalb sechs Uhr
kentert die todwunde „Gneisenau". „Leipzig" und „Nürnberg" er-
liegen der Übermacht und schließen sich dem Todesreigen der großen
Kreuzer an.
Der kleine Kreuzer „Dresden" entrinnt den Verfolgern. Ein
Vierteljahr irrt er ruhelos und verfolgt im Stillen Ozean umher.
54
Dann wird er von den Engländern Ln neutralen Gewäffern überfallen.
Die überlebende Mannschaft läßt sich in Chile internieren.
Graf Spee, den Untergang seines Geschwaders mit Sicherheit
voraussehend, hat schon am 14. August den kleinen Kreuzer „Emden"
unter dem Kommando des Korvettenkapitäns von Müller aus dem
Geschwaderverbande entlassen. Die „Emden" soll auf eigene Faust
Kreuzerkrieg führen und den feindlichen Handel so gründlich wie
möglich stören.
Die Sage vom Fliegenden Holländer wird im Indischen Ozean
lebendig. Bald versenkt die „Emden" einen russischen Dampfer Ln
den japanischen Gewäffern, bald erscheint sie im Meerbusen von Ben-
galen, bald ist sie vor Madras, bald bei Malakka. Der gesamte Han-
del stockt. Engländer und Japaner schicken einen Kreuzer nach dem
anderen. Es gelingt nicht, diesen raschen Teufel zu fangen.
Aber auch das kann nicht immer so weiter gehen. Am 0. No-
vember liegt die „Emden" vor den Kokos-Inseln, etwa tausend Kilo-
meter südwestlich Sumatra. Vierzig Mann der Besatzung sind ge-
landet, um die englische Funkstation an Land zu zerstören.
Zufall und Unglück wollen es, daß der englische Kreuzer „Sidney"
daherkommt. Die Geschütze der „Sidney" schießen die „Emden" aus
der Entfernung zusammen.
Kapitän von Müller läßt das brennende Schiff auf Strand
laufen. Ein Teil der Besatzung fällt in die Hand der Engländer.
Unterdessen weilt Kapitänleutnant von Mücke mit seinen vierzig
Mann an Land und ist seelenruhig damit beschäftigt, die Funkstation
zu zerstören. Ohne helfen zu können, sieht Mücke mit seinen Leuten
das Drama an. Er hält sich verborgen, bis die „Sidney" außer Sicht
ist. Dann geht es zum Hafen hinab. Eine Nußschale von Segler
liegt dort, längst abgetakelt. „Ayesha" heißt der Kahn.
Bei Nacht und Nebel beginnt die abenteuerliche Fahrt. Sie führt
nach padang auf Sumatra, von dort aufs offene Meer hinaus. Einen
Monat lang irrt die „Ayesha" Ln den Gewässern umher, ohne Funk,
ohne Karte, ohne Geschütz, ohne Ausrüstung. Es gibt auch immer
noch Gegner, die schwächer sind als die „Ayesha".
Dann schickt das Glück einen kleinen deutschen Dampfer. Die ge-
treue „Ayesha" wird zur ewigen Ruhe auf den Meeresboden geschickt.
Man kann daran denken, dem Feinde endgültig zu entrinnen.
Mücke landet mit seinen Getreuen an der arabischen Küste, tritt
den Landmarsch an und schlägt sich mit feindlichen Beduinenstämmen
herum. 2lm 24. Mai sind sie mit der Hedschasbahn Ln Konstantinopel.
Im Juli 1915 ereilt den letzten deutschen Auslandskreuzer, die
„Königsberg", das Schicksal an der ostafrikanischen Küste. Vier eng-
lische Kreuzer sind hinter ihr her. Ende September 1914 läuft das
Schiff in die Mündung des Ruftjifluffes ein und verwandelt sich weit
stromaufwärts in eine Landfestung.
Es kommt zu langwierigem Stellungskrieg. Das Schiff, fast ver-
nichtet, wird am )). Juli 10)5 verlassen. Die Geschütze werden mit-
genommen. Die Besatzung schlägt sich durch Ostafrika hindurch und
vereinigt sich mit der deutschen Schutztruppe unter Oberst von Let-
tow-Vorbeck.
Nun ist es still geworden auf den Flächen der Weltmeere. Die
deutsche Seekriegssiagge weht nicht mehr.
Am ro. August 1014 fordert Japan die unverzügliche Ausliefe-
rung des deutschen Pachtgebietes an der Bucht von Kiautschou mit
der Hauptstadt Tsingtau. Die Forderung ist durch nichts begründet»
Der deutsche Reichskanzler läßt dem japanischen Botschafter mit-
teilen, daß er keine Antwort zu geben habe. Der Kriegszustand mit
Japan ist da.
3n Tsingtau führt Kapitän zur See Meyer-Waldeck das Kom-
mando. Er weiß, daß sein Posten nach der japanischen Kriegs-
erklärung ein verlorener ist. Am 24. August telegraphiert er an den
deutschen Kaiser: „Einstehe für Pflichterfüllung bis zum äußersten."
Mitte September sind die Japaner da. Sie haben 50 000 Mann
mit i5o Geschützen aller Kaliber gelandet. Eineinhalbtausend Eng-
länder sind bei den Japanern. Sie stehen auf chinesischem Boden —
aber was kehren sich England und Japan daran! was stört es die
Vereinigten Staaten von Amerika;
Meyer-Waldeck hat das III. Seebataillon zu seiner Verfügung-.
Die Besatzungen der Kanonenboote „Iltis", „Jaguar", „Luchs",
„Tiger" und „Kormoran" verstärken die Truppen. Man braucht die
Geschütze dieser Boote auf dem Lande, weil man fast gar keine Ar-
tillerie hat.
Ein einziges Torpedoboot, „8 00", bildet die Seestreitmacht.
Tausend deutsche Reservisten strömen aus den Handelsnieder-
lassungen in China herbei. So sind es insgesamt etwa 5000 Mann,
die zu schießen verstehen.
„8 00" bricht durch die englisch-japanische Blockade, torpediert
den japanischen Kreuzer „Takatschio", läuft freiwillig auf Strand
und läßt seine Besatzung in Lhina internieren.
Als die letzte Granate, die letzte Patrone verschossen und der letzte
Zwieback gegessen, als die Feinde unmittelbar vor der brennenden
Stadt stehen, macht Meyer-Waldeck dem unnötigen Blutvergießen
ein Ende. Viertausend Deutsche geraten in japanische Gefangenschaft.
Die blutigen Verluste der Angreifer beziffern sich auf das Vierfache.
Am 7. November wehen die englische und die japanische Flagge
gemeinsam über dem Raub.
H
M
56
über Kamerun ist die deutsche Kriegsflagge im Sinken begriffen.
Noch kämpfen Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika. Der Raub
von Togo ist schon vollzogen. England und Frankreich teilen sich in
den billigen Gewinn. Die deutschen Siedlungen im Stillen Ozean,
Samoa, Neuguinea, die Karolinen, die Mariannen und die Mar-
schall-Inseln werden im Anschluß an Tsingtau besetzt und verteilt.
Überall legt England die Hand auf die besten Stücke.
Der Grundsatz, der die deutsche Flottenpolitik vor dem Kriege
beherrschte, war: Deutschland muß zum Schutze seiner Kolonien und
zur Sicherung seiner Stellung als welthandelsvolk eine so starke
Flotte bauen, daß, ähnlich wie auf dem Lande, jeder Gegner das
Risiko eines Angriffs scheut.
Die gewaltigen Anstrengungen, die England unternahm, um seinen
Flottenvorsprung vor Deutschland zu erhalten und sogar noch zu ver-
größern, zeigten zur Genüge, daß England nicht gewillt war, diesen
deutschen Flottengrundsatz zur Geltung kommen zu lassen. Deutsch-
land hat dabei niemals die Absicht verfolgt, eine Flottengleichheit
mit England zu erreichen.
Hauptträger des Flottengedankens waren in Deutschland der
Staatssekretär des Marineamts, Großadmiral von Tirpitz, und der
Kaiser. Reichstag und Bevölkerung folgten zunächst nur zögernd
und mit großen Bedenken.
Im Einblick auf einen kriegerischen Konflikt war die strategische
Lage der deutschen Flotte von vornherein äußerst schwierig. Eng-
land beherrschte die Außenseite, wir standen dichtgedrängt im nassen
Dreieck der Nordsee.
Niemand dachte damals daran, zu welchen Mitteln England greifen
würde, um diese seine flottenstrategische Überlegenheit Ln die furcht-
barste Kriegswaffe aller Zeiten zu verwandeln. Durch die brutale, auf
die Aushungerung Deutschlands gerichtete, über alle Grenzen des
Völkerrechts sich hinwegsetzende und die Neutralen kurzerhand mit
einbeziehende Seeblockade wurde Deutschland mit einem Male vor
die Frage gestellt: „Stirb oder kämpfe mit allen Mitteln, die dir
erreichbar sind."
Die größte Überraschung des Kriegsbeginns war die Tatsache,
daß die englische Armada ausblieb. Das Verhalten der Engländer
ergab sich aus kühlen Erwägungen. Ihre Flotte erfüllte ihren Zweck,
wenn sie die deutsche Kriegsmarine verhinderte, die englische Blockade
zu sprengen.
winston Lurchill, der englische Marineminister, erklärte am 9. No-
vember 19)4 unter brausendem Beifall seiner Zuhörer: „wir haben
folgenden Wahlspruch: während die Landkarten Europas sich än-
dern, geht Englands Geschäft seinen gewöhnlichen Gang, wir haben
57
Viel Sorgfalt und Geld auf unsere Flotte verwendet. Nun ist es an
der Flotte, für diesen Aufwand aufzukommen. Tatsächlich sind wir
auf dem besten Wege dahin. Die wirtschaftliche Erdrosselung Deutsch-
lands durch die Seeblockade braucht Zeit. Nur Geduld! wir sind
erst im dritten Monat, warten wir bis zum sechsten, zum neunten,
zum zwölften, dann werden wir den Erfolg sehen, der nur in der
Stille reifen kann, der aber so sicher ist wie das Niederfallen der
.Blätter im gerbst. Deutschlands Verderben ist das Ziel!"
Das Völkerrecht sah für die Durchführung der Seeblockade und
des Handelskrieges ganz bestimmte Normen vor. Sie waren in der
sogenannten pariser Deklaration niedergelegt, unter der auch die Un-
terschrift Großbritanniens stand. Der Hungerkrieg gegen die Mittel-
mächte befand sich im Widerspruch mit dem auch von England an-
erkannten Völkerrecht.
Dieser Rechtsbruch traf nämlich auch die Neutralen mit ganzer
Schärfe. Die einzige Macht, welche die Rolle des Anwalts der Ge-
rechtigkeit und der Schwachen hätte übernehmen können, waren die
Vereinigten Staaten von Amerika. Ihre Industrie, ihr Kapital und
ihre Politik arbeiteten damals schon für die Alliierten. Ihre Inter-
essen lagen auf einer anderen Seite als der des Völkerrechts und der
kleinen Neutralen. Noch waren die „Gebote der Menschlichkeit" nicht
erfunden, da man sie noch nicht gegen Deutschland anwenden konnte.
So wuchs jene furchtbare und in ihrer Brutalität beispiellose
Waffe, mit der England „im Namen der Zivilisation und Humani-
tät" den Krieg gegen Deutschland führte und — gewann.
Gleichzeitig mit den kleinen Kreuzern und Torpedobooten, die An-
fang August 10)4 aus der deutschen Bucht ausliefen, um die eng-
lische Armada aufzuspüren, verließen zehn deutsche Unterseeboote die
Einfahrt von Wilhelmshaven und gingen in See.
was sollte aus ihnen werdend Man vertrat bisher den Stand-
punkt, daß Unterseeboote nur in Verbindung mit den schweren See-
waffen verwendbar seien. Die Kommandanten der Boote dachten
anders.
Ein halber Monat verging, am 6. September versenkte „U ri",
Kapitänleutnant Hersing, bei Edinburgh, das heißt mitten im Ver-
sammlungsraum der englischen Armada, durch Torpedoschuß den
englischen Kreuzer „pathsinder".
Am rr. September sanken bei Hoek van Holland, weit jenseits der
englischen Sperre um die deutschen Gewässer, die drei englischen
Kreuzer „Lressy", „Hogue" und „Aboukir" in die Tiefe. Der Schütze,
der sie getroffen, war Kapitänleutnant Gtto weddigen. Sein Boot
hieß „U 9".
Jene ersten Unterseebootstreifen und jene ersten erfolgreichen An-
griffe auf feindliche Kriegsschiffe innerhalb ihrer eigenen Heimat-
gewässer öffneten dem deutschen Generalftab die Augen, welch un-
geahnte Möglichkeiten zeigten sich hier! Durchbrechung der Nordsee-
blockade und Handelskrieg nach den von England selbst aufgestellten
neuen Grundsätzen!
Man ging sofort an die erforderlichen Berechnungen. Im No-
vember 1014 gelangten sie zum Abschluß. Der Admiralstab wandte
sich an die Reichsregierung und bat den Kanzler um die Genehmigung
zur Eröffnung des deutschen Handels- und Blockadekrieges gegen Eng-
land und seine Verbündeten.
Ende Dezember antwortete der Reichskanzler nach langen und ein-
gehenden Erwägungen ablehnend. Er vertrat den Standpunkt, daß
die Eröffnung des Unterseebootkrieges Deutschland den Krieg mit den
Vereinigten Staaten von Nordamerika eintragen würde. In diesem
Falle schien ihm das militärische Schicksal der Mittelmächte besiegelt.
Reichskanzler von Bethmann-Hollweg hatte nicht mit der Stim-
mung des deutschen Volkes gerechnet. Man begann zu erkennen, wo-
hin die feindliche Kriegführung zielte. Das Verlangen nach einer
deutschen Gegenaktion wurde immer drängender.
Den Ausschlag gab eine Anordnung der englischen Regierung vom
3). Ianuar )y)5, die den englischen Handelsschiffen erlaubte und
empfahl, unter neutraler Flagge zu fahren.
Am 4. Februar erklärte Deutschland die Gewässer um England
einschließlich des Kanals zum Kriegs- und Blockadegebiet. Die deutsche
Regierung hielt sich dabei auch jetzt noch an die alten Bestimmungen
gebunden, obwohl diese schon von England zerrissen waren.
Nun geschah das Sonderbare. Die Regierung der Vereinigten
Staaten richtete eine ungewöhnlich scharfe Protestnote an Deutsch-
land. Der Kriegslieferant der Alliierten trat aus seiner diploma-
tischen Reserve heraus.
Der Reichskanzler beantwortete die amerikanische Note prompt
und höflich.
Tatsächlich wurde den Booten noch einmal ausdrücklich befohlen:
„Schiffe unter neutraler Flagge dürfen nicht angegriffen werden, es
sei denn, daß sie mit Sicherheit als feindliche zu erkennen sind."
praktisch bedeutete das die Unmöglichkeit, diesen Schiffen wirksam
beizukommen.
Befehl ist Befehl. Unbehindert und respektvoll gemieden, kreuzten
die amerikanischen Granaten auf schwerbeladenen Schiffen den Ozean,
und die Stahlaktien stiegen an der New Rorker Börse himmelan.
Im April 1015 tauchte das deutsche Unterseeboot „U r?" im Kanal
vor einem Schiff unter neutraler Flagge auf, näherte sich und machte
50
ein Kommando zur Untersuchung der Neutralität und der Ware fer-
tig. Unterdessen richteten die Engländer — sie waren es, und das
Schiff hieß „Baralong" — ihre versteckten Geschütze. Sie schossen
gut. Soweit sie nicht im Innern des Bootes mit in die Tiefe her-
abgesunken, schwammen die deutschen Matrosen hilflos auf See. Da
nahmen die Engländer ihre Gewehre und schossen auf die Köpfe der
Schwimmenden. Einige retteten sich und stiegen auf einen englischen
Handelsdampfer, der in der Nähe war. Die „Baralong"-Leute folgten
ihnen dorthin und erschlugen sie einen um den anderen.
Das Echo in der Welt blieb aus.
In den ersten Tagen des Mai ging in New Rork der englische
Dampfer „Lusitania" in See. Er hatte amerikanische Granaten an
Bord. Der deutsche Botschafter in Washington hatte darauf hin-
gewiesen und eine Warnung erlassen, das Schiff zu benutzen. Am
7. Mai io)5 wurde die „Lusitania" torpediert. Die Munition an
Bord explodierte. Das Schiff sank schnell. Zahlreiche Amerikaner er-
tranken.
Ein Entrüstungsschrei drang aus der ganzen Welt. Die Ver-
einigten Staaten sandten eine neue Note und verlangten Schaden-
ersatz.
Am 5. Juni erging auf Drängen des Reichskanzlers ein Befehl
an den Admiralstab, daß große Paffagierdampfer, auch wenn sie als
feindliche erkannt seien, nicht mehr torpediert werden dürften.
London triumphierte. Nun wußten die Engländer, daß sie Kriegs-
material, um ganz sicher zu gehen, nur auf große Passagierdampfer
zu verfrachten brauchten.
Staatssekretär von Tirpitz, der Lhef des Admiralstabes von Bach-
mann und der Lhef der Hochseeflotte, Admiral von Pohl, baten um
ihre Entlassung. Tirpitz und Pohl mußten auf kaiserlichen Befehl
auf ihren Posten verbleiben.
Der Unterseebootkrieg ging verlustreich weiter. Viele Boote kehr-
ten nicht Mehr heim. Auch Otto von weddigen blieb draußen.
Im August )9)5 wurde dann den Kommandanten der U-Boote
auch untersagt, kleine Paffagierdampfer zu versenken.
7. K a p i t e l
Das zweite Iahr
Erster Kriegswinter an der Westfront. Erste Weihnachten fern
von daheim in Unterständen und Gräben.
Eine Erscheinung, die von keiner noch so kühnen Kriegsphantasie
vorausgeahnt wurde. Eine erstarrte, an Gräben und Hindernisse ge-
fesselte doppelte Linie vom Meer bis zur Schweiz. Lückenlos, in
mehreren Stellungen hintereinander, durch Laufgräben nach vorn
und hinten untereinander verbunden. Durch einen feinnervigen, in
jeder Minute funktionsbereiten Organismus zu einer ungeheuren
Machtentwicklung fähig. Von den Augen des Horchpostens zum Kom-
panieführer, vom Kompanieführer durch Leuchtzeichen zum Batail-
lonsstab, von dort zur Feldartillerie in verdeckter Batteriestellung.
Schon kracht das Sperrfeuer über die eigenen Gräben hinweg, in-
dessen drüben erst die Angreifer aus ihren Gräben steigen, um das
Niemandsland zu durchschreiten. Schon spielt der gesamte, ungeheure,
hundertfach verästelte Apparat auf beiden Seiten, durch einen ge-
linden Anstoß, durch die erste gelbgestirnte Leuchttraube im vordersten
Graben entfesselt.
Am 7. Februar io)5 beginnt das Drama an der ostpreußischen
Grenze abzurollen, das in den Wäldern zwischen Augustowo und Su-
walki seine Katastrophe finden soll.
Am j6. Februar leitet Joffre eine Schlacht im Westen ein, die
den Beginn einer ganz neuen kriegsgeschichtlichen Epoche darstellt. Es
ist die Durchbruchs- und Materialschlacht.
Am )6. Februar beginnen Ln der Champagne, die schon seit Mo-
naten eine wetterecke ist, zwischen Perthes und Tahure französische
Angriffe. Sie werden abgewiesen.
Am Morgen des iS. Februar — es sind wintertage von strenger
Art, und alles liegt unter tiefem Schnee — setzt auf einem achtzehn
Kilometer breiten Frontstreifen zwischen Souain und Massiges hef-
tiges Artilleriefeuer auf die deutschen Gräben ein. Es währt den
ganzen Tag. Und die Nacht. Und auch am nächsten Tage. Es dauert
rm ganzen drei Tage und drei Nächte lang und ist, aus der Ferne
vernommen, wie der gedämpfte Wirbel auf dem Fell einer riesigen
Trommel.
Am L). Februar — zwischen Suwalki und Augustowo kapitulieren
heute ))o ooo Russen, die Armee Siewers ist vernichtet — treten fünf
französische Divisionen in dichten Kolonnen zum Angriff an.
Von der Dumpfheit der tagelangen Beschießung erlöst, klettern
die Rheinländer des VIII. Armeekorps und des VIII. Reservekorps
und die Niedersachen der )§. Reservedivision aus ihren Zerschossenen
Unterständen, legen ihre Maschinengewehre auf die Ränder der Gra-
nattrichter, nehmen Visier und feuern auf die dichten Kolonnen, die
sich über das rauchende Niemandsland ziehen.
Nach und nach gelangen auch die Reserven zum Einsatz. Nach
wenigen Stunden schon stellt sich das Gleichgewicht der Schlacht her.
Der Tag endet mit einem vollen Abwehrsieg. Die deutschen Ver-
luste sind bis zum Beginn des Infanterieangriffs schwer. Die fran-
6) '
zösischen Einbußen vom Beginn des Infanterieangriffs an sind, mit
unter der Wirkung des Sperrfeuers, erschreckend groß und blutig. Es
bleibt auf deutscher Seite bei dem Verlust einzelner Grabenstücke.
Im letzten Märzdrittel muß Joffre den Angriff in dieser Form
einstellen. Er läuft sich in seinen eigenen Mitteln tot. Gleichzeitig
mit dem Schnee zerrinnt auch die winterschlacht in der Lhampagne.
Im Westen sollen nun endlich die Engländer mehr heran. Aber
Marschall French beschränkt sich auf einen Angriff im neuen Stile
auf erheblich schmalerer Basis. Am )o. März greift er nördlich des
La Baffee-Kanals Neuvechapelle an. Als er keinen Erfolg hat, stellt
er den Angriff sogleich wieder ein.
Anfang April versuchen die Franzosen zwischen Maas und Mosel
den vorspringenden St. Mihiel-Bogen der deutschen Front einzu-
stoßen. Der Versuch mißlingt. Ende des Monats April erfolgt bei
Rpern der erste groß angelegte deutsche Versuch, durch Kampfgas,
das aus den eigenen Stellungen abgeblasen wird, die feindlichen Stel-
lungen sturmreif zu machen. Die Absicht gelingt in vollem Umfange.
Der erreichte Durchbruch wird aber nicht ausgenutzt. Man war nicht
darauf gefaßt.
Im April ist der Großfürst am Ende seiner Kraft. Die Franzosen
und Engländer machen sich kein Hehl daraus, daß die Lage im Osten
einen sehr bedenklichen Charakter angenommen hat.
Man einigt sich auf einen gemeinsamen Entlastungsftoß in zwan-
zig Kilometer Breite zwischen Bethune und Arras, wo die englische
und die französische Frontstrecke sich berühren.
Am 7. Mai 19) 5 früh morgens rasselt über dem französischen Teil
der Angriffsfront südlich des La Bassee-Kanals bis an die Scarpe
bei Arras das Trommelfeuer.
Im Gegensatz zu ihrem Verfahren in der Lhampagne trommeln
die Franzosen hier nur zwei Tage lang, dafür aber desto schärfer.
Die Engländer beschränken sich in ihrem Abschnitt nördlich des Kanals
auf eine normale Vorbereitung und senden ihrem Infanterieangriff
eine nur Vierzigminütige Trommelfeuerwelle voraus. Im Morgen-
grauen des y. Mai bricht der Infanterieangriff los auf der ganzen
Frontbreite, von zwölf Armeekorps genährt, mit bereitgestellter Ka-
vallerie, um sofort den Einbruch zu erweitern und zu Bewegungen
im freien Gelände zu gelangen.
Beiderseits hat man schon einiges gelernt und ist dieses Mal auf
die furchtbaren Überraschungen der Abwehrschlacht besser vorbereitet.
Da aber die deutschen Infanteriereserven beweglicher sind als die
französische Artillerie, bleibt der Gewinn auf der Seite des Vertei-
digers.
6%
Die Engländer erreichen nördlich des Kanals überhaupt nichts.
Die Franzosen drängen die Deutschen aus Ablain und Larency und
besetzen die Trümmer der Kapelle von Notre Dame de Lorette. Berge
von Toten sind rings um die Kapelle angehäuft.
Nochmals versucht Joffre es mit der Zermürbung des Gegners
durch immer wiederholte Angriffe. Er erfindet dafür den Ausdruck
„die deutsche Front abknabbern". Aber die Franzosen beißen auf
Metall.
Ende Mai verzettelt sich die Arrasschlacht zu Einzelunterneh-
mungen, mit denen die Deutschen hüben und die Franzosen drüben
den Verlauf ihrer Stellungen zu korrigieren versuchen. Dann treten
auch hier wieder die Regeln des Stellungskrieges Ln Kraft. Der Lo-
rettoberg ist ein wüstes Konglomerat von Trichtern und Graben-
stücken. Kein Baum und kein Strauch grünt mehr dort oben. Souchez
ist ein Steinhaufen.
Das große Drama im Osten entrollt im Sommer und gerbst seine
Szenen. Es wird zur Tragödie der Armee des Zaren. Ioffre und
French stehen vor ganz neuen Aufgaben, wie sind die Deutschen zu
zwingen, den Schwerpunkt des Krieges wieder nach dem Westen her-
überzulegenr
Joffre greift auf seinen alten Plan zurück. Er schlägt die Doppel-
offensive bei Arras und bei Reims vor. Da England sich immer noch
nicht dazu entschlossen hat, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen,
müssen die Franzosen wieder drei Viertel der Angriffslast auf sich
nehmen.
Ist Joffre im Februar Ln der Champagne mit fünfhundert Ge-
schützen aufgetreten, so wird er es dieses Mal im Artois und in der
Champagne zusammen mit fünftausend versuchen. Unerschöpflich fließt
die amerikanische Munition.
Vom )Y. bis 25. September )§)5 klirrt, nur zeitweilig unter-
brochen, das Trommelfeuer, wieder sind die Engländer sparsamer»
Am 25., noch ehe es hell geworden, beginnt der Infanterieangriff
zwischen Bethune und Arras im Norden, zwischen Souain und Mas-
siges Ln der Champagne.
Die deutschen Divisionen haben durch das furchtbare Feuer schwer
gelitten. Strategische Reserven gibt es nicht. Alles wird im Osten
gebraucht oder unten Ln Serbien, wo ein neuer Feldzug im Gange ist.
Fast rächt sich das Schicksal für die kühnen Taten im Osten.
Die Engländer erreichen das Städtchen Loos zwischen La Baffee
und Lens.
Die Franzosen steigen zum zweiten Male über die Hänge von Lo-
retto hinab gegen Souchez und Givenchy. Souchez bleibt dabei Ln
ihrer Hand.
Noch kritischer gestalten sich die Dinge Ln der Champagne. Von
Souain auf Somme-Py zu zerreißt die deutsche Abwehr unter dem
furchtbaren Druck des Artilleriefeuers und der Maffenstürme.
Eigentlich ist hier der örtliche Durchbruch perfekt. Das Ober-
kommando der 3. Armee erwägt den Rückzug auf Rethel. Aber die
aufgerissenen Flanken drehen ihre Feuerwirkung nach innen. Der
Feind, des Vorteils feiner Feuerwalze beraubt, ist unsicher und er-
kennt die Gunst der Lage nicht.
Zum erstenmal taucht als Neuerscheinung dieses an Wandlungen
so reichen Krieges das „Schützennest" auf, eine eng zusammengefaßte
Handvoll Menschen, die, dem Grauen des Trommelfeuers lebendig
entronnen, sich Ln ein paar Trichtern festsetzen und das prasselnde
Schlachtfeld nach vorn, nach rechts, nach links und nach rückwärts
mit ihren Gewehren und Maschinengewehren beherrschen. Sie ballen
sich zusammen, wie sie Zufall, Mannesmut und Glück geformt haben.
Sie bilden die Eckpfosten der Linie, Ln die nachher die Reserven sich
einschieben. Auf diesen Inseln des Großkampfes entstehen die Meister
der Abwehrschlacht, von denen später alles abhängt, als die Abwehr-
schlacht ihre grandiosesten und furchtbarsten Formen fand.
Im Oktober versandet auch diese Doppelschlacht. Langsam zieht
ein zweiter Kriegswinter herauf.
Die Westfront stand unerschüttert. Rings aber auf den Kriegs-
schauplätzen der Welt hatten sich gewaltige Veränderungen vollzogen.
Der Entschluß der deutschen Obersten Heeresleitung, den Schwer-
punkt des Krieges bis auf weiteres vom Westen nach dem Osten zu
verlegen, wurde weder an einem Tage gefaßt, noch Ln einem Zuge
durchgeführt. Er ergab sich vielmehr im Laufe der Monate und
wurde durch den Gang der Ereignisse selbst entscheidend bestimmt.
Schon im Februar )§)5 konnte mit dem sicheren Eintritt Ita-
liens in den Krieg gerechnet werden. Es war vorauszusehen, daß
dadurch ein sehr großer Teil des österreichischen Heeres an die neue
adriatische Front gebunden wurde. Doppelt wichtig erschien es, vor-
her die Russen entscheidend zu schwächen. Die zunehmende Ermattung
der k. u. k. Armee trieb in der gleichen Richtung. Dazu kam die Rück-
sicht auf Rumänien, dessen Neutralität mehr und mehr zweifelhafte
Form annahm.
Schließlich zwang auch die Lage auf dem Balkan zu einer Klärung.
Der zentraleuropäische Krieg hatte längst seine Grenzen gesprengt
und auch den äußersten Südosten Europas, ja, das gesamte türkische
Gebiet bis Ln den Kaukasus, bis an den Golf von Persien und an den
Suezkanal in seinen Brand einbezogen. Deutschland hatte allen An-
laß, für das schlecht versorgte und durch zwei harte Kriege geschwächte
osmanische ^eer zu fürchten.
44
Seit Februar waren die Vorbereitungen der Entente zu einem
doppelten Angriff auf Konstantinopel erkennbar. England und Frank-
reich sammelten in Ägypten ein Expeditionsheer, um die Dardanellen
anzugreifen. Rußland stellte bei Odessa eine starke Armee zusammen,
um seine Balkanträume endlich zu verwirklichen. Fiel Konstantinopel,
so öffnete sich der weg nach Rußland, die ganze wirtschaftliche und
militärische Kraft der Entente und Amerikas hatten freien Zutritt
zum Zarenreich. Dahin durfte es unter keinen Umständen kommen.
Bulgarien, durch den serbischen Verrat von )§)r erbittert, wartete
nur auf eine günstige Gelegenheit, an der Seite der Mittelmächte in
den Kampf einzutreten. Man mußte ihm entgegenkommen, um seine
letzten Bedenken zu überwinden.
So entstand schon frühzeitig im deutschen Hauptquartier der Plan
zu einem Feldzug in Serbien. Voraussetzung dieses planes schien die
Niederwerfung Rußlands.
Im Osten erhebt sich der Krieg aus winterstarre zu weiten
Bewegungen auf gewaltigem Raume. Sein Beginn ist ein Durch-
bruch nach dem Muster des Westkrieges. Seine Auswirkung eine fort-
gesetzte Operation in immer neuen Richtungen, mit immer neuen
Zielen, mit ungeheuren Entfernungen und ungeahnten Größenmaßen.
Binnen eines Monats, kann man sagen, ist die ganze Ostfront von
der Ostsee bis nach Rumänien Ln der Breite von fast anderthalb
Tausend Kilometer Ln Bewegung geraten.
Es sind die Leistungen der Marschkolonnen, die fechtend und mar-
schierend die strategischen Gedanken der Führung verwirklichen.
Am 27. April 19)5 beginnt der Auftakt.
Im allerhöchsten Norden, zwischen Memel und Tilsit, überrennt
die deutsche Armeegruppe Lauenstein die ahnungslosen Russen mit
ganz schwachen Kräften und besetzt am 7. Mai den baltischen See-
hafen Libau.
während die Deutschen ganz Kurland durchstreifen, trifft am
r. Mai der Hauptschlag die Russen am Dunajek zwischen Tarnow und
Gorlice völlig unvorbereitet.
Generaloberst von Mackensen führt das Kommando über die neue
deutsche i). und die rechts anschließende 4. österreichische Armee. Sein
Stabschef ist Oberst von Seeckt. Große Mengen Artillerie sind zu-
sammengezogen.
Am Nachmittag des 1. Mai geht es los. Am Morgen des r. Mai
krampst sich das Trommelfeuer zu ungeheurer Stärke zusammen.
Vier Stunden lang. Punkt zehn Uhr beginnt der Infanterieangriff.
Am Abend ist die erste russische Stellung überall genommen. Am
3. Mai fällt die zweite. Am 4. Mai steht Mackensen an der wisloka.
Am 5. geht es über die wisloka. Dann beginnt der russische Rückzug.
05
8 Sperrfeuer, Jugendausgabe
Der Durchbruch ist erzielt. ) 50000 Gefangene und roo Geschütze
werden gezählt.
Am 9. Mai weichen die Russen hinter den San und auf przemyfl
zurück. Auch die mittleren Karpaten sind nun frei.
Jetzt treibt der Großfürst mit äußerster Kraft die Armee des
Generals Iwanow zwischen Stanislau und Lzernowitz gegen den
österreichischen Südflügel, um durch einen tollkühnen Gegenstoß die
Lage am San zu wenden.
Das Manöver wird mit einem ebenso kühnen erwidert. Die
deutsche Südarmee des Generals Linsingen durchbricht die russische
Front und stößt Ln nördlicher Richtung auf Stryj vor. So erreicht
er sein Ziel. General Iwanow muß seine Angriffsfront in der Buko-
wina schwächen.
Atemlos rollen die Ereignisse ab. Schon hat Mackensen wieder-
die Rolle des Hammers übernommen.
Am 3. Juni ist die Festung przemyfl in deutscher Hand. Die
Russen haben den Eckpfeiler der Sanstellung verloren. Am i r. Juni
tritt die jj. Armee nach Trommelfeuer zwischen przemysl und
Jaroslau zum Angriff an. Am )5. Juni kämpft Mackensen nord-
wärts Grodek vor einer gut ausgebauten russischen Linie, die von
frischen Truppen besetzt ist.
Am Morgen des 19. Juni erfolgt hier der Durchbruch. Er ist deo
dritte seit Tarnow-Gorlice.
Am rr. Juni fällt die bisher größte Frucht ihrer Mühen den
Verbündeten. Ln die Hand: Böhm-Ermolli besetzt die galizische Haupt-
stadt Lemberg.
Fast eine halbe Million Russen ist seit Anfang Mai gefangen
worden. Mehr als tausend Geschütze sind erobert. Fast ganz Galizien
und die Bukowina sind befreit, dazu ist ein Teil Südpolens erobert-.
Der erste Akt ist vollendet.
Ein großer strategischer und politischer Gewinn ist schon erziele
worden. Der Großfürst hat sich gezwungen gesehen, seine Ln Odessa,
für Konstantinopel bereitgestellte Armee auf die österreichische Front
zu werfen. Die Gefahr für Konstantinopel bleibt auf die südliche
Seite beschränkt, wo inzwischen das englisch-französische Expeditions-
korps auf der Halbinsel Gallipoli Fuß gefaßt hat. Der deutsche
General Liman von Sanders steht den Türken bei.
Auf der anderen Seite ist das lange Befürchtete Wirklichkeit
geworden. Die Italiener haben sich den Alliierten angeschlossen.
Falkenhayn hält jetzt eine unmittelbare Einwirkung auf das rus-
sische Zentrum für den einzig richtigen und sicheren Schritt.
Am 13. Juli bricht General von Gallwitz beiderseits Przasnysz
mit seiner Armee durch und erreicht in raschem Vordringen den
00
Klarem, wenige Tage später greift die Heeresgruppe Mackensen
zwischen Weichsel und Bug an, vornehmlich mit der )j. und der
Bug-Armee. Zunächst geht es rasch auf Lublin und Tholm zu.
Am gleichen Tage ist Nikolai Nikolajewitsch schon dabei, die Fol-
gerungen aus der sofort erkannten Lage mit aller Gründlichkeit zu
ziehen. Alle Armeekorps westwärts Warschau und Iwangorod gehen
zurück. Die 9. Armee des Prinzen Leopold von Bayern und die
Armeeabteilung woyrsch heften sich an die Fersen der weichenden.
Erst hinter Warthe und Weichsel bildet sich eine neue Abwehrfront,
gestützt auf die stärksten russischen Festungen Iwangorod, Warschau,
Nowo-Georgiewsk, pultusk, Rozow und Ostrolenka.
Mackensen und Gallwitz haben Richtung auf Brest-Litowsk. Von
Norden und Süden durchbohrt, gerät das russische Zentrum Ln eine
heillose Lage. Am 5. August fällt Warschau kampflos. Iwangorod
folgt rasch. Am ro. August erobert der Antwerpenbezwinger Beseler
nach kurzer Belagerung Nowo-Georgiewsk.
Verhängnisvoll pflanzt sich das Unheil nach Norden fort. Von
den Festungen Ostrolenka, Lomza und Offowiez, den starken und mehr-
fach bewährten Drillingen am Narew, sind die beiden ersten schon
Anfang August verlorengegangen, jetzt fällt auch Ossowiez nach kur-
zem Angriff.
Am 4. September schließt Grodno, der südliche Eckpfeiler der
Njemen-Front, den Reigen, der den Großfürsten Ln einem einzigen
Monat seine besten und solidesten Verteidigungswaffen, die unent-
behrlichen Stützen aller seiner offensiven Operationen kostet.
Brest-Litowsk bedeutet den Schlußpunkt dieses zweiten Aktes.
Am 26. August wird es von der 9. Armee erobert.
Der dritte Akt des Dramas hat unterdessen schon begonnen.
Eingeleitet wird er durch die persönliche Tragödie des stärksten
und gefürchtetsten Gegners der Verbündeten im Osten. Großfürst
Nikolai Nikolajewitsch legt auf Befehl seines kaiserlichen Neffen am
S. September das Oberkommando der russischen Armeen nieder.
Mütterchen Rußland verlangt nach einem Opfer.
Nikolaus II. übernimmt selbst den Oberbefehl über seine Truppen.
Er ist nur eine Schattenfigur. Die beiden Generale Brussilow und
Iwanow sind die Treibenden.
Ruhig und konsequent arbeiten ihre stärksten Gegner an der Ost-
front, Hindenburg und Ludendorff. Sie sehen, daß große Siege
errungen werden, aber sie bemerken mit Bitterkeit, daß man immer
tiefer nach Rußland hineingerät, ohne den Sieg zu erringen, der so
ungeheuer nottut, um Rußland als Gegner ein für allemal auszu-
schalten.
ö*
67
Es ist Anfang September. Falkenhayn hat im Juli die Aus-
dehnung der Operation „ins Uferlose" verweigert. Ist man durch
seine Methode nicht gerade ins Uferlose HLneingeratenZ
während die Verfolgung des russischen Zentrums bei Brest-
Litowsk langsam versandet, machen Hindenburg und Ludendorff ihren
Vorschlag, in allerletzter Stunde die große Zange anzusetzen, will
man heute noch ganze Arbeit verrichten, so muß man im worden
über Dünaburg—Wilna Ln Richtung Minsk, im Süden über das
wolhynische Festungsdreieck Luzk-Dubno-Rowno ausgreifen, um
beiderseits hinter die Rokitno-Sümpfe zu gelangen. Eine Operation
von ungeheuren Ausmaßen, wird sie noch durchführbar sein) Das
Überraschende tritt ein. Falkenhayn erteilt seine Genehmigung. Lon-
rad von Hoetzendorf ist sofort dabei.
Fast gleichzeitig setzen sich die beiden Stoßgruppen im Norden
und im Süden in Bewegung.
Am 10. September fällt Wilna nach heftigen Kämpfen. Der
Vormarsch geht unaufhaltsam weiter und erreicht Ende des Monats
die Linie postawy—Smorgon. Die 10. Armee buchtet den Erfolg
nach Norden weiter aus und gelangt bis kurz vor Dünaburg. Die
Rüsten treffen Vorbereitungen zur Verteidigung St. Petersburgs.
Auch im Süden entwickeln sich die Dinge anfangs günstig.
Am 3). August nimmt puhallo die Festung Luzk, den westlichsten
Vorsprung des wolhynischen Dreiecks. Am 6. September wird Dubno
erobert, der südlichste Pfeiler. Die Österreicher stoßen weiter gegen
Rowno vor und kämpfen sich langsam durch die starken Feldbefesti-
gungen, die das ganze Dreieck zu einem einzigen Verteidigungssystem
verbinden. Die beiden südlichen Armeen, Bothmer und pflantzer-
Baltin, dringen bis an den Sereth vor.
wie im Drama kurz vor dem Ende die der Lösung entgegen-
strebenden Kräfte sich noch einmal erheben und alles Bisherige Ln
ihrem Sinne umzugestalten drohen, so auch hier. Der Zeitpunkt der
letzten großen Gegenaktion der russischen Masten in diesem Feldzug
ist gekommen. Daß sie einen so gefährlichen Umfang annehmen konnte,
zeigte mit schmerzlicher Deutlichkeit, wie weit die Auszehrung der
österreichischen Truppen trotz der gewaltigen Siege dieses Jahres
fortgeschritten war.
Der letzte Akt im Osten vom Jahre 1015 weist schon schicksal-
verkündend Ln die Zukunft. Die russische Offensive gegen die Öster-
reicher, die im September io)5 die letzte Krönung der strategischen
Gesamtoperation verhindert, ist nur ein Vorläufer jener Brussilow-
Offensive vom Jahre )9)0, die im Zusammenhang mit der Somme-
Offensive im Westen eine bittere, und man kann heute sagen, die
entscheidende Wendung des Krieges einleitete.
6$
General Iwanow hat aus dem Innern Rußlands alles zusammen-
gerafft, was noch greifbar ist. Alle Ereignisse des Jahres )§)5, bitter
genug für die Alliierten, sollen durch einen einzigen Schlag revidiert
und umgestoßen werden.
Ende September treffen die neu herangeführten russischen Divi-
sionen auf den österreichischen Südflügel am Sereth. Pflantzer-Baltin
weicht vom Sereth auf den Dnjestr und die Zlota Lipa zurück. Er
hat überraschend schwere Verluste, die der Auflösung einiger Divi-
sionen gleichkommen. Aber die deutsche Südarmee unter Graf Both-
mer ist auf dem Posten. Es gelingt, den russischen Stoß abzufangen.
Anfang Oktober erfolgt der deutsche Gegenstoß und trägt die Front
rasch wieder an den Sereth heran. Dort erstarrt sie zum Stellungs-
krieg.
Sofort wiederholt Iwanow sein Manöver weiter nördlich im
wolhynischen Dreieck. Mit Bedacht sucht er sich immer die von den
Österreichern besetzten Frontabschnitte aus. Das gleiche Bild. Die
Österreicher erleiden außerordentlich hohe Verluste an Gefangenen
und weichen zurück. Eine tiefe Ausbuchtung entsteht.
Aber die nördlich benachbarte deutsche Bug-Armee unter Linsingen
macht es genau wie die Südarmee und stellt das Gleichgewicht wieder
her. Ende Oktober erstarrt auch hier die Front zum Stellungskrieg.
Der dritte und letzte Akt ist vorüber.
Die Bilanz dieses riesenhaften Feldzuges ist für die Russen furcht-
bar genug. In einem halben Jahre haben sie drei Millionen Men-
schen eingebüßt. Zwei Millionen davon sind tot, eine gefangen. Die
Zahl der verlorenen Geschütze ist unermeßlich und geht in die vielen
Tausende. Das sind soviel Menschen und soviel Geschütze, wie die
russische Armee nach der Mobilmachung 1014 besessen hat.
Kurland, Litauen und polen sind in deutscher Hand. Galizien und
die Bukowina sind frei. Sechzehn Festungen sind gefallen.
Auf Drängen Falkenhayns gibt die deutsche Regierung in Peters-
burg zu verstehen, daß Deutschland zu einem ehrenvollen Frieden mit
dem Zaren bereit ist.
Die russische Regierung lehnt ab. Frankreich und England trium-
phieren. Rußland und Deutschland verlieren eine unabsehbare Lhance,
die ihnen das Schicksal bietet. Der Verlust dieser Lhance kostet den
Zaren Thron und Leben. Er kostet Deutschland nicht nur die Früchte
dieses gewaltigen Feldzuges, sondern er birgt, rückschauend betrachtet,
schon den Keim des Unterganges in sich.
So ist das gigantische Drama von 1015 nur das Vorspiel zu
einem noch größeren Drama geworden. Das Drama der Heere wächst
zu dem der Völker.
00
Drei Faktoren kennzeichnen das Kriegsjahr 19)5. Der erste ist
die Ära der beginnenden Abwehrschlachten im Westen, die schon auf
die ungeheure Steigerung dieses Begriffes in den beiden folgenden
Jahren hinweist. Der zweite ist der große Feldzug im Osten, der trotz
einer ununterbrochenen Kette von Siegen und größter Eroberungen
dennoch nicht ausreicht, um Rußland endgültig aus der Reihe unserer
Feinde auszuscheiden. Der dritte ist die zunehmende Ausdehnung der
Kriegsschauplätze nach Süden und Südosten, das heißt über Italien,
über Serbien-Griechenland und über das ganze Gebiet der Türkei.
Leicht kann man von i§)5 an bis zum Schluß des Krieges den
gigantischen wettlauf eines doppelten Grundsatzes verfolgen — hie
Vernichtungswille der Entente, hie Zwang für Deutschland, sich zu
zersplittern. Im Jahre )9)5 schon entstehen jene Kriegsschauplätze,
von denen aus drei Jahre später nach Taten, wie sie die Welt nie-
mals vorher sah, das Unglück seinen Ausgang nahm.
Rom schloß am r6. August i§)5 ein Geheimabkommen mit Paris
und London. Am letzten Tage der im Geheimvertrag vorgesehenen
Frist von vier Wochen erklärte es seinem Bundesgenossen Österreich
den Krieg. Aber kurz nachdem die ersten Schüsse an der neuen Front
gefallen, trafen die Italiener auch auf eine deutsche Division, die
Schulter an Schulter mit den Österreichern stand.
Die Folge der Isonzoschlachten begann. Es hat ihrer im Laufe
der Jahre ein Dutzend gegeben. Sie kosteten die Italiener Ströme
von Blut und brachten ihnen belanglose Gewinne.
Der Krieg gegen Deutschland ist in Italien niemals populär
gewesen. Erst nach dem deutsch-österreichischen Vordringen bis zum
Piave gelang es der Regierung mit dem Hinweis auf die Not des
Vaterlandes, in der Bevölkerung eine kriegerische Stimmung zu
schaffen, die sich auch gegen Deutschland richtete.
Die Türkei, obwohl durch zwei Kriege geschwächt und durch Ver-
säumnisse der inneren Verwaltung beeinträchtigt, wußte, daß sie mit
Deutschland und Österreich auf Gedeih und Verderb verbunden war.
Rußland und England warteten nur darauf, dem „kranken Mann am
Bosporus" das Lebenslicht auszublasen. Frankreich war Anwärter
auf Syrien. Man sehe sich nur die nach dem Krieg entstandene Land-
karte an, um zu erkennen, mit welchen Zielen die Entente den Krieg
der Türkei gegenüber betrieb.
Die Kriegführung der Türkei war bis zum Oktober )9)5 auf sich
selbst angewiesen. Tapfer fochten die Türken im Kaukasus gegen die
Russen, in Mesopotamien gegen die Engländer, am Suezkanal gegen
die Engländer und ihre Hilfsvölker. Erst die Vorbereitung des
direkten Angriffs auf Konstantinopel gestaltete die Lage zu tödlichem
Ernst. Die Absicht der Entente, den weg nach Rußland gewaltsam
70
zu öffnen, betsegnete hier der deutschen Absicht, den Türken unter
allen Umständen auf dem Landwege Hilfe zu bringen. Im Winter
J 914/l 5 schon sammelte sich ein starkes englisch-französisches Expe-
ditionskorps Ln Ägypten. Um den Angriff doppelseitig zu machen,
stellten die Russen eine Armee in Odessa bereit.
Ein blutiges Vorspiel. Am )S. März i§)5 schicken die Engländer
und Franzosen eine starke Flotte gegen die Dardanellen. Ein halbes
hundert Panzerschiffe erscheint vor den türkischen Küstenforts, die
unter deutscher Anleitung ausgebaut worden sind. Eine fürchterliche
Kanonade beginnt. Aber die feindliche Armada gerät in Minenfelder
und hat schwere Verluste. Sie sucht ihre sicheren Verstecke bei den
griechischen Inseln Lemnos und Tenedos auf.
Und dann der Hauptakt.
Am Ostertag des Jahres 19)5, am 25. April, verläßt die englisch-
französische Armada ihre Schlupfwinkel und stellt sich vor den tür-
kischen Küstenforts vom Golf von Saros bis nach Tenedos hinab auf.
Abermals beginnt die Kanonade. Nach mehreren Stunden lösen sich
dichtbesetzte Barkaffen und Boote von den Schiffen und streben unter
dem schützenden Feuerhagel der Schiffsartillerie gegen die Küste. Acht
Landungsstellen sind vorgesehen. An dreien glückt das Manöver.
Nachdem General Liman von Sanders, der die Türken führt, die
Landungsstellen erkannt hat, vermag er mit seinen zurückgehaltenen
Reserven zu operieren. Kämpfe von schrecklicher Wildheit entstehen.
Die Engländer landen neue Truppen. Die Türken führen Ver-
stärkungen heran.
Nach drei blutigen Tagen werden die Franzosen auf dem asiati-
schen User ins Meer geworfen, unmittelbar unter den Trümmern des
alten Troja. Die Engländer sind dicht ans waffer gedrängt und
können sich kaum bewegen.
Die Verteidigung organisiert sich immer besser. Die Angreifer
haben einen ungeheuren Kräfteverschleiß. Die deutschen Untersee-
boote vermehren sich. „U 2)" unter Kapitänleutnant Zersing tor-
pediert zwei englische Panzerschiffe.
Das Geschäft ist für England vom ersten Tage an ein Verlust-
geschäft. Es wird zur Katastrophe, als Deutschland über Serbien
hinweg den Landweg nach Konstantinopel mit Gewalt öffnet.
Ostern hat es begonnen. Drei Tage vor Weihnachten schiffen die
Engländer bei Flacht und Nebel den größten Teil ihrer Truppen ein.
Im ganzen hatten sie 200 000 Mann nach und nach aufs Land gesetzt.
150000 Mann betragen die Verluste. Ein Dutzend Panzerschiffe
bedecken den Meeresboden vor der Enge. Konstantinopel ist von jeder
Gefahr befreit.
7)
Die Ausklänge des Gallipoli-Unternehmens fallen zusammen mit
denen des serbischen Feldzuges, der von deutschen, österreichischen und
bulgarischen Truppen in anderthalb Monaten sozusagen mit der Uhr
in der Hand durchgeführt wurde.
Der große Feldzug im Osten verhinderte immer wieder die Aus-
führung des planes. Dm Spätherbst endlich erscheint er ausführbar.
Die Bereitschaft Bulgariens, an ihm teilzunehmen, gibt den Ausschlag.
Die 3. österreichische, die i). deutsche und die j. bulgarische Armee
unterstehen dem gemeinsamen Oberkommando des Generalfeldmar-
schalls von Mackensen.
400 000 Serben und Montenegriner stehen ihnen gegenüber. Die
breiten Läufe der Save und der Donau liegen schützend vor ihren
Gewehren.
Am 0. Oktober dröhnt das Artilleriefeuer über die Flüffe und der
Übergang wird erzwungen.
Om Morgengrauen des §. Oktober schreitet die Infanterie überall
zum Sturm. Am 9. Oktober fällt Belgrad. Die österreichische und
deutsche Flagge wehen gemeinsam auf der Zitadelle.
Die Kämpfe sind weiterhin außerordentlich hart. Man muß sich
zu einem regelrechten Durchbruch entschließen, dessen artilleristische
Vorbereitung Zeit erfordert. Mitte Oktober erfolgt der Angriff. Die
serbische Front zerreißt. Jetzt gelangt man rasch und unaufhaltsam
bis auf die Höhen von Kragujewac.
Endlich, beinahe eine Woche zu spät, ist auch die ). bulgarische
Armee vormarschbereit. Mit brennendem Rachedurst stürzen sich die
Bulgaren auf den Bruder, der ihnen im zweiten Balkankrieg in den
Rücken gefallen ist und sie um alle Gewinne betrogen hat. Sie er-
reichen in breiter Front die Morawa nördlich und südlich von Nisch.
Die 2. bulgarische Armee bei Küstendil hat einen doppelten Auf-
trag. Sie soll, gegen den wardar bei üsküb vordringend, den im
worden geschlagenen Serben den weg nach dem Süden ihres Landes
verlegen. Sie soll gleichzeitig verhindern, daß die schon Anfang
Oktober Ln Saloniki gelandeten Engländer und Franzosen über die
griechische Grenze hinweg den Serben zu Hilfe kommen. Beides wird
erreicht.
Die Serben sind in voller Auflösung begriffen. So erreichen sie
das Amselfeld bei pristina. Am 23. November rettet sich ein Rest
des vernichteten Heeres mit dem greisen König in die albanischen
Berge. Das Land ist ohne Ausnahme in der Hand der Sieger.
Das Attentat von Serajewo hat eine furchtbare Sühne gefunden«
Da die Bulgaren zur Erledigung der Serben im Norden nicht
mehr gebraucht werden, schwenken sie nach Süden und treffen Ende
72
November in der Linie Prilep—Strumica auf die Engländer und
Franzosen unter General Sarrail.
wie kommen die Franzosen und Engländer nach Saloniki, in den
Hafen des neutralen Griechenland;
Es ist ein besonderes Kapitel in der Geschichte der englischen
Neutralitätsbrüche während des Krieges, in den England eingetreten
war, um den Bruch der belgischen Neutralität zu strafen. Der grie-
chische Ministerpräsident Venizelos, im bewußten Gegensatz zu seinem
verfassungsmäßigen Oberhaupt, dem König Konstantin, handelnd,
schließt mit England und Frankreich ein Geheimabkommen, das die
beiden Mächte zur Landung von Truppen Ln Saloniki ermächtigen
soll. Ein Novum in der Geschichte der Diplomatie.
Ein zweites Novum — die Entente erklärt diese rein private und
sehr absonderliche Abrede zum Staatsvertrag und nimmt ungeachtet
der griechischen Proteste die Landung vor.
Mackensen wirft starke Kräfte an die neu entstandene Front. Alles
ist darauf vorbereitet, das Landungskorps über die Grenze zu treiben
und bei Saloniki ins Meer zu werfen. Da trifft der Befehl Falken-
hayns ein, die Neutralität Griechenlands sei trotz dem das Völker-
recht verletzenden englisch-französischen Vorgehen zu beachten, die
Verfolgung sei an der griechischen Grenze einzustellen.
Falkenhayn glaubt seine guten Gründe zu haben. Er will auf
der einen Seite der Entente auch nicht den Schein eines Vorwandes
geben, Griechenland zur Teilnahme am Kriege zu zwingen. Er will
weiter, indem er eine mazedonische Front bestehen läßt, dauernd starke
Kräfte der Entente binden.
Furchtbarer hat das Schicksal niemals eine kluge Berechnung
Lügen gestraft. Griechenland ist nicht lange Zeit später dennoch zuy
Teilnahme am Kriege gezwungen worden. Die Zersplitterung der
deutschen Kraft ist durch den Befehl Falkenhayns vermehrt worden.
Die mazedonische Front wurde im gerbst ioi§ der Ausgangspunkt
des militärischen Zusammenbruchs der Mittelmächte.
Alles das war damals nicht vorauszusehen. Das Jahr 1915 schloß
für die Mittelmächte mit sehr guten und Ln diesem Umfange kaum
erwarteten Ergebnissen ab.
2luf allen Fronten war für solide und haltbare Verhältnisse ge-
sorgt. Falkenhayn konnte an den schwersten Teil seiner Aufgabe
denken.
Das war die Entscheidung im Westen.
In Fesseln geschlagen
s. Kapitel
Angriff auf Verdun
Die Westfront ist, als sei sie erstarrt. Aber die Generalstäbler
hüben und drüben wissen genau, daß eines Tages an irgendeiner
Stelle das Gebrüll des Trommelfeuers anheben wird. Mitte Januar
geht vorüber, es wird Ende Januar, und noch hat sich nichts Bedeu-
tendes ereignet.
In den beiden Nächten zwischen dem 29. und 3). Januar 19)6
erreichen deutsche Zeppeline das Weichbild von Paris und lassen ihre
schweren Bomben fallen. Paris weiß, das soll ein Signal sein. Nun
wird es nicht mehr lange dauern.
Immer sicherer erscheint es, daß der Gegner die Absicht hat, die
Franzosen dort zu packen, wo sie am stärksten sind.
Das ist bei Verdun.
Verdun ist ein Eckpfeiler der französischen Front. Es gibt keine
Festung mit einer günstigeren Lage. In anderthalb Jahren Stellungs-
krieg, vom Feind stets in einem Halbkreis umstellt, hat man das
Berggelände zu einem einzigen festungsbaulichen Labyrinth aus-
gestaltet.
Ein Kranz mächtiger Forts krönt Gipfel neben Gipfel auf beiden
Maasufern. Eine Kette von Zwischenwerken spannt sich zwischen den
Forts. Von welcher Seite man auch hineindringen mag, überall stößt
man in ein feinmaschiges Netz raffinierter Festungsanlagen.
Dieses Bergland ist zum Schauplatz des furchtbarsten, aufreibend-
sten, Seelen wie Leiber verschlingenden Kampfes auf der Westfront
und im ganzen Kriege ausersehen.
Frankreich, so sagt Falkenhayn, ist der Gegner, dessen Überwin-
dung es jetzt gilt. Der energische Wille Englands, Deutschland zu
vernichten, den Falkenhayn mit scharfem Blick als die stärkste morali-
sche Kraft auf Ententeseite erkennt, baut sich auf der Kraft Frank-
reichs zum Durchhalten auf. Trifft man diese, so wird jener die
Basis entzogen, Hier liegt die einzige Möglichkeit zur Beendigung
des Krieges.
77
warum sucht Falkenhayn, der immer ein Mann der Mittel und
der strategischen Sparsamkeit war, sich aber gerade die stärkste Stelle
des Feindes zum Angriff aus; Er rechnet, der Maffendurchbruch auf
breiter Front geht über unsere Kraft, wir müssen mit beschränkten
Mitteln arbeiten, um uns nicht zu verausgaben und um jederzeit auch
auf anderen Fronten eingreifen zu können, wenn uns die Lage dazu
zwingt, wir müssen den Feind verhindern, uns auszuweichen. Das
können wir nur, wenn wir ihn dort anfassen, wo er keinen Meter
Boden verlieren darf, ohne ihn mit äußerster Kraft zu verteidigen.
Das ist Verdun, wir müssen ein nicht übermäßig starkes, aber
dauerhaftes Feuer anzünden, in dessen Glut die französische Armee
langsam verbrennt.
So ist Falkenhayn, ohne es zu bemerken, der Suggestion der
Materialschlacht verfallen. Der ungeheure Wandel Ln der Krieg-
führung erfährt zum ersten Male gewissermaßen seine strategische
Legitimation.
Der Angriff ist auf den i r. Februar )9)6 angesetzt. Aber es ist
unmöglich, den Termin einzuhalten. Alles ist Schlamm, Dreck und
Wasser.
Am ro. Februar meldet die 5. Armee des deutschen Kronprinzen,
daß alles bereit ist. Am Vormittag des r). Februar beginnt das
deutsche Artilleriefeuer aus etwa )5oo Geschützen aller Kaliber
zwischen Lonsenvoye und Azannes, das heißt zwischen der Maas und
der Woevre-Ebene, auf einer Frontbreite von noch nicht )5 Kilo-
metern.
Es schlägt mit voller Wucht auf die französischen Stellungen bei
Brabant, Haumont, Beaumont und Ornes, hält Ln der Vlacht unver-
mindert an und rast am Nachmittag des rr. Februar Ln äußerster
Heftigkeit.
Am Nachmittag, zu einer ganz ungewohnten Stunde, hebt sich
plötzlich der Vorhang des Artilleriefeuers von den französischen
Stellungen und prasselt, ohne daß mit den Ohren eine Veränderung
wahrzunehmen ist, als Sperrfeuer auf die Reserven und deren An-
marschwege.
Die deutsche Infanterie ist überall im Angriff.
Es geht um jedes Grabenstück, um jedes winzige Widerstandsnest,
um jeden zerschossenen waldzipfel, jede verwüstete Batteriestellung,
um jeden Meter Drahthindernis.
Aber es geht vorwärts.
Brabant, Haumont und Samogneup sind genommen. Der Laures-
wald ist in deutscher Hand. Man steht schon am Rande des Fosses-
waldes, der ein fürchterlich verdrahtetes, verfilztes, von Gräben und
78
Unterständen Ubersätes Trümmerfeld ist. Die Lhambrettesferme ist
erobert. Grnes ist fast erreicht.
Ruhelos ist jede Minute. Keine Sekunde mehr ohne irgendeine
Detonation.
Von Samogneux aus gelangen die Angreifer auf die Höhe 344.
Der Rand des Dorfes Louvemont, hochgelegen über einem Gewirr
verdrahteter Schluchten, wird erobert. Beaumont und Ornes fallen.
Der Fosseswald wird ganz bezwungen, die Brülesfchlucht und jenseits
der Hermitagewald. Bis nahe an Dorf Bezonvaux heran gelangt
der Angriff.
Am Spätabend des 24. Februar meldet der französische Komman-
dant des Verduner Abschnittes, General Herr, dem Generalissimus
Marschall Joffre, er beabsichtige, das ganze östliche Maasufer ein-
schließlich der Lotes Lorraines und sämtlicher Forts zu räumen. Mar-
schall Joffre antwortet damit, daß er den General sofort der 2. Armee
unterstellt, deren Führer General petain ist. petain gilt als der beste
Offizier der Armee. Das berühmte und vielbewährte XX. Korps ist
im Anmarsch.
„Jeder Führer, der in diesem Stadium einen Befehl zum Rückzug
gibt, wird vor ein Kriegsgericht gestellt werden", sagt Joffre.
Eine furchtbare Nacht vergeht.
Von der Brülesfchlucht aus läuft die Haffoulesschlucht südwärts
hinan. An ihrem offenen Horizont erscheint ein mächtiger, breit hin-
gezogener Rücken, auf dem die Einschläge der schweren Artillerie
gleich riesigen schwarzen Fahnen wehen. Das ist der Douaumont.
Die Brandenburger, Westfalen und Hessen-Naffauer haben schwere
Verluste. Aber ihr Angriffsgeist ist ungebrochen.
Am Nachmittag dieses Tages erhebt sich die Schlacht zu ihrer
entscheidenden Größe.
Stunde auf Stunde frißt ganze Bataillone. Die Angreifer spüren,
daß der französische widerstand ermattet.
während die Infanterieschlacht auf dem ganzen Abschnitt brodelt,
vollzieht sich im Zentrum eine besondere Handlung, die auf beiden
Seiten kaum beobachtet wird. Eine Handvoll Brandenburger vom
24. Infanterieregiment gelangt über das Nordglacis des Douaumont
in das Fort. In den Kasematten kauern die Franzosen und geben sich
gefangen. Das Fort ist unser.
Morgen des 20. Februar.
über die Lote de Talou hinweg gelangen die Angreifer bis an den
Rand von Vacherauville. Der ganze pfefferrücken ist genommen.
Fort Douaumont ist gehalten worden. Aber westlich davon liegt
das gleichnamige Dorf. Es ist eine einzige zusammenhängende Feld-
stellung. Von drei Seiten umfaßt, haben sich die Franzosen darin
eingenistet. Die Batterien vom Lhiaumontrücken überhöhen das
Dorf vorzüglich. Kein Angriff bringt den Gegner zum weichen.
So
Lhapitre-, Laillette- und Fuminwald speien unaufhörlich Sperrfeuer-
wellen. Der Douaumont und der östlich anschließende Hardoumont-
rücken müssen das alles auf sich nehmen. Es ist, als ob keine Maus
lebendig bleiben könne.
östlich von Vaux sind die Franzosen seit der Nacht zum 25. Fe-
bruar langsam aus dem Winkel von Etain über die Woevre-Ebene
auf die Lotes Lorraines gewichen. Am Fuße der Lotes stehen sie in
Lange vorbereiteten Stellungen. Das Feuer ihrer zahllosen Batterien
auf den hängen überhöht sie. Von dort herab können sie jede Be-
wegung bei den Deutschen beobachten. Die großen Wälder in ihrem
Rücken gestatten ihnen selbst verdeckte Bewegungen ihrer Reserven.
Es ist keine Spur einer Erschlaffung in dieser zähen Schlacht fest-
zustellen. Im Gegenteil, das französische Artilleriefeuer nimmt
ständig zu.
Zwei frische Armeekorps haben die Franzosen herangeführt. Die
deutschen Angreifer bestehen aus den gleichen Truppen wie am
rr. Februar. Die Gefechtsstärken der Kompanien sind auf die Hälfte
gesunken.
Noch sind die Deutschen die Angreifer. Aber der 26. ist der erste
Lag seit dem 22. Februar, der keine bedeutenden örtlichen Verschie-
bungen bringt. Jeder Tag, der für den Angreifer ohne Erfolg ver-
geht, muß das Übergewicht des Verteidigers vermehren.
Kein Zweifel, die Schlacht hat sich festgerannt.
Die meisten Schluchten auf dem Ostufer der Maas steigen von
den Höhen herab auf den Fluß zu. Sie sind auf diese weise dem
französischen Flankenfeuer von der Westseite des Flusses her voll
ausgesetzt. Die Franzosen begreifen diesen Vorteil rasch und nutzen
ihn gründlich aus.
Ihre Batterienester im Rabenwald, im Wald von Lumieres und
im Gelände des „Toten Mannes" vermehren sich von Tag zu Tag.
Sie können den Angreifern auf dem Ostufer sozusagen Ln den Rücken
schießen. Es ist ein ganz unhaltbarer Zustand. Der Nachschub leidet
furchtbar. So zwingt der Verlauf der Schlacht schon nach wenigen
Tagen zur Verdoppelung der Angriffsbreite.
während auf dem Ostufer Angriff und Gegenangriff in immer
neuen Wellen aufeinandertreffen, sich verstricken und verschlingen,
hebt nun auf dem Westufer das Schauspiel des 22. Februar von
neuem an.
Am 6. März fällt der Forgeswald nach einem wütenden Gefecht.
Die Dörfer Forges und Regneville folgen bald. Die Angriffslinie
des Ostufers wird bei Lhampneuville und Vacherauville erreicht.
Jetzt kommt der schwerere Teil des westangriffs.
61
Ä Sperrfeuer, Jugendausgabr
Tag auf Tag brandet die Infanterieschlacht. Langsam schiebt sich
die deutsche Stellung vor. Nach zwei Wochen ist der Gänserücken im
Süden von Regneville genommen. Der Rabenwald, der Wald von
Lumieres und das Dorf mit gleichem Namen sind in deutscher Hand.
Der „Tote Mann" wird am ro. März erobert.
Am gleichen Tage noch treten die deutschen Bataillone zwischen dem
Malancourtwald und dem Dorf Bethincourt zum Angriff an. Am
Spätabend ist der Angriff von drei Seiten bis an die Höhe 304 her-
angetragen. Die Höhe zu nehmen, gelingt nicht mehr. Aus dem
Walde von Malancourt ist man bis an den Wald von Avocourt ge-
drungen. über dessen Südrand kommt man nicht hinaus.
Dieser Kampf aus dem Grunde der beiden Dörfer Malancourt
und Bethincourt herauf gegen das Massiv der Höhe 304 und den
westlich anschließenden Termitenhügel vollzieht sich schon ganz in der-
grausigen Form, die später den Typ der Verdunkämpfe ausmachte.
Der Walze des Artilleriefeuers folgend, springen die Trupps der
Infanterie von Trichter zu Trichter, Handgranaten werfend und
kleine Abteilungen des Gegners abschnürend. Man weiß nicht mehr,
ob man im eigenen oder im feindlichen Sperrfeuer läuft. Nur die
allernächste Nachbarschaft ist erkennbar.
Manchmal liegt man zwei Stunden lang dem Gegner auf zwanzig
Meter gegenüber, ohne sich regen zu können. Bis es gelingt, irgendwo
in der Flanke ein Maschinengewehr auf dem Trichterrand zu postieren.
Dann geht es mit langen Sätzen über die Trichterränder hinter den
Feinden her, um ihnen den Rückweg abzuschneiden, sie zusammenzu-
treiben. Ab und zu sieht man ihre Köpfe und die Läufe ihrer Gewehre.
was sich hier vollzieht, ist außerhalb aller hergebrachten Regeln
des Infanterieangriffs. Es geht lediglich von Trichter zu Trichter,
und erst die Gesamtheit der voneinander ganz unabhängigen Einzel-
handlungen ergibt, weit hinten bei den Stäben zusammengestellt, das
Bild einer verbundenen Kampfhandlung.
Die Infanterieflieger werden die erreichte Linie durch Photo-
graphie und Karteneintragung bestimmen. Die Kompanieführer
werden sich nachts bemühen, eine Art durchlaufende Linie zu bilden.
Der Kompaniefeldwebel wird später hinten bei der Bagage die Ver-
lustliste zusammenstellen und dem Bataillon einreichen.
Die Säugpumpe arbeitet. Sie saugt entsetzlich viel französisches
Blut. Die deutschen Verluste, Ln den ersten Tagen erträglich, nehmen
im gleichen Maße zu, wie sich der widerstand verstärkt. Die Pumpe
beginnt nach zwei Seiten zu arbeiten.
Es wird Sommer. Aber hier oben ist kein grünes Blatt zu sehen.
Es gibt keine Gräben mehr. Nur noch Trichter und umgewühlte
Erde.
Sr
Am Tage ist nichts Lebendiges zu sehen. Bei Nacht vollziehen
sich die Ablösungen. Leuchtkugeln steigen auf und verbreiten flackernde
Helle. Das Sperrfeuer fegt in rasenden Wellen hin und her. Hoch
oben ziehen die Geschosse der schweren Artillerie ihre leise rauschenden
Bahnen hinüber und herüber. Flieger kreisen über dem Trichterfeld
vom Morgen bis zum Abend. Sie registrieren jede armselige Be-
wegung zweier Meldegänger, eine Handvoll Essenträger, einen Ver-
wundetentransport. Sie liefern die sorgfältigen Unterlagen für die
raffinierte Verteilung des Artilleriefeuers, das auf diesem Raume
nun schon lange nicht mehr verstummt ist. Nicht einmal für eine
einzige, lächerlich kurze Minute.
^üben und drüben werden immer neue Divisionen herangeführt.
Sie gelangen für zwei Wochen in diese brüllende Einöde, schmelzen
zusammen, werden herausgezogen. Nach drei Wochen sind sie wieder
da. Nach und nach passieren so fast die ganze deutsche Westarmee
und die französische Armee das Schlachtfeld.
Die Franzosen nennen Verdun „die Mühle", die Deutschen „die
Hölle".
Dorf Douaumont hat endlich daran glauben müssen.
Dm letzten Drittel des Mai eine furchtbare Überraschung. Nach
einer heftigen Artillerievorbereitung sind die Franzosen plötzlich auf
Fort Douaumont. Sie besetzen den ganzen südwestlichen Teil mit dem
Hauptpanzerturm.
Zwei Tage lang ein halb oberirdischer, halb unterirdischer Kampf
mit allen Mitteln exakter Vorbereitung. Schließlich gelingt es, ein
paar schwere Minenwerfer aufzustellen und damit den Panzerturm
unschädlich zu machen. Die Franzosen müssen hinunter nach Fleury,
woher sie gekommen.
Abermals neue deutsche Divisionen. Am ). Juni fällt der Lail-
lettewald. Am r. Juni Fort Vaux. Nach und nach geraten der ganze
Thiaumontrücken, der Lhapitre- und der Fuminwald in deutsche Hand.
Die Verluste sind beiderseits furchtbar. Es sind die besten For-
mationen der beiden besten europäischen Armeen, die hier mitein-
ander ringen.
Der Gang von der Südkehle des Douaumont hinab bis zum Bahn-
damm von Fleury wird der Gipfelpunkt dieses an höllischen Über-
raschungen so reichen Winkels.
Die Fristen, die von den deutschen Divisionen im Trichterfeld je-
weils auszuhalten sind, werden immer länger. Die Rationierung des
Munitionsverbrauchs wird ernst.
Es kommt schon vor, daß die französische Artillerie einen Abschnitt
so eintrommelt, daß kein Deutscher mehr da ist, der die Leuchtkugel
für Sperrfeueranforderung abschießen könnte.
53
6*
——ÜBm
Man kann die beiderseitigen Verluste bis zum Ende des Juni ins»
gesamt auf eine halbe Million Menschen schätzen. Etwa zweihundert-
fünfzigtausend davon sind tot. Eine Viertelmillion Tote in vier
Monaten.
Von Azannes, wo der Angriff im Februar begann, bis nach Ver-
dun sind es in der Luftlinie fünfzehn Kilometer. Als man Fleury
nahm, waren elf davon überwunden. Fleury blieb der südlichste
Punkt, den die deutsche Offensive erreichte.
9. Kapitel
Die Brussilow-Vffensive
Fast einen ganzen Monat lang schien es, als ob Falkenhayns Rech-
nung auch dieses Mal glatt aufgehen werde, über einige schwächliche
Gegenangriffe an anderen Stellen der Westfront kam die offensive
Gegenwehr nicht hinaus.
Die Säugpumpe arbeitete ganz entsprechend den Ln sie gesetzten
Erwartungen. Alles kam darauf an, sie in Gang zu halten.
Die Stimmung auf deutscher Seite war noch durchaus zuversicht-
lich.
Als endlich im März der erste Ln großem Stil vorbereitete und
durchgeführte Entlastungsangriff der Entente erfolgte, kam er von
einer Seite, von der man ihn am allerwenigsten erwartet hätte.
Er kam von Rußland.
Auf dem Wege über Japan sind die unerschöpflichen amerika-
nischen Hilfsquellen auch für Rußland nutzbar gemacht worden. Der
russische Soldat ist kriegsmüde. Das Gift der inneren Zersetzung
arbeitet schon. Aber noch gehorcht er dem Befehl des Zaren und seiner
Offiziere.
über der russischen Nordfront liegt Schnee, Eis und Erstarrung.
Die deutschen Truppen — es sind die beiden Heeresgruppen Finden-
burg und Prinz Leopold von Bayern — ziehen sich Ln dünner Kette
von der Ostsee bei Riga bis zu den Rokitno-Sümpfen. Am Stochod
beginnt die österreichische Front, untermischt mit deutschen Armee-
gruppen.
Der Stoß der Russen richtet sich hauptsächlich gegen die 10. deutsche
Armee des Generalobersten von Eichhorn im Raume vorwärts Wilna.
Im Zentrum des Schlachtfeldes liegen der Narotsch- und der wisch-
niew-See, zwei schneebedeckte Eisflächen, ringsum gefrorener Sumpf.
64
66 Bataillone haben den Angriff von annähernd 400 Bataillonen
aufzufangen. Mehr als tausend Geschütze stehen hinter den Russen.
Am gleichen Tage, an dem man ihnen den patriotischen Befehl
des Zaren vorliest, der „zur Vertreibung des Feindes aus den Gren-
zen des heiligen russischen Reiches" auffordert, gibt man ihnen einen
anderen Befehl bekannt, worin es heißt: „Reserven und Artillerie
werden ihr Feuer unverzüglich auf die Truppenteile lenken, die an-
gesichts des Feindes im Vorgehen stutzen oder gar Miene machen, sich
gefangen zu geben. Leichtverwundete werden gewaltsam Ln die
Schlachtlinie zurückgeführt, desgleichen solche, die sich selbst verstüm-
meln. Eine dichte Postenkette von Heerespolizei folgt den kämpfen-
den Truppen. Kein Soldat, der noch kampffähig ist, wird diese Kette
nach rückwärts passieren."
Zwei Tage vor dem Angriff wechselt das Wetter aus klirrendem
Frost plötzlich zu einem scheußlichen Tau. Der russische Angriffs-
befehl setzt die Gangbarkeit der Seen und der Sumpfstrecken voraus.
Er müßte jetzt zurückgezogen werden.
General Ewert, der Oberbefehlshaber der angreifenden Heeres-
gruppe, zögert keinen Augenblick.
Am 16. März i o)6, um 6 Uhr morgens, beginnt ganz nach west-
lichem Muster das russische Artilleriefeuer. Zwischen zehn und elf
Uhr treten die russischen Bataillone Ln dichten Kolonnen an.
Das deutsche Abwehrfeuer schlägt unter sie. Es reißt ganze Ba-
taillone dieser stummen Gpfertiere nieder. Von rückwärts drücken
neue Kolonnen nach. Das Zwischenfeld bedeckt sich mit Bergen von
Leichen. In der Nacht wiederholt sich das Schauspiel. Am Morgen
sind die Leichenberge unheimlich gewachsen. Neue russische Batail-
lone greifen an. Sie kennen den Schrecken noch nicht.
Die russische Heeresleitung erweitert den Angriffsraum. Ein
neuer Stoß wird weiter nördlich in der Gegend von Dünaburg an-
gesetzt, ein dritter am r). März zwischen Mitau und Jakobstadt, un-
mittelbar am Rigaischen Meerbusen.
Eine Woche später ist an der ganzen Nordfront kaum noch ein
Unterschied gegenüber der Zeit vor dem Angriff festzustellen, wie
eine blutige Wolke ist er vorübergezogen.
Noch ein zweiter Gegner wirft sich in die Bresche, um den Fran-
zosen im Westen Entlastung zu schaffen. Es sind die Italiener.
Am )3. März 19)6 beginnt die fünfte der Schlachten um die
Isonzolinie, deren Bild nur die monotone Wiederholung der voraus-
gegangenen vier darstellt. Fünf Tage Infanterieangriffe vom Morgen
bis zum Abend, ein paar genommene Grabenstücke, Verlust von vier-
zigtausend Menschen.
Weit entfernt davon, durch den neuerlichen Angriff eine Ent-
lastung der Westfront zu erreichen, bringt General Ladorna nicht
einmal eine Verzögerung in die Vorbereitungen, die Lonrad von
Hoetzendorf unterdessen an der italienischen Front getroffen hat.
Gegen Falkenhayns ausdrückliche Warnung handelt Lonrad von
Hoetzendorf. Die Verstimmung zwischen beiden Feldherren hat ihren
Höhepunkt erreicht. Der durch so viele unglückliche Schlachten in
Rußland gebeugte Stolz der Monarchie verlangt — zum letztenmal
— seine Wiederaufrichtung.
Die Vorbereitungen sind umfangreich, gründlich und ganz im
Stile der nun schon fast klassisch gewordenen Durchbruchsmanier ge-
halten. Der strategische Grundgedanke ist klar, einfach und groß-
zügig. Lonrad von Hoetzendorf will im worden zwischen der Etsch
und der Brenta durchstoßen und die gesamte italienische Front bis
zum Adriatischen Meer zum Einsturz bringen.
Der Angriffsabschnitt ist 45 Kilometer breit. Es sind zunächst
außerordentlich schwierige Gebirgsstellungen zu nehmen, dann die
italienische Fortkette auf der Hochfläche der Sieben Gemeinden, dann
die stark befestigte Linie Arsiero—Asiago. Ist man darüber hinaus,
so kann man an große Operationen im freien Raume denken.
Das Verhältnis zwischen den beiden Generalstabschefs ist so kühl
geworden, daß Falkenhayn nicht einmal über den Termin der Offen-
sive genau unterrichtet ist.
Die Heeresgruppe Erzherzog Eugen trifft ihre Vorbereitungen
so sorgfältig, daß die Italiener am 14. Mai zu einer furchtbaren
Überraschung erwachen. Ein schweres Feuer hagelt auf ihre Stel-
lungen zwischen Etsch und Brenta.
Am nächsten Tage beginnt die Infanterieschlacht.
Mit staunenswerter Bravour stürmen die Österreicher die Berg-
stellungen des Gegners. Nach drei Tagen sind alle drei italienischen
Stellungen durchbrochen. Von Gipfel zu Gipfel schreitet die Schlacht
weiter. Ende Mai stürmen die Österreicher Asiago und Arsiero. In
einer Woche wird man den zweiten Stoß unternehmen können, der
in die Ebene führt. Die Entscheidung winkt.
Diesen Zeitpunkt, in dem alle kühnen Erwartungen noch einmal
zur Verwirklichung streben, sucht das Schicksal sich aus, um nicht nur
die Österreicher furchtbar zu demütigen, sondern um darüber hinaus
im Verlauf von wenigen Wochen dem Kriege ein ganz anderes Ge-
sicht zu geben.
Am 4. Juni )9)6 beginnt die große Brussilow-Offensive gegen
die Österreicher.
Am 24. Juni setzt die Sommeschlacht im Westen ein.
Die im Anschluß daran beginnende neue Offensive der Italiener
am Isonzo, der Kriegseintritt Rumäniens und sein Einfall in Sieben-
bürgen, schließlich die Offensive der Entente-Armee von Saloniki
aus nach Mazedonien hinein sind nur Auswirkungen und Begleit-
erscheinungen dieser beiden gigantischen Ereignisse.
Die deutschen und die österreichischen Kommandostellen stehen vor
einem Rätsel, als sich am Abend des 4. Juni mit nicht zu bezwei-
felnder Klarheit das Geschehene offenbart.
Die Front ist zerrissen!
An diesem schwarzen Tage wird die unglücklicherweise verloren-
gegangene Einheitlichkeit der Operationen in einer weise wiederher-
gestellt, wie sie niemand erwartet hat.
Die russische Heeresleitung entschloß sich auf Drängen der Fran-
zosen und Italiener zu einem energischen 2tngriffsversuch aus dem
Raume von Rowno und Dubno im wolhynischen Dreieck heraus.
Die 4. österreichische Armee knickt fast widerstandslos zusammen.
Es sind hauptsächlich tschechische und slowakische Truppenteile. Die
guten Korps, über die Tonrad von Hoetzendorf noch verfügt, stehen
an der Tiroler Front.
Am 7. Juni sind die Russen in Luzk. Rasch erweitern sie den
Einbruch rechts und links. Nach anderthalb Wochen beträgt die
Tiefe ihres Vordringens sechzig Kilometer. Nicht genug damit,
Brussilow hat die überraschende Gunst der Lage erkannt. Schon
einen Tag nach der Einnahme von Luzk läßt er an den Grenzen der
Bukowina zum Angriff gegen die 7. österreichische 2trmee vorgehen.
Seine Berechnung stimmt unheimlich genau. Die Armee psiantzer-
Baltin zerbricht rasch. Auch hier stärkste Verluste an Geschützen und
Material und erstaunliche Einbußen an Gefangenen. Nach wenigen
Tagen stehen die Russen vor den Karpatenpässen. Lemberg ist von
Süden her bedroht.
Brussilow geht folgerichtig einen Schritt weiter. Er tritt in der
Mitte frontal gegen Lemberg an. In einer Woche drängt er die
Armee Böhm-Ermolli unter schweren Verlusten vom Sereth auf den
Oberlauf des Bug und der Zlota Lipa zurück.
Nördlich der bei Luzk so schwer geschlagenen Österreicher steht die
deutsche Armeegruppe Linsingen, aus den Abteilungen Bernhardi,
Marwitz und Litzmann zusammengesetzt. Linsingen sieht sofort, daß
er mit seinen Divisionen auch für die Front der Österreicher auf-
kommen muß.
Die Russen brauchen nur die deutschen Helme zu erkennen und
den neuen Angriffsgeist zu spüren — schon weichen sie. Die Front
der Verbündeten hat wieder ein Rückgrat.
Der russische Angriff steht.
§7
Unterdessen hat im Süden bei Lemberg eine andere deutsche Armee
die gleiche Aufgabe gelöst, die Linsingen bei Kowel gestellt war. Es
ist die deutsche Südarmee des Generals von Bothmer. Ende Juni
ist die Lage auch im Süden wiederhergestellt.
Blitzartig haben diese furchtbaren Ereignisse die verhängnisvollen.
Schwierigkeiten erkennen lassen, unter denen die österreichisch-un-
garische Armee zu leiden hat. Dreizehn verschiedene Nationalitäten
sind in dieser Armee vereinigt, dreizehn Sprachen werden gesprochen.
Die Leute schlagen sich nicht aus Vaterlandsliebe, sondern aus Zwang.
Die hervorragenden Formationen deutsch-österreichischer Abstammung
stehen zumeist an der italienischen Front und halten dort unerschüt-
terlich stand, im Osten muß man sich mit Flickwerk begnügen. Jetzt
heißt es, den Dingen klar in die Augen sehen.
Generaloberst von Hindenburg übernimmt das Kommando über
die gesamte Ostfront von der Ostsee bei Riga bis an den Fuß der
Karpaten. Der geringe Rest bis zur rumänischen Grenze steht unter
der Befehlsgewalt des österreichisch-ungarischen Thronfolgers Erz-
herzog Karl. General v. Seeckt, der frühere Stabschef Mackensens,
wird ihm als Lhef des Stabes beigegeben. Eine große Zahl deutscher
Offiziere begleitet den General.
Die politischen Auswirkungen der Niederlage beginnen sich deut-
lich abzuzeichnen. Es ist nicht mehr zu bezweifeln, daß die Rumänen
der diplomatischen Bearbeitung durch die Entente erliegen werden.
Die Ostfront wird auf der feindlichen Seite dadurch eine Vermeh-
rung um fast eine Million Soldaten erfahren. Ungarn ist von zwet
Seiten her umklammert.
Mitten in diese schwüle, von verhängnisvollen Spannungen ge-
ladene Atmosphäre fällt der Donner einiger tausend Geschütze im
Westen, an der Somme.
Das Schicksal hat zum tödlichen Schlage ausgeholt.
1 o. Kapitel
Die Sommeschlacht
Im August 19)4 kam der Krieg zum erstenmal in diesen Streifen.
Das war, als die ). deutsche Armee des Generalobersten von Kluck
hier gegen die neu aufgestellte 6. französische Armee Maunoury focht.
Im September faßte der Krieg dann, auf seiner Wanderung zum.
Meer begriffen, festen Fuß.
88
Von Lhaulnes verläuft die Front nördlich über Vermandovillers^
Goyecourt und Dompierre bis Lurlu, wo sie die Somme erreicht.
Überschreitet dann das Flüßchen, berührt Marieourt und Mametz^
überquert die große Straße von Albert auf Bapaume bei La Boi-
felle, gelangt nach Thiepval, Beaumont und zum Ostrand von He-
buterne und Fonquevillers. Ist sie im allgemeinen nord-südlich ge-
richtet, so macht sie doch zwischen La Boiselle und Soyecourt einen
gegen Osten gerichteten Bogen, der dort, wo er bei Lurlu die Somme
schneidet, seinen am weitesten gegen peronne vorspringenden Punkt
hat.
Der Gedanke, diesen Streifen der Picardie als Ausgangsbasis der
Entscheidungsschlacht im Westen zu erwählen, entstand bei den Fran-
zosen schon im Winter ) oj $7j 6, als sich die politischen und mili-
tärischen Spitzen zur Beratung des Operationsplanes für das Jahr
jO) 6 trafen.
Beide Alliierten waren sich einig, daß der Grundsatz der Material-
schlacht stimmte. Man mußte das System nur durch eine grandiose
Übersteigerung seiner selbst bis zur absoluten Sicherheit weiter-
entwickeln.
Die Munitionsfabriken Frankreichs, Englands und Amerikas ar-
beiteten vom Winter an unter diesem Gesichtspunkt. Die Engländer
gingen zur allgemeinen Wehrpflicht über und verdoppelten ihre
Mannschaftsbestände bis zum Sommer. Kolonien und Dominions
wurden in ganz anderem Umfange als bisher herangezogen. England
war bereit, ein Drittel der Angriffsfront zu übernehmen.
Die Breite des Angriffs sollte etwa achtzig Kilometer betragen.
Unter der größeren Breite durfte die Intensität des Angriffs
nicht leiden. Die Masse der schweren und schwersten Artillerie mußte
vervielfacht werden. Die doppelte Menge Munition auf einen mit
Batterien dicht besetzten Raum mußte unbedingt sicher wirken.
Sicher, das heißt bei dieser Berechnung tödlich.
Mittel zur Spezialisierung des Feuers war die neuartige Maffen-
verwendung der Luftstreitkräfte. Ein zweites Novum dieser Schlacht
sollte die Massenverwendung von Gasmunition sein. Man mußte die
feindliche Front belasten, drücken, spannen, zerstückeln. Der Durch-
bruch im ersten Anlauf galt als überwundener strategischer Stand-
punkt.
Man rechnete für die erste Periode der Schlacht mit etwa achtzig
Angriffsdivisionen. Jeder Division einen Kilometer, das macht acht-
zig Kilometer Angriffsbreite.
Dann kam Verdun. Die Folge davon war, daß sich in der auf
etwa vierzig Kilometer gegenüber achtzig des ersten planes verschmä-
$9
lerten Angriffsfront am 30. Juni siebenunddreißig angreifende und
elf verteidigende Divisionen gegenüberstanden.
Am 24. Juni )9)6 hob sich der Vorhang.
Die Ouvertüre besteht aus einem Trommelfeuer von einer Woche.
Eine Woche hat sieben Tage. Ein Tag fetzt sich aus Tag und Nacht
zusammen. Beide zählen je zwölf Stunden. Eine Stunde umfaßt
sechzig Minuten. In keiner einzigen Minute schweigt das rollende
Zittern und Rumpeln, das aus aber Tausenden von Geschützrohren
losgebrochen ist.
Die rückschauende kriegsgeschichtliche Betrachtung trifft folgende
exakte Feststellungen:
Die erste Periode der Schlacht umfaßt die Tage vom j. bis
5. Juli. Sie bedeutet einen einzigen zusammenhängenden General-
sturm auf den ganzen Angriffsabschnitt. Es ist der erste große Durch-
bruchsversuch. In der Linie La Boiselle (an der Straße Albert—
Bapaume) — Lontalmaison — Montauban — Hardecourt — Monacu—
Feuilleres—Biaches—Barleux—Estrees kommt er zum Stehen. Er
hat demnach den ursprünglichen, auf Lombles und peronne vor-
springenden Bogen der Front um durchschnittlich vier Kilometer-
weiter nach Osten geschoben.
Die zweite Periode ist ungleich länger als die erste. Sie reicht
vom 6. Juli bis etwa rr. August und enthält eine ununterbrochene
Kette von ELnzelstößen. Sie ist als Zermürbung gedacht. Ihr räum-
licher Gewinn ist außerordentlich bescheiden. Im allgemeinen ist der
ELnbruchsbogen nach worden um fünf Kilometer Breite und drei
Kilometer Tiefe erweitert worden.
Die dritte Periode ist die gefährlichste. Sie ist bestimmt, durch
eine Kette fast täglicher Generalangriffe auf der ganzen Frontbreite,
die Ernte der zweiten Periode, der Zermürbung, einzubringen. Sie
umfaßt die Zeit vom rz. August bis Ende September. Man zählt
in ihr etwa fünfzehn sogenannte Großkampftage, wobei die übrigen
Tage von fortwährenden Einzelstößen erfüllt waren. Bis Mitte Sep-
tember fehlen größere räumliche Veränderungen. In der zweiten
Hälfte des Monats ist aber zum erstenmal ein deutliches Nachlassen
der Verteidigungsenergie zu spüren. Die Ausbuchtung ist nun be-
deutend erweitert, beginnt im Norden bei Thiepval, reicht bis auf
fünf Kilometer an Bapaume heran, umfaßt peronne und mündet bei
Soyecourt in die alte Linie. Sie ist fünfundzwanzig Kilometer breit
und an ihren äußersten Punkten fünfzehn Kilometer tief.
Die vierte und letzte Periode wird durch das Nachlassen der Am
griffskraft bestimmt. Sie reicht vom 1. Oktober bis in die Mitte
des November. Der Materialeinsatz ist noch ungeheuer groß. Aber
die Wucht der Infanterieangriffe ist gebrochen.
00
Die Schlacht endet füe die Entente mit dem Verlust von drei-
viertel Millionen Menschen. Die Verluste der Deutschen werden aus
etwa eine halbe Million berechnet. Das sind zusammen j a?o ooo
Menschen.
FongaevZZZers
yauk-Vrnücourt
AchieNeGt
ZfebuZeme
AchieMePn
PuZsieux
OrsvZZZers*
MirouznonL
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^ öueudecoun*^.leJZvnsioy PocguZgny
Msfll |0 IbZepvoZ °CourcefeZZe ° °V °
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Longuevaf MorvaJ o &ZM
on /—^Combles !
^Montauöon 9
\^j^ecourrf°Mourepos \
\ ßouchove,
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\SailtZsef
\MoZsZaZns
fwZZoZnes
°Morfaneourr
ßecqutncourt
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AsseyZZfens
IßarZMxIp
oM% f m
i ViJZers-uirponnet'
°sn5S \SZ Christ
foucoucourr
SOMME-SCHUCHT.
JoSqyecourt
aVermandovillens °g.
Deutsche Stellung
am 17.16.
yDeutsche Stellung
am 1.12.16.
*0Ch3ulne!
0)
Kein Tag dieser viereinhalb Monate vergeht ohne Trommelfeuer,
keiner ohne größere Gefechtshandlung, weder an den örtlichen Ver-
änderungen, noch an den lebendigen Verlusten, noch an dem Material-
aufwand ist das Ergebnis dieser furchtbaren Schlacht zu messen.
wer ist der Sieger- wer ist besiegt-
Fest steht nur, daß die Franzosen und Engländer den Durchbruch
an der Somme ebensowenig erreicht haben wie die Deutschen den
vor Verdun. Für die Franzosen lag bei Verdun die Krise der Ver.
teidigung im Anfang der Schlacht. Für die Deutschen lag die Krise
an der Somme im letzten Drittel.
will man die Bedeutung der Schlacht für die schließliche Ent-
scheidung des ganzen Krieges erkennen, so tappt man, wie bei fast
allen Schlachten dieser Art, beinahe völlig im Dunkeln. Es fehlt
jeder exakte Maßstab. Es fehlt jede sichtbare Entscheidung. Und den-
noch liegen die wurzeln des Kriegsausgangs gerade in diesen Schlach-
ten. Sie bloßzulegen ist mehr Sache des Gefühls als der Berechnung.
Die blutigen Verluste der Entente sind höher als die der Deut-
schen. Aber sie entscheiden nicht. Die Verluste an kampfgeübten Sol-
daten und Offizieren wiegen gleich schwer hüben und drüben. Die
Einbußen an Material sind für die Entente schwer, aber ersetzbar.
Für Deutschland sind sie im Augenblick noch ersetzbar.
Eine andere Beobachtung aber verschiebt das Bild ganz wesentlich.
Der Soldat der Entente ist, entsprechend dem Materialverhältnis,
etwa nur einem Sechstel der Artilleriewirkung ausgesetzt, wie sie der
deutsche Soldat ertragen muß. Der Entente-Soldat erträgt diese
auf ein Sechstel reduzierte Wirkung in einem viel kürzeren Zeit-
raum als der deutsche. Die Überlegenheit an Zahl ermöglicht seine
raschere Ablösung. Der deutsche Soldat ist damals schon schlechter
ausgerüstet als der Soldat der Gegenseite. Es muß überall gespart
werden. Schließlich beginnt auch schon die (Qualität der Ernährung
bedeutend nachzulassen.
Alle diese Momente müssen sich, je länger der Krieg dauert, um
so stärker auswirken. Der Entente-Soldat darf mit einer Erleichte-
rung seiner Lage rechnen, der deutsche aber muß ihre ständige Ver-
schlechterung erwarten.
Hier liegt der unsichtbare Teil der Entscheidung, der aber der
wichtigste ist. Er ist seelischer Art.
On einer solchen Höllenprobe scheiden sich die Geister. Ein kleiner
Teil der Überlebenden entwickelt sich zu jenem Typ des deutschen
Soldaten der Abwehrschlachten, der durch nichts mehr zu erschüttern
ist. Er ist der eigentliche Held dieses Krieges. In den nachfolgenden
Schlachten schmilzt sein Bestand zusammen. Das grausame Gesetz des
Verbrauchs hat ihn verschlungen. Er modert vor Verdun, an der
9%
Somme, in Flandern. Das deutsche Heer wird dadurch allmählich
und unsichtbar seiner einzigen verläßlichen und unersetzlichen Stütze
beraubt.
Der größere Teil der überlebenden geht aus dem Grauen der
Materialschlacht äußerlich ungebrochen und gesund hervor. Innerlich
ist er unmerklich schon ein anderer geworden. Er selbst weiß noch
nichts davon. Ihm fehlt es nicht an dem guten willen und an der
Liebe zum Vaterland. Dennoch liegt in seiner Seele schon der Keim
der Erschlaffung.
Alles wird nun darauf ankommen, welcher Art die seelische Spann-
kraft derer ist, die aus der Heimat dem Heereskörper neu zugeführt
werden.
Am Anfang dieser Vorgänge, dieser unsichtbaren Entwicklung,
steht die Sommeschlacht.
1). Kapitel
Hindenburg
Am rz. August )9)0 erklärte Rumänien Österreich den Krieg. Am
Tage darauf stellte die deutsche Regierung dem rumänischen Gesandten
die Pässe zu.
während eine halbe Million Rumänen über die siebenbürgischen
Pässe quoll, während nun Brussilow seine Anstrengungen noch einmal
zum äußersten trieb, während der Großkampf an der Somme eine
furchtbare Übersteigerung erlebte, während Italien die siebente Isonzo-
schlacht begann und Sarrail in Mazedonien angriff, berief der Kaiser
den Oberbefehlshaber Ost, Generalfeldmarschall von hindenburg, und
den Lhef seines Stabes, General Ludendorff, aus dem Hauptquartier
Oberost in das Große Hauptquartier nach pleß in Schlesien.
hindenburg wurde zum Lhef des Generalstabes des Feldheeres
ernannt. Ludendorff wurde sein Erster Generalquartiermeister.
Der bisherige Generalstabschef wurde von dem neuen gebeten, das
Kommando der §. deutschen Armee in Siebenbürgen zu übernehmen,
der die Entscheidung gegen Rumänien zugedacht war.
Falkenhayn übernahm die kleine Armee von drei Divisionen, die
noch gar nicht da war, gegenüber einer halben Million neuer Gegner,
die schon im Vormarsch begriffen. Er übernahm diese Armee, eben
noch Feldherr des größten und besten Heeres der Weltgeschichte. Ohne
ein Wort der Bitterkeit und ohne Hintergedanken ordnete er sich
n
demjenigen unter, den Unterschied des Charakters, größere Feldherrn-
kunst und die Liebe des ganzen Volkes an seine Stelle gebracht.
^Lndenburg Chef der Obersten Heeresleitung!
Trotz aller Not ging ein Iubel durch das Volk. Die Armee
atmete auf. Hundertfünfzig Millionen Menschen sahen auf diesen
Mann, dessen Gestalt seit Tannenberg die Verehrung und den Glau-
ben der Nation auf sich vereinigt wie nie ein anderer Mensch.
Der Eindruck der Berufung Hindenburgs an die Spitze des Heeres
war größer als die Nachricht von irgendeinem gewaltigen Siege.
Hindenburg und Ludendorff verspürten in ihren Kerzen nichts
von der Iubelstimmung, die ganz Deutschland erfüllte. Sie wußten,
wie die Dinge standen. Sie wußten, daß ihnen nichts übrigblieb, als
mit festem willen und mit klarem Verstand daran zu gehen, der Gefahr
des Zusammenbruchs dort zu begegnen, wo sie am drohendsten war.
Sie brauchten diesen Punkt nicht erst zu suchen. Er hieß Rumänien.
Aber alle Umstände lagen in einer fürchterlich engen Verstrickung.
Voraussetzung für die Beseitigung des neuen Feindes war das Aus-
halten der übrigen Fronten. Der Osten schien am ehesten gesichert.
So fuhren beide nach dem Westen.
Sie sahen Armeekommandanten und Stabchefs, aus deren freud-
losen und überarbeiteten Gesichtern schon alles sprach, ehe sie ihre
Vorträge vernommen.
Sie sahen jene Soldaten, die zwischen Materialschlacht und Mate-
rialschlacht Ln schlechten (Quartieren ausruhten, das stumpfe Grauen
des Todes hinter sich und vor sich. Sie sahen die bleichen Gesichter
und die hohlen Augen.
Gib uns mehr Artillerie, sagten die Augen, das ist die Hauptsache.
Aber sorge auch, daß wir besser zu essen bekommen. Es ist ja über
Menschenkraft, das alles auszuhalten, wenn man noch dazu hungrig
ist. Kann denn die Heimat wirklich nicht mehr hergeben; Man hört
doch, daß es vielen dort sehr gut geht. Ist denn das gerecht; wir
beschweren uns ja nicht, aber wir denken doch, daß es für das Ganze
besser ist, wenn jeder zu gleichen Teilen trägt.
Und ist es denn wahr, wie sie uns von daheim schreiben, daß der
Krieg nur für den Kaiser, für die Kapitalisten und die Generäle ge-
führt wird; Daß wir längst schon Frieden hätten, wenn sie nicht
wären; Nein, wir wissen ja, daß es Unsinn ist. Aber darf denn das
sein;
Ach, du siehst ja unsere Not. wir müssen auch viel mehr Ma?
schinengewehre haben. Es ist die einzige Waffe, mit der wir uns
wehren können.
Du siehst alles, denn du bist ja Hindenburg. wir glauben an dich
94
S
und an den Sieg und an das Vaterland — und darum werden wir
morgen gern wieder in die Schlacht da vorn zurückgehen.
Höre nur, wie das trommelt! übermorgen werden wir nicht mehr
sein. —
In der ersten Septemberwoche wurde der Befehl zur endgültigen
Einstellung der Offensive gegen Verdun von der neuen Obersten
Heeresleitung gegeben. In den gleichen Tagen gingen die ersten
Schreiben von der Obersten Heeresleitung an die Reichsregierung,
die später die Grundlagen zu dem sogenannten Hindenburg-Programm
bildeten. Sein Zweck war straffere Organisation der Ersatzerzeugung,
Ausschöpfung aller menschlichen und materiellen Hilfskräfte des Lan-
des zum Zwecke der Kriegführung.
Die Gliederung der Befehlsgewalten wurde an allen Fronten
einer Vereinfachung unterzogen, die Einheitlichkeit der militärischen
Operationen der vier Verbündeten fast restlos sichergestellt. Es war
selbstverständlich, daß die Gesamtleitung Ln deutscher Hand lag. Daß
auch die örtlichen Armeeoberkommandos fast überall deutschen Gene-
ralen anvertraut waren, mußte die glatte Arbeit des strategischen
Befehlsapparates noch mehr fördern.
Es war nicht nur der deutsche General, der fast an allen Fronten
einspringen mußte. Bis auf einen Bruchteil trug der deutsche Soldat,
der deutsche Infanterist, Artillerist, Pionier, Kavallerist und Flieger
die gesamte Last des Krieges auf feiner Schulter — von der Nordsee
bis zum Adriatischen Meer, vom Rigaischen Busen bis zum Schwar-
zen Meer, von Mazedonien bis zum Suez-Kanal.
Sein Führer hieß jetzt Hindenburg.
12. Kapitel
Rumänien
Selten ist ein Feldzug mit unzulänglicheren Mitteln unternommen
worden. Alles spricht zuungunsten der Mittelmächte, Hinzu kommt
die Sorge: was werden die Ruffen machen * Man kann nicht glauben,
daß Brussilow untätig bleibt. Und die Franzosen; Die Sommeschlacht
rast immer noch mit der gleichen Stärke wie am Anfang. An der
mazedonischen Front regt es sich schon. Die siebente Isonzoschlacht ist
bereits im Gange.
Und dennoch!
Von Anbeginn an hat kein Zweifel darüber bestanden, daß man
den Feldzug gegen den neuen Feind angriffsweise führen müsse. Das
95
Übel, das vom Balkan droht, muß endlich gründlich beseitigt werden.
Die Ostfront muß durch eine klare Linienführung von der Ostsee bis
zum Schwarzen Meer stabilisiert werden. Gelingt es, Rumänien zu
Boden zu werfen, so wird der moralische Eindruck auf unsere Feinde
und solche, die es vielleicht noch werden wollen, ein sehr starker sein.
Vor allem aber birgt die Walachei ungeheure Vorräte an Korn,
Vieh, Erdöl und Eisenerz. Deutschland braucht zu essen. Unsere
Unterseeboote und Flieger brauchen Benzin. Die Artillerie braucht
Geschützrohre und Granaten. Die Abschnürung von der Welt wirkt
schon. Jeder Scheffel Getreide, jeder Zentner Fleisch, jeder Hektoliter
Erdöl und jede Tonne Erz erlangt schon eine unheimliche Bedeutung
für die Mittelmächte.
Ein gewaltiges Risiko und die Aussicht auf einen großen Gewinn.
Der einzige zuverlässige Aktivposten dieser Rechnung ist die Tüch-
tigkeit des deutschen Soldaten. Die Heeresleitung weiß, daß er desto
besser wird, je mehr er aus dem dumpfen Druck der Materialschlacht
in die offene Bewegungsschlacht gelangt.
Den Blick auf das ersehnte Siebenbürgen und die ungarische
Ebene gerichtet, begehen die Rumänen ihren ersten strategischen Fehler.
Sie bilden aus dem Gros ihres Heeres drei starke Armeen, die über
die Transsylvanischen Alpen nach Norden dringen. Sie haben nichts
Eiligeres zu tun, als ihre Beute in Sicherheit zu bringen.
über diesem Eifer vernachlässigen sie ihre Südfront in der Do-
brudscha. Zwischen der Donau bei Tutrakan und dem Schwarzen
Meer stellen sie nur eine Armee auf. Sie rechnen dabei auf General
Sarrail, der von Saloniki her mit seiner Entente-Armee Mazedonien
durchstoßen und die Bulgaren vom Süden her abwürgen soll.
Freilich glaubt die rumänische Heeresleitung, die von der Dobru-
dscha drohende Gefahr als nicht allzu groß einschätzen zu dürfen. Sie
weiß, daß die Heeresgruppe Mackensen aus drei bulgarischen Divi-
sionen besteht, denen im ganzen ein deutsches Infanteriebataillon, ein
Landsturm- und ein Kavallerieregiment beigegeben sind. Die deutsche
217. Division, das deutsche Infanterieregiment 45 und das türkische
VI. Armeekorps sind erst im Anrollen. Bis dahin scheint es ein Ding
der Unmöglichkeit, daß Mackensen etwas unternimmt.
Er tut es dennoch.
Knapp eine Woche nach der Kriegserklärung, am 4. September
)0)6 bei Morgengrauen, bricht die Gruppe Mackensen längs der
Donau über die Grenze. Am Abend des folgenden Tages hat sie die
rumänische Donaufeftung Tutrakan umstellt. Am dritten Tage ist
Tutrakan genommen.
Die rumänische 4. Armee ist mitten in ihrer Versammlung ge-
troffen und überrumpelt worden.
Ehe der Feind sich von seiner Verwirrung erholt, steht Mackensen
vor Silistria. Am 9. September ist auch diese Festung genommen.
Die Rumänen räumen fluchtartig den ganzen Südteil der Dobrudscha
und setzen sich in einer stark ausgebauten Stellung südlich der Eisen-
bahnlinie Lzernawoda—Lonstanza zur wehr.
Acht Lage nach Eröffnung des Feldzuges müssen russische For-
mationen herbeieilen, um die Front des neuen Bundesgenossen zu
stützen. Mackensen erhält nach und nach die vorgesehenen deutschen
und türkischen Unterstützungen.
Sofort ziehen die Rumänen, ihren ersten Fehler erkennend, stär-
kere Kräfte aus Siebenbürgen heraus und fahren sie quer durch ihr
Land nach der Dobrudscha, wo sie den zweiten Schlag Mackensens
erwarten. Die versuchte Wiedergutmachung des ersten Fehlers wird
unter den neuen Verhältnissen zum zweiten Fehler.
Die erste Operation Mackensens ist nur als eine Ablenkung ge-
dacht. Der Hauptstoß aber soll von Norden, aus Ungarn heraus,
kommen.
Am ) 7. September trifft Falkenhayn im Hauptquartier der 0. Ar-
mee ein, die bei Karlsburg im Entstehen begriffen ist. Ihr gegenüber
steht im Raume von Hermannstadt die ). rumänische Armee. Nord-
östlich von der 9. Armee hat sich die österreichische ). Armee unter
General von Arz aufgestellt. Man kann ihr nur eine unterstützende
Operation gegen die 3. rumänische Armee am Oberlauf des Alt zu-
muten. Die r. rumänische Armee im Zentrum bei Fogaras muß man
wohl oder übel fürs erste fast unberücksichtigt lassen. Es ist kein
Bataillon und keine Batterie mehr da. Ehe sie in Aktion tritt, muß
die ). bei Hermannstadt schon geschlagen sein.
Eine denkwürdige und einzigartige Operation beginnt am r). Sep-
tember 19)6.
Das Alpenkorps mit beigegebener Gebirgsartillerie umgeht fast
unbemerkt den schwachen Westflügel der ). rumänischen Armee. Auf
schmalen Gebirgspfaden, über bewaldete Gipfel, durch enge Schluch-
ten und auf steilen hängen dringen die Regimenter rücksichtslos nach
Süden vor und bemächtigen sich des Roten-Turm-Passes. Dort stehen
sie im Rücken der ). rumänischen Armee, ehe das Gros des Feindes
bei Hermannstadt überhaupt zur Besinnung gekommen.
Das Kavalleriekorps Schmettow reitet in die Lücke zwischen der
). und r. rumänischen Armee hinein. Es erfüllt seine Aufgabe prompt.
Die r. rumänische Armee stürzt sich auf die Reiterregimenter, die
langsam fechtend auf die Ostflanke Falkenhayns zurückgehen. So
gewinnt Falkenhayn die Zeit, die er braucht.
Am 26. September faßt er das Gros der ). rumänischen Armee
bei Hermannstadt frontal an. Der Rumäne hat sich eingeschanzt und
1 Sperrfeuer, Jugendausgabe
97
verteidigt sich hartnäckig. Man beginnt langsam sich um eine Achse
zu drehen, deren Drehpunkt zwischen der ). und 2. rumänischen Armee
liegt.
Aber jetzt reift die Frucht des Roten-Turm-Passes.
Die Regimenter vom Alpenkorps, die einzige Rückzugsstraße der
1. rumänischen Armee in ihren Fäusten, erwarten, nach Worden ge-
wandt, den von Hermannstadt südlich weichenden Feind.
Das Grauen bemächtigt sich dieses Raumes. 3n ihrer Verzweif-
lung wenden die Rumänen sich abermals gegen Norden. Falkenhayn
treibt sie zurück. Sie versuchen wieder den paß im Süden zu stürmen.
Die Bayern jagen sie mit blutigen Köpfen hinab. Bei Tannenberg
damals vollzog sich alles hinter dem Vorhang der Wälder, Hier ist
es sichtbar wie auf einer tiefgelegenen Bühne.
Schon am 4. Oktober, vier Tage nach beendeter Hermannstädter
Schlacht, attackiert Falkenhayn die linke Flanke der r. rumänischen
Armee, wirft sie aufs Zentrum zurück und erscheint vor Kronstadt.
Dort konzentriert sich der feindliche widerstand um den Geister-
wald. Es hilft nichts. Die deutsche Artillerie übernimmt die Vor-
arbeit. Die Infanterie stürmt umfassend. Der widerstand zerbricht.
Die Rumänen fluten durch die Stadt.
Am 6. Oktober ist sie gesäubert. Am folgenden Tage wird der
Predealpaß südlich der Stadt gestürmt. Die Höhenlinie der Trans-
sylvanischen Alpen ist auch hier erreicht, mit ihr die rumänische
Grenze. Geschlagen, um ihre halbe Kraft geschwächt, in starker Auf-
lösung wälzt sich die r. rumänische Armee heimwärts über die süd-
lichen Gebirgshänge.
Gleichzeitig kommen nun auch die Österreicher in Schwung. Die
3. rumänische Armee, die sich so plötzlich und unvermutet allein auf
siebenbürgischem Boden sieht, macht schleunigst kehrt und verschwindet
über die Karpatenpässe hinweg auf den Sereth zu. Dort sucht sie
erschöpft Anlehnung an die Russen — sie, die bestimmt war, den
russischen Südflügel zum entscheidenden Siege nach Ungarn hinein
mitzureißen.
welch ein Umschwung in zwanzig Tagen!
Ein großer Sieg ist erfochten. Aber er ist noch keine Entscheidung.
Soll der Feldzug mit einem solchen Zustand endend Zwei neue
Fronten, eine in Siebenbürgen, eine in der Dobrudscha, auf denen
jederzeit die unangenehmsten Überraschungen eintreten können) Die
deutsche Heeresleitung denkt nicht daran.
Am )i. November 19)6, den Rumänen ganz unerwartet, zerreißt
eine starke deutsche Angriffsgruppe die feindlichen Stellungen im
Gebiet des Vulkan- und des Szurdukpaffes.
mit großer Eile werfen die Rumänen Verstärkungen heran. Den
Hauptteil ihrer Reserven halten sie nördlich ploesti gegenüber Kron-
stadt fest.
Das ist ihr Verhängnis.
Die deutsche Stoßgruppe säubert die Pässe, zerbricht die Gebirgs-
ftellungen eine hinter der anderen, beachtet weder den Feind zur
Rechten noch den zur Linken und steht nach drei Tagen auf den letzten
Höhen. Die Walachei liegt ausgebreitet vor ihren Augen.
Es ist der General Kühne mit vier Divisionen, die neu aus dem
Westen herbeigefahren sind.
hinter ihm folgen die neu herangebrachte 6. und 7. Kavallerie-
division unter dem bewährten Kommando des Generals Schmettow.
Es regnet in Strömen. 3tt den Bergen schmilzt der Schnee. Die
Gebirgswäffer schwellen mächtig an und brausen zu Tal.
Mit ihnen die pommerschen und westpreußischen Regimenter
Kühnes. Kaum hat er die Ebene erreicht, als er eine scharfe Wen-
dung nach links macht. Das Reiterkorps fetzt sich auf seinen südlichen
Flügel und trabt fächerförmig auseinander.
Nun hat auch die rumänische Heeresleitung erkannt, was hier
vorgeht. Sie wirft ihre Reserven nach Targa Iiu, wo eine Aus-
nahmestellung vorbereitet ist.
Am )0. November flammt bei Targa Iiu, dem jetzt westlichen
Eckpfeiler der ganzen rumänischen Nordfront, eine erbitterte Schlacht
auf. Sie dauert ununterbrochen zwei Tage lang. Die Bayern kommen
von Norden her über den Gebirgsrand. Die Pommern und West-
preußen kommen aus dem Westen über den hochgeschwollenen Iiul
herüber. Von beiden Seiten bricht es in die rumänischen Stellungen
ein. Im Süden trabt weit umfassend die Reiterei Schmettows in den
Rücken des Feindes.
Die Flucht durch die Walachei beginnt. General Kühne und
Schmettow folgen dem Lauf des Jiul abwärts auf Lrajowac zu.
Schon ist die restliche Walachei in ihren fänden.
Der Horizont ist in Flammen gehüllt. Alles brennt. Der Rumäne
vernichtet auf Geheiß der Entente sein Land. Englische und fran-
zösische Ingenieure überwachen die Zerstörungsarbeit.
Inzwischen ist Krafft von Dellmensingen mit seinem Alpenkorps
schon bis in die Umgegend von pitesti gelangt. Die rumänische Front
am Unterlauf des Alt ist also schon von Norden her im Rücken be-
droht. Aus der Richtung von Kronstadt ist die Gruppe des Generals
von Morgen im Vordringen auf ploesti.
Konzentrisch sind Kühne, Krafft von Dellmensingen und Morgen
auf Bukarest gerichtet. Der erste von Südwesten, der zweite von
Nordwesten, der dritte von Norden.
7*
99
Und dann erscheint der vierte im Süden. Das ist Mackensen.
In aller Stille hat er seine Aufstellung vollkommen geändert. An
der Dobrudscha-Front sind nur einige bulgarische und zwei türkische
Divisionen geblieben. Mackensen steht südlich Bukarest bei Swistow
jenseits der Donau und wartet auf den richtigen Augenblick.
Jetzt ist er gekommen.
In der Nacht zum 24. November beginnen österreichische und
deutsche Pioniere mit Hunderten von Pontons das übersetzen. Die
Rumänen sind ahnungslos. Am Mittag ist alles drüben. Und dann
geht es vorwärts auf die feindliche Hauptstadt.
Schon am nächsten Tage ist die Verbindung zwischen der Armee
Falkenhayn und der Heeresgruppe Mackensen hergestellt. Fluchtartig
verlassen die Rumänen ihre Stellungen am Alt und gehen auf den
Argesch zurück.
Der französische General Berthelot zeigt sich als ein guter Feld-
herr. Rücksichtslos schwächt er die Nordfront bei pitesti und ploesti
und wirft alle Truppen auf den neuen Feind im Süden. Er denkt
Mackensen rasch zu schlagen, zu vernichten und dann Falkenhayn vor-
zunehmen. Abermals eilen russische Divisionen herbei.
So entwickelt sich die Schlacht am Argesch vor den Toren
Bukarests.
Mackensen gerät in böse Bedrängnis. Am r. Dezember wird der
Druck überstark.
Es ist ein banger halber Tag, und der Feind wird immer stärker.
In Gewaltmärschen eilen die Pommern und Westpreußen der Gruppe
Kühne herbei, stürzen sich auf den Gegner und treiben einen Keil über
die linke Flanke Mackensens hinaus und über den Argesch hinüber.
Das entscheidet die ganze Schlacht. Die rumänischen Divisionen
weichen.
Am 5. Dezember schickt Mackensen einige Offiziere nach Bukarest
hinein und verlangt die Übergabe. Der Kommandant von Bukarest
antwortet, daß er die Stadt sofort mit allen Truppen verlassen werde
und daß er bitte, sie nicht als Festung zu betrachten. Am gleichen
Nachmittag noch rückt Mackensen in Bukarest ein.
Jenseits flieht die rumänische Armee aufgelöst in nordöstlicher
Richtung. Der Feldzug ist entschieden.
Die Verfolgung beginnt.
Sie führt in dreißig Tagen von Bukarest bis zum Sereth. Das
sind mehr als zweihundert Kilometer. Sie reißt den ganzen Rest der
siebenbürgischen Front von der Gegend südlich Kronstadt bis in die
Karpaten ein. Und sie bringt um die Mitte des Dezember auch die
Dobrudscha-Front zum neuen Einsturz.
ic>o
On Takt geblieben ist nur die ehemals 3. rumänische Armee, die
sich oben in den Karpaten an die Rüsten anlehnt.
Zum letzten Male versucht der geschlagene Feind mit russischer
Hilfe den widerstand. Beiderseits Rimnicul Sarat verschanzt er
sich. Am zweiten weihnachtstag ist auch das entschieden. Om ersten
Januardrittel tritt Ruhe ein. Die neue Front läuft von den Kar-
paten am Trothus und am Sereth entlang bis zur Donaumündung.
Deutsche, Österreicher, Bulgaren und Türken haben nebeneinander
gefochten. Jeder hat seine Pflicht getan.
13. Kapitel
Skagerrak
was ist aus den beiden größten Flotten der Welt geworden,
während die Landarmeen von Schlacht zu Schlacht, von Ereignis zu
Ereignis schreitend
Die riesige englische Armada liegt Monat auf Monat Ln der
Bucht von Scapa Flow und im Firth of Forth. Sie weiß, daß sie
allein durch ihre Anwesenheit wirkt.
Die deutsche Flotte läßt sich von der englischen das Gesetz des
Handelns vorschreiben. Sie liegt hinter den Minensperren der Deut-
schen Bucht. Stellungskrieg zur See, unterbrochen nur von einzelnen
kühnen Vorstößen leichter Streitkräfte. Om übrigen nichts als
Minenarbeit.
Mühsam schleppt sich, an fänden und Füßen gefesselt, der Unter-
seebootkrieg dahin. Unterdessen wirkt die Blockade. Niemand in der
Welt regt sich über den Kampf gegen Greise und Kinder auf. Deutsch-
land hat noch nicht begriffen, daß die Abwehr der Blockade oder ihre
Anwendung gegen den Urheber selbst sich zur Grundfrage des ge-
samten Krieges entwickelt hat. Das deutsche Schicksal steht und fällt
damit.
Großadmiral von Tirpitz, der energische Vertreter einer größeren
Aktivität der Flotte und des uneingeschränkten Unterseebootkrieges,
muß den Dienst quittieren. Die Wirkung auf die Öffentlichkeit ist
anders als man gedacht. Statt Beruhigung tritt ein viel heftigerer
Kampf ein.
„England ist nur durch den Handelskrieg zu treffen", sagt die
Marine. „In acht Monaten können wir den Krieg durch das Unter-
seeboot beendigen."
io)
„Solange noch die Möglichkeit besteht, Amerika aus dem Kriege
zu halten, ist die Anwendung dieses Mittels nicht zu verantworten",
sagt die Reichsregierung.
Es bleibt bei diesem Zustand. Nichts geschieht.
Seit dem )5. Januar )9)0 führt Admiral Scheer die deutsche
Hochseeflotte. Er ist ein Mann des Handelns.
Uneingeschränkter Handelskrieg auf der einen, voller Einsatz der
Hochseeflotte auf der anderen Seite sind die Ziele der neuen Flotten-
leitung.
Tirpitz geht. Der Kaiser läßt ihn fallen. Scheer bleibt. Das ist
ein Glück für die Marine und für die gesamte Kriegführung. Er
beginnt sofort zu handeln.
Am 3). Januar steuern neun Marinezeppeline die englische West-
küste, besonders den Hafen Liverpool, an. Alle erreichen ihre Ziele.
Fünfzehntausend Kilogramm Bomben krachen in der Nacht zur Erde.
Die Luftangriffe werden rasch hintereinander wiederholt.
Am )). Februar treffen drei deutsche Torpedobootflottillen an der
Doggerbank auf ein englisches Kreuzergeschwader. Schußwechsel, Tor-
pedos, Manöver, neuer Angriff. Ein englisches Minenboot muß auf
den Meeresgrund. Der kleine englische Kreuzer „Arethusa" stößt auf
eine Mine und wird von seiner Besatzung verlassen.
Deutsche Kleine Kreuzer erscheinen vor den englischen Häfen. Un-
versehrt kehren sie heim. Am 24. April ist ein Geschwader Großer
Kreuzer dabei. Sie beschießen Rarmouth und Loveftoft und gelangen
ohne Schaden in ihre Heimathäfen zurück.
Immer mehr deutsche Unterseeboote tauchen vor den englischen
Kriegshäfen auf. Sie sind jetzt frei, nachdem der Handelskrieg ein-
gestellt.
Die englische (Öffentlichkeit schreit nach Vergeltung.
„wo ist unsere große Flottes", rufen die Zeitungen, die Volks-
redner, die Armee, die Politiker, der Mann auf der Straße. „Müssen
wir uns das gefallen lassen)"
Die Londoner Regierung beißt in den sauren Apfel. Die große
Flotte beginnt sich zu regen. Zunächst laufen nur einzelne Geschwa-
der aus.
Eines Tages aber . . .
Die Nordsee, die bisher fast nur den Gualm der Minensucher, die
hellen Leiber der Kleinen Kreuzer, die Periskope der Unterseeboote
und die schwarzen Schatten der Torpedoboote gesehen, erlebt etwas
Neues.
Es ist der Geschwadermarsch der Panzerschiffe.
Jedes eine Festung arrs Eisen und Stahl. Jedes mit mehr als
tausend Menschen Besatzung.
)or
Torpedoboote und Kreuzer umschwirren die Kolosse nach allen
Richtungen. Die Unterseeboote sind unsichtbar daneben. Flieger und
Luftschiffe schweben darüber. Dann müssen die Luftschiffe abdrehen,
es ist keine Sicht.
Auf wohlbekannten wegen tappen die Schiffe durch die Minen-
sperre. Stunde auf Stunde bewegt sich das monoton weiter, ohne
die Formation zu verändern. 45 000 Menschen hüben, 60 000 drüben
— und keiner davon sichtbar. 225 schwere Geschütze über 26 cm
Kaliber hüben, 380 drüben.
Es ist drei Uhr nachmittags, als zwei deutsche Torpedoboote, der
Vorhut angegliedert, einen dänischen Frachtdampfer anhalten, der
einsam das Meer durchfurcht. Eigentlich eine überflüssige Beschäfti-
gung, aber vielleicht erfährt man irgend etwas Wissenswertes.
Der Kleine Kreuzer „Elbing", ebenfalls bei der Vorhut, entdeckt
nördlich dieser Gruppe plötzlich die Rauchfahnen zweier Schiffe.
Von Norden rasch herannahend, enthüllen sie sich als zwei kleine
englische Kreuzer, die unverzüglich das Feuer auf die beiden deutschen
Torpedoboote eröffnen.
Die Funken spielen, indessen die Geschützsalven schon heftiger
krachen.
Am Horizont, oben im Norden, tauchen neue Rauchfahnen auf.
Die Luft ist jetzt klar, die Sicht scharf.
Einhundertzwanzig Kilometer südlich seiner Vorhut dampft Ad-
miral Scheer mit dem Gros der Flotte. Gegen vier Uhr erreichen
ihn die ersten Funkmeldungen der Spitze. Der Admiral setzt die
Stundengeschwindigkeit von vierzehn auf fünfzehn Knoten herauf.
Von hüben und drüben sind die leichten Streitkräfte ins Gefecht
verwickelt. Vier Uhr und achtundvierzig Minuten kracht die erste
deutsche Geschoßsalve aus den Doppelpanzertürmen der Großkampf-
schiffe. Eine halbe Minute später antworten die schweren englischen
Kaliber. Der Kampf der Vorhuten hat begonnen. Das Meer wird
zu senkrechten weißen Fontänen aufgepeitscht.
Kurz nach fünf Uhr nachmittags sinkt der englische Panzerkreuzer
„Indefatigable" im Feuer des deutschen Panzerkreuzers „von der
Tann".
Man befindet sich hundertundfünfzig Kilometer westlich der jüt-
ländischen Küste, gerade vor der Gffnung der Skagerrak-Bucht. Am
Nachmittag des 3). Mai )y)6.
Die deutsche Vorhut führt Vizeadmiral Kipper. Bei ihm sind die
Panzerkreuzer „Lützow", „Derfflinger", „Seydlitz", „Moltke" und
„von der Tann". Es sind die besten und stärksten deutschen Schiffe.
Fünf Kleine Kreuzer und dreißig Torpedoboote bilden die leichten
Kräfte.
103
Gegenüber steht die englische Vorhut unter Admiral Beatty. Er
verfügt über sechs Großkampfschiffe, vier Linienschiffe, zwölf Kleine
Kreuzer und Torpedoboote. Auch die Engländer haben ihre besten
Schiffe nach vorn gestellt.
Kipper ist bemüht, den Gegner an Ort und Stelle festzuhalten,
bis das deutsche Gros heran ist. Beatty will Kipper auf das englische
Gros ziehen, damit er dort von einer gewaltigen Überlegenheit rasch
erledigt werden kann. Das Meer ist angefüllt von dem Getümmel
der Kleinen Kreuzer und Torpedoboote, die miteinander in rasende
Gefechte verstrickt sind.
Auf dreizehn Kilometer Entfernung stehen sich die feuernden
Kolosse gegenüber.
Inmitten des englischen Geschwaders marschiert die „Oueen
Mary", eines der mächtigsten Großkampfschiffe. Das Schiff scheint
sich plötzlich vom Meeresspiegel heben zu wollen. Unter einem fürchter-
lichen Donnerschlag bricht es mitten auseinander und verschwindet.
Beatty hat sein Ziel, die Deutschen auf das englische Gros zu
ziehen, noch nicht erreichen können. Kipper läßt ihn nicht aus den
Zähnen.
Nach dreiviertel Stunden erscheint am südlichen Horizont Admiral
Scheer mit den Hochseegeschwadern.
Die Funken spielen zwischen Beatty und Admiral Jellicoe, der
mit dem englischen Gros von Nordwesten herannaht. Jellicoe macht
seine Rechnung. Nimmt man die Vorhuten hinzu, so werden rr deutsche
Linienschiffe gegen rS englische, 5 deutsche Schlacht- und Panzer-
kreuzer gegen )6 englische, )) deutsche Kleine Kreuzer gegen rz eng-
lische und 62 deutsche Torpedoboote gegen §) englische kämpfen.
Jellieoe entschließt sich, die Schlacht anzunehmen, obwohl die
Dämmerung schon beginnt. Er gibt Beatty Befehl, sofort den Rück-
zug anzutreten und mit nordwestlichem Kurs zurückzudampfen. Ge-
lingt es Beatty, die deutsche Flotte hinter sich herzuziehen, so werden
die Engländer im Augenblick des Zusammentreffens beider Flotten
einen nach Süden weit geöffneten Halbkreis bilden. 3n diesen Halb-
kreis wollen sie die deutsche Flotte hineinziehen, um sie durch kon-
zentrisches Feuer zu vernichten.
Admiral Scheer, dessen Gros seit fünf Uhr mit höchster Kraft
dampft — er hatte hundertzwanzig Kilometer aufzuholen — geht
mit dem Gedanken um, die Schlacht abzubrechen. Soll er sich bei
Nacht und Dunkelheit in eine gefährliche Lage hineinziehen lassen-
Die Tatsache, daß Beatty seinen Kurs nun schon fast nordöstlich bis
östlich abgedreht hat, gibt immer mehr zu denken.
Die Erwägungen über den Abbruch der Verfolgung sind noch nicht
zu einem Ergebnis gelangt, als die an der Spitze der deutschen Vor-
)°4
Hut laufenden Kreuzer und Torpedoboote plötzlich Ln ein neues Gefecht
verwickelt sind, das einen für sie sehr ernsten Charakter annimmt.
Noch ist ungewiß, ob diese Schiffe zu dem Verband des bisherigen
Gegners gehören oder ob es sich um einen neuen Feind handelt.
Admiral Scheer hat das Gros der deutschen Flotte an die Vorhut
herangeführt. Auch jetzt weiß er noch nicht mit Sicherheit, ob er das
ganze englische Gros vor sich hat.
Admiral Kipper sieht sich von Minute zu Minute von neuen Geg-
nern beschossen. Noch ist Scheer nicht ganz heran.
Kipper gibt den Befehl zur Kehrtwendung nach Süden. Er tut
es schweren Herzens, weil er damit die todwunde „Wiesbaden" im
Stich läßt. Aber er muß unter allen Umständen aus dem tödlichen
Halbkreis heraus.
Die Kehrtwendung wird vollzogen. Sie ist kaum ausgeführt, als
endlich, endlich das deutsche Gros heran ist. Admiral Kipper setzt sich
mit seinen Panzerkreuzern an die Spitze.
Scheer befiehlt, entsprechend den Bewegungen des Gegners, Kurs
nach Osten. Beide Flotten laufen einander fast parallel. Die Eng-
länder drehen ihren Kurs immer mehr nach Südosten und Süden.
Jellieoe will den Feind, auf die größere Geschwindigkeit seiner Schiffe
gestützt, überholen und von seiner Küstenbasis abschneiden. Langsam
nimmt so der ungeheure Bogen der britischen Armada, ursprünglich
nach Süden geöffnet, seine Öffnung jetzt gegen Südwesten und Westen.
Die furchtbarste Seekanonade der Weltgeschichte hebt zu brüllen
an. Der verfinsterte Horizont glitzert von den Leuchtpunkten der
Abschüsse.
Auf elftausend Meter sind die schweren Panzerschiffe aneinander.
Scheer erkennt, daß die Fortsetzung dieses mörderischen Parallel-
gefechtes den Engländern die volle Anwendung ihrer großen Über-
legenheit gestattet. Mitten im Brüllen der Schlacht vollzieht die
deutsche Flotte ein erstaunliches Manöver.
Die deutschen Schlachschiffe, jedes an seiner Stelle, wenden gegen
Westen. Die ganze Flotte nimmt größeren Abstand vom Feind, um
aus der Umfassung hinauszugelangen.
Jellicoe folgt den Deutschen nicht nach Westen. Er nimmt an,
daß Scheer versuchen wird, Ln weitem Bogen über West und Südwest
seine Rückzugslinie nach Deutschland zu gewinnen. Das will er unter
allen Umständen verhindern, indem er südlichen Kurs beibehä'lt. Er
legt keinen wert darauf, die Schlacht am Abend noch oder Ln der
Nacht fortzusetzen. Der Vorteil der zahlenmäßigen Überlegenheit
und der größeren Geschwindigkeit würde Ln der Nacht verlorengehen.
Ihn aber braucht er, um über die bessere deutsche Artillerie, die bessere
Panzerung der deutschen Schiffe und die verteufelte Angriffslust der
leichten Kräfte Herr zu werden.
Gcheer denkt nicht daran, sich von Jellicoe den weg nach feiner
Basis verlegen zu lassen. Nachdem er sich über den Zustand feiner
Schiffe vergewissert und eine andere Formation eingenommen hat,
gibt er den Befehl zur zweiten Kehrtwendung, diesmal gegen Osten,
und zum neuen Angriff auf den Feind.
Die vier deutschen Panzerkreuzer der „Lützow"-Klaffe bilden die
Spitze des keilförmigen Angriffs. Ihnen folgt dichtauf das dritte
Geschwader. Seitwärts dampft die Masse der deutschen Torpedoboote.
Sie brechen vor, gedeckt von dem Feuer der Panzerkreuzer und
der herangekommenen Linienschiffe.
Sofort müssen die feindlichen Schlachtschiffe von den deutschen
Panzerkreuzern ablassen. Neue Flottillen dampfen auf den Feind zu.
Nach beendetem Angriff nebeln sie den Raum zwischen den Deutschen
und den Engländern vollkommen ein. Dann kehren sie zu ihrem Gros
zurück.
Die Loslösung vom Feinde ist gelungen. Admiral Scheer weiß,
daß es sich jetzt darum handelt, sich von den Engländern nicht ab-
schneiden zu lassen. Er läßt die ganze deutsche Flotte auf südsüdöst-
lichen, später südöstlichen Kurs gehen, um Horns Riff zu erreichen.
Dabei ist sein Bestreben keineswegs darauf gerichtet, den Engländern
zu entgehen, sondern er will zum dritten Male angreifen und durch-
brechen. Er vermutet das Gros des Gegners immer noch östlich von
sich selbst und erwartet die nächtliche Durchbruchsschlacht.
Kurz nach elf Uhr, bei völliger Dunkelheit, flammt das Geschütz-
feuer wieder auf. Fast drei Stunden lang ziehen die nächtlichen Ge-
fechte sich hin, ohne daß beide Flotten in der Lage sind, sich ein Bild
über die Situation zu machen. Scheer glaubt, daß er sich im Durch-
bruch durch die mit gleichem Kurs östlich von ihm fahrende englische
Flotte befindet. Iellicoe ist der Ansicht, daß er es nur mit unter-
geordneten deutschen Kräften zu tun hat, während er das deutsche
Gros immer noch nördlich mit Kurs nach Süden vermutet.
In Wahrheit ist es so, daß die deutsche Flotte zwischen elf und
zwei Uhr den Kurs der englischen Flotte hinter deren Gros und vor
der Nachhut kreuzt.
Seit vier Uhr morgens steht Scheer mit seinen Schiffen bei
Horns Riff.
Jellicoes Gros wird nicht gesichtet. Später stellt sich heraus, daß
der Admiral nachts um drei Uhr seine ganze Flotte hat kehrtmachen
lassen, um bei Morgengrauen den Deutschen zu begegnen. Immer
noch ist er der Meinung gewesen, das deutsche Gros befinde sich nörd-
lich von ihm selbst. Gegen Mittag des ). Juni stand Jellicoe wieder
hart südlich des Schlachtfeldes vom vergangenen Abend.
Dann ist er westlich abgedampft, ohne den Versuch zu machen,
Scheer noch einmal zu stellen. Er hatte genug.
Um drei Uhr nachmittags läuft die deutsche Flotte, von Ruhm
und Wunden bedeckt, in Wilhelmshaven ein und geht vor Anker.
Ein Schlachtkreuzer, der „Lützow", vier Kleine Kreuzer, „Wies-
baden", „Frauenlob", „Rostock" und „Elbing", ein Linienschiff, die
„Pommern", und fünf Torpedoboote sind nicht mehr dabei. Uber
zweitausendfünfhundert tapfere Seeleute deckt die Tiefe.
Drei Großkampfschiffe, drei Panzerkreuzer und acht Torpedoboote
mit insgesamt sechstausend Mann haben die Engländer eingebüßt.
Die große Probe ist bestanden.
Die große, die einzige, die letzte.
14. Kapitel.
Heer und Heimat
Abermals ein Kriegswinter, der dritte.
Die furchtbare Krise, die im gerbst )0)0 den Verbündeten gedroht
hat, ist überwunden worden. Der rumänische Feldzug hat den Haupt-
anteil daran. Die Voraussetzung zu seiner Durchführung war das
Durchhalten an den anderen Fronten.
was soll nun werden;
Das neue Jahr muß vorbereitet werden. Der Friede ist weiter
entfernt denn je.
Sind die Verluste der Sommeschlacht für Deutschland noch ersetz-
bar; Können darüber hinaus Deutschlands Kräfte, die menschlichen
und die materiellen, noch so gesteigert werden, daß man mit dem
Tempo des feindlichen Kräftezuwachses Schritt halten kann; wird
man die Verbündeten noch kampfkräftig erhalten;
Hindenburg und Ludendorff stehen vom ersten Tage ihrer Amts-
führung an auf dem Standpunkt, daß diese Kräfte da seien und daß
man sie nur mobilisieren müsse. Zwei Tage nach ihrer Ernennung
überreichen sie dem Reichskanzler ein kurzes Schreiben, in dem sie ein
ausführliches Programm ankündigen, das sie als Vorbedingung einer
siegreichen Beendigung des Krieges bezeichnen.
Unterdessen verrichten sie denjenigen Teil der Reorganisation, der
das Heer selbst betrifft, Hier sind vor allen Dingen die Folgerungen
aus den großen Abwehrschlachten zu ziehen.
107
Die Oberste Heeresleitung hat sich nach Abschluß der Kämpfe im
Osten wieder Ln den Westen begeben. Sie richtet sich in Bad Kreuz-
nach ein.
Die Erfahrungen der Besten werden gesichtet, erprobt, zu Regeln
ausgearbeitet und auf die Allgemeinheit übertragen.
Die geforderte Heeresverstärkung konnte nur in einem viel lang-
sameren Tempo verwirklicht werden, als es Ln den Absichten der
Obersten Heeresleitung gelegen hatte, weil es an allen Ecken und
Enden an den Voraussetzungen zu fehlen begann. Der Krieg gegen
den Mangel wurde zu einem Kampf, der nicht weniger erbittert war
als der Kampf an der Front.
Industrie und Wirtschaft vollbrachten beispiellose Leistungen. Sie
reichten dennoch nicht aus, um auch nur die )9j 6 schon bestehende
materielle Unterlegenheit gegenüber dem Feind nicht größer werden
zu lassen. Auf fast jedem Wirtschaftsgebiet waren wir auf die Ein-
fuhr angewiesen. Selbst Kohle und Eisen reichten nicht mehr aus,
die Millionenwerkstätten zu versorgen. Seit langem deckte die
deutsche Landwirtschaft nicht mehr den inneren Bedarf.
Es gab wohl einen militärischen Mobilmachungsplan. Einen
wirtschaftlichen gab es nicht. Als die Katastrophe ausbrach, war weder
der einzelne Betrieb noch die Gesamtheit der Betriebe noch der Staat
als wirtschaftsfaktor genügend vorbereitet.
Mit der Fortdauer des Krieges kam das Problem der Umstellung
der Wirtschaft auf Kriegsproduktion ganz von selbst heran. Es galt
zunächst, sich einen Überblick über die vorhandenen Bestände an Roh-
stoffen zu verschaffen. Das Kriegsministerium gründete eine „Kriegs-
rohstoffabteilung". Schrittweise ging es weiter. Schon nach kurzer
Frist stellte es sich heraus, daß man die vorhandenen Rohstoffe durch
Beschlagnahme sicherstellen müsse.
Je knapper die Bestände wurden, desto höher stiegen die preise.
Auch hier mußte der Staat bald eingreifen, indem er Höchstpreise be-
stimmte. Die Regierung ging dann weiter zu dem System der Zwangs-
wirtschaft über, das den privaten Verkäufern die Verfügung über
die Ware entzog und sie dem Staat übertrug.
weiter: wer sollte Kriegsmaterial produzierend Die Privat-
wirtschaft mußte mit heran. Damit begann die Umstellung. Sie nahm
zu, je länger der Krieg dauerte. Schließlich gab es kaum noch einen
industriellen Betrieb, der nicht unmittelbar oder mittelbar für den
Kriegsbedarf arbeitete und staatliche Aufträge ausführte.
wollte man die wachsenden Bedürfnisse der Armee für längere
Zeit sicherstellen, so mußte der Bedarf der Heimat erheblich gedrosselt
werden. Die große Leidenszeit hob an. Später wuchs sie zu einer
)o$
sittlichen und materiellen Forderung von weltgeschichtlicher Größe.
Schlimmeres hat kein Volk in einem Kriege ertragen müssen.
Es begann scheinbar harmlos mit dem Einsammeln alter entbehr-
licher Gegenstände des Gebrauchs. Bald kamen die kupfernen Kessel
an die Reihe, die Türklinken, die Beschläge der Eisenbahnwagen.
Dann nahm man die Kirchenglocken, um Granaten daraus zu gießen.
Dann kam die Jagd auf Gummi. Und so ging es fort.
Dann kam die Ersatzfabrikation für unentbehrliche Gebrauchs-
gegenstände. Es gab keine Schuhsohlen mehr aus Leder. Sie wur-
den aus Pappdeckeln gemacht. Die Kleidung machte eine sonderbare
Wandlung durch. Baumwolle und wolle verschwanden aus dem
Zivilbestand. Brennessel, Bast, Hopfen und Ginster traten für sie ein.
Das Papier wurde zum Hauptrohstoff. Das Bezugsscheinwesen
trug ebenso zum Durchhalten bei wie die Granatenfabrikation.
wir hätten schon im Jahre 1915 kein Pulver mehr gehabt, wenn
es nicht gelungen wäre, Stickstoff aus der Luft zu gewinnen, wie
moderne Alchimisten arbeiteten die Chemiker in ihren Laboratorien
und entdeckten die ersehnten Wunder!
Und dann verlangten Hindenburg und Ludendorff nach und nach
die Verdoppelung und Verdreifachung alles Bisherigen. Doppelt so-
viel Granaten, doppelt soviel Patronen, dreimal soviel Maschinen-
gewehre und Geschütze und tausend Flieger im Monat. Das alles bis
zum Sommer 1917.
Man versuchte alles. Gleichwohl sanken die Produktionsziffern
mit unheimlicher Regelmäßigkeit. Arbeiterknappheit und Transport-
not wuchsen mit jedem Monat.
Dennoch erfuhr die Herstellung von Kriegsmaterial jeder Art
durch das Hindenburg-Programm eine ungeheure und beinahe phan-
tastische Steigerung.
würde man alle Munitionszüge, die im Jahre 1917 aus der Hei-
mat an die Front gingen, Hintereinanderstellen, so ergäbe das eine
Strecke von Hamburg über Berlin, Wien, Sofia bis nach Konstan-
tinopel.
Die allgemeine Wehrpflicht reichte vom neunzehnten bis zum fünf-
undvierzigsten Lebensjahre, Hindenburg forderte die Ausdehnung
der Wehrpflicht auf die Zeit vom sechzehnten bis zum sechzigsten Le-
bensjahre. Aus den drei Jahrgängen nach unten und den fünfzehn
Jahrgängen nach oben sollten die Arbeitskräfte für das Rüstungs-
programm gewonnen werden.
Die geplante Militarisierung der Kriegsproduktion wurde nicht
zu dem Versuch erweitert, einen der schwersten Übelstände zu besei-
tigen, der die vaterländische Moral in beängstigender weise unter-
grub. Der Rüstungsarbeiter saß bisher daheim in Sicherheit bei
109
Frau und Kind und empfing einen relativ sehr hohen Lohn. Kam
dann der Tag, an dem er die feldgraue Uniform anziehen, der mili-
tärischen Zucht sich unterwerfen und sein Vaterland für ein lächerlich
geringes Geld mit dem Leben verteidigen sollte, erschien ihm dieser
kraffe Wechsel als ein Unglück, als ein Herabsinken zu der Masse der
draußen Verdammten.
Um wenigstens die Durchführung eines Teiles des Hindenburg-
programms zu erreichen, mußte die Oberste Heeresleitung zu einem
verhängnisvollen System übergehen. Das Reklamationswesen wuchs
zu schlimmer Bedeutung an. Der Reklamierte war der beneidete
Glückliche. Jene traurige Epoche begann schon, die im Empfinden
naiver und verhetzter Gemüter den Soldatendienst als eine Deklassie-
rung und als eine Abstempelung der Dummheit zu bewerten anhob.
Hier starb die Vaterlandsliebe zuerst.
waren die 2trbeiter nur Menschen, so waren auch die Unternehmer
keine Engel. Daß der verächtliche Typ des Kriegsgewinnlers ent-
stehen konnte, war eine schwere Versündigung an der vaterländischen
Moral, Hier starb die Vaterlandsliebe zum zweitenmal. Selbstsüch-
tiger Materialismus begann sich an die Stelle nationaler Ideale zu
drängen.
Das Volk begann zu hungern. Und dieser furchtbarste Angriff
auf die Vaterlandsliebe kam von außen.
Nach Berechnungen des Reichsgesundheitsamtes starben an den
Folgen der Hungerblockade im ganzen Kriege mehr als dreiviertel
Millionen, wer zählt die Hunderttausende, die nach dem Kriege
noch am Kriege starben-
Die Zahl der Pferdeschlachtungen verdreifachte sich und die — der
Hunde. Die Menschen tranken Tee aus Brombeerblättern, trugen
Kleider aus Papier und aßen getrocknete Kohlrüben. Die Pferde
und Rinder fraßen das Laub der Bäume statt Heu.
Die hermetische Abschließung nach außen erlaubte dem einen
nur, seine Lage auf Kosten des anderen zu verbessern. Schleichhandel,
Betrug, Hintergehung der Bestimmungen waren an der Tagesord-
nung. Hier starb die Vaterlandsliebe zum drittenmal.
Befriedigung der menschlichen und materiellen Ansprüche des
Heeres, Beschaffung der Arbeitskräfte für die Kriegsproduktion und
Ernährung der Bevölkerung sind die drei großen Probleme der hei-
matlichen Kriegführung gewesen. Ein Viertes kam hinzu, entschei-
dend wie die anderen.
Der Krieg kostet Geld. Mit dem Ausbruch des Krieges erhielt
die deutsche Reichsbank als Geldinstitut des Staates die größte Be-
deutung.
Iio
Es gab nacheinander neun Kriegsanleihen. Sie brachten insgesamt
achtundneunzig Milliarden Mark ein. Die Ergebnisse der ersten An-
leihen waren über Erwarten groß. Im gerbst des Iahres )9)0 trat
der Umschwung ein. Der Betrag laufender Schatzanweisungen, der
nicht in feste Anleihen umgewandelt werden konnte, nahm verhäng-
nisvoll zu. Voraussetzung der ungeheuren Vermehrung der umlau-
fenden Zahlungsmittel war ein Gesetz, das die Reichsbank von der
Pflicht zur Einlösung ihrer Noten in Gold befreite. Mit ihm war
die Goldwährung praktisch beseitigt, Hier liegen die Anfänge zur
späteren Vernichtung der Währung, die in der Inflation von 1023
ihren schrecklichen Gipfel fand.
Die Gesamtsumme der Zahlungsmittel, die das Reich während des
Krieges für Zwecke der Kriegführung ausgegeben, beträgt 147 Mil-
liarden Mark. Die wirklichen Kosten des Krieges sind nicht an-
nähernd genau zu bestimmen. Sie betragen Hunderte von Milliarden.
15. Kapitel
Der Rreuzzug der Amerikaner
Die beiden Behörden, Ln deren Hand die moralische, die militärische
und die politische Kriegführung lag, die Reichsregierung und die
Oberste Heeresleitung, waren unter dem Einfluß zweier ganz wesens-
fremder Männer, Hie Ludendorff, hie Bethmann. über kaum eine
einzige Grundfrage des Krieges bestand zwischen ihnen Übereinstim-
mung. weder Rüstungsprogramm noch soziale Frage noch die Frage
des Unterseebootkrieges fanden die politische und die militärische
Leitung einig.
Das Volk begann sich in zwei Lager zu spalten. Den einen ist die
Oberste Heeresleitung Symbol, den anderen die Reichsregierung. Die
Wunden, die der Kriegswille der Nation aus diesem Streit der
Meinungen davongetragen, sind unheilbar.
In dem trüben Gewässer politischer Zwietracht machten sich Fischer
an die Arbeit, deren Ziele mit Vaterlandsliebe nichts mehr gemein
hatten. Systematisch begann die politische Verhetzung durch solche
Personen, die der Meinung waren, durch Schwächung und Unter-
grabung der Staatsgewalt ihre eigenen Pläne am besten fördern zu
können. Schon keimte unter der Oberfläche der marxistische Hochver-
rat, bildete geheime Zirkel, schlich durch die Fabriken und die Be-
triebe, gelangte an die Ersatztruppenteile, auf die Schiffe der Flotte,
die seit jenem Ehrentag von Skagerrak wieder untätig in den Häfen
lagen.
Alle Maßnahmen dagegen richteten sich nur gegen die Erschei-
nungen des Übels, nicht gegen das Übel selbst. Sie waren zur Un-
fruchtbarkeit verurteilt, weil ihnen das moralische Fundament fehlte,
das nur Ln der Heimat hätte geschaffen werden können.
während der Vernichtungswille der Gegner eine Mauer von
Eisen, junger und Tod rings um Deutschlands Grenzen errichtete,
lobte im Innern der Bruderkampf. Deutschland zum Gram, den
Feinden zur Befriedigung, hob die Zwietracht immer gefährlicher ihr
Haupt. Immer schwächer und matter wurde der Kampf gegen sie.
Die vollendete Niederwerfung Rumäniens und die Wiederher-
stellung des Gleichgewichts auf den anderen Fronten schien dem Reichs-
kanzler der richtige Augenblick, einen Friedensschritt zu tun. Am
ir. Dezember )0)6 übergab er allen Ln Berlin beglaubigten Vertre-
tern neutraler Staaten eine Erklärung der deutschen Regierung, in
der Deutschland vorschlug, alsbald in Friedensverhandlungen ein-
zutreten.
Die Entente antwortete mit einem Hohn- und Triumphgeschrei.
Sie benutzte die deutsche Erklärung nur, um nach gemeinsamer Ver-
abredung den Kampfgeist ihrer Nationen anzufachen.
Inzwischen war Wilson, der Präsident der Vereinigten Staaten,
wiedergewählt worden. Er richtete, da er mit dem Versprechen eines
energischen Eintretens für den Frieden seine Wahlpropaganda be-
trieben, am )§. Dezember eine Note an alle kriegführenden Mächte
und die bedeutendsten Neutralen und schlug vor, „daß man sondiere,
um Ln Erfahrung zu bringen, wie nahe wohl die Zeit des Friedens sei,
nach welchem die ganze Menschheit mit heißem und immer wachsen-
dem Begehren sich sehne".
Die Mittelmächte antworteten schon am r6. Dezember. Die
Ententemächte nahmen sich Zeit. Am jo. Januar J9J7 übergaben sie
dem amerikanischen Botschafter in Paris eine gemeinsame Note an
Wilson. Es war nur eine Umschreibung für die Auslieferung Elsaß-
Lothringens und die Zerstückelung der Donaumonarchie. Sie forder-
ten, daß man Deutschland nicht als gleichberechtigt zu den Verhand-
lungen zulassen dürfe, und reservierten sich damals schon das Recht
des Friedensdiktates.
Jetzt endlich entschloß sich Deutschland, das letzte Mittel seiner
Kriegführung in die Waagschale zu werfen. Es blieb nichts anderes
mehr übrig.
Mit halbem Kerzen, den nagenden Zweifel schon in der Brust,
griff Deutschland zu seiner letzten Waffe, die es jahrelang hatte
ruhen lassen. Der Feind hatte Zeit gefunden, die Abwehr vorzuberei-
ten und eine Atmosphäre des Hasses und der Verleumdung zu schaffen.
Aus militärischen Gründen erfolgte die Ankündigung des unein-
geschränkten Unterseebootkrieges erst am 3). Januar 10)7. Am
). Februar setzte er ein.
Am 4. Februar brach die Regierung der Vereinigten Staaten die
diplomatischen Beziehungen mit Deutschland ab.
Am 6. April erklärte Wilson Deutschland den Krieg.
Unter englisch-amerikanischem Druck folgten fast alle Staaten
Vlord- und Südamerikas dem Beispiel der Vereinigten Staaten.
Neutral blieben lediglich Mexiko, Columbia, Venezuela, Argentinien,
Chile und Paraguay. Portugal war schon vorausgegangen. China
folgte später. Griechenland erlag eben den zahlreichen militärischen
Ultimatums der Entente, die es in den Krieg gegen die Mittelmächte
zwangen. Sie alle vergriffen sich, dem Beispiel der Großen folgend,
ohne Umstände am deutschen Privateigentum.
Präsident Wilson erlag dem ehrgeizigen Traum, Schiedsrichter
der Welt zu sein. Das amerikanische Volk erlag dem raffiniertesten
Propagandafeldzug, den je die Welt gesehen.
Deutschland von seinen eigenen Bedrückern zu befreien, den Mili-
tarismus zu erwürgen, war das Kriegsziel des amerikanischen Bür-
gers. Unter diesem Banner stieg er in die Schützengräben und unter-
warf sich den härtesten Forderungen des von ihm so eifrig bekämpften
Militarismus.
Zwischen dem 2lbbruch der Beziehungen mit den Vereinigten
Staaten und der Kriegserklärung Wilsons wechselte der Schwerpunkt
der politischen Ereignisse jäh seinen Schauplatz. Der Zusammenbruch
des russischen Kolosses schien endlich Tatsache zu werden.
Zu Beginn des Jahres 10)7 nahmen die Teuerungsunruhen in
den russischen Großstädten überhand. Der politische Einschlag und
die einheitliche Organisation waren unverkennbar. Die Redner, die
wie Pilze aus der Erde wuchsen, übten schärfste Kritik an den Maß-
nahmen der Regierung, wandten sich gegen die aussichtslose Fort-
setzung des Krieges und verlangten die Beseitigung der reaktionären
Herrschaft des Zaren und seiner Generale. Vereinzelt erklangen zwi-
schen diesen Forderungen schon die Fanfaren des Bolschewismus.
Die Abdankung des Zaren wurde in der Duma, dem russischen
Reichstag, öffentlich erörtert, ohne daß sich Widerspruch erhob. Die
Zeit war reif.
Schon war der Kampf um die Macht auf die Straße getragen.
Es offenbarte sich mit erschreckender Deutlichkeit, daß der radikale
Bolschewismus über eine gut und straff organisierte Macht verfügte.
Die rote Fahne stieg auf.
1)3
3 Sperrfeuer, Jugendausgabe
Die am j 5. März erzwungene Abdankung des Zaren war nur noch
eine Nebenhandlung in dem erbitterten Kampf der beiden revolu-
tionären Richtungen untereinander, der Menschewiki im Bunde mit
den Kadetten gegen die Bolschewiki.
In diesem Zeitpunkt stellte sich zur allgemeinen Überraschung auch
der Bolschewiki heraus, daß Rußland sich Ln eine demokratische Re-
publik von sehr gemäßigter Färbung verwandelt hatte, deren Führer
Arm in Arm mit den Gesandten Englands und Frankreichs auftraten.
Das radikalste Mitglied dieser Revolutionsregierung, Herr Kerenski,
schlüpfte schleunigst in eine Militäruniform und begann mit unge-
heurem Phrasenschwall den Kampfgeist des russischen Soldaten wieder
zu wecken.
Das Unmögliche geschah. Der russische Soldat, dies gutmütige
und geduldige Tier, vergaß noch einmal seine bolschewistischen Ideen
und vertraute den neuen Predigern, die ihm seine Mission als Vor-
kämpfer der Zivilisation und der Menschheit begreiflich machten.
Eine groteske Verkehrung aller Begriffe wurde versucht und gelang»
Auf der ganzen Front von Riga bis zur Donaumündung erklang
bald wieder das Tacken der Maschinengewehre und das Rollen der
Batterien.
Es war aber nur ein letztes Dehnen vor dem Zusammenbruch.
England und Frankreich brauchten Rußland noch, bis die militärische
Hilfe Amerikas in vollem Umfange einsetzen konnte. Mochte es nach-
her den Schakalen anheimfallen.
Deutschland, von seinen Gegnern mit Absicht Ln diesem Zeitraum
auf dem westlichen Kriegsschauplatz angegriffen und beschäftigt, hatte
die Hände noch nicht — und nicht mehr! — frei, um in Rußland ein
entscheidendes Wort zu sprechen.
Es mußte alles auf der Wirkung des Unterseebootkrieges beruhen
lassen. Der Krieg wurde zu einem Wettrennen zwischen der Arbeit
der Unterseeboote und der militärischen Rüstung Amerikas.
Am gleichen Tage, an dem die Zeitungen Deutschlands und ganz
Europas sich mit den sensationellen Nachrichten aus Petersburg füllen
und alle Welt Ln Aufregung versetzen, am )6. März 1017, liest man,
daß die deutschen Truppen im Westen sonderbarerweise einige Ge-
ländestücke aufgegeben haben.
Die französischen und englischen Heeresberichte melden einen Sieg
von gewaltigem Umfange. Niemand fällt es auf, daß man von keiner
vorausgegangenen Schlacht vernommen hat. Es ist nicht mehr zu
bezweifeln, daß die deutschen Westtruppen sich auf einer Front von
mehr als hundertundfünfzig Kilometer Breite im Weichen befinden.
Zwischen Arras und Soiffons, das ganze Schlachtfeld der Somme und
Oise und der ALlette umfassend, vollzieht sich diese Bewegung.
m
Der deutsche Heeresbericht beschränkt sich auf die trockene Fest-
stellung der Tatsache eines geordneten, planmäßigen und von langer
Hand vorbereiteten Rückzuges Ln eine bessere Stellung. An seiner
weitesten Stelle, bei St. Quentin, erreicht dieser Rückmarsch die
Tiefe von vierzig Kilometern.
was ist geschehene
Hindenburg und Ludendorff bedienen sich eines ganz neuen Defen-
sivmittels. Sie machen von dem großen Vorteil einen weiten Ge-
brauch, den ihnen der Aufenthalt auf feindlichem Boden gewährt.
Sofort nach Beendigung der Sommeschlacht ging die Oberste
Heeresleitung an eine gründliche Prüfung der neuen Lage. Damals
wußte sie schon, daß man im Jahre )0)7 im Westen auf rein defen-
siver Grundlage werde kämpfen müssen. Es galt möglichst günstige
Voraussetzungen zu schaffen.
Die Front wurde um etwa fünfzig Kilometer verkürzt. Der mo-
ralische Druck des Sommeschlachtfeldes wurde von den Divisionen
genommen. Er mußte in Zukunft ausschließlich dem Feinde zur Last
fallen. Vor allem aber entzog man dem Feinde im ganzen Umfange
die taktischen Grundlagen seiner erwarteten Angriffsoperation.
Vom 4. Februar 1017 an rollt der erste Akt dieser gewaltigen
Bewegung ab. Ein ganzer Landstrich setzt sich nach einem bis ins
einzelne vorbereiteten Plan Ln Bewegung, was zurückbleibt, ist
wüste, tote Mondlandschaft. Die Unerbittlichkeit des Krieges kennt
kein Erbarmen. Dann folgen die Truppen. In sechs Tagen, vom
16. bis r). März 1017, führen sie die Bewegungen aus. Eine einzige
glänzende Leistung.
Eine Woche lang triumphierte die Entente über ihren angeblichen
Sieg. Aber ihre Generalstäbe knirschten schon mit den Zähnen. Die
Deutschen hatten ihnen einen bösen Streich gespielt.
Sofort setzte die Entente-Propaganda ein und fälschte die Zer-
störungen im Räumungsgebiet, die bittere Kriegsnotwendigkeit waren,
in rohen Vandalismus um. Eine Welle von Haß, Verleumdung, Kri-
tiklosigkeit und Gift wurde über die ganze Welt ausgegossen. Es galt,
durch Betäubung und Ablenkung der Öffentlichkeit über die fatale
Lage hinwegzukommen, Ln die man zu allem übrigen durch den Rück-
zug geraten war. Die Revolution in Rußland, die über alles Er-
warten schlimmen Wirkungen des unbeschränkten Unterseebootkrieges
in den ersten beiden Monaten und die immer noch nicht einsetzende
aktive Hilfe Amerikas machten diese Lage schon peinlich genug.
Beim Abschluß der Sommeschlacht hatten Engländer und Fran-
zosen noch gehofft, sie würden nach kurzer Zeit, vielleicht schon nach
zwei Monaten, im gleichen Abschnitt zur Fortsetzung der Schlacht
antreten können. Diese Hoffnung half ihnen zunächst, sich über die
115
8»
Ergebnislosigkeit ihrer Entscheidung^chlacht hinwegzutäuschen. Die
Erfolge vor Verdun bestärkten sie Ln ihrer zuversichtlichen Auffassung.
Aber dann vollzog sich schlagartig, unaufhaltsam der Zusammen-
bruch Rumäniens. Alle Hoffnungen, die man auf den Balkan gesetzt,
brachen zusammen. Auch Sarrail mußte seine mazedonische Offen-
sive beenden.
Als man sich unter solchen Veränderungen an die Bilanz des
Jahres J9)6 machte, zeigte es sich:
Die Franzosen hatten furchtbar geblutet. Die Blüte ihrer Armee
war vor Verdun, auf den Ufern der Somme geblieben. Das Land
war von einer tiefgehenden Kriegsmüdigkeit ergriffen. Joffres Ruhm
starb an der Somme, wie Falkenhayns Strategie vor Verdun zu-
grunde ging.
wandte Deutschland in höchster Not sein Vertrauen dem Sieger
von Tannenberg zu, so Frankreich jetzt seines dem General Nivelle,
der als Nachfolger petains den wütenden Angriff der Deutschen vor
Verdun in sein Gegenteil verwandelt hatte. Ein strahlender Nimbus
umgab General Nivelles Haupt. In ihm sah man die Jugend, die
Energie, den Elan und die göttliche Inspiration.
Als Nivelle im Dezember J9)6 sein Amt übernahm, hatte die
pessimistische Stimmung innerhalb der Regierung und auch bei einem
großen Teil der Armee festen Fuß gefaßt. Seine Forderung nach
einer neuen Offensive traf alle Instanzen wie ein peitschenschlag.
„weder die, denen ich zu gehorchen habe, noch diejenigen, die mir
gehorchen sollen, unterstützen mich!", rief er.
Die Regierung fand nicht den Mut, ihn fallenzulassen. —
Mit Beendigung des Rückzuges in die Siegfried-Stellung wurde
die Westfront in drei Heeresgruppen aufgeteilt.
Es war schwer zu sagen, an welchem Punkte der Front zwischen
Lille und den Argonnen der Hauptstoß des Gegners einsetzen würde.
Die Oberste Heeresleitung rechnete folgerichtig, daß der Angriff nach
Fortfall der Mitte auf beiden Flanken geführt werden würde. Das
heißt, durch die Engländer vor Arras, durch die Franzosen zwischen
Soissons und den Argonnen.
Jetzt mußte sich zeigen, ob die Umschulung des deutschen Heeres
auf das neue Kampfverfahren gelungen, ob dies Verfahren selbst
brauchbar war und ob die ungeheuren industriellen Anstrengungen,
die man der Heimat auferlegt, für den Ernstfall ausreichten.
Die erheblich verstärkten Luftstreitkräfte sicherten zum erstenmal,
wenigstens an den Hauptkampfstellen, die deutsche Überlegenheit in
der Luft und gaben dem Soldaten im Graben ein Gefühl der Beruhi-
gung und der Zuversicht. Besonders vorzüglich waren die Jagd-
staffeln geschult. Der zu früh gefallene Hauptmann Boelcke hatte
1)6
ihnen seinen Geist und seine Technik als Vermächtnis hinterlassen.
Unter seinen Schülern glänzte schon Manfred von Richthofen als
erster.
Der Soldat von 1917, auf den alles ankam, ist ein ganz anderer
als der Soldat von 1914.
Drei Jahre Krieg haben ihn äußerlich und innerlich vollständig
umgeformt. Verdun und die Somme haben ihm ihren Stempel in
die Seele gebrannt.
Er ist ein sonderbares Wesen, schweigsam, tagelang mit den
äußeren Symptomen der Gleichgültigkeit. Seine Uniform unter-
scheidet sich kaum noch von der Erde, in der er sich aufhält. Auf dem
Kopfe hat er den Stahlhelm, unter dessen grauer Glocke das bleiche,
mit Bartstoppeln besetzte Gesicht wie unter einem düsteren Schatten
untergetaucht ist. Sein Uniformkragen steht offen. Das Gewehr,
dessen blanke Teile mit einem Stück Segeltuch eingewickelt sind, liegt
am Riemen um die Schulter wie bei einem Jäger. Und dann eines
Tages geht es los.
Das kribbelt und krabbelt, das gruppiert sich. Das mehrt sich aus
unsichtbaren (Quellen von hüben und drüben. Das flankiert sich. Das
treibt sich einander zu. Das schreit heiser und feuert stehend frei-
händig in der Überspannung des Jagdfiebers. Das lacht einander
grimmig zu, bevor es die Händgranate abzieht.
Und niemand beachtet ihn, der da im Durcheinander der Schlacht
hastig und aufgeregt einherläuft. Keine Kugel trifft ihn, den Knochen-
mann. Zwischen Freund und Feind läuft er wahllos hin und her,
seine Beweglichkeit ist märchenhaft, stumm und unheimlich.
Niemand sieht ihn, niemand denkt an ihn im Kampfgewirr —
und doch ist er die Hauptperson, der schwarze, lautlose Gebieter des
Schlachtfeldes.
Der Soldat von 1917 ist eine Summe aus Erfahrung und
Instinkt.
Es gibt keine Überraschungen mehr für ihn. Nicht einmal der
Tod bringt ihn aus der Fassung. Er ist ihm allzu nah und er steht
mit ihm genau so auf Du und Du wie mit jedem seiner Kameraden
und wie sie alle untereinander.
Dieser Soldat des dritten Kriegsjahres, dieser stille, verschmutzte,
jeder Freude entwöhnte und hin und wieder einmal halb kindlich,
halb verlegen lächelnde Mensch — er, der auf Heimaturlaub sich
kaum zurechtzufinden vermag und beinahe erleichtert aufatmet, wenn
er erst wieder draußen bei den anderen ist — auf ihm ruht alles,
alles, alles.
Die große probe stand bevor.
Wenige Tage vor dem Tanz fanden deutsche Stoßtruppen bei
einem Patrouillenunternehmen an der Aisne einen französischen
Armeebefehl, der den ganzen Angriff nach Zeit, Art, Umfang und
Ziel enthüllte.
Unterdessen war es im englischen Abschnitt bei Arras schon los-
gebrochen.
Am 9. April, am Ostermontag, bei lachendem Sonnenschein.
16. Kapitel
Die dreifache Frühjahrsschlacht
Eine Woche lang verdichtet sich das englische Artilleriefeuer zwi-
schen Lens im Norden und Bullecourt im Süden, beiderseits Arras,
auf einer Frontbreite von insgesamt dreißig Kilometern.
Am Ostermontag )9)7, zu frühester Morgenstunde, entfesselt sich
der Feuerorkan aus viertausend Geschützrohren zur Raserei. In der
Nacht hat schwerer Gasbeschuß auf den rückwärtigen deutschen Stel-
lungen und den Batterien gelegen. Die feindliche Feuerwalze ist über
die Infanterie hinweggegangen und hat alles zerschlagen.
Ein schwarzer Tag, dieser erste Tag eines neuen Abwehrver-
fahrens.
Mit einem einzigen Anlauf sind die Engländer über das deutsche
Vorfeld hinaus, über die Hauptwiderstandslinie hinweg tief in die
Batteriestellungen eingedrungen. Auf zwanzig Kilometer Breite bei-
derseits Arras ist ein Gelände von etwa sechs Kilometer Tiefe ver-
loren worden. Leider mit fast allem, was darinnen war. Die Ver-
luste der Angreifer sind gewiß schwer. Die der Verteidiger sind be-
ängstigend groß.
Man muß mit dem Verlust von ) o ooo Gefangenen und an roo Ge-
schützen rechnen. Das ist erschreckend viel.
Woran lag das) War das neue Abwehrverfahren falsch) War
es falsch angewendet) Soll die Oberste Heeresleitung in einem allge-
meinen Befehl die alte Taktik der starren Verteidigung ohne Rück-
sicht auf die Verluste wiederherstellen) Das hieße, im letzten Augen-
blick eine unabsehbare Unsicherheit in die Truppe bringen und ihr
das Vertrauen zur Führung und zur eigenen Waffe nehmen.
Bald stellte es sich heraus, woran es wahrscheinlich lag.
Die eingesetzten Divisionen hatten die Grundsätze des neuen Ver-
fahrens nicht weitgehend genug angewendet.
IIS
Schon am folgenden Tage kann man sagen, daß die Krise über-
wunden ist. Die Divisionen haben sich eingelebt.
Die deutsche Führung hat den Abwehrapparat schon wieder so
fest in der ^and, daß man daran gehen kann, den Engländer aus
einigen besonders unangenehmen ELnbruchsstellen zu vertreiben.
Mit überhöhendem Maschinengewehrfeuer, mit Minenwerfern
und vorgeschobenen Feldgeschützen wird dem Feind der Rückweg ver-
legt. Unterdessen brechen die Stoßtrupps der Infanterie vor, dringen
ein, arbeiten nach rechts und nach links, treiben sich die Engländer
wechselseitig zu und machen viele Beute an Gefangenen und Ma-
schinengewehren.
2tm dritten Tage, am )). April, beginnen die Engländer mit neuen
Massenangriffen. Sie schrecken nicht mehr. Zum erstenmal setzt sich
auch die systematische Abwehr der Tanks durch. Bis auf hundert
Meter lassen kaltblütige Scharfschützen die Ungeheuer herankriechen
und überschütten sie dann mit dem Geprassel ihrer Stahlkernmunition.
Noch näher an Arras heran artet der englische Angriff zu einem
wilden Rückwärtsfluten im deutschen Maschinengewehrfeuer aus. Die
Verluste sind furchtbar.
Auf der Straße Arras—Lambrai taucht mittags zum grenzen-
losen Erstaunen der deutschen Infanterie englische Kavallerie auf.
Sie haben also drüben — zwei Tage zu spät — geglaubt, der Durch-
bruch sei vollendet. Nach einer Viertelstunde ist alles erledigt. Men-
schen und Tiere wälzen sich durcheinander.
weniger glücklich sind die Waffen der Verteidiger im Norden
von Arras. Es ist den Engländern gelungen, die deutsche Front um
etwa zehn Kilometer von Arras abzudrängen und ihr dabei schwere
Verluste beizubringen. Einen strategischen Gewinn haben sie nicht er-
langen können.
Sir Douglas Haig, der Oberkommandierende, glaubt, daß er jetzt
seine Pflicht getan hat. Mehr denn je schaut er nach Flandern, wo
er seine Schlacht zu schlagen gedenkt. Die englische Admiralität
und das Londoner Kabinett jammern über die verheerenden Folgen
des Unterseebootkrieges.
während Marschall Haig schon langsam mit der Verschiebung
seiner Angriffsmittel nach Norden beginnt, schickt sich Nivelle an,
die große Ernte einzubringen, die er sich zwischen Soissons und den
Argonnen ausgedacht hat. Nivelle, der seiner eigenen Regierung un-
heimlich ist, Nivelle, über den seine Unterfeldherrn mitleidig lächelnd
die Achseln zucken, Nivelle, den seine Soldaten zwei Wochen später
den „Blutsäufer" nennen.
Der neue französische Generalissimus, General Nivelle, will mit
seiner dreifachen Schlacht aufs Ganze gehen. Als Marschall Haig
1)9
Schluß machen will, belehrt Nivelle ihn eines anderen. Der Brite
muß sich fügen, um die Einheitlichkeit der alliierten Operationen
nicht zu gefährden.
Die Franzosen werden ihren Angriff doppelt führen. Einmal vom
Aisne-Abfchnitt aus in nördlicher Richtung auf Laon, zum zweiten
im Zentrum der Champagne mit Richtung auf Rethel.
Es ist am frühen Morgen des )0. April 19)7.
Die 6. und die 5. französische Armee rennen mit den Masten ihrer
dichtgegliederten Infanterie gegen die deutsche 7. Armee an.
Gegen Mittag sind die Franzosen bei Vailly bis auf den Lhemin
des Dames hinaufgelangt, der sich als schmaler Höhenrücken von
Laffaux bis Lraonne genau west-östlich hinzieht.
Als man Nivelle das gemeldet, glaubt er die Schlacht schon ent-
scheidungsreif. Die Theorie seines „großen Schlages" beherrscht ihn
vollständig. Indem er sich instinktiv dagegen sträubt, den Grundsatz
der langandauernden Materialschlacht anzuerkennen, verfällt er in
das Gegenteil. Er sieht schon eine Entscheidung, wo noch gar keine ist.
Um Mittag herum läßt er die hinter der 6. und 5. Armee stehende
io. Armee mit der ganzen Maste ihrer Infanterie antreten, um über
den Lhemin des Dames hinweg, mitten durch die beiden vorn kämp-
senden Armeen hindurch, auf Laon zu stoßen. Am Abend will er in
Laon sein.
Dieser Befehl entscheidet die Schlacht.
Die Infanterie der neuen Armee vermischt sich mit derjenigen
der alten Armee mitten im deutschen Feuer zu dichten Klumpen. Die
Augen auf den Sieg gerichtet, werfen die Stäbe immer neue Masten
vor. Ströme von Blut fließen auf dem Südhang des Lhemin des
Dames.
Es ist furchtbar, schlimmer noch als bei den russischen Massen-
angriffen.
Mvelles drei stolze Angriffsarmeen sind an einem einzigen Tage
zerschlagen worden. Er hat alles auf eine Karte gesetzt und alles
verloren. Er will es noch nicht einsehen, noch hofft der General. Es
war ja erst die eine Hälfte seines großen Schlages.
Am nächsten frühen Morgen bricht es, ebenso sicher erwartet, zwi-
schen prosnes und Auberive auf fünfzehn Kilometer Breite los. Es
gelingt den Franzosen, im ersten Ansturm bis auf die Höhen südlich
Nauroy und Moronvillers zu stoßen. Oben auf dem schmalen
Plateau des Lornillet-Berges beißt die Schlacht sich fest. Auch hier
haben die Franzosen ähnliche Verluste wie am Lhemin des Dames.
Am Abend des )7. April weiß Nivelle, daß er nichts mehr zu
hoffen hat. Zähneknirschend fügt er sich in den Zwang der Material-
schlacht.
120
Am rz. April muß auch Marschall Haig wieder heran. Der
zweite Teil der Arrasschlacht beginnt. Sie bringt den Engländern
nichts mehr ein. Vlivelle opfert unterdessen immer weiter dem Mo-
loch der Materialschlacht. Der Blutstrom gewinnt an Breite.
Es geht in den Mai.
Frankreich hat eine furchtbare Niederlage erlitten. Sie ist nur
zu vergleichen mit der Niederlage der ersten Kriegswochen, als das
Schicksal des Landes an der Marne an einem seidenen Faden hing.
Die Arrasschlacht hat Sir Douglas Haig ) 60000 Mann gekostet.
Die Doppelschlacht an der Aisne und in der Champagne muß Nivelle
mit etwa ) 30 000 Franzosen bezahlen. Alle Schuld wird auf ihn ge-
schoben. Er geht ohne ein Wort. Sein Nachfolger wird General
petain.
Schon vor Nivelles Abgang beginnt das Unheil weitere Kreise
zu ziehen. Zahlreiche französische Divisionen meutern. Sie bilden
Soldatenräte, zeigen rote Fahnen und erklären, daß sie nach Paris
marschieren wollen, um die Regierung abzusetzen und um den Frie-
den herbeizuführen. Das „traurige Jahr" ist über Frankreich her-
eingebrochen. Unter der furchtbaren Anspannung der letzten Offen-
sive verborgen, bricht sich eine Anwandlung der Schwäche jetzt elemen-
tar Bahn.
Unversehens steht die Entente in einer Krise, die schlimmer und
furchtbarer ist als die, unter der die Mittelmächte dreiviertel Jahr
zuvor fast zusammenbrachen.
Der Punkt ist erreicht, an dem die Kraft Deutschlands nahe daran
ist, nach dreijähriger unerhörter Anspannung einer Welt von Fein-
den gegenüber siegreich zu bestehen. Rußland liegt am Boden, Ser-
bien und Rumänien sind von der Landkarte verschwunden. Große
Landstriche im Osten sind besetzt. Dm Kaukasus, in Mesopotamien,
am Suez-Kanal, in Mazedonien, überall wird der Feind mit fester
Hand niedergehalten. Italien wartet schon mit Bangen auf den
Schlag, der es treffen soll. Die Westfront steht unversehrt und hat
Ln der Abwehr eben jene Krise beim Feind zum Ausbruch gebracht.
Frankreich befindet sich im Zustande der Ohnmacht, seine Soldaten
meutern, seine Zivilisten rufen nach Frieden, seine Politiker tuscheln
miteinander über Verrat und Revolution. Das stolze England stöhnt
unter der Last des Unterseebootkrieges, der Ln diesem Monat seinen
Gipfel erreicht.
Diese ganze Vereinigung von Mächten, die über Deutschland
hergefallen, groß und klein, Republiken und Monarchien, Weiße,
Gelbe und Schwarze — aus aller Welt herbeigekommen, um Beute
zu machen, Slawen, Romanen, Angelsachsen, Marokkaner, Kanadier,
)2)
Australier, Inder, Chinesen, Japaner, Portugiesen, Griechen —
alle diese Spekulanten auf Deutschlands Erliegen starren gebannt
auf die Macht, die allein ihnen noch Hilfe bringen kann. Die Ver-
einigten Staaten von Amerika sind zur Entscheidung berufen.
Die halbe Welt hat nicht ausgereicht, um die Festung Mittel-
europa niederzuringen.
Unbekümmert schreitet das Schicksal weiter.
j;
I
Die FrLedensresolution
Anderthalb Tausend Kilometer lang zieht sich die Front im Osten.
Etwa achtzig deutsche Divisionen stehen untätig und warten ab, was
nun eigentlich geschehen soll. Einmal geschieht etwas. Deutsche und
österreichische Truppen der Gruppe des Generals von Linsingen
greifen im April )§)7 am Stochod an. wie mürbe Leinwand reißt
die Ruffenfront.
Die Reichsregierung wendet sich an die Oberste Heeresleitung.
Der Angriff ist eine Gefährdung der Politik des Außenamtes. Die
Russen dürfen nicht gestört werden. Linsingen muß sofort aufhören.
Es ist ein ganz unbegreiflicher Zustand. Jeder Tag bringt die
amerikanische Hilfe näher. Jeder Tag, den die deutschen Truppen
länger im Osten bleiben, ist ein unersetzlicher Verlust.
Im Osten geschieht nicht nur nichts. Das Unmögliche tritt ein.
Statt daß achtzig Divisionen aus dem Osten in den Westen fahren,
um den Krieg zu gewinnen, müssen noch einmal umgekehrt deutsche
Divisionen aus dem Westen nach dem Osten, um dort die Lage zu
retten. 3m Juni wird endlich Klarheit. Die Russen planen einen
Generalangriff fast auf der ganzen Ostfront. Zunächst erscheint es
kaum glaublich.
Seit Mitte Juni hat Kerenski sich zum Diktator aufgeschwungen.
Er schürt den Kampf für die „Ideale der Menschheit" und der
Demokratie.
Fünf Divisionen rollen aus dem Westen an. Sie kommen gerade
rechtzeitig, um den völligen Zusammenbruch der Österreicher zu ver-
hindern.
was die Russen unternehmen, ist alles andere als ein geordneter
militärischer Angriff, wo nur ein paar Maschinengewehre feuern,
stieben sie auseinander.
Alles wiederholt sich. Teile der angegriffenen österreichischen
Divisionen gehen genau wie vor fast einem Jahr ohne widerstand
zu den Russen über. Es ergeben sich trostlose Aussichten für die Zu-
kunft. Österreich ist fast am Ende seiner kriegerischen Leistungsfähig-
keit angelangt.
Die Offensive wird wie ein Strohfeuer erstickt, auf das man in
aller Eile einen Eimer Wasser schüttet. Sie war, militärisch be-
trachtet, ein blutiger Fastnachtszug, politisch aber hat sie dennoch
ihre Wirkung getan, eine unheilvolle Wirkung.
Kurze Zeit vor diesen Ereigniffen treffen sich die Ministerpräsi-
denten Englands und Frankreichs in Paris. Lloyd George sieht, wie
ernst es mit Frankreich steht. Er begreift, daß es nun an der Zeit ist,
heroische Entschlüsse zu fassen. Er bespricht sich mit Marschall Haig
und Lord Robertson, dem britischen Generalstabschef. Schließlich
macht er den Franzosen ein Angebot, wonach Großbritannien bereit
ist, die Hauptlast des westlichen Kriegsschauplatzes auf seine eigenen
Schultern zu nehmen. Bedingung ist, daß die Franzosen ihre Armee
mit den schärfsten Mitteln wieder kampfkräftig machen.
Ribot, der französische Ministerpräsident, schwankt noch. Da läßt
Ln brutaler Wiederholung das Schicksal genau wie vor einem Jahre
eine Gruppe von Ereignissen zeitlich beinahe zusammenfallen. Und
zum zweitenmal Ln diesem ungeheuren Kriege wechselt das Schicksal
auf die feindliche Seite.
Das erste dieser Ereignisse ist die Kerenski-Offensive. wenn auch
nur eine schillernde Seifenblase, so dient sie doch dazu, den Kriegs-
willen der Entente aufs neue anzufachen und ist den Politikern ein
willkommenes Mittel, die Öffentlichkeit über die Krise im Westen
hinwegzutäuschen.
Das zweite Ereignis ist vorläufig nur wenigen sichtbar, aber um
so furchtbarer. Kaiser Karl von Österreich-Ungarn, der Nachfolger
des alten Franz Joseph, wendet sich von seinem Bundesgenossen ab.
Das dritte ist der Beginn der Flandernschlacht.
Das erste und das dritte treffen die deutsche Armee. Der in hun-
dert Schlachten bewährte, immer wieder zum Sterben bereite deutsche
Soldat überwindet beide.
Kaiser Karls Untreue reichte über ein halbes Jahr zurück, ehe sie
in Erscheinung trat. Am r). November )0)6 schloß der alte Franz
Joseph die müden Augen. Mit ihm verlor Österreich-Ungarn den
letzten Herrscher, dessen ehrfürchtige Gestalt die auseinanderstrebenden
Teile der Monarchie zusammenhielt. Deutschland verlor nicht weniger.
Es büßte mitten Ln höchster Not seinen treuen, niemals wankel-
mütigen Bundesgenossen ein.
Die serbischen Schüsse, die im Sommer 10)4 den weltbrand ein-
geleitet, trafen den einzigen Habsburger, dessen Treue zu Deutschland
unzweifelhaft war. Durch seinen Tod kam die Nachfolge auf den
jungen Erzherzog Karl, den Großneffen Franz Josephs. Er selbst war
ein schwacher, energischen Einflüssen leicht unterliegender, nach äußeren
)Z6
Erfolgen strebender Mensch. Seine Gemahlin Zita stammte aus dem
Geschlecht der Bourbonen. Ihr Denken und Fühlen war französisch.
Der junge Kaiser begann alsbald zu regieren. Conrad von Hoetzen-
dorf erhielt das Kommando über die Tiroler Front. Er war dem
neuen Herrn zu selbständig. General von Arz wurde Generalstabschef.
Außenminister wurde Graf Lzernin, ein glatter Diplomat, überzeugt
von der Notwendigkeit, einen Verständigungsfrieden zu suchen, selbst
wenn er nur durch große Opfer zu erlangen war.
Sofort fing es an. Im März 1017 schickte der neue Kaiser „dis-
kret" einen eigenhändig geschriebenen Brief nach Paris. Der Inhalt
war furchtbar. Der Kaiser bewunderte zunächst die Leistungen Frank-
reichs, versprach dann, er werde alle Hebel Ln Bewegung setzen, um
seinen deutschen Verbündeten zum Verzicht auf Elsaß-Lothringen zu
bringen.
Eine Woche später hielt poincare das Schreiben Ln seiner Hand.
Nicht einmal der österreichische Außenminister wußte von diesem
Schritt. Als er später davon erfuhr, leugnete der Kaiser seinem
eigenen Minister gegenüber alles ab und gab sein Ehrenwort für
eine Lüge.
Ende April 19)7 läßt Graf Lzernin den deutschen Parlamentarier
Erzberger zu sich kommen und erzählt ihm die Einzelheiten der öster-
reichischen Friedensbemühungen. Er gibt dem Abgeordneten eine auf-
sehenerregende Denkschrift zu lesen, Ln der die Lage Österreichs und
der Mittelmächte in den allerschwärzesten Farben geschildert wird.
Am 6. Juli 1917 — seit gestern ist der Reichstag wieder zusammen-
getreten — hält der Abgeordnete Mathias Erzberger eine große Rede.
Er schildert die Lage Deutschlands als geradezu trostlos. Militärisch
sei der Krieg nicht mehr zu gewinnen. Der Unterseebootkrieg habe
vollständig versagt, wirtschaftlich sei man am Ende. Er schlägt
deshalb die Annahme einer programmatischen Friedensresolution vor.
Hindenburg und Ludendorff bitten den Kaiser, am folgenden Tage
in Berlin ihre Stellungnahme zu der Rede anhören zu wollen. Der
Kaiser beruft die Generale nach Berlin.
Der Reichskanzler erfährt davon und kommt ihnen am nächsten
Tage beim Kaiser zuvor. Er beschwört den Kaiser, man dürfe die
Oberste Heeresleitung unter keinen Umständen in diese Frage hinein-
ziehen. Als Hindenburg und Ludendorff dann erscheinen, erhalten sie
eine schroffe 2lbsage. Sie kehren noch am gleichen Tage auf ihre Posten
zurück. Am ir. Juli kommt der Kronprinz aus Lharleville. Nach-
mittags weilt er beim Kaiser und teilt ihm mit, was er von den
Parteiführern erfahren hat. Der Kaiser schwankt. Er will Beth-
mann nicht fallen lassen. Der Kanzler erscheint zum Vortrag. Kaiser
und Kanzler besprechen die Friedensresolution. Der Lhef des Militär-
kabinetts tritt in das Beratungszimmer. Er hat eine Meldung zu
machen. Kaiser und Kanzler hören die Meldung schweigend an.
Die Abschiedsgesuche Hindenburgs und Ludendorffs sind bereits
geschrieben und unterwegs.
Bethmann ist blaß. Er erklärt mit leiser Stimme, der Kaiser
dürfe nicht einen Augenblick lang die Entlassung so verdienstvoller
und von dem einmütigen Vertrauen des Volkes getragener Heer-
führer in Erwägung ziehen.
Am nächsten Morgen ist sein Abschiedsgesuch da. Hindenburg und
Ludendorff sind auf kaiserlichen Befehl abermals aus Kreuznach nach
Berlin gekommen. Der Kaiser empfängt sie sehr kühl und teilt ihnen
mit, daß er soeben das Gesuch des Kanzlers um seine Entlassung
genehmigt habe.
Sie kehren wieder am gleichen Tage in das Hauptquartier zurück.
Sie sind sich klar darüber, daß sie nichts erreicht haben. Die parla-
mentarischen Verhandlungen über die Resolution nehmen Ln Berlin
ihren Fortgang.
Der Kaiser ernennt den Ministerialdirektor Dr. Georg Michaelis
zum Nachfolger Bethmann Hollwegs. Man sagt von ihm, daß er
ein vorzüglicher Verwaltungsbeamter sei. Im übrigen ist er bis
dahin unbekannt.
Am )y. Juli nimmt der Reichstag die Friedensresolution an. Die
Regierung tritt auf ihren Boden. Auch die Oberste Heeresleitung
stimmt ihr zu, da sie nicht mehr zu erreichen vermag.
In der Resolution heißt es:
„Der deutsche Reichstag erstrebt einen Frieden der Verständigung
und der dauernden Versöhnung der Völker. Mit einem solchen Frie-
den sind erzwungene Gebietsabtretungen, politische, wirtschaftliche
und finanzielle Vergewaltigungen unvereinbar. Der Reichstag weist
auch alle Pläne ab, die auf die wirtschaftliche Absperrung und die Ver-
feindung der Völker nach dem Frieden ausgehen. Die Freiheit der
Meere muß sichergestellt werden. Nur ein wirtschaftsfrieden wird
dem freundschaftlichen Zusammenleben der Völker den Boden bereiten.
Solange jedoch die feindlichen Regierungen das nicht einsehen, solange
sie Deuschland und seine Verbündeten mit Eroberungen und Ver-
gewaltigungen bedrohen, wird das deutsche Volk wie ein Mann zu-
sammenstehen und unerschütterlich ausharren und kämpfen, bis fein
und feiner Verbündeten Recht auf Leben und Entwicklung gesichert ist."
Am gleichen Tage, an dem der Reichstag diese Entschließung an-
nimmt, bei Morgengrauen, brechen nach kurzem Trommel- und Gas-
feuer die deutschen Divisionen durch die Ruffenfront in Ostgalizien.
wie ein Kartenhaus bricht Rußland zusammen, wo die deutsche
Armee angreift, reißt die mürbe Front.
Und dann steigt aus den Niederungen von Npern, auf blut-
getränktem Schlachtfeld, aus den Friedhöfen, in denen feit den
Gktobertagen des Jahres 1914 die Gebeine der deutschen Kriegs-
freiwilligen modern, die Flandernschlacht empor.
1S. Kapitel
Flandern
Der eine ist aus Mecklenburg, der andere aus Schwaben, der
dritte aus Westfalen. Der eine ist zu Haufe Bäcker, der andere
Schornsteinfeger, der dritte Student, der vierte Straßenreiniger.
Sie waren an der Aisne, in der Champagne, auf der Lombres-
höhe, am Douaumont. Sie kennen den Höchberg, den Lhemin des
Dames, den Wald von St. Gobain, die Lorettohöhe und den „Toten
Mann". Sie sagen Sankt Guentihn und Raims und Verduhn, wie
man es schreibt, und sie ziehen so ihre Vergleiche, wo es am dreckig-
sten zuging.
Die ganze Front, sofern sie nicht gerade unter den Schlägen des
Großkampfes zuckt, weist noch einen Rest von Behaglichkeit und
Humor auf. überall ist noch ein Hauch, ein Duft, eine Ahnung von
daheim.
Vlut in Flandern ist es anders. Flandern macht eine Ausnahme.
Hier hat sich die Erde mit dem Moloch der Schlacht verbündet.
Die Erde weigert sich, gegen die Menschen barmherzig zu sein. Keinen
Zentimeter gibt sie ihnen nach der Tiefe, nichts, gar nichts, sie hat
einen mächtigen Angestellten Ln ihren Diensten. Das ist das Wasser.
Von Dixmuiden über Langemark, Hollebeke, wytfchaete und Mef-
si'nes bis an die Lys herab ist alles ein wässeriger Brei, grau, grau
und grau. Durch die Öffnung der Nieuporter Schleusen ist der Grund-
wasserspiegel gestiegen. Es wird niemals trocken hier, wie soll man
sich da helfen)
Der flandrische Stellungsbau ist ein furchtbarer, zäher und bei-
nahe vergeblicher Kampf, der sich über Jahre hinzieht.
Man muß ein Mittel finden, das stärker ist als das Wasser. Das
ist der Beton. Da sich die Erde weigert, Hilfe zu leisten, müssen die
Betonkästen auf dem Boden aufgesetzt werden. Mit rings aufge-
schüttetem Erdreich werden sie vor den Späheraugen der Flieger
verborgen.
Die Bedingungen der Materialschlacht können gar nicht idealer
sein, Hier kann sie ihre furchtbare Blüte entfalten, wen Kugel und
iry
d Sperrfeuer, Jugendausgabe
Granatsplitter vergessen, den verschlingt das Wasser, wen das
Wasser nicht erreicht, den frißt der eingeschossene Betonbunker, wen
der Bunker verschmäht, den bekommen die Flieger, wer dem Flieger
entrinnt, den erwartet schon wieder das Wasser. Indem er sich mit
letzter Energie gegen das Wasser sträubt, erreichen ihn dann endlich
Kugel und Splitter.
So ist Flandern, das Sir Douglas Haig, der kühle Rechner, dessen
Strategie ebenso phantasielos und monoton ist wie der Ort hier, zum
Schauplatz seiner eigensten Schlacht ausgewählt hat. Hier sind meine
Mittel, sagt der Engländer, jetzt setze ich sie in Bewegung — nun
stelle du deine Mittel entgegen, dann wollen wir sehen, wie es
ausgeht.
Um seinen guten willen gegenüber den Franzosen zu zeigen,
nimmt Sir Douglas Haig die Operation, die er sich eigentlich als
Einleitung zur Flandernschlacht gedacht, schon zwei Monate früher
vor.
Südlich von Rpern, zwischen dem Kanal bei Zillebeke und dem
Douve-Grund westwärts Warneton an der Lys, zieht sich ein mäßiges
Höhengelände hin. Seit im November 10)4 die deutschen Regi-
menter in wilden Kämpfen die Dörfer wytschaete und Messines
gestürmt, bildet die deutsche Front hier einen nach Westen vorsprin-
genden Bogen, der das Höhengelände einschließt. Die Engländer
hängen unten Ln der Ebene.
Im Jahre 1915 hat hier der Krieg eine neue Blüte getrieben.
Der Boden, der im Gegensatz zu der Gegend unmittelbar um Zypern
frei von Grundwaffer ist, wurde von beiden Seiten aus unterminiert.
Es gab Stollen von vier Kilometer Länge, die bis zu einer Tiefe
von sechzig Metern in die Erde hinabstiegen. Ganze Galerien wurden
Ln mehreren Etagen angelegt und untereinander verbunden. Ein
sonderbares Bergwerk entstand, in dem niemand nach Schätzen der
Erde grub, sondern nach dem Feind, dem Maulwurf, dessen Minier-
geräusche man deutlich vernahm und dessen Galeriesystem man durch
kunstvolle Meßapparate immer genauer feststellen lernte. An anderen
Fronten wird der Krieg nur horizontal geführt. Hier genügt das
nicht. Die beiden Stellungssysteme erweitern sich vertikal zu ganz
neuen Möglichkeiten.
Mit der Zeit geht man dazu über, oberirdische Stellungen von der
Tiefe her durch Minen zu bekämpfen. Der Schwerpunkt des Kampfes
sinkt in die Tiefe.
Schließlich stößt man doch auf Grundwasser. Die Deutschen, die
von oben Herab minieren, sind dagegen machtlos. Die Engländer, die
vom Fuße der Höhe bergauf minieren, können ihre Stollen noch ent-
130
wässern. Ihnen erlaubt die Erde, noch eine Schicht tiefer hinab-
zusteigen.
Verständige Leute auf deutscher Seite erklären, wenn man mit
rout hülst
Blankaart^
'UndGrachten
»r/r<?/ÄV
! ßikschofa
Moors/ede
spZonneQeke
tQrootemoolen
iebeke
*Cominet
_ Erläuterung?'
Deutsche Linie vordem 7. Juni 1377
* » nach Abschluß der
dämpft im Wytsdiaete■
Mitte November 1317.
bei Abschluß der Schiacht i
in Flandern.
'elingh/en
8*
dem Minenkrieg radikal Schluß machen wolle, so müsse man die ganze
Front aus dem Wytschaete-Bogen zurücknehmen. Die Erwägungen
gehen monatelang hin und her. Sie sind noch mitten im Gange, als
in den letzten Tagen des Mai, während die Arras-Schlacht und die
Schlacht an der Aisne und in der Champagne noch im Ausklingen
sind, das englische Artilleriefeuer hier oben deutlich zunimmt.
Am 4., 5. und 0. Juni 1917 Feuerorkan, dessen Stärke auf Groß-
kampf deutet. Der Infanterieangriff muß täglich erwartet werden.
Am 0. Juni, gegen Abend, ermattet zum großen Erstaunen der Ver-
teidiger das Feuer ohne sichtbaren Grund. Es gibt eine fast ruhige
Nacht.
Zwischen drei und vier Uhr morgens, am 7. Juni, bei erster
schwacher Helligkeit, wirft ein englischer Flieger eine grüne Leucht-
kugel ab. Sie ist noch nicht verblaßt, als schon mit einem einzigen
Schlag das Trommelfeuer losbrüllt.
In dem fürchterlichen Lärm wird kaum bemerkt, daß die Erde in
weitem Kreise zittert und wankt, als habe ihr jemand einen mächtigen
Stoß versetzt, wie Wellen geht es durch die Tiefe.
Alles achtet auf den oberirdischen Kampf. Die Tragödie im Bauch
der Erde vollzieht sich unsichtbar. Sie kommt nur an vielen Stellen
in dumpfen Explosionen bis an die Oberfläche und bildet gewaltige
Krater, in denen ganze Kompanien Platz nehmen könnten.
Auf einer Frontbreite von zehn Kilometern haben die Engländer
neunzehn Erdminen gesprengt. Die Ladungen lagen fast alle unter
dem deutschen Galeriesystem, bis zu sechzig Metern Tiefe. Im ganzen
sind, wie man später erfährt, vierzig Waggonladungen Dynamit
verwendet worden.
Zwölf englische Divisionen sind im Angriff. Tanks klettern in
Massen die Anhöhen hinauf. Jagdflieger knattern ihre Patronen-
gurte hernieder. Das Sperrfeuer tobt, strafft sich zur walze und
tritt den Vormarsch an.
Am Abend besinnt sich die Führung auf ihre alte Absicht, die
Bogenstellung aufzugeben. Die Räumung muß jetzt unter furchtbaren
Umständen vorgenommen werden. Die neue Stellung, noch nicht halb
fertig und denkbar ungünstig, verläuft in der Kanalniederung zwischen
Hollebeke und der Lys bei Warneton. Das Höhengelände ist end-
gültig verloren.
Es dauert noch mehr als einen Monat, bis Marschall Haig seine
Vorbereitungen zwischen Drie Grachten und Hollebeke im Haupt-
abschnitt der Flandernschlacht beendet hat. Die Breite des Schlacht-
feldes beträgt 25 Kilometer.
Die Artillerie- und Munitionsanhäufung der Engländer ist phan-
tastisch. Der Munitionsverbrauch in der Abwehr erreicht bald einen
solchen Umfang, daß an einem einzigen Tage im Schlachtabschnitt
mehr Granaten verfeuert werden als im ganzen Kriege 1670/7).
Beide Gegner haben alle verfügbaren Bestände an Hilfswaffen
herangezogen.
Hier entstehen jene großen Luftschlachten, bei denen gleichzeitig
achtzig und mehr Maschinen gezählt werden. Die Maffe der schweren
Artillerie ist unabsehbar. Hunderte von Tanks sind bereitgestellt.
Wirkung und Umfang des Materials sind so ungeheuerlich, daß
der Mensch gleichsam in den Hintergrund gedrängt wird. Material
kämpft gegen Material. Die Feuerwalze, der Tank, der Flieger, der
Betonklotz, die Schußtabelle, die Statistik und das Nachrichtenmittel
übernehmen die Hauptrolle. Zwischen ihnen wird der Mensch zer-
rieben.
Gewinnen muß die Partei, der es gelingt, die meisten Menschen
und in diesen Menschen die meiste Kampfenergie aufgespeichert zu
erhalten.
Später, als die Schlacht ihren Gipfel erstieg, entwickelte sich bis-
weilen der Zustand, daß von der hinten angesetzten Bewegung über-
haupt nichts bis nach vorn durchdrang. Das Material erstickte alles,
die lebendige Kraft blieb in dem Sieb hängen. Vorn war die Einöde,
der tote Raum, das Niemandsland. Auf beiden Seiten raste das
Lhaos blindwütig, sinnlos, ungestalt und nicht mehr hemmbar. Das
Material blieb allein.
Ein Tag ist wie der andere. Vorn regiert das Material, der
Schlamm, die Ohnmacht, der Brei. Es gibt nur Trichterfeld, Artil-
leriefeuer, Tanks, Flieger, Artilleriefeuer und wieder Artilleriefeuer.
Diese Schlacht kennt kein Angreifen mehr im Sinne aller früheren
Kriege und Schlachten. Sie ist die fast vollendete Sinnlosigkeit, zu
der drei Jahre Krieg im Westen das herabgewürdigt haben, was
man früher als Strategie bezeichnete.
Vom ro. Juli an nimmt das englische Artilleriefeuer so zu, daß
man sagen kann, die Aktion hat begonnen.
Dann, etwa vom 23. Juli an, beginnt die systematische deutsche
Abwehr. Reichlich wird dabei Gasbeschuß angewendet. Batterie-
stellungen sind überall. Man muß sie treffen.
Der Angriff beginnt am 3). Juli 1017. Er ist eigentlich das ein-
zige genau feststehende Datum dieser Schlacht, weder ihr Beginn
durch die Feuervorbereitung noch ihr Ausklang im November lassen
sich auf einen bestimmten Tag fixieren.
Diejenigen Komplexe des Trichterfeldes, die auf den Karten durch
die Namen Langemark und Bikfchoote bezeichnet sind, werden von
französischen und englischen Trupps erreicht.
Nach dem Heeresbericht sind am Abend BLkschoote und Lange-
mark nach hartem Kampf zurückerobert worden, BLkschoote geht in-
dessen zum zweitenmal und endgültig verloren. Auf der übrigen Front
bleibt, was die Örtlichkeit betrifft, alles beim alten.
Gesamtbild bis zum 3. August — der erste große Flandernsturm
ist abgeschlagen worden.
Es folgt eine Regenperiode, die den Schlammbrei vollendet. Das
Material bekümmert sich nicht darum. Die Artillerieschlacht geht
unvermindert weiter. Am )o. August verzeichnen die Berichte die
siegreiche Abwehr neuer Angriffe auf breiter Front. Am 16. August
neuer Großkampftag. Es geht genau so wie am Zl.Iuli. Der Raum,
auf dem ehemals Langemark stand, gerät wieder zwischen die Mate-
rialzonen, das heißt, Langemark wird von den Engländern genommen.
Dann wälzt sich das Material zurück, das heißt, die Deutschen be-
setzen Langemark wieder.
Am Mittag der gleiche Vorgang. Langemark wird verloren. Die
Engländer gelangen bis dicht vor Poelkapelle. Aber gleichgültig das.
Es ist ja nichts weiter als Trommelfeuer und Schlamm, worin Men-
schen ein fast unglaubliches Dasein führen. Der Verschleiß ist auf
beiden Seiten ungeheuer.
Trichter vor Trichter wälzen sich die Materialzonen gegen den
Houthoulster Wald (es ist schon lange kein Wald mehr!), gegen pas-
schendaele (ein Trichterkomplex, der durch die pulverisierten Ziegel-
steine ein wenig rötlich gefärbt ist) und gegen Gheluvelt an der
Straße von Zypern nach Menin (Straße — eine gedachte Linie auf
der Karte!).
So wird es September und Oktober. Neue Großkampftage, so-
genannte. Am ro., rö. September, am 4., am 9., am )*., am rr., am
26., am 30. Oktober. Immer das gleiche Bild. Materialzonen hüben
und drüben, dünnes Infanteriegefecht in der Mitte. Eine Trostlosig-
keit, die nicht mehr zu beschreiben ist.
Am 12. November fällt der Raum von passchendaele in englische
Hand. Dann ist es auch mit örtlichen Veränderungen aus. Das
Material bekümmert sich nicht darum. Es rast noch eine Zeitlang
sinnlos weiter.
Die Flandernschlacht ist der stumpfsinnigste Ausdruck einer banke-
rotten Heerführung, die alle Tätigkeit auf das Material und alle
Not auf die Truppe abgewälzt hat.
wer singt das Lied des deutschen Soldaten Ln der Flandern-
schlacht-
Nicht die Heeresberichte, nicht die Orden, mit denen man die über-
lebenden freigebig geschmückt, nicht die Denkmäler, die man den Toten
daheim errichtet.
134
Es ist eine ganz stille, ganz verschwiegene Angelegenheit des
Herzens. Ein Verneigen, eine wehmütige Trauer, ein Erschauern,
ein Zähnezusammenbeißen und ein Gebet.
Das flandrische Blut- und Morastbad verhalf der Entente dazu,
daß sie die schwere Krisis des Sommers 1917 auch militärisch über-
winden konnte.
Marschall petain schuf eiserne Ordnung in der Armee. Die
Rädelsführer der Meutereien vom Mai wurden an die wand gestellt.
Die Regierung unterdrückte alle Äußerungen der Schwäche im Lande.
So gewinnt auch diese sinnloseste und gedankenärmste aller Groß-
schlachten des Weltkrieges ihre entscheidende Bedeutung für die Ge-
samtbilanz des Krieges. Sie hielt uns davon ab, den vielleicht gün-
stigsten Zeitpunkt des Krieges, in dem Rußland endgültig niederbrach,
in dem der Unterseebootkrieg auf ferner Höhe stand, Ln dem Frank-
reich wankte und Amerika noch nicht eingreifen konnte, zur Herbei-
führung einer siegreichen Entscheidung zu benutzen.
Zögernd und tastend versuchten die Franzosen im August zum
erstenmal wieder das Schlachtenglück. Es war rhnen hold.
Noch einmal sah der blutgetränkte Boden im Norden von Verdun
den Geschoßhagel des Großkampfes und das wellenweise Vorgehen
der Infanterielinien. Soviel Namen, soviel schmerzliche Erinne-
rungen an mächtige deutsche Schläge Ln jenem Februar J9}6, in dem
Falkenhayn den Großangriff auf die Maasfestung eröffnen ließ. Nun
war fast alles wieder Ln Feindeshand.
Es blieb nicht dabei. Die Franzosen, der eigenen Kraft vertrauend,
führten einen zweiten Schlag. Diesmal wählte petain die sogenannte
Laffaux-Ecke als Ziel.
Neun Tage lang trommelten die Franzosen. Der ALlette-Grund
wurde ganz unter Gas gesetzt. Am rz. Oktober 1017 erfolgte der
Angriff. Er drückte die Ecke ein. weiter gelangte er nicht. Am
). November ließ die Oberste Heeresleitung planmäßig den ganzen
Lhemin des Dames räumen und die Front auf die nördlichen Hänge
jenseits des ALlette-Grundes zurücknehmen.
Es stand fest, daß die Franzosen wieder als vollkräftige Gegner
zu gelten hatten.
19. Kapitel
vom Ifonzo bis an den Piave
In der Mitte des Mai, als Arras-Schlacht und Doppelschlacht an
der Aisne und Ln der Champagne zum letztenmal in ihrer ganzen
Glut aufleuchteten, begann fernab auf dem italienischen Kriegsschau-
platz die 10. Isonzoschlacht. Die Österreicher hielten stand. Die Ver-
luste der Italiener waren ganz ungewöhnlich groß. Auch bei ihnen
zeigten sich die moralischen Wirkungen ähnlich wie bei den Franzosen.
Fast ein Vierteljahr verging ohne größere Kämpfe. Die lange Ruhe
erlaubte Ladorna, seine Armee zu reorganisieren und seine neue
Schlacht mit aller Gründlichkeit nach westlichem Muster vorzubereiten.
Er stellte an 5000 Geschütze und an 50 Divisionen auf schmalem
Raume auf und rannte mit dieser ganzen trägen Masse nach Trommel-
feuer am 16. August gegen die Isonzo-Front zwischen Görz und dem
Meere an.
Die Italiener werden aufgehalten.
Anfang September kann die elfte Isonzo-Schlacht als beendet be-
trachtet werden. Aber ihre Folgen sind unverkennbar. Noch einmal
ist es gut gegangen, was aber soll werden, wenn nach einiger Zeit
die zwölfte einsetzt-
Kaiser Karl weiß sich Ln dieser schweren Lage seiner Armee ein-
fachen Rat. Er wendet sich an seinen Verbündeten und erklärt, daß
er deutsche *£ilfe braucht. Er tut es Ln einem Zeitpunkt, Ln dem die
deutschen Truppen Ln Flandern Fürchterliches durchzumachen haben.
Jeder deutsche Soldat wird gebraucht.
Dennoch werden sieben deutsche Divisionen freigemacht, im Osten
und Westen. Es ist das Letzte, was gegeben werden kann. Sie werden
zur 14. Armee zusammengestellt und erhalten als Oberbefehlshaber
den im Osten und Ln Mazedonien zehnmal bewährten General Otto
von Below.
Sie fahren nicht nach Italien, um die Front der Österreicher für
die Abwehr zu verstärken. Ihre Aufgabe ist der Angriff, denn sie
müssen möglichst schnell wieder frei werden, um im Westen eingesetzt
werden zu können.
Als dringendstes strategisches Erfordernis erscheint die Beseiti-
gung der Isonzo-Front. Um dieses Ziel auf dem kürzesten und spar-
samsten Wege zu erreichen, wird der Stoß auf Empfehlung des öster-
reichischen Hauptquartiers hart nördlich der viel umkämpften Front,
am Oberlauf des Isonzo, angesetzt, im Raume von Flitsch und Tol-
mein. wird er Ln südwestlicher Richtung über Lividale Ln die Ebene
hineingeführt, so muß er seinen Zweck in kurzer Zeit erfüllen.
So beginnt, trotz aller XZot und allem schweren Druck der West-
front, trotz aller Anstrengungen im Osten, zu gleicher Zeit das unver-
gleichliche deutsche Heer im Süden, zusammen mit den Österreichern,
die zwölfte Isonzo-Schlacht. In wenigen Tagen wächst sie sich zu
einer der größten, glänzendsten und bewundernswertesten Operationen
des ganzen Krieges aus.
)36
Ein Aufmarsch vollzieht sich um die Mitte des Oktobers 1017,
dessen Schwierigkeiten in dem menschenarmen Gebirgsland sagenhaft
anmuten. Es sind Strapazen, wie sie höchstens im serbischen Feldzug zu
ertragen waren. Damals aber von vollkräftigen, gut ernährten und
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siegesgewohnten Truppen. Die Österreicher, die solchen Heroismus
sehen, reißen Mund und Augen auf.
Diese Bataillone, die sich hier durch die Paßstraßen winden, haben
drei Jahre Krieg, drei furchtbare Materialschlachten, Dutzende von
Bewegungsschlachten und drei Winter Stellungskampf hinter sich.
Sie kennen den junger und das Grauen und den Tod aus steter
Nachbarschaft. Sie waren Ln Frankreich, in Rußland, in Serbien, Ln
Ungarn, Ln Rumänien, Ln Mazedonien und abermals Ln Frankreich.
Sie sind ein Teil jener langsam aussterbenden, unverzagten, pflicht-
treuen und dem Tod verwandten Armee, vor der die ganze Welt
respektvoll den Hut abzieht. Soldaten eines neuen Typus, Soldaten
ohne Begeisterung und Freude, Soldaten der Pflicht, der Kamerad-
schaft und der Männlichkeit, die keine Worte macht. Sie haben noch
keine Aufgabe, die ihnen während dreier Jahre zugemutet wurde,
unerfüllt gelassen. Sie schaffen es auch dieses Mal mit der Selbst-
verständlichkeit, die während dieser drei Jahre ein Teil ihres Wesens
geworden ist.
Halb erfroren, durchnäßt, ausgehungert und durch furchtbare
Marschtage fast zur Erschöpfung gebracht, stehen die deutschen Regi-
menter am 23. Oktober Ln den Angriffsräumen. General Otto von
Below befiehlt am Abend des 23., daß der Angriff am kommenden
Morgen zu beginnen habe.
Im Raume von Flitsch steht die österreichische Gruppe Krauß auf
dem Nordflügel der 14. Armee. Im Zentrum, beiderseits Tolmein,
sind die deutschen Gruppen Stein und Berrer versammelt. Gegen-
über droht Gipfel neben Gipfel, Schlucht neben Schlucht. Drei feste
italienische Stellungen sind Ln zweieinhalb Jahren ausgebaut und in
die Felsen eingesprengt worden. Fünfundzwanzig Kilometer Hoch-
gebirge — dahinter winkt Lividale mit den Ausläufern der vene-
zianischen Ebene. Den Südflügel der Angriffsarmee bildet die öster-
reichische Gruppe Skotti.
Um 2 Uhr Ln der Nacht zum 24. Oktober bricht sich der einsetzende
Artilleriekampf Ln schaurigem Echo an den Felswänden. Punkt acht
Uhr, nachdem die deutschen Minenwerfer die erste feindliche Stellung
noch einmal zugedeckt, stürzt die Infanterie aus den Gräben zum
Feind hinüber.
Das feindliche Sperrfeuer kommt kaum zur Geltung. Ehe Mel-
dungen von vorn zu den Bereitschaften gelangen können, sind die
Deutschen schon dort. Handgranaten brüllen. Die Verteidiger er-
geben sich.
Uber die Steilhänge hinauf geht es gegen die zweite italienische
Stellung, die durchweg bis zu achthundert Metern über der ersten liegt.
Sie ist die wichtigste. Kopf an Kopf stehen in ihr die Reserven. Aber
der Schlachtengott ist den Angreifern gnädig. Die mit Nebel und
Pulverschwaden angefüllten Schluchten entziehen die Heransteigenden
der feindlichen Sicht. Am Nachmittag ist auch das geschafft.
Die nördlichste Division der Gruppe Stein, die 12. preußische
Infanteriedivision, führt einen wuchtigen Stoß durch das ganze ita-
lienische Stellungssystem und gelangt — eine einzigartige Leistung in
der ganzen Kriegsgeschichte — mit Teilen noch am ersten Angriffs-
tage bis nach Karfreit im Isonzotal. Sie steht damit 26 Kilometer
tief im Feinde.
Am 25. Oktober leuchtet die Sonne vom blauen Fimmel herab.
Der kühne Stoß wächst sich zur Operation aus.
Aus hundert Einzelhandlungen, die von tatkräftigen Offizieren
geleitet und von einer immer besser werdenden Truppe ausgeführt
werden, ergibt sich der unaufhaltsame Vormarsch der ganzen Armee
gegen die Ebene.
Am 27. Oktober fällt der Monte purgesstmo, das letzte befestigte
Massiv vor Lividale und der Ebene. Am gleichen Tage abends ist
Lividale erobert. Jetzt gibt es kein Einhalten mehr.
Am 26. Oktober ist Udine genommen.
An diesem Tage des rastlosen Vormarsches stürzt auch die ganze
Isonzo-Front zwischen Görz und dem Meere ein. Die z. italienische
Armee geht unaufhaltsam zurück, um sich nicht ins Meer werfen zu
lassen. Die Operation, die ursprünglich nur mit beschränktem Ziel
gedacht war, weitet sich immer mehr aus.
Am 3). Oktober, sechs Tage nach Beginn des Angriffs, ist der
Tagliamento in seiner ganzen Breite erreicht. Die Ebene zwischen
dem Fluß und den Bergen, aus denen der Sturmwind kam, ist mit
den Trümmern zweier italienischer Armeen besät.
Am Morgen des z. November bricht überraschend schnell die ganze
Tagliamento-Front ein. Selbst diese starke natürliche Schranke gibt
den Geschlagenen keinen 'Aalt.
Am o. November stehen die Verfolger am Piave. Die Not zwingt
zur Bescheidenheit. Man darf sich hier Ln Italien nicht auf Ziele ein-
lassen, die nicht erreicht werden können, weil die Kräfte anderswo
dringender gebraucht werden. Nach und nach werden die deutschen
Divisionen aus der Front gezogen. Sie müssen in den Westen.
Unter dem Einfluß Lonrad von Hoetzendorfs versuchen die Öster-
reicher noch einmal, von Norden aus der alten Ecke aus Asiago und
Arsiero heraus, eine Offensive mit beschränktem Ziel in Schwung zu
bringen. Über kleine Anfänge kommt sie nicht hinaus.
Die Schlacht zuckt noch. In Tirol oben und unten längs des
Piave kommt es zu örtlichen Kämpfen.
General Ladorna wird von der italienischen Regierung geopfert.
Er geht, mit dem Fluch einer furchtbaren, fast einzigartigen Nieder-
lage beladen. In sieben Wochen hat sein Heer 300000 Gefangene,
außer den blutigen Verlusten, eingebüßt, 3200 Geschütze, 3000 Ma-
schinengewehre und mehr als 300 000 Gewehre sind in die Hand der
Angreifer gefallen. Dazu die Ausrüstung zweier italienischer Armeen.
Söhne fast aller deutschen Stämme, vom Rhein, von der Elbe,
von der Donau und von der Etsch haben zusammen gefochten und
Großes vollbracht.
Die italienische Front schied im strategischen Sinne für lange Zeit
aus dem Weltkrieg aus.
20. Kapitel
Friede im Osten
während aller Anspannung im Westen und mitten in den Vor-
bereitungen zum Angriff auf Italien verliert die Oberste Heeres-
leitung keinen Tag lang ihr Ziel aus dem Auge, im Osten unbedingt
und möglichst rasch zum Frieden zu kommen.
Hindenburg und Ludendorff können sich schon ausrechnen, daß sie
die Entscheidungsschlacht im Westen in diesem Jahre nicht mehr
schlagen werden. Als ein bitteres Verhängnis zieht sich durch den
ganzen Krieg der Zwang, immer wieder an anderen Fronten zunächst
die Grundlage zu suchen, auf der die Entscheidung aufgebaut werden
kann. So ging es mit dem großen Feldzug in Rußland im Jahre
1915, so ging es mit Serbien, mit Rumänien, so ging es mit Italien
und mit dem letzten Feldzug gegen das revolutionäre Rußland im
Sommer und im gerbst 1017. Die großen Siege an den anderen
Fronten betrogen uns um den einzigen Sieg, der alles bedeutete, den
Sieg im Westen.
Nachdem Ende Juli durch die Stoßkraft einiger deutscher Divi-
sionen in Galizien und in der Bukowina mit der Kerenski-Offensive
aufgeräumt war, legt sich die Oberste Heeresleitung den Plan der
Abschlußaktion zurecht. Sie denkt die Aktion in zwei Teilen durch-
zuführen. Die nördliche, die man als die wichtigere ansieht, weil sie
unmittelbar Petersburg bedroht, wird zuerst vorgenommen. Die
zweite, auf die Moldau gerichtete, gelangt später nicht zur Durch-
führung. Der italienische Feldzug beansprucht die dafür vorgesehenen
Truppen. Glücklicherweise aber stellt sich heraus, daß schon die nörd-
liche Aktion ausreicht, um die erstrebte Wirkung herbeizuführen.
Am ). September 1017 überschreiten einige deutsche Divisionen
die Düna zwischen Riga und Dünaburg, treiben die Russen ausein-
ander und gelangen in raschem Vormarsch östlich an Riga vorüber
an den Rigaischen Meerbusen.
Schon am 3. September wird die alte Ordensstadt besetzt. Die
bürgerliche, zum großen Teil deutsche Bevölkerung begrüßt die ein-
rückenden Truppen als Befreier. Sie hat unter dem Treiben der
undisziplinierten und schon stark bolschewistisch verseuchten russischen
Soldateska viel zu leiden gehabt. Ein Vorspiel der fürchterlichen
Massakers, die noch kommen sollen.
Am Eingang des Rigaischen Meerbusens, den Finnischen Meer-
busen mit Petersburg flankierend, liegen drei baltische Inseln, <ösel,
Moon und Dagö.
Am 11. Oktober verläßt eine deutsche Transportflotte unter dem
Schutz eines Hochseegeschwaders den Hafen Libau an der kurländi-
schen Küste. Am )r. Oktober donnern die schweren Schiffsgeschütze
des Geschwaders an der Nordseite von Ösel. Nach zwei Stunden
stellen die russischen Strandbatterien ihr Feuer ein. Die ersten Trup-
pen werden gelandet, wie ein Blitz jagt der deutsche Vormarsch
über die Insel hin. .
Am 15. Oktober kapitulieren die Russen mit Mann und Maus.
Drei Tage später sind auch die Inseln Moon und Dagö genommen.
Es hat sich ganz klar gezeigt, daß die russische Armee keinen
Kampfwert mehr besitzt, während sich in Petersburg Kerenski noch
an der Spitze der demokratisch-sozialen Regierung bläht, ist die Bol-
schewisierung der Armee schon fast vollendet. Die eigentliche Führung
ist an die Soldatenräte übergegangen. Es wird schon gemordet, ge-
plündert und gebrandschatzt.
Am 6. November endlich geschieht das lange Erwartete. Kerenski
wird durch die Kommunisten gestürzt. In Petersburg herrscht der
rote Terror und greift schnell über das ganze Land. Das Bürgertum
wird massakriert. Man proklamiert die Diktatur des Proletariats.
Das russische Reich löst sich auf.
Aus dem Gluthaufen des Chaos erhebt sich die rote Herrschaft
zweier Fanatiker, zweier Apostel einer schrecklichen Menschheitsver-
wirrung. Lenin, der rote Zar, und Trotzki, der Diktator, werden zu
Herren Rußlands.
Hier ist mit westlicher Diplomatie nichts mehr zu machen. Das
wissen auch die Gesandten der Entente und verschwinden aus Peters-
burg. Hier herrschen Urinstinkte, die niemand dämmen kann. Der
erste Triumphschrei der neuen Macht ist gleichzeitig der Schrei nach
der weltrevolution.
Lenin erläßt durch Funkspruch das erste kommunistische Manifest
„an Alle". Alle Völker sollen sich zusammenschließen, um eine neue
Weltordnung herzustellen, ein „allgemeiner öffentlicher Friedensver-
trag auf der Grundlage des Einverständnisses und der Zusammen-
arbeit" soll entstehen.
welch eine raffinierte Botschaft! Die Propheten der Weltrevo-
lution und des Chaos, die Verkünder der blutigen Diktatur des Pro-
letariats bedienen sich der Friedensposaune. Sie verstehen sich auf die
tiefe Kriegsmüdigkeit, sie kennen die körperliche und geistige Not, die
allenthalben in Europa herrscht — und sie spüren, daß auf diesem
Boden ihre Saat heranreift.-------
Anfang November 1917 Aufgabe des Lhemin des Dames südlich
Laon nach dem Verlust der Laffaux-Ecke und gleichzeitig Höhepunkt
des italienischen Feldzuges zwischen Tagliamento und Piave. Zwei
Tage später Sieg der bolschewistischen Revolution in Petersburg.
Am )o. November letzter Großkampftag in Flandern mit dem Ver-
lust von passchendaele. Die Oberste Heeresleitung ist in einer furcht-
baren Anspannung. „Mein Verstand war im Osten und Ln Italien",
sagt Ludendorff, „mein Herz an der Westfront. Der Wille mußte
Verstand und Herz in Übereinstimmung bringen. Ich war schon lange
freudlos geworden."
Schon glaubt man wenigstens im Westen aufatmen zu können.
Da bricht unerwartet ein letzter Schlag für dieses Jahr auf das
deutsche ^eer nieder.
Marschall Haig, der vier Monate lang den Götzen der Material-
schlacht angebetet hat, ist zur Besinnung gekommen. Er erblickt eine
neue Chance in furchtbarer Kraftkonzentration und gleichzeitig
größter Beweglichkeit der zu einer festen taktischen Einheit zusammen-
gefaßten Feuerwalzen, Tanks, Flieger.
Am frühen Morgen des ro. November brüllt vor Lambrai das
englische Trommelfeuer in einer lückenlosen Dichte. Gleichzeitig füllt
sich der Fimmel mit Jagdfliegern, die ganz tief herunterkommen.
Sofort setzt sich das Feuer Ln Bewegung, hinter seinem Vorhang
kriecht die unabsehbare Schar knatternder Riesenwanzen aus dem
Havrincourt-Wald hervor. Sie sind die unbestrittenen Herren des
Schlachtfeldes, und alles, was lebt, steht unter ihrem lähmenden
Bann.
Es geht furchtbar schnell. Ehe die deutschen Reserven etwas
unternehmen können, haben die Tanks ein zehn Kilometer breites
Loch Ln die Siegfried-Stellung gewalzt. Am Abend stehen die Eng-
länder Ln einem dicht auf Lambrai vorgetriebenen Bogen von fast
zehn Kilometer Tiefe. Aber sobald der Tankschrecken aufhört, finden
sich die Verteidiger wieder. Kavallerie wird eingesetzt, um die Stadt
142
Zu gewinnen. Die Reiterbrigaden werden bei Lantaing, vier Kilo-
meter südwestlich von Lambrai, und bei Rumilly, fünf Kilometer süd-
lich der Stadt, zusammengeschossen.
Der mangelnde englische Ginn für neue Lagen verhindert die
Ausnutzung des schon perfekten Durchbruchs.
Am 30. November hat die r. Armee ihre Vorbereitungen zum
Gegenangriff beendet. Die Vergeltung kommt über den eingebroche-
nen Feind wie ein Gewitter. Ein mächtiger Stoß brandet gegen die
Südflanke, die Einbruchstelle zwischen Lrevecoeur und Vendhuile mit
Richtung auf die Straße Lambrai—peronne und den Komplex des
Havrincourt-Waldes. Ein zweiter Stoß trifft die Nordflanke des
Einbruchs.
Die deutschen Regimenter fassen den Feind kräftig an. Auf der
ganzen Einbruchsfront klirrt das Sperrfeuer.
Es geht langsam und beständig vorwärts, über vier Tage zieht
st'ch's hin, immer wieder aufs neue einsetzend, immer neue Stücke aus
der feindlichen Front herausbrechend, immer wieder frisch organisiert.
Einmal schlägt hier der Kammer, dann dort.
So gelingt es, bis zum Abend des 3. Dezember die Engländer aus
fast allen eroberten Stellungen hinauszudrängen. Im Süden wird
der Angriff sogar über die Siegfried-Linie hinweggetragen.
So plötzlich, wie sie entstanden, erstirbt die Tankschlacht von Lam-
brai am 5. Dezember. Die kurze, heftige Krise ist überwunden. Andere
Ereignisse treten in den Vordergrund der gewaltigen Bühne.
Am r6. November, im dunkelsten Zeitpunkt der Lambrai-Schlacht,
fangen die deutschen Funkstationen einen Petersburger Funkspruch
auf des Inhalts, ob man deutscherseits bereit sei, Ln Verhandlungen
über den 2Lbschluß eines Waffenstillstandes einzutreten. Der russische
Befehlshaber heißt Krylenko und ist ein früherer Fähnrich.
Die Oberste Heeresleitung bestellt die russischen Unterhändler in
das Hauptquartier Oberost nach Brest-LLtowsk. Am )5. Dezember
wird der Waffenstillstand unterzeichnet.
Am 0. Dezember wird auch mit der rumänischen Regierung ein
.Waffenstillstand abgeschlossen.
Ununterbrochen rollen die Militärzüge aus dem Osten durch
Deutschland hindurch nach dem Westen, wo die ersten geschlossenen
amerikanischen Divisionen ermittelt sind.
Am rr. Dezember i o)7 trat die östliche Friedenskonferenz in Brest-
Litowfk zusammen. Die russischen Vertreter gebärdeten sich als die
Fordernden, nicht als die Besiegten.
Nach Weihnachten erging ein feierliches Angebot an alle krieg-
führenden Nationen, sich am 4. Januar )9)S in Brest-LLtowsk einzu-
finden, um über die Herbeiführung eines allgemeinen Friedens ohne
Kriegsentschädigungen und Annexionen zu verhandeln. Die Entente
antwortete nicht einmal.
An der Spitze der russischen Delegation stand Trotzki Ln eigener
Person. Die Russen hatten erkannt, welch günstige Gelegenheiten die
Bühne von Brest-Litowsk ihnen bot, und schickten ihren besten Mann.
Indessen er täglich lange propagandistische Reden hielt über Volker-
versöhnung und Selbstbestimmungsrecht, wurden die deutschen Trup-
pen an der waffenstillstandsfront nach einheitlichem Plan bolsche-
wistisch verseucht.
Da verloren die Mittelmächte endlich die Geduld. Im Auftrag
der gemeinsamen Delegationen verlangte General Hoffmann eine
klare Antwort auf die Fragen der Mittelmächte und drohte mit der
Wiederaufnahme der kriegerischen Handlungen.
Am o. Februar yo)S wurde der Friede mit der Ukraine unter-
zeichnet. Es war der sogenannte „Brotfriede". Er sicherte den Mittel-
mächten das Recht, die Ukraine zu besetzen und ihre Getreidevorräte
für sich nutzbar zu machen.
Am 3. März wurde dann ohne eine weitere Aussprache der Friede
Ln Brest-Litowsk geschlossen. Rußland willigte in den Verlust von
Polen, Kurland, Litauen, Estland, Finnland und einiger Gebiete am
Kaukasus, die von der Türkei beansprucht wurden.
Am 5. März schloß Rumänien mit den Mittelmächten einen Vor-
frieden. Die Verhandlungen über den endgültigen Frieden wurden
in Bukarest fortgesetzt. Die Hauptforderung der Mittelmächte ging
auf Lieferung von Getreide und Erdöl. Österreich war schon am
Verhungern.
Ende März rief das in Brest-Litowsk zum selbständigen Staats-
wesen proklamierte Finnland die Deutschen zu Hilfe. Die Sowjet-
truppen dachten nicht daran, das finnische Gebiet vertragsgemäß zu
räumen. Der Terror wütete Ln seiner scheußlichsten Form. Eine
deutsche Division unter General von der Goltz landete im Südwesten
Finnlands. Im Zusammenwirken mit der finnischen Armee des Ge-
nerals Mannerheim wurden die Roten am ro. April umzingelt und
zur Kapitulation gezwungen.
Nur nach langen Debatten mit viel bitteren Worten gelang im
Reichstag die Ratifizierung der Verträge. Die Sozialdemokraten
stellten sich abseits und enthielten sich der Stimme. Die radikale
Linke stimmte dagegen. Der Ostfriede blieb ein Streitobjekt der
öffentlichen Meinung bis zum Ende.
Die Oberste Heeresleitung, deren ganze Gedanken sich jetzt um die
Armee und um den großen Endkampf im Westen bewegten, mußte
trotz des erreichten Friedens noch vierzig Divisionen im Osten lassen.
Der alte unglückliche Fluch der Zersplitterung wirkte fort.
344
2i. Kapitel
Die große Schlacht
Das alte Jahr )9)7 ging nicht zu Ende, ohne auch noch Lm ent-
ferntesten Winkel des großen Kriegstheaters eine herbe Enttäuschung
zu bringen.
Nach dem Sieg über die Engländer bei Kut el Amara erlahmte
die Kraft der Türkei sichtlich. Die Engländer drangen bis Bagdad
vor. Im Spätherbst erneuerten sie den Angriff auf Jerusalem und
eroberten am 9. Dezember die Geburtsstadt des Christentums.
Die Türkei war nicht der einzige Bundesgenosse, der Deutschland
schwere Sorgen bereitete. Da war das kriegsmüde bulgarische Volk
und da war vor allem Österreich. Es war klar, daß Österreich, wenn
ihm ein einigermaßen annehmbares Angebot von der Gegenseite ge-
macht würde, jederzeit zu einem Sonderfrieden unter Aufgabe Deutsch-
lands bereit war.
Im August trat der heilige Stuhl in Rom mit einer Friedens-
mahnung an die Kriegführenden heran. Deutschland ergriff die An-
regung und spann sie fort. Die Entente aber machte solche Vor-
behalte und Schwierigkeiten, daß die Bewegung Lm Sande verlief.
Am 9. Januar i o)S verkündete Wilson in einer Botschaft an den
amerikanischen Senat seine berühmten „Vierzehn Punkte", die er als
die einzig mögliche Grundlage eines gerechten und dauerhaften Frie-
dens bezeichnete. In fast völliger idealer Übereinstimmung mit den
Russen proklamierte er das Selbstbestimmungsrecht der Völker und
die Freiheit der Meere. Die konkreten Punkte feines Friedensvor-
schlages betrafen die Wiederherstellung Belgiens, Serbiens und Ru-
mäniens, die Herausgabe Elsaß-Lothringens an Frankreich, die Be-
richtigung der italienischen Grenze gegenüber Österreich nach der Na-
tionalitätengrenze, die Herstellung eines freien Polens mit Zugang
zum Meere, die Räumung aller Lm Osten von deutschen und öster-
reichischen Truppen besetzten Gebiete und die eigenstaatliche Umbil-
dung der verschiedenen Völker Österreich-Ungarns.
Deutschland wies durch den Mund des Reichskanzlers Grafen Bert-
ling die Zumutung, reichsdeutsche Gebiete abzutreten, energisch zurück.
Die Österreicher schlossen sich an. Die Entente schwieg.
Das deutsche Volk litt im Innern unsäglich unter der Hunger-
blockade. Schon im Winter )9)6!)7 hatten große marxistische Streiks
der Arbeiterschaft einen wesentlichen Teil der deutschen Rüstungs-
industrie für einige Zeit lahmgelegt.
Seit dem Friedensschluß mit Rußland hatten die Kommunisten
145
*0 Sperrfeuer, Jugendausgabe
in der Berliner Sowjetgesandtschaft ihre mit allen Rechten der Exter-
ritorität geschützte Propagandazentrale.
Dennoch raffte sich das Volk als Ganzes noch einmal zur Hoff-
nung auf, es fieberte mit der Inbrunst eines Gläubigen der großen
Entscheidung entgegen.
Die Oberste Heeresleitung schöpfte ihren Glauben an sie, diese
siegreiche Entscheidung, aus drei Tatsachen. Die erste war die Über-
legenheit des deutschen Soldaten im Angriff gegen jeden Gegner des
Weltkrieges. Die zweite war der noch nicht zur Auswirkung ge-
kommene Einsatz der Amerikaner.
Die entscheidende dritte Tatsache aber lag darin, daß es zum
erstenmal während des ganzen Krieges ermöglicht worden war, fast
das gesamte deutsche Feldheer im Westen zu vereinigen und dadurch
die zahlenmäßige Überlegenheit der Gegner auszugleichen.
Die grundsätzliche Umstellung der Truppe auf den Offensiv-
gedanken wurde im Winter 10)7/16 ebenso energisch und systematisch
durchgeführt, wie im Winter 1016/) 7 die Umstellung auf den Ab-
wehrgedanken erfolgt war. Alle Divisionen kamen auf längere Zeit
in Ruhe, Hier lernten sie wieder die Formen des Bewegungskrieges,
die bei der Erstarrung der Westkämpfe in beinahe sagenhafte Ferne
gerückt waren. Es entstand eine Spezialangriffstruppe, die zum
offensiven Einsatz in erster Linie und an den Brennpunkten der kom-
menden Kämpfe bestimmt war.
Die schärfsten Maßnahmen wurden zur Sicherstellung des Er-
satzes aus der Heimat ergriffen. Trotzdem war bis zum gerbst )Y)S
ein Fehlbestand von einer halben Million Soldaten vorauszusehen.
Es handelte sich um die letzte Entscheidung. Sie mußte so bald
wie möglich fallen.
Nach eingehenden Erwägungen entschloß man sich, den ersten und
größten Schlag gegen die englische Front zu führen. Die Front zwi-
schen Arras im Norden und La Fere im Süden, beiderseits St. Ouen-
tin, wurde ausgewählt. Der Angriff mußte dort mitten über das im
Frühjahr )§17 geräumte und zerstörte Siegfried-Gelände und über
das alte Schlachtfeld beiderseits der Somme führen. Gleichwohl hielt
man an diesem Abschnitt fest, weil er die Aussicht bot, die Engländer
von den Franzosen zu trennen und nach Norden hin aufzurollen.
Die Breite des Angriffsraums betrug 75 Kilometer. Drei Armeen
wurden eingesetzt, die )7. im Norden, die r. in der Mitte und die
)S. im Süden des Angriffsabschnittes. Die Oberste Heeresleitung
ging mit ihrer Operationsabteilung nach Avesnes, um dicht hinter
den angreifenden Armeen zu sein. Das eigentliche Große Hauptquar-
tier siedelte von Kreuznach nach Spaa in Belgien über.
146
17.Armee
lapauwa
.Armee
21.3.
«l&Armee
loreui!
StGobam
^•ZArmee
Alle die tausend Befehle, die seit Monaten den großen Angriff
betreffen, sprechen vom Tage x. Der Tag x, der unbekannte, wird
der Angriffstag sein. Befehle, die den Tag x betreffen, sind streng
geheim und dürfen nur von Offizieren bearbeitet werden.
Am iS. März 19)6, gegen Abend, gibt die Oberste Heeresleitung
die kurze Anweisung, daß der Tag x — ri. März ist.
Mehr braucht die Oberste Heeresleitung nicht zu befehlen.
Punkt vier Uhr vierzig Minuten hat das deutsche Trommelfeuer
begonnen. Es bellt und rollt und brüllt und zischt. Und dann ver-
mengt sich alles zu einem einzigen dumpfen Brummen.
Von den Engländern ist nichts zu merken. Die Uhr zeigt neun
Uhr dreißig Minuten, vloch zehn Minuten.
Erläuterung^
—. Deuts che LJ nie rorBeginn
des Angriffs am 213. J8.
m—Deutsche bis zum 30.3. errdchteb'nie.
Deutsche durch denAnqriff
"** * am £ erreichte Linie. f
21.3.
'e/Ucourt _
30 Km
Die große Schlacht in Frankreich.
10*
147
Dann ist plötzlich alles in Bewegung. Und es geht wie es soll.
Die Angriffskraft der deutschen Infanterie im Verein mit der
Präzisionsarbeit der Artillerie vertreibt den Feind aus seinen jahre-
lang innegehabten Stellungen und zwingt ihn in den freien Raum
hinein. Im ersten Anlauf waren Erfolge erreicht worden, um die sich
Engländer und Franzosen trotz ungeheurer materieller Überlegenheit
Ln einem halben Dutzend monatelanger Materialschlachten vergeblich
bemüht hatten.
Der strategische Grundgedanke war die Absicht, das englische und
das französische 'Heer auseinanderzureißen, die Engländer gegen die
Küste bei Abbeville, die Franzosen auf Paris zu werfen und beide
entscheidend zu schlagen.
6c Kilometer tief klafft der Durchbruch, ein ungeheurer Keil auf
einer Basis von fünfundsiebzig Kilometern Breite. 250 Tanks, )5oo
Geschütze und 90 000 Gefangene werden gezählt. Den Angriffstruppen
fallen in ununterbrochenen Kämpfen ungeheure Vorräte an Lebens-
mitteln und Ausrüstungsgegenständen Ln die Hände.
Ist die Große Schlacht entschiedene Ist die erstrebte freie Opera-
tion gegen die zertrümmerten Engländer und gegen den eingedrückten
Nordflügel schon im Gange) wird man — es ist noch kaum zu faffen
— zum zweiten Male vor Paris gelangen, das auf der Karte noch
drei gute Tagemärsche entfernt ist) Ist die Große Schlacht ent-
schieden, die letzte, die Entscheidungsschlacht)
Am 27. März )91§ stand der gewaltige Völkerkrieg auf der
Schneide eines Messers.
Seitdem die englische 5. Armee nordwestlich auf Amiens zu weichen
begann, entblößte sie auch den Raum nördlich Montdidier. Nun ent-
stand hier ein breites Loch, zu dessen Ausfüllung einstweilen nicht ein
einziges Bataillon zur Verfügung stand.
In diesem kritischsten Augenblick, den die Alliierten seit der
Marneschlacht vom September 19)4 durchzumachen hatten, dachte
jeder nur an seine eigenen Interessen. „Die englischen Armeen", so
schildert der französische General Mangin die Lage vom 26. März,
„werden nach dem Meere zurückgehen, die französischen auf Paris.
Die tödliche Trennung wird sich vollenden, und den Deutschen steht
der weg nach Paris offen. Das Unglück steht unmittelbar vor der
Türe, weil kein gemeinsamer Führer da ist."
Die französische Regierung bereitete abermals ihre Übersiedlung
nach Bordeaux vor. Die Schicksalsstunde war da.
Da erhob sich im Kriegsrat der Alliierten der Generalstabschef
des französischen Heeres, General Foch,.der sich -9)4 schon während
der Marneschlacht und später an der Somme durch seine unerschütter-
liche Ruhe ausgezeichnet hatte, um in einem sorgfältigen Vortrag aus-
146
einanderzusetzen, daß man die Lage nicht mit einem übertriebenen
Pessimismus betrachten dürfe. Indem er Zahlen über die vorhan-
denen alliierten Reserven, über den Kräfteverschleiß der Deutschen
während ihres bisherigen Vormarsches und über die Transportver-
hältniffe hinter der englisch-französischen Front vorlegte, behauptete
er, daß es sehr wohl möglich sei, binnen wenigen Tagen den strate-
gischen Ausgleich in der bisherigen Linie herbeizuführen.
Zwei Vorbedingungen seien allerdings zu erfüllen. Zum ersten
müsse der Gedanke an ein Zurückweichen der Engländer auf Abbeville
und der Franzosen auf Paris vollständig aufgegeben werden. Zum
zweiten sei es erforderlich, sofort eine Zentralstelle zu schaffen, die das
freie Verfügungsrecht über alle englischen und französischen Reserven
habe. Nur wenn man in dem Augenblick, in dem der Grundsatz einer
gemeinsamen Kriegführung ganz verlorenzugehen drohe, den Mut
aufbringe, ihn vollkommen herzustellen, könne die Lage gemeistert
werden.
Fochs ruhige Auffassung wirkte Wunder. Er erhielt den Auf-
trag, „das Zusammenwirken der beiden Heere zu sichern".
Die ersten Befehle des neuen Generalissimus lauteten, daß die
Rückzugsbewegungen einzustellen und daß alle erreichbaren fran-
zösischen Reserven vor das bedrohte Amiens zu bringen seien.
Montdidier brennt Ln Hellen Flammen. Drüben im Westen klebt
die Schlacht an den jenseitigen hängen. Es ist ein Schlachtenpano-
rama, das in seiner grandiosen Übersichtlichkeit fast an ein Gemälde
von Schlachten aus dem Kriege i $70/7) erinnert. Der Gegner drüben
— das ist das Kennzeichnende — ist jetzt nicht mehr khakibraun wie
bisher, sondern graublau. Es ist auch keine Verfolgung mehr, was
jetzt durchgemacht werden muß, sondern der Kampf gegen einen neuen
Feind in offener Angriffsschlacht.
Noch am Abend greifen die deutschen Regimenter abermals an.
Der Angriff wird abgewiesen. Die Truppe ist stark ermüdet und hat
tagsüber große Verluste gehabt. Sie ist innerlich schon verwandelt.
Es stellt sich heraus, daß die große Wucht der ersten Angriffstage
hauptsächlich aus dem Empfinden stammte, daß dies der letzte Angriff
sei. Der neue widerstand erregt die ersten Zweifel. Auf die Hoch-
stimmung folgt der Rückschlag. Diese Gefechte, die hier jenseits Mont-
didier brodeln, ähneln schon wieder mit einer verzweifelten Ähnlich-
keit dem gegenseitigen Abringen beiderseits ermatteter Kräfte, wie
man es aus den Materialschlachten kennt.
Noch sieht die höhere Führung das nicht. Vielleicht ist es dem
einzelnen Mann nicht einmal bewußt. Aber dennoch ist es schon da
— das Zurücksinken in die trostlose Dumpfheit der Resignation.
Da keine frischen Reserven mehr vorhanden sind, kann man sich
ausrechnen, daß die siebentägige Große Schlacht mit ihrem gewal-
tigen Siegeslauf von St. Ouentin bis nach Montdidier und darüber
hinaus zu Ende ist.
was sollte jetzt werden*
Am 4. April 1916 erfolgt der letzte Angriff der r. Armee gegen
Amiens; am 6. April greift die 7. Armee im Raume westlich Laon
an und dringt bis zum Oise—ALsne-Kanal bei Louey le THLteau vor;
am 9. April bricht das deutsche Trommelfeuer beiderseits Armentieres
auf dreißig Kilometer breiter Front los und leitet den zweiten Schlag
gegen die Engländer ein.
Die Oberste Heeresleitung hat wohl damit gerechnet, daß man
die Heere der Entente nicht in einer einzigen Schlacht zu Boden
werfen könne, während die Große Schlacht dramatisch abrollt, gehen
die Vorbereitungen zur zweiten Aktion ununterbrochen weiter. Zug
um Zug fahren die zwischen Arras und La Fere frei werdenden
schweren Batterien nach Lille hinauf.
Die Angriffspläne sind durch die Oberkommandos der 6. Armee
des Generals von Ouast und der 4. Armee des Generals Sixt von
Armin seit langem ausgearbeitet. Der Grundsatz der neuen Operation
liegt in der Absicht, die Niederwerfung der durch die erste Operation
stark geschwächten Engländer zu vollenden, Hat man sie gezwungen,
ihre Abwehrkraft im Süden zu konzentrieren, so will man sie jetzt
im Norden anpacken.
Zwischen La Baffee, Armentieres, der Lys bei Warneton, bis hin-
auf in das Schlammfeld der Flandernschlacht erstreckt sich der An-
griffsabschnitt. Gelingt es, der Lys und der Douve folgend, bis nach
Hazebrouck und Cassel durchzudringen und vor allem das Kemmel-
massiv südwestlich Rpern zu erobern, so ist die ganze englische Nord-
front zwischen dem Meere und der flandrischen Metropole unhaltbar
geworden. Von hier aus werden Calais und Dünkirchen beherrscht.
Die taktischen Grundsätze der Vorbereitung und des ersten An-
griffs sind die gleichen, die sich am ri. März so gut bewährt haben.
Am Nachmittag erreicht die 6. Armee die Lys. Sie hat einen
zehn Kilometer tiefen Keil in die feindliche Front hineingetrieben.
Die Truppen haben sich hervorragend geschlagen. An einer schmalen
Stelle ist es sogar gelungen, das Flüßchen zu überschreiten.
Bei erster Morgendämmerung des 10. April raffelt das Massen-
feuer der deutschen Artillerie im Abschnitt der 4. Armee, die sich am
ersten Tage abwartend verhalten hat und planmäßig jetzt zum Unter-
stützungsangriff antritt. Zwischen Frelinghien und Zandvoorde, in
der Flandernschlacht zu furchtbarem Ruhm gelangt, entfesselt sich die
Schlacht.
tZin Iahr ist es her, daß jene grauenhaften Erdminensprengungen
den Wytschaete-Bogen zwischen Warneton, Messines, wytschaete und
St. Eloi zum jähen Einsturz gebracht, heute tobt abermals der
Kampf um Messines, um wytschaete, die hochgelegenen Dorftrümmer.
Es ist das drittemal, daß hier Bajonette und Handgranaten arbeiten.
Nicht genug damit, soll es später auch noch zum vierten- und letzten-
mal kommen.
Ein noch größeres Ergebnis bringt der am jo. April fortgesetzte
Stoß im Süden des Schlachtfeldes. Die 6. 2trmee müht sich den
ganzen Tag um die Lys-Linie.
Armentieres, das jetzt ins Zentrum der Schlachtfront gerückt ist,
wird beim beiderseitigen Angriff ausgespart. Der Druck, den die
4. Armee von Norden her ausübt, nimmt die Stadt Ln eine eiserne
Zange. Als im Laufe des i). April auch im Süden die Bataillone
der 6. Armee über die Lys gelangt sind, müssen die Engländer hals
über Kopf hinaus. Auf der ganzen Front zwischen Rpern und La
Baffee brodelt in der Nacht schweres Artilleriefeuer. Am 15. April
sind im Südteile des Schlachtfeldes Merville und Meteren erreicht.
Die schweren Kämpfe, die am 10. April auf der Front der 4. Armee
begonnen, setzen sich über eine ganze Woche fort.
Der starke Druck gegen den Kemmel veranlaßt die Engländer,
ihre Front Ln der Nacht zum )6. April dicht auf Rpern zurück-
zunehmen. Nacheinander fallen jene gottverlassenen Räume Ln deutsche
Hand, auf denen bis zum Juli 1017 die Dörfer Poelkapelle, passchen-
daele, Zonnebeke und Gheluvelt gestanden. Bis dicht an Langemark
und Ln den Steenebeek-Grund schiebt sich die neue Linie vor. hand-
greiflich liegt der große Schutthaufen Rpern vor den deutschen Posten.
Nach den Erfahrungen, die man in der Großen Schlacht gemacht
hat, muß die Schlacht von Armentieres als beendet betrachtet werden.
Noch einmal schießt die schon erlöschende Glut der Kämpfe zu
einer jähen Flamme empor. Am 25. April stürmen deutsche Divi-
sionen, unter ihnen das vielbewährte Alpenkorps, aus bayerischen
und preußischen Regimentern zusammengesetzt, das Kemmelmassiv
zwischen Bailleul und Rpern.
Es ist eine Ln die grandiosen Ausmaße des Weltkrieges übersetzte
Erstürmung der Spicherer Berge von ) §70. Noch einmal wird nach
den alten guten Regeln deutscher Manneszucht und Todesverachtung
attackiert. Noch einmal kreuzen sich die Bajonette inmitten des Ge-
wühls von Flammenwerfern, Fliegern, Handgranaten, Minenwer-
fern, Maschinengewehren, Granaten und Schrapnells. Noch einmal
fährt die Artillerie mitten in den Streugarben der Maschinengewehre
auf und feuert mit direktem Schuß Ln die feindlichen Onfanterielinien.
wäre es gelungen, den Angriff noch zehn Kilometer tiefer zu
treiben, so hätte er zum Zusammenbruch der ganzen englischen Nord-
front führen müssen.
Die tiefe Erschöpfung der deutschen Truppen erlaubt nicht, an
einen neuen Angriff in diesem Abschnitt zu denken. Der Kräftever-
brauch Ln den beiden bisherigen Schlachten ist so groß, daß ein Er-
folg neuer Schläge nur noch da erwartet werden kann, wo man dem
Gegner überraschend gegenübertreten wird.
Auch die Entente hatte ihre großen Sorgen. Der Verlust von
einer halben Million Menschen, von rooo Geschützen und einigen
hundert Tanks, dazu die beiden drohenden Ausbeulungen ihrer Front
im Norden auf Hazebrouck und im Zentrum auf Amiens zu, blieben
nicht ohne Wirkung. Schlimmer noch war die Ungewißheit über die
Stelle des neuen deutschen Angriffs, der mit Sicherheit erwartet
wurde. Sehnsüchtig schauten Paris und London nach der amerikani-
schen Hilfe aus.
wie gespannt aber damals trotz aller Siege die Lage Deutsch-
lands war, ging daraus hervor, daß es den verzweifelten Anstren-
gungen der Unterseeboote nicht gelang, den mächtig anschwellenden
Zustrom amerikanischer Truppen zu hemmen. Die feindliche Abwehr
hatte sich Ln drei Jahren immer mehr vervollkommnet.
Niemand konnte sich darüber im unklaren sein, daß die Berech-
nungen der Marine über die voraussichtlichen Wirkungen des Unter-
seebootkrieges getäuscht hatten. Der Unterseebootkrieg hatte sich tot-
gelaufen.
Es nützt uns heute nichts mehr, wenn Lloyd George einige Jahre
nach dem Krieg erklärte: „hätten die Deutschen ihre Unterseeboot-
waffe auch nur kurze Zeit früher eingesetzt — wer weiß, ob dann
Großbritannien heute noch bestünde."
Unter Beibehaltung des Zieles der Vernichtung der Engländer
beschloß die Oberste Heeresleitung, zunächst einen Ablenkungsangriff
gegen die Franzosen zu führen, waren die alliierten Reserven an
die neue Stelle gerückt, so sollte der Hauptstoß gegen die Engländer
wieder einsetzen.
Als Kampfabschnitt des Ablenkungsangriffes wurde die Front-
breite der 7. Armee des Generals von Boehn bestimmt. Die Armee
hielt den Raum zwischen Soissons und Reims mit den Flußgebieten
der ALsne und der Vesle.
weit im Süden lag die Marne. Aber so weit war das Ziel des
Angriffs nicht gesteckt. Er sollte nur bis in das Tal der Vesle ge-
führt werden.
Die )S. Armee erhielt den Auftrag, einen unterstützenden Angriff
ihres linken Flügels zwischen Vioyon und Lhauny vorzubereiten, um
den Zusammenfluß von ALsne und Oise bei Lompiegne zu erreichen»
Auch die ). Armee, als linker Nachbar der 7., bereitete sich zur Unter-
stützung vor.
Dreißig Vollausgerüstete Divisionen rückten in die Angriffsräume»
Viereinhalbtausend Geschütze waren eingebaut.
2m ersten Zwielicht des 27. Mai, um vier Uhr vierzig vormit-
tags, setzt sich die Feuerwalze, die im Ailette-Grund liegt, gegen den
Nordhang des Lhemin des Dames in Bewegung. Auf dem Fuße
folgt ihr die Infanterie.
2m Handumdrehen bemächtigen sich die Stoßtrupps der Über-
gänge über den Ailette-Kanal.
Zwei Stunden nach Angriffsbeginn stehen die ersten Geschütze dev
Sturmbegleitbatterien am Rand des Lhemin des Dames und feuern
mit direktem Schuß in die weichenden Gegner. 2m Süden breitet
sich das Tal der Aisne. Überall kann man die feindliche Artillerie im
Abbau beobachten.
Die Wucht des Angriffs nimmt zu.
Durch hochgewachsene Saat, durch blühende Gärten, über Dörfer
hinweg, in deren Keller sich die jäh überraschte Zivilbevölkerung ge-
rettet hat, jagt der Angriff immer weiter. Ungeheure Vorräte fallen
den Truppen in die Hand. Der Feind hat nicht Zeit gefunden, sie zu
Vernichten.
Gegen Abend, bei sinkender Sonne, steigen die deutschen Batail-
lone kämpfend von Norden her ins Tal der Vesle hinab. Nicht ge-
nug damit, überschreiten einzelne Bataillone die Vesle zwischen
Braisne und Fismes. An einem einzigen Tage sind die Punkte er-
reicht, die ursprünglich als Ziel der ganzen Operation bestimmt-waren.
Es ist ein Angriffserfolg wie selten einer im Weltkriege.
Foch glaubt immer noch, daß es sich hier nur um ein deutsches
Ablenkungsmanöver handelt. Der ganze Ernst der Lage kommt ihm
erst zum Bewußtsein, als die Deutschen am rS. Mai ihren Vormarsch
mit ungebrochener Kraft fortsetzen. Die Oberste Heeresleitung ist zu
dem Entschluß gekommen, die Operation womöglich zu einem großen
Schlag zu erweitern.
Unaufhaltsam geht es vorwärts. Am Morgen des 29. Mai fällt
Soiffons. Mächtig drückt die 7. Armee gegen den Wald von Villers
Lotterets. 2m Zentrum erreichen die Regimenter am Abend des
29. Mai den Oberlauf des Ourcq. 2m Osten gelingt es trotz aller
Anstrengungen der ). Armee nicht, die Trümmerstadt Reims zu
nehmen. Westflügel und Zentrum bleiben auch in den nächsten Tagen
noch im Fluß. Aber die Kämpfe werden jetzt von Stunde zu Stunde
zäher. Die Kraft des Angriffs erlahmt.
Allein im Zentrum steigen die Angreifer am 30. Mai nach einem
Siegeslauf in vierzig Kilometer Tiefe, über vier Höhenzüge und
über drei quergelagerte Flußläufe hinweg, in das Tal jenes Flusses
hinab, der schon einmal das Schicksal der deutschen Armee bedeutet
hat. Zwischen LHLteau Thierry und Dormans wird die Marne
erreicht.
Der halbe weg nach Paris ist zurückgelegt. Von Montdidier und
von LHLteau Thierry her greifen die Klauen einer gewaltigen Zange
gegen die feindliche Hauptstadt, wird diese Klaue zu schließen seirN
An der Marne läuft sich der Angriff aus.
Die deutschen Stoßdivisionen sind ausgezehrt, sie müssen Ruhe
haben. Gelänge es jetzt, mit starken Kräften zuzufassen, man stünde
am Vorabend eines großen Sieges.
Es ist kein Zweifel darüber möglich, daß die neuerreichte Linie
in dem Augenblick eine schwere Gefahr bedeutet, in welchem die
Alliierten stark genug sein werden, zu geschlossenen Gegenaktionen
vorzugehen. Sie hat zwischen Soiffons und der Marne und zwischen
der Marne und Reims zwei je vierzig Kilometer lange Flanken, die
durch den Wald von Villers Lotterets und den Reimser Bergwald
bedroht sind. Sie verfügt dazu nur über eine einzige Bahnlinie, die
von Laon über Soissons nach Fismes und Fere en Tardenois führt
und die bei Soiffons sogar unter dem Fernfeuer der feindlichen Ar-
tillerie liegt.
Bis zum 14. Iuni erstrecken sich blutige Kämpfe ohne größeren
Geländegewinn. Dann wird der Angriff auf Befehl der Obersten
Heeresleitung angehalten. Lompiegne wird nicht mehr erreicht. Die
Gefahr, die vom Wald von Villers Lotterets her droht, bleibt be-
stehen.
Als die Nachricht vom neuen Erscheinen der Deutschen an der
Marne nach Paris gelangt, gerät die Stadt in furchtbare Erregung.
LlLmenceau aber, der alte „Tiger", tritt vor das erregte Parlament
und lehnt jeden Gedanken an eine neue Flucht der Regierung ab.
Unterdessen geht die Oberste Heeresleitung daran, gestützt auf ihr
festes Vertrauen in den Sieg, ihren neuen Angriff vorzubereiten.
rr. Kapitel
Der Umschwung
Zum letztenmal in der Geschichte dieses gigantischen Krieges, zum
letztenmal in ihrer eigenen Geschichte schickte sich die österreichische
Armee an, ihrem deutschen Bundesgenossen beizuspringen. Vom junger
-54
zermürbt, durch den rasch fortschreitenden politischen Zerfall gelähmt,
ohne richtige Ausrüstung und mit ungenügendem Munitionsaufwand
läßt Kaiser Karl seine Divisionen sich aufstellen. Er selbst führt den
Oberbefehl. Zwischen Brenta und Piave soll der Angriff beginnen
und in raschem Vorwärtsdringen gegen Venedig führen.
Noch einmal tritt Lonrad von Hoetzendorf, der unglückliche Feld-
herr einer unglücklichen Armee, in den Vordergrund. Jetzt aber wer-
den die an der Piave-Front befehligenden Generale ungehalten und
erwirken, daß der ursprüngliche Operationsplan, der auf einer Breite
von dreißig Kilometern gedacht war, leichtfertig auf einhundertfünf-
zig Kilometer ausgedehnt wird.
während die österreichischen Divisionen kaum noch Aktionsfähig-
keit besitzen, sind die Führer eifersüchtig damit beschäftigt, Vorschuß-
lorbeeren untereinander zu verteilen.
Am 15. Juni i o)S, unmittelbar anschließend an die deutsche Ope-
ration gegen die Marne, schlägt die Stunde der letzten aktiven Kriegs-
handlung der k. u. k. Armee. Hunderte von Überläufern haben seit
Wochen die Gegner über alle Einzelheiten unterrichtet.
Lonrad von Hoetzendorfs Truppen gelangen an einigen Stellen Ln
die planmäßig geräumte vordere Linie, werden aber unter schweren
Verlusten durch Gegenstoß geworfen. Zu einem zweiten Versuch sind
sie nicht fähig.
Nur am Oberlauf des Piave, dort, wo der Fluß aus den Alpen
heraustritt und östlich um das gewaltige Massiv des Montello herum-
geht, kommt es zu einer letzten glänzenden, wenn auch in ihrem Ver-
lauf unglücklichen Waffentat. Der Nordsiügel der Heeresgruppe Bo-
roevic dringt mit einem Dutzend Divisionen über den Fluß und er-
obert Ln hartnäckigen Kämpfen den ganzen Bergblock. Da öffnet der
Fimmel unerwartet seine Schleusen, was dem Gegner nicht gelingt,
schaffen die Elemente Ln kurzer Zeit. Unbesiegt, vom Feuer der Ar-
tillerie geleitet, bei Nacht, Sturm und dem wilden Rauschen der
Wasser kehren die Trümmer jener wackeren Divisionen über den
Piave zurück. So endet der letzte Angriff der österreichischen Armee.
Die Entente verbreitet die Kunde von einem gewaltigen Sieg und
füllt die ganze Welt damit an.
Die Niederlage Ln Italien ist das erste unverkennbare Anzeichen
des Zusammenbruchs. Von nun an sollte es Schlag auf Schlag gehen,
ohne Atemholen, mit rasch zunehmender Wucht, bis zum bitteren
Ende.
Es geht in den Juli.
Ende Juni steht die erste Million amerikanischer Soldaten auf
französischem Boden. Im Bogen von St. Mihiel, südöstlich Verdun,
\)<xbtn sie eine selbständige Armee unter General Pershing gebildet.
Sie schwellen an wie eine Lawine.
Die Waffen sprechen. Sie klirren von der Nordsee bis hinab
nach Verdun. Es heißt nur noch Sieg oder Niederlage.
Die deutschen Kampfdivisionen sind zusammengeschmolzen. In
der Heimat beginnt sich das heimliche Korps der Drückeberger und
Fahnenflüchtigen immer offener bemerkbar zu machen. Fahnenflucht
gilt nicht mehr als Schande, sondern als ein Beweis von Klugheit.
Schwerer senkt sich die Last des Krieges auf die gebeugten Schul-
tern der wenigen, der Stummen, der pflichterfüller, der Unwandel-
baren. In der Gefechtslinie wird es immer menschenleerer. Aber
diese wenigen treffen sich immer vorn, wo das Schicksal sie hingestellt
hat. Sie wissen, daß jetzt nur ein Einziges noch gilt. Dieses Einzige
heißt — ausharren.
Rastlos gehen die Vorbereitungen der Obersten Heeresleitung wei-
ter. Ihre größte Sorge ist die, dem Gegner die Initiative nicht zu
überlassen.
Nach der Ablenkungsoffensive gegen die Franzosen an der Marne
soll nun der neue Entscheidungsstoß gegen die Engländer zwischen
Rpern und Arras folgen, der bestimmt ist, das zu vollenden, was im
April durch die Schlacht von Armentieres nicht hatte erreicht werden
können.
Aber zum zweiten Male muß die Oberste Heeresleitung sich von
der bitteren Notwendigkeit überzeugen, daß die Truppen Ruhe nötig
haben.
Inzwischen konzentriert General Foch seine an der Marne wieder
frei werdenden Divisionen zwischen Aisne und Marne. Das bedingt
eine neue Bindungsoffenstve gegen die Franzosen. Ihr soll dann die
Hauptoffensive gegen die Engländer auf dem Fuße folgen.
Der zweite Ablenkungsstoß soll nach den bisherigen Methoden
beiderseits Reims stattfinden und auf den Marne-Abschnitt zwischen
Epernay und Lhalons gerichtet sein. Er wird für den )5. Juli )0)S
befohlen.
Die Julinacht ist pechschwarz und schwül. Eine Stunde nach Mit-
ternacht vermischt sich mit dem poltern eines herannahenden Ge-
witters ein anderes wetterleuchten. Das ganze Marnetal brüllt.
Es stinkt von Pulverschwaden und süßlichem Gasgeruch, wie das
Rauschen eines mächtigen unsichtbaren Schleiers weht es über die
Marne hinweg. An tausend schwere Minen sind gleichzeitig abge-
feuert worden und auf das feindliche Ufer niedergefallen.
Das ist der Augenblick, in dem alle Pontons den Fluß über-
queren. Die Stoßtrupps stürzen vor. Schwach kommt über die
Berge im Süden das erste Morgenlicht. Dormans ist schon gefallen.
Den ganzen Tag über währt erbittertes Ringen. Am Abend sind
die deutschen Regimenter auf zwanzig Kilometer Breite beiderseits
Dormans über die Marne gelangt. Aber unter welchen Verlusten!
Es gibt Kompanien, die nur noch eine Handvoll Gewehre zählen.
Die übergegangenen Truppen hängen an den dünnen Fäden einiger
Brücken, die von der feindlichen Artillerie und den Fliegern immer
wieder zerrissen werden. Nach heroischen Kämpfen ist man in eine
unhaltbare Linie gelangt.
Seit Mitternacht dieses 15. Juli stehen auch die j. und die
3. Armee östlich von Reims in der Champagne in einem aussichts-
losen Ringen.
Die Schlacht ist verloren.
Der vierte große Angriffsstoß Ln der Serie der seit dem März
eingeleiteten Operationen ist gescheitert. Niemand vermag an der
Niederlage zu deuteln.
Die Oberste Heeresleitung weiß in dieser Stunde noch nicht, daß
der Feind die Zeit, den Ort und den Umfang des Angriffs seit etwa
zehn Tagen ganz genau gekannt hat. Noch kann man den Verrat
nur ahnen. Später stellt sich das Furchtbare heraus. Auf dem Wege
über die deutsche Heimat waren bestimmte Angaben an den feind-
lichen Spionagedienst gelangt. Die deutschen Divisionen rannten Ln
das sichere Verderben.
Am Abend des ) 7. Juli fährt General Ludendorff aus dem Großen
Hauptquartier Ln Avesnes zum Stabe der Heeresgruppe Kronprinz
Rupprecht. Es ist der Tag nach der Einstellung des Reims-Angriffes.
Am frühen Morgen des i s. Juli beginnen die Besprechungen mit
der Heeresgruppe über die neue Operation in Richtung auf Haze-
brouck und Laffel mit dem Ziel der Meeresküste bei Dünkirchen und
Calais. Alle Erörterungen stehen unter dem Gesichtspunkt, die Zeit
des Angriffes möglichst früh anzusetzen, denn er soll nicht nur die
Engländer entscheidend treffen, er muß auch das Zentrum der deut-
schen Front an der Marne entlasten. Alles kommt darauf an, vor
der Entente schlagfertig zu sein, wer zuerst bereit ist, der wird ge-
winnen.
Mitten aus den Beratungen heraus wird Ludendorff ans Tele-
phon gerufen. Die Operationsabteilung in Avesnes. Fünf Minuten
Gespräch. Als der General zurückkehrt, ist in seinem Gesicht keine
Veränderung zu bemerken.
Die Würfel sind gefallen.
Man hat ihm mitgeteilt, daß am heutigen Morgen zwischen
Soissons und LHLteau Thierry, auf vierzig Kilometer breiter Front,
mehrere französische Armeen mit vielen hundert Tanks angegriffen
und die deutschen Stellungsdivisionen überrannt haben. Reserven
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sind nid)t da. Der Feind ist zur Zeit sechs Kilometer tief eingedrungen.
Die deutsche Feldartillerie ist verloren. Die Gefangenenziffern sind
sehr hoch. Die Schlacht ist noch nicht zum Stehen gekommen.
Der Wald von Villers Lotterets ist zum Verhängnis geworden.
General Ludendorff kehrt nach Avesnes zurück. Um zwei Uhr
mittags empfängt Hindenburg ihn dort am Bahnhof. Sie brauchen
nicht viel zu sprechen. Sie wissen, was diese Stunde bedeutet.
Im fürchterlichen Andrang der Ereignisse bleibt keine Zeit, sich
Rechenschaft darüber abzulegen, was dieses zweite Unglück an der
Marne für die Gesamtlage bedeutet.
Aber alle wissen es schon — der Feldzug von )0)S ist gescheitert,
was jetzt kommt, ist nur noch der Kampf um ein erträgliches Ende.
Nachdem der Schrecken vom ja. Juli überwunden, besinnt sich
die Truppe auf ihre Kraft und die Wirksamkeit ihrer Waffen. Un-
unterbrochen lärmt die Schlacht im Marnebogen am 10. und am
20. Juli. In der Nacht zum 2j. vollführt die 7. Armee ihren be-
fohlenen Rückzug hinter den Fluß.
Die Oberste Heeresleitung hat sich inzwischen davon überzeugt,
daß der Marnebogen nicht mehr zu halten ist. Die Initiative der
Schlacht ist an den Feind übergegangen. Verzicht auf Verzicht wird
der deutschen Führung abgerungen. Am rr. Juli schon hat man die
Flandern-Offensive opfern müssen. Dann muß der Gedanke der Offen-
sive überhaupt aufgegeben werden. Jetzt ist als erster weithin sicht-
barer Verzicht die Räumung des gesamten Marnebogens an der Reihe.
Damit geht der ganze Gewinn jener glücklichen Angriffsschlacht
zwischen Soiffons und Reims verloren. Jeder Tag bringt bittere
Wahrheiten.
Schrittweise, unter fortwährender Abwehr heftiger feindlicher
Angriffe, geht die deutsche Front auf die Vesle zurück. Am r. August
ist die Bewegung beendet.
Zum zweitenmal verliert nach vier Jahren das deutsche Heer die
Marneschlacht, weil der rechte Flügel zu schwach war. Diesmal ge-
stattet das Schicksal keine Wiedergutmachung. Sein Spruch ist end-
gültig.
Inmitten lebhaft bewegter Fronten, an denen sich fast überall
große feindliche Angriffe ankündigten, blieb nun die harte Aufgabe,
sich über die Folgen klarzuwerden. In der Verteidigung glaubte man
dem Feind noch lange Zeit gewachsen zu sein. Trotzdem blieben
Bedenken genug.
Vier Angriffsschlachten lagen hinter unserem Heer, eine schwerer
als die andere. Zum größten Teile mußten alle vier von den gleichen
Divisionen geschlagen werden. Die erste Abwehrschlacht nach diesen
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Angriffsschlachten hatte gezeigt, wie weit die Erschöpfung der Truppe
ging.
Noch stand man tief auf feindlichem Boden. Auch die Kräfte der
Entente verzehrten sich im Angriff. Nichts schien zu übereilten Ent-
schlüssen zu drängen. Im Einblick auf spätere Versuche, zu einem
tragbaren Frieden zu kommen, verzichtete die Oberste Heeresleitung
auf den Plan, sofort in die Siegfriedstellung zurückzugehen.
Da trifft die r. Armee am S. August der neue Schlag der Entente.
Beiderseits Villers Bretonneux, auf dreißig Kilometer Front-
breite, brechen nach wenigen Minuten eines rasenden Artilleriefeuers
Hunderte englischer Tanks in die deutschen Stellungen ein. Künstliche
Nebelschwaden verbergen sie. Die Artillerie kommt überhaupt nicht
zu Schuß. Die vorn gebliebene deutsche Infanterie wird von aus-
geruhten kanadischen, australischen und französischen Divisionen über-
rumpelt. panischer Schrecken vor den Tanks und Kampfüberdruß
lassen sie aus den fänden ihrer Offiziere gleiten.
Zwei Stunden nach Beginn des Angriffs erscheinen Tankgeschwa-
der mit englischer Kavallerie vierzehn Kilometer tief hinter der
deutschen Front. Ist dies das Ende?
Nein, es ist nicht das Ende, noch lange nicht!
Es gibt noch immer Soldaten, die mit verächtlich zusammen-
gekniffenen Lippen rechts und links die Kaufen der Schlappmacher
die Gewehre fortwerfen und die Arme hochheben sehen — und trotz-
dem weiterfeuern.
Sie lebt noch, die alte Armee!
Inmitten zurückweichender Kaufen steht sie hier und da, über das
Schlachtfeld verteilt, einem Geist vergleichbar, den der Schlachten-
lärm und das Lhaos aus dem Massengrab gerufen.
Die Schlacht steht. Am nächsten Tage wird es klar, daß die Front
noch einmal gerettet ist. 25 000 Gefangene, an 400 Geschütze, die Zer-
trümmerung von sechs Divisionen und einen Geländeverlust von
zwanzig Kilometer Breite und zwölf Kilometer Tiefe hat dieser
S. August gekostet. Schlimmer noch ist die Erkenntnis, die er bringt.
Zum erstenmal haben Truppenteile ganz offen ihre Pflicht nicht
erfüllt.
Schon am 9. August griff die französische Armee nördlich Mont-
didier heftig an. Unter fortwährenden Gefechten wurden die rück-
läufigen Bewegungen staffelweise durchgeführt. Nach zehn Tagen
standen unsere r. und die )§. Armee in der Linie Albert—-Lhaulnes—
Roye—Noyon.
Hindenburg und Ludendorff taten den Schritt, den ihnen der
Gang der Ereignisse vorschrieb. Auf ihren Rat berief der Kaiser für
den 14. August die verantwortlichen Politiker aus Berlin und den
Kronprinzen in das Große Hauptquartier nach Spaa in Belgien.
Für den gleichen Tag hatte auch der österreichische Kaiser mit seinem
Außenminister und dem Generalstabschef seinen Besuch angesagt.
Das Ergebnis war der Auftrag an die Regierung, im geeigneten
Zeitpunkt durch die Vermittlung einer neutralen Regierung, am besten
der Königin der Niederlande, mit einem Friedensangebot an die
Feinde heranzutreten. Man faßte dabei den Augenblick ins Auge,
an dem es gelingen werde, noch einmal zu militärischen Erfolgen zu
gelangen, sei es auch nur in der Abwehr.
Das Schlußwort sprach Hindenburg. In ihm kam das starke Ver-
trauen und die ruhige Zuversicht zum Ausdruck, die der Generalfeld-
marschall auch in dieser Lage bewahrte.
Die nächsten Sorgen der Obersten Heeresleitung bestanden darin,
für neue rückwärtige Stellungen als Grundlage der geplanten stra-
tegischen Defensive zu sorgen. Als erste und Hauptrückzugsstellung
kam die Siegfriedlinie in Frage. Als weitere Linie standen zur
Verfügung die Wotanstellung westlich Lille und Douai, die Hermann-
stellung zwischen Tournay—Valenciennes—Le Lateau—Guise. Süd-
lich an sie schloß sich die Hunding-Brunhild-Stellung zwischen Rethel
—Vouziers—Grandpre nördlich Verdun an.
Vom )6. August an, nicht unerwartet, aber in seiner Breiten-
ausdehnung und seiner Kraft doch überraschend, setzte der Ansturm
von sechs englischen und französischen Armeen auf der ganzen Front
zwischen Arras und Soissons nacheinander ein. Ihren Höhepunkt
erreichte diese Angriffsserie am ro. August.
Abermals ein schwarzer Tag, der dritte.
Im Gebiet zwischen Oise und Aisne, im Raume von Noyon und
Soissons, auf dem Südsiügel des Großangriffs, überrannten Feuer-
walze, Tankgeschwader und Jagdflieger die Stellungen der §. deut-
schen Armee. Unter schweren Verlusten wich die Armee auf Lhauny
und Louey le LHLteau zurück und stand am rr. August tödlich erschöpft
hinter dem Oise-Aisne-Kanal und der Ailette.
Glücklicher kämpften die r. und ) s. Armee mitten im Gelände der
Sommeschlacht. Die Artillerie leistete Außerordentliches. Aber es
half nichts mehr. überall drängte der Gegner scharf nach, heftig
bemüht, das langsame und geordnete Zurückweichen der Deutschen in
eine vernichtende Rückzugsschlacht zu verwandeln.
Um dieser Gefahr zu begegnen, erhielten alle bedrohten Armeen
den Befehl, sich so weit vom Gegner abzusetzen, daß sie ihre Hand-
lungsfreiheit wiedergewannen. Als rückwärtige Ziele wurden ange-
geben die .Wotanstellung, die Siegfriedstellung und der Lhemin des
Dames.
Bis zum 9. September wurden die Bewegungen durchgeführt.
Sie vollzogen sich Ln völliger Ordnung. Die ermüdeten Truppen
empfanden die Aussicht auf ihre alten Stellungen, die sie vor einem
halben Jahre zum Angriff verlassen, als eine Erleichterung. Der
Feind folgte ohne Angriffsschwung. Auch er war erschöpft.
Am )r. September griffen die Amerikaner, um eine erste Probe
ihrer Kriegstüchtigkeit abzulegen, den südlich Verdun auf St. Mihiel
vorspringenden Winkel der deutschen Front an. Am )6. September
standen die deutschen Divisionen in der vorbereiteten Bogenstellung
zwischen Lombres und Pont ä Mouffon und bereiteten der ameri-
kanischen Offensive ein rasches Ende.
Die Oberste Heeresleitung glaubte aufatmen zu können.
Das Schicksal wollte es anders.
Noch war der letzte Nackenschlag an der Westfront nicht über-
wunden, noch wichen die deutschen Divisionen vor den Amerikanern
aus dem Bogen von St. Mihiel zurück — da trat die alliierte Orient-
armee Ln Mazedonien den Vormarsch gegen Bulgarien an. Es war
der 15. September 1916.
Die Bulgaren leisteten überhaupt keinen widerstand. Ein paar
Tage lang bildeten noch die wenigen deutschen Regimenter wider-
standsinseln. Sie wurden von der Übermacht umspült und fortge-
schwemmt. Die Bulgaren warfen ihre Waffen fort. Der Zusammen-
bruch war rasch, furchtbar und hemmungslos.
Zwei Wochen später schloß die bulgarische Regierung mit der
Entente einen Waffenstillstand ab, der die völlige Unterwerfung des
Landes bedeutete. Zar Ferdinand entsagte seinem Thron. Die alliierte
Orientarmee strömte durch Serbien nordwärts und gegen die Grenze
der europäischen Türkei ostwärts.
Orr dieser letzten und fürchterlichsten Not mußte die Oberste Heeres-
leitung aus dem Westen noch einmal deutsche Divisionen frei machen,
um sie nach Ungarn zu fahren und zum letztenmal deutsche Leiber
schützend vor den zusammenbrechenden Bundesgenossen zu werfen.
0m Oktober erschienen die Alliierten an der Donau bei Belgrad.
Der Balkan war verloren.
Am 19. September, vier Tage nach der bulgarischen Niederlage,
durchbrach ein starker englischer Angriff die morschen Stellungen der
Türken nördlich Jerusalem. Die 3000 deutschen Gewehre konnten die
Flut des Unheils nicht eindämmen. Vergeblich versammelte General
Liman von Sanders im Raume von Damaskus sein deutsches Asien-
korps zu neuem'widerstand. Die Übermacht war zu groß.
Ende Oktober erreichten die Engländer bei Aleppo die Bagdad-
bahn. Nun brach auch die Türkenfront in Mesopotamien zusammen.
11 Sperrfeuer, Jugendausgabe
161
Am 30. Oktober wurde der Waffenstillstand für alle Fronten des tür-
kischen Kriegsschauplatzes abgeschlossen.
So entwickelten sich die Dinge bei unseren Bundesgenossen, als am
rs. September General Foch die alliierte Westfront zwischen der
Nordsee und Verdun zur großen Generaloffensive gegen den tödlich
verwundeten deutschen Gegner antreten ließ.
Am gleichen Tage baten Hindenburg und Ludendorff den Kaiser,
durch ein direktes Angebot an unsere Feinde den Frieden herbeizu-
führen.
rz. Kapitel
Die Kapitulation
In den ersten Septembertagen begibt sich der deutsche Staats-
sekretär des Auswärtigen Amtes nach Wien. Kaiser Karl, der die
Grundlagen des Habsburger Throns wanken sieht, kennt nur noch
einen Gedanken — er hofft, seinen Thron erhalten zu können, wenn
er seinen auseinanderstrebenden Völkern persönlich den Frieden bringt.
In schweren Sorgen verläßt Staatssekretär von Hintze Wien und
begibt sich sofort ins deutsche Hauptquartier nach Spaa.
während man noch mit den Österreichern hin und her verhandelt,
um unter allen Umständen die Einheitlichkeit des Vorgehens zu
wahren, geschieht das Unfaßliche. Am 14. September fordert die
österreichische Regierung entgegen Deutschlands willen in einer Note
die Entente unmittelbar zu Verhandlungen über Waffenstillstand und
Frieden auf.
Ein wildes Jubelgeschrei antwortet von drüben. Entsetzt müssen
Kaiser Karl und seine Ratgeber erkennen, daß sie durch den Versuch,
die Habsburger Krone auf Deuschlands Kosten zu retten, die Wellen
des paffes und der Vernichtung im Innern und von außen zu neuer
Kraft entfacht haben. Es gibt kein Erbarmen, auch nicht um den
Preis der Trennung von dem Bundesgenossen.
Am ro. September veröffentlicht die mehrheitssozialdemokratische
Partei ihre politischen Forderungen. Sie verlangt Aufhebung des
Belagerungszustandes und freie Meinungsäußerung Ln Presse und
Öffentlichkeit, Verfassungsreform, Umbildung der Regierung unter
Einbeziehung der Sozialdemokraten.
Die nächsten Tage sind mit der Diskussion der Forderungen der
Linken angefüllt. Die bisherige Reichstagsmehrheit ist von dem
Bestreben erfüllt, die Sozialdemokratie Ln die Regierung einzube-
ziehen, um die Bildung eines revolutionären Blocks aus Mehrheits-
)62
sozi allsten und Unabhängigen zu verhindern. Nur im Bündnis mit
der Sozialdemokratie glaubt man das Schlimmste noch abwenden zu
können.
Von der Tribüne des Reichstags fallen harte und leidenschaftliche
Worte gegen die Oberste Heeresleitung.
Dem greisen Kanzler Grafen Hertling, der als angesehener Par-
lamentarier auf die kurze Kanzlerschaft von Michaelis gefolgt, geben
die Linksparteien zu verstehen, daß man ihn nicht als geeigneten
Führer der neuen nach links erweiterten Koalition betrachte.
So wird es Ende September.
Auf die blutende Westfront, feit drei Wochen in verzweifelter
Anstrengung die Siegfriedstellung haltend, bricht Fochs Generaloffen-
sive vom Meer bis zur Maas los. Die Riesenzange ist angesetzt.
Fochs Befehl peitscht die alliierten Masten zu letzter Kraftentfaltung
an. Der Sieg ist vor ihnen. Weder mit den verhaßten Boches!
Auf zum Rhein!
Noch einmal lärmt die schwere Artillerie der Engländer auf dem
Schlammfeld der Flandernschlacht.
Der Tankstoß, der nach Trommelfeuer, hinter künstlichen Nebel-
wänden verhüllt, am 28. September losbricht, findet die zusammen-
geschmolzenen Divisionen auf dem Posten. Zerfetzt, zerhauen, ver-
armt, ausgezehrt, zählen die Regimenter noch zwei Bataillone statt
drei. Die Bataillone drei Kompanien statt vier. Die Kompanien
vierzig Gewehre statt zweihundert. Stumm machen sie sich fertig,
nehmen die Gewehre in die Hand und gehen als ein Haufe tod-
geweihter Kämpfer hinter ihren Führern her in die Schlacht.
So geschieht das wunder. Die drei Armeen des alliierten Nord-
flügels, unter dem Befehl des Königs der Belgier, holen sich in drei
heftigen Schlachttagen von der 4. Armee blutige Köpfe. Der Stoß
gegen die Unterseebootbasis ist noch einmal mißlungen.
Unterdessen wird zwischen Lambrai und St. Ouentin schon seit
dem 27. September gerungen. Das französisch-englische Artillerie-
feuer vermag die Verteidiger nicht zu zerschlagen. Verzweifelt wehrt
sich die deutsche Infanterie gegen die feindlichen Massen. Nach drei
Tagen des Anpralls ist es auch hier geschafft. Die Stellung hält.
Genau wie vor einem Jahre treiben die Franzosen, dieses Mal
von Amerikanern begleitet, einen scharfen Keil gegen die Laffaux-
Ecke vor und bringen sie zum Einsturz. Genau wie damals muß auch
heute der Lhemin des Dames Ln seiner ganzen Breite geräumt werden.
In voller Ordnung geht die 9. Armee über den ALlette-Grund zurück.
Gleichzeitig brandet zwischen Reims und Verdun die Schlacht,
westlich der Argonnen versuchen die Franzosen auf Meziöres vorzu-
stoßen. Es nützt ihnen nichts.
11*
östlich der Argonnen hat General Pershing seine Amerikaner ein-
gesetzt. Durch ihren Erfolg im Bogen von St. Mihiel angetrieben,
stürzen sie sich in dichtgedrängten Angriffsmassen vor die deutschen
Maschinengewehre und erleiden furchtbare Verluste.
Der siegesstolze Zug nach Lharleville, der tödliche Stoß gegen die
empfindlichste Stelle der deutschen Front, bleibt aus.
Hindenburg und Ludendorff bringen dem Kaiser den Schritt in
Vorschlag, über dessen Notwendigkeit sie sich klargeworden sind. „Der
Generalfeldmarschall und ich", schreibt Ludendorff, „trennten uns mit
festem Händedruck wie Männer, die Liebes zu Grabe getragen haben
und die nicht nur in guten, sondern auch in den schwersten Stunden
des Lebens zusammenstehen wollen. Unsere Flamen waren mit den
größten Siegen des Weltkrieges verknüpft, jetzt waren wir uns in
der Auffassung einig, daß es unsere Pflicht war, unsere Namen für
diesen Schritt herzugeben, den zu vermeiden wir alles Erdenkliche
getan hatten." Es ist ein unmittelbares Angebot der deutschen Re-
gierung an den Präsidenten Wilson, Waffenstillstand und Frieden
auf der Grundlage seiner vierzehn Punkte herbeizuführen.
In tiefer Erschütterung gibt der Kaiser seine Zustimmung. Aber
die Parteien, mit der Regierungsbildung beschäftigt, treiben Kuh-
handel.
Kostbare Zeit geht verloren. Schließlich wird Prinz Max von
Baden, ein naher Verwandter des badischen Großherzogs, als Reichs-
kanzler auserwählt. Er steht gleichzeitig der Dynastie nahe und ist
den Parteien genehm. Das Regierungsprogramm muß erst festgestellt
werden. Nochmals wird Zeit verloren.
Bitter wartet Ludendorff in Spaa auf die Entwirrung des par-
lamentarischen Knäuels. Jeder Tag, telegraphiert er, verschlechtere
die Lage des Heeres. In der Nacht zum 3. Oktober, spätestens Ln der
Frühe dieses Tages, müsse die Note auf dem Wege sein. Er schließt
mit der Bitte, nun endlich in dieser allerletzten Stunde mit der Bil-
dung einer nationalen Einheitsfront Ln der Heimat Ernst zu machen.
Der Feind müsse wissen, daß er auf den unbeugsamen willen Deutsch-
lands zum weiterkämpfen stoße, wenn er uns einen demütigenden
Frieden zumute.
Diese Erklärung, in strengster Vertraulichkeit abgegeben, sickert
in die Öffentlichkeit. Die Feinde draußen jubilieren, die im Innern
fassen ihr Ziel näher ins Auge.
Unter solchen Umständen wird am 3. Oktober die erste rein par-
lamentarische Regierung des deutschen Volkes gebildet.
Am 4. Oktober )0)$ wird die Note der deutschen Regierung durch
Vermittlung der Schweizer Regierung an den Präsidenten der Ver-
einigten Staaten von Amerika abgesandt.
Und General Foch läßt seine Armeen abermals gegen die deutsche
Westfront anrennen.
Die Operationen vollziehen sich unter fortwährenden Gefechten
allen Versuchen des Gegners zum Trotz in guter Ordnung. Schon
macht sich bemerkbar, daß der Gegner mit großen Nachschubschwierig-
keiten zu kämpfen hat. Die feindliche Infanterie verfügt über keinen
Angriffsschwung mehr, wo ihr nicht Tanks und Flieger zur Seite
stehen, erreicht sie gar nichts.
Die deutschen Truppen bewahren ihre Disziplin. Jedermann spürt,
daß nun sein eigenes Schicksal mit dem des Ganzen untrennbar ver-
bunden ist. Alles ist verloren, sobald die Ordnung sich löst.
Der Rückzug Ln die Hermann-Hunding-Brunhild-Stellung wird
durchgeführt.
Foch will unter allen Umständen noch zu entscheidenden militäri-
schen Erfolgen gelangen. Aber die Armee der Alliierten ist nicht
weniger kriegsmüde als die deutsche. Sie sieht nicht ein, warum noch
weiter gekämpft werden muß, nachdem die Deutschen um Waffenstill-
stand gebeten haben, hemmend wirkt auch ein, daß immer mehr
Zivilbevölkerung aus den vom Gegner geräumten Gebieten versorgt
werden muß. Der Krieg schreitet ja jetzt, grausam genug, mitten
durch vollbesiedeltes Land.
Im letzten Oktoberdrittel stehen die Deutschen wieder fest. Zum
drittenmal muß Foch nach neuen Mitteln suchen. Zähneknirschend sieht
die Entente, daß dieses deutsche Heer immer noch weit davon entfernt
ist, geschlagen und besiegt zu sein.
Inzwischen versucht Ln Wien Kaiser Karl von seiner Herrschaft
zu retten, was noch zu retten ist. Die Monarchie soll in einen Bundes-
staat verwandelt werden. Da tut das ungarische Parlament den ent-
scheidenden Schritt. Der ungarische Ministerpräsident erklärt im
Namen des Parlaments, daß Ungarn zwar die Königsherrschaft der
Habsburger noch anerkenne, im übrigen aber sich von Österreich los-
sage. An die ungarischen Truppenteile ergeht der Befehl, den Kampf
abzubrechen und unbekümmert um die Österreicher Ln die Heimat
abzurücken.
was jahrhundertlang bestanden hat, geht im Taumel der Ereig-
niffe widerstandslos zugrunde, als handele es sich um eine Bagatelle.
Der Zusammenbruch der Monarchie ist beendet.
Die Italiener, von englischen und amerikanischen Divisionen unter-
stützt, greifen am 24. Oktober auf der ganzen Front an. In den
Bergen zwischen Brenta und Piave stemmen sich deutsch-österreichische
Truppenteile, unbekümmert um den Zusammenbruch ihrer Heimat,
mit letzter Kraft gegen den Feind und werfen ihn in siebentägigen
blutigen Kämpfen. Erschütternd ist der Heroismus dieser Regimenter.
Aber am Piave erhebt sich das Unheil.
Am 3. November nimmt die österreichische Regierung die feind-
lichen Bedingungen an, die ganz Tirol an die Italiener ausliefern
und die bayrische Südgrenze den feindlichen Armeen offen darbieten.
Nach Bulgarien und der Türkei nun Hsterreich-Ungarn. Deutsch-
land steht allein.
Am 9. Oktober trifft Wilsons Antwort ein. Der Präsident ver-
langt vor der Aufnahme irgendwelcher Verhandlungen die Räumung
Elsaß-Lothringens und der besetzten Gebiete. In dem sich anschließen-
den Notenwechsel erklärt er unter dem 23. Oktober nackt und unver-
hüllt: „wenn die Vereinigten Staaten jetzt mit den militärischen
Beherrschern und monarchischen Autokraten Deutschlands verhandeln
sollen, müssen sie nicht Friedensverhandlungen, sondern Übergabe
verlangen."
Das bedeutet Friede, wenn ihr euch des Kaisers entledigt. Unter-
werfung, wenn ihr ihn behaltet.
Am rb. Oktober erfolgt die Entlassung Ludendorffs, nachdem der
Reichskanzler dem Kaiser erklärt hat, erfolge sie nicht, so müsse er
selbst zurücktreten.
Am gleichen Tage fordert der sozialdemokratische Staatssekretär
und Abgeordnete Scheidemann im Namen seiner Partei öffentlich
zum erstenmal die Abdankung des Kaisers.
Seit langem sind die politischen Organisationen, die nach Umsturz
und Diktatur des Proletariats Ln russischem Sinne streben, unterein-
ander fest verbunden. Am 7. Oktober hat in Gotha eine erste Reichs-
konferenz der Spartakusgruppe stattgefunden. Es wurde beschlossen,
die kommunistische Agitation im Feldheere noch stärker als bisher zu
betreiben, die Bildung von Arbeiter- und Soldatenräten vorzube-
reiten, um im Augenblick des Kampfes über eine schlagfähige Organi-
sation zu verfügen. Alle Vorbereitungen wurden im engsten Zu-
sammenarbeiten mit dem sowjetrussischen Gesandten in Berlin in die
Wege geleitet.
Der Kreis der Verhängnisse beginnt sich zu schließen. Am 29. Ok-
tober vollzieht der Kaiser die vom Reichstag beschlossenen Verfassungs-
änderungen. Nachdem die Krone schon vorher auf das Recht der
Regierungsbildung und der Entscheidung über Krieg und Frieden
verzichtet, gibt sie nun das Letzte und höchste her — die Oberste
Kriegsleitung geht auf einen parlamentarischen Kriegsrat über.
Bei der Kriegsflotte, die seit einigen Tagen in Wilhelmshaven
versammelt ist, bricht die offene Meuterei aus. Der Unterseeboot-
krieg ist durch Befehl der Reichsregierung auf Verlangen des Präsi-
denten Wilson eingestellt worden.
)06
£age voll furchtbarer Spannung schließen sich an. Die öster-
reichische Armee löst sich auf. Am 3. November wird zu Padua der
bedingungslose Waffenstillstand mit den Italienern abgeschlossen. Die
alliierten Armeen treten im Westen aufs neue zum Generalangriff
gegen die Hermann- und die Hunding-Brunhild-Stellung an.
Die Oberste Heeresleitung entschließt sich, den allgemeinen Befehl
zum Rückzug in die Antwerpen-Maas-Stellung zu geben.
Kampfend gehen die Armeen zurück. Zögernd rückt der Feind
nach. Tagsüber Rückzugsgefechte in rasch ausgeworfenen Erdlöchern,
nachts Rückmarsch in die nächste Ausnahmestellung. Gewaltige An-
forderungen müssen noch einmal gestellt werden. Sie werden erfüllt.
Morgen für Morgen weist der blutende Löwe, sich zurückwendend,
aufs neue die gefletschten Zähne.
Die Meutereien, die in Wilhelmshaven ausgebrochen sind, lassen
sich nicht mehr unterdrücken. Auch in Kiel kommt es am 3. Novem-
ber zu schweren Unruhen. Am 5. November überschwemmt die rote
Welle Hamburg und Lübeck.
Mitten in diesem Zusammenbruch trifft Wilsons vierte Note ein.
Zum Schluß heißt es darin, daß „Marschall Foch ermächtigt worden
ist, gehörig beglaubigte Vertreter der deutschen Regierung zu emp-
fangen und sie von den Waffenstillstandsbedingungen in Kenntnis zu
setzen." Von Verhandlungen ist nicht mehr die Rede.
Am 7. November überschreitet die deutsche waffenstillstands-
kommission unter dem Vorsitz des Staatssekretärs Erzberger die
deutsche und die feindliche Linie und trifft in Lompiegne, im Haupt-
quartier des Marschalls Foch, ein.
Am gleichen Tage hißt die Revolution ihre rote Fahne über
München.
Die sozialdemokratischen Staatssekretäre in der Reichsregierung
verlangen die Abdankung des Kaisers und des Kronprinzen bis zum
nächsten Tage mittags zwölf Uhr.
Am Morgen des s. November ruft das revolutionäre bayerische
Ministerium durch den Mund des galizischen Juden Kurt ELsner die
Absetzung der Wittelsbacher aus. Der Reigen zusammenbrechender
Dynastien ist eröffnet.
Neunter November in Berlin.
Die Hauptstadt ist im Aufruhr. Generalstreik in den Fabriken.
Von Kiel und Hamburg aus sind Abteilungen revolutionärer Ma-
trosen eingetroffen. Schüsse krachen durch die Straßen. Sturm auf
die Gefängnisse und die öffentlichen Gebäude. Allerorten steigen die
roten Wimpel.
Die sozialdemokratischen Staatssekretäre erklären ihren Austritt
aus der Reichsregierung. Sie sitzen mit den revolutionären Unab-
hängigen zusammen. Um ein Uhr mittags erklärt die bisherige Re-
gierung ihren Rücktritt und legt die Geschäfte Ln die ^ände des
Abgeordneten Friedrich Ebert, Vorsitzenden der sozialdemokratischen
Partei.
Um drei Uhr nachmittags begibt sich der sozialdemokratische Ab-
geordnete Philipp Scheidemann auf die große Freitreppe vor dem
Reichstagsgebäude und ruft die deutsche Republik aus.
Offiziere werden abgesetzt. Soldatenräte bilden sich und nehmen
den Mund voll.
Die Rheinlinie mit den Städten Düsseldorf, Köln, Koblenz, Mainz
und Ludwigshafen ist in der Hand der Revolution. Sie haben dort
nichts Eiligeres zu tun, als dem kämpfenden Heere die Lebensader
abzuschneiden.
An Ehren und an Wunden überreich, mannhaft und seiner großen
Vergangenheit würdig, harrt dieses Heer aus bis zur letzten Minute,
in welcher der Befehl die Waffen ruhen heißt.
Der Kaiser will die eigenmächtige Erklärung der Reichsregierung,
wonach er bereits abgedankt hat, auf keinen Fall anerkennen. Am
Morgen des -o. November erfährt der Generalfeldmarschall, daß der
Kaiser um fünf Uhr Ln der Nacht das Hauptquartier verlassen und
sich im Automobil über die holländische Grenze begeben habe. Der
Kronprinz erklärt sich der Revolutionsregierung gegenüber bereit,
seine Heeresgruppe Ln die Heimat zu führen. Die Regierung lehnt
ab. Am 12. November fährt auch er nach Holland.
Generalfeldmarschall von Hindenburg, der letzte Pfeiler der be-
stehenden Ordnung, die letzte und festeste Säule des Heeres, bleibt
auf dem Platze, auf den ihn die Liebe und die Zuversicht des Volkes
in größeren Zeiten gerufen haben. Er führt das Heer geordnet Ln die
Heimat zurück.
Zehnter November in der Frühe.
Telegramme der waffenstillstandskommifsion aus Lompiegne.
General Foch fordert die Räumung von Nordfrankreich, Belgien und
Elsaß-Lothringen in fünfzehn Tagen. Binnen weiteren zehn Tagen
müssen die deutschen Armeen hinter dem Rhein stehen. Die alliierten
Truppen besetzen Brückenköpfe jenseits von Köln, Koblenz und Mainz,
überall haben sich die deutschen Truppen hinter die Grenzen von 1914
zurückzuziehen. Der Friede mit Rußland und mit Rumänien wird für
null und nichtig erklärt.
General Foch fordert weiter 5000 Geschütze, 25 000 Maschinen-
gewehre, 5000 Minenwerfer, 1700 Flugzeuge in unversehrtem Zu-
stande. Er fordert 5000 Lokomotiven, 150 000 Waggons, 5000 Last-
kraftwagen.
)6$
Er fordert die sofortige Auslieferung von allen Unterseebooten,.
0 modernen Panzerkreuzern, jo Linienschiffen, $ Kleinen Kreuzern
und 50 Torpedobooten des neuesten Typs.
Aber das Ungeheuerlichste — die Blockade gegen Deutschland bleibe
bestehen!
Aus allen möglichen revolutionären Organisationen hat sich der
„Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte" gebildet. Er ruft zum
Kampf für die Diktatur des Proletariats auf.
Hindenburg telegraphiert an die waffenstillstandskommission in
Lompiegne.
Das Kabinett der Staatssekretäre, das immer noch neben dem
Rat der Volksbeauftragten und neben dem Vollzugsrat der Arbeiter-
und Soldatenräte Ln Berlin fungiert, telegraphiert nach Lompiegne,
man solle bei der Unterzeichnung eine feierliche Protesterklärung zu
Protokoll geben, die Bedingungen bedeuteten Hungersnot und An-
archie in Deutschland.
General Foch, der Sieger, lehnt jeden Zusatz, jede Erklärung und
jede weitere Verhandlung ab.
Das Schwert liegt auf dem Tisch.
Vae victis!
Dann wird unterzeichnet. Um sechs Uhr morgens, am 11. No-
vember, im Wald von Lompiegne, im Salonwagen des Marschalls
Foch.
In den Vormittagsstunden des 11. November gelangt der Befehl
an die Truppen, daß ab zwölf Uhr mittags die Feindseligkeiten an
der ganzen Front einzustellen sind.
Noch tacken hier und da die Maschinengewehre. Granaten rau-
schen hinüber und herüber und krepieren mit grauen Rauchballen.
Däuser brennen. Aus Parks und Gärten steigen die Fontänen schwerer
Einschläge kerzengerade auf. Flieger sind Ln der Luft. Die feinen
weißen Fäden ihrer Rauchspurmunition überkreuzen sich.
Gegen Mittag staut es deutlich wahrnehmbar ab.
Langsam und zögernd wird es schwächer. Manchmal setzt es schon
für einige Sekunden ganz aus. Der verröchelnde Krieg hat Atemnot.
Dann tackt es wieder mit dünnen Stimmen. Vielleicht ein Ma-
schinengewehr, das seine letzten Gurte ins Blaue hinein verfeuert.
Dann noch eine Granate.
Zwei Flieger sind hintereinander her. Der kleine Spad-ELnsitzer
flüchtet in einer steilen Kurve nach drüben. Der Fokker richtet sich
auf, steigt fast senkrecht in die Höhe, dreht sich, auf dem Schwänze
stehend, um und kehrt zurück.
Auf einmal Grabesstille.
Langsam erheben sich die Infanteristen aus ihren Löchern.
Man wird die Heimat wiedersehen.
Eine dumpfe Erschütterung, ein jähes Schwanken zwischen Jubel-
schrei und grimmigem Schmerz tief in der Brust —
d> Heimat — o Vaterland!
X%\6)t einen einzigen Ruhetag gönnt das Diktat der Sieger den
deutschen Armeen. Unter dem Befehl des Generalfeldmarschalls von
Hindenburg beginnt am ir. November diese ungeheure Massen-
bewegung.
Durch die belgische Ebene, über die Ardennen, im Maastal, im
luxemburgischen Hügelland, an der Mosel, in den Vogesen — überall
Marschkolonnen. Jeder Schritt führt über Schlachtfelder, die einst
deutsche Sieger sahen, über das entsetzliche Bewußtsein des ver-
lorenen Krieges breitet sich die Sehnsucht nach daheim, nach einem
Wiedersehen mit Frau, Kindern und Eltern.
Noch ist alles wie ein schwerer Traum, weder das Vergangene
noch das Zukünftige ist klar erfaßbar. Man schwankt in einem sonder-
baren Dämmerzustand.
Eines Tages aber wird es klarer, eines Tages marschieren die
deutschen Truppen über den Rhein.
Regiment auf Regiment überschreitet die Brücken Ln fester Grb-
nung. Drüben angekommen, setzt die Militärmusi'k ein. Die alten
Märsche, der Hohenfriedberger, der Torgauer, der Radetzky-Marsch
und Fridericus Rex. Und dann „Deutschland, Deutschland über alles".
Das schallt wie ein Gewoge von Schmerz, Treue und Schwur
über den Fluß. Das bricht sich an den Mauern der Dome, an den
Uferquadern, den Schiffen, den Fronten der Häuser. Das wird
tausendfältig zurückgeworfen und sammelt sich immer wieder über
dem Strom. Zehntausend Häupter sind entblößt. Ehern starren die
Gesichter unter den Stahlhelmen. Fahnen über Fahnen.
Zu Pferde halten die Regimentskommandeure und lassen die Ba-
taillone an sich vorüberdefilieren. Zum letzten Male. Das Pflaster
dröhnt. Die Gewehre liegen tadellos ausgerichtet auf den Schultern.
Kompanie auf Kompanie, die Führer an der Spitze. Maschinen-
gewehre, Minenwerfer, Gefechtsbagagen.
Die Kommandeure haben die rechte Hand am Stahlhelm. Starr
sind die Gesichter. Die Hand zuckt nicht. Einen aber kann man sehen,
wie er vor seinem Regiment den Helm abnimmt. Ein wetterhartes
Gesicht, ein schneeweißes Haar. So hält er unbeweglich zu Pferde,
bis fein letzter Musketier vorüber ist. Dann bricht er zusammen.
Und dann die Artillerie. Kavallerieschwadronen, Pionierkompanien,
Trainkolonnen.
Und immer wieder die Infanterie. Regiment auf Regiment.
Seht ihr sie- Unsichtbar schweben über ihnen die Geister derer,
die draußen geblieben sind, ein zweites Heer über dem sichtbaren
ersten. Und es ist so, daß fast auf jeden Lebendigen zwei Tote kommen.
Die Kommandeure, die zu Pferde halten, sehen sie, jene Unsicht-
baren. Auch die Bataillonsführer erkennen sie. Die Kompaniechefs
halten mit ihnen Zwiesprache. Die Menschen, die Straßen säumend,
fühlen ihre Anwesenheit an dem bitteren Aufwallen, das aus der
Seele kommt.
Und jeder Musketier, jeder Füsilier, jeder Grenadier, Kanonier
und Pionier spürt einen zur Rechten und einen zur Linken und einen
vor sich und einen hinter sich, der nicht mehr da ist und der dennoch
mit der Kolonne marschiert.
„Leb wohl, Kamerad, vergiß mich nicht!"
„Bleib bei uns, Kamerad, geh mit uns nach daheim!"
„Ich kann nicht, Kamerad, es geht ja nicht!"
Paukengeraffel, Fanfaren, Trommelwirbel, Tücherschwenken.
Gesichter, die in Schmerz und Grimm verzerrt sind.
Pferdehufe klappern, Stiefel dröhnen — das dumpfe Rumpeln der
Geschütze. Scharfe Kommandos, aufblitzende Augen. Und über allem
das wogen der Glocken von Turm zu Turm, über die Dächer, die
Plätze, die Menschen und den Fluß.
Und irgendwo, als ein Gruß von jener unsichtbaren Armee, als
eine Antwort nach droben, ein Abschiednehmen und eine stille Hoff-
nung — irgendwo klingt es: „Kann dir die Hand nicht geben, bleib
du im ewigen Leben, mein guter Kamerad---------mein — guter —
Kamerad--------."
Vac victis!
Die weihnachtstage sind in Berlin von wilden Straßenkämpfen
erfüllt. Fast scheint es, als erlahme die Kraft der Verteidiger und
als drohe diesem armen und besiegten Land die blutige Diktatur des
Proletariats nach russischem Muster.
Aber die letzten Reste der alten Armee sind zur Stelle, als es gilt,
das Lhaos abzuwehren. Freikorps entstehen, von entschlossenen Füh-
rern gebildet.
Noch einmal zwingt auch der äußere Feind, die Waffen zu er-
greifen. Ohne die Friedensverhandlungen abzuwarten, wirft sich die
neuentstandene Republik polen, Deutschlands Ohnmacht ausnutzend,
auf Reichsgebiete.
Am )6. Januar 1919 wird der Waffenstillstand in Trier verlän-
gert. Die Entente läßt sich die Verlängerung von dem wehrlosen
mit der Auslieferung seiner gesamten Handelsflotte bezahlen.
Am io. Januar wird die Nationalversammlung gewählt. Sie
tagt in Weimar. Friedrich Ebert, der erste Präsident der deutschen
171
Republik, bildet ein Ministerium unter dem sozialdemokratischen Ab-
geordneten Scheidemann.
Im April entsteht Ln München eine Räteregierung nach russischem
Muster. Der rote Terror wütet mit den scheußlichsten Mitteln.
Immer wieder zuckt es auf, hier und da.
Vae victis!
Die Ententeregierungen verlassen sich darauf, daß Deutschland
der blutigen Welle des Kommunismus Herr wird, die letzten Endes
auch sie selbst bedroht.
Seit dem )6. Januar tagt in Versailles die Friedenskonferenz
— ohne die Deutschen. Wilson ist aus Amerika herübergekommen,
um für feine Ideale zu streiten.
Anfang Mai wird eine deutsche Delegation nach Versailles be-
ordert, um die Bedingungen Ln Empfang zu nehmen. Sie werden
dem Grafen Brockdorff-Rantzau mit einer beißenden, von Demü-
tigungen und Kränkungen strotzenden Ansprache vom alten Llemen-
ceau überreicht. Wilson sitzt dabei und schweigt.
Ein Schrei geht durch ganz Deutschland. Die Regierung läßt
durch den Mund des Reichskanzlers erklären, die Hand müffe ver-
dorren, die diesen Frieden unterzeichne. Sie unterzeichnet dann aber
doch.
Elsaß-Lothringen fällt an Frankreich, die Kreise Eupen und Mal-
medy an Belgien, die Provinzen Posen und Westpreußen, Teile von
Ostpreußen, Oberschlesien und Pommern an Polen. Memel, Danzig,
Nordschleswig und das Saargebiet werden vom Deutschen Reiche
abgetrennt. Memel und Danzig werden unter den Schutz des Völker-
bundes gestellt. Nordschleswig fällt an Dänemark, im Saargebiet
soll nach fünfzehn Jahren eine Volksabstimmung die staatliche Zu-
gehörigkeit entscheiden. Das gesamte deutsche Kolonialgebiet wird
geraubt.
Die deutsche Friedensarmee wird von 600000 Mann auf 100000
Mann herabgesetzt. Die allgemeine Wehrpflicht wird abgeschafft.
Diese Armee darf weder Tanks, noch Flugzeuge, noch schwere Ar-
tillerie, noch Gaswaffen führen und wird Ln ihrer übrigen Bewaff-
nung auf das äußerste beschränkt. Die ganze Rüstungsindustrie muß
vernichtet, alle Festungen im Westen müssen geschleift, die Mehrzahl
der Geschütze in den Ostfestungen beseitigt werden. Militärische Ver-
einigungen sind verboten. Ein Netzwerk interalliierter Militärkom-
missi'onen wird über Deutschland verteilt.
Die Marine wird auf sechs Linienschiffe mit beschränkter Ton-
nage, 6 kleine Kreuzer und 24 Torpedoboote mit insgesamt 15000
Mannschaften herabgesetzt. Bau und Gebrauch von Unterseebooten
ist untersagt.
172
Das Rheinland und die Pfalz bleiben fünfzehn Jahre lang von
den alliierten Truppen besetzt als Garantie für die Ausführung der
Friedensbedingungen. Deutschland bezahlt die Lesatzungskosten, be-
zahlt überhaupt alles.
Die deutschen Kriegsgefangenen bleiben in Feindeshand, bis der
Friede von Deutschland ratifiziert ist.
Sofort sind zu zahlen vierzig Milliarden Mark, bis zum j. Mai
lor) weitere zwanzig Milliarden, bis weitere vierzig Milli-
arden. Der endgültige Tribut wird später bestimmt. Der Grundsatz
der Rechtlosigkeit des Privateigentums wird aus dem Krieg in den
Frieden hinübergetragen.
Die Entente wird eine Liste von deutschen „Kriegsverbrechern"
aufstellen, deren Auslieferung an ihre Kriegsgerichte sie verlangt.
Die erste Anwendung des von Wilson verkündeten Selbstbestim-
mungsrechtes der Völker durch die Entente beruht in der Bestim-
mung, daß Deutsch-cbsterreich, der letzte deutschsprachliche und deutsch-
fühlende Rest der auseinandergefallenen Donau-Monarchie, sich dem
Reiche nicht anschließen darf.
Um diesem Werke der Niedertracht vor aller Welt einen Mantel
moralischer Rechtsfertigung überzuwerfen, verlangt man von Deutsch-
land mit vorgehaltener Waffe seine vorbehaltlose Unterschrift unter
folgendes Schuldbekenntnis: „Die alliierten und assoziierten Regie-
rungen erklären und Deutschland erkennt an, daß Deutschland und
seine Verbündeten als Urheber für alle Verluste und alle Schäden
verantwortlich sind, welche die alliierten und assoziierten Regierungen
und ihre Angehörigen infolge des ihnen durch den Angriff Deutsch-
lands und seiner Verbündeten aufgezwungenen Krieges erlitten
haben."
Vas vielte!
Graf Brockdorff-Rantzau führt in Versailles mit würde einen
verzweifelten Kampf gegen die Phalanx der zur Vernichtung Ent-
schlossenen. Am )0. Juni werden die endgültigen Bedingungen über-
geben.
Zwischenspiel am r). Juni. Die deutschen Matrosen, die nach dem
Diktat des Feindes unter Bewachung englischer Kriegsschiffe die
deutschen Schiffe nach der Bucht von Scapa Flow haben bringen
müssen, versenken ihre Flotte. Es sind die alten Sieger vom
Skagerrak.
Am rr. Juni nimmt die Nationalversammlung mit 257 Stim-
men die Unterzeichnungsvorlage an. 136 Stimmen sind dagegen.
Am LS. Juni )9)0 wird im Spiegelsaal zu Versailles, der vor
achtundvierzig Jahren die Neugründung des deutschen Kaiserreichs
sah, das Dokument unterzeichnet, das nach dem willen seiner Urheber
Deutschland aus der Reihe weltgeltender Mächte auslöschen sollte.
Doch hoch über allem Menschlichen waltet das Schicksal. Es ver-
teilt seine Lose nach unerforschlichen Gesetzen. Es läßt Völker ent-
stehen, rüstet sie mit Kraft und willen und stellt sie vor gewaltige
Aufgaben. Es schenkt ihnen den Stolz auf ihre Vergangenheit und
den Glauben an ihre Zukunft. Es warnt sie vor Überhebung und
vor Schwäche.
wenn aber die Zeit erfüllt ist, unterwirft es sie einer furchtbaren
probe, damit sie erkennen mögen, was echt ist an ihnen und was
Schein, was richtig und was falsch.
wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, der mag seinen Ur-
teilsspruch hinnehmen und ihm sich unterwerfen, auch wenn er ihn
nicht begreift. Nicht als ein unabänderliches und für alle Ewigkeit
gültiges Urteil. Denn es gibt im Leben der Völker kein Unabänder-
lich und kein Ewig. Sondern als eine Mahnung für die Zukunft.
Dieser Zukunft sind ungeheure Opfer gebracht. Eine Einsaat ist
hergegeben, vor deren Größe Herz und Verstand sich beugen in
Trauer und Entschlossenheit.
Daß sie aufgehe, zum Nutzen des Vaterlandes, daß aus den Ge-
beinen der Toten eine Generation erwachse, treu und tapfer und
männlich wie jene — das ist unser Gebet.
Übersicht
1914
Allgemeines
2 6. Juni: Ermordung des österreichisch-ungarischen Thronfolgers, Erz-
herzogs Franz Ferdinand, und seiner Gemahlin Ln Serajewo.
2 5. Juli: Serbien befiehlt die Mobilmachung.
2 5. Juli: Österreich-Ungarn mobilisiert einen Teil seines Heeres gegen
Serbien.
2 s. Juli: Österreich-Ungarn erklärt Serbien den Krieg.
2 9. Juli: Rußland spricht die Mobilmachung für seine südlichen Militär-
bezirke aus.
30. Juli: Rußlands Gesamtmobilmachung.
3). Juli: Österreich-Ungarn befiehlt Gesamtmobilmachung.
3). Juli: Belgien mobilisiert.
3). Juli: Der Deutsche Kaiser verkündet den „Zustand drohender Kriegs-
gefahr".
). August: Frankreichs Mobilmachungsbefehl.
1. August: Deutschland mobilisiert.
1. August: Deutschland erklärt Rußland den Krieg.
2. August: England mobilisiert seine Flotte.
r. August: Der deutsche Reichskanzler ersucht Ln Brüssel um freies
Durchmarschrecht.
3. August: König Albert von Belgien wendet sich an die englische Re-
gierung.
3. August: Deutschland erklärt Frankreich den Krieg.
4. August: „Ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche."
4. August: Bewilligung der Kriegskredite durch den Reichstag.
4. August: England mobilisiert seine Armee.
5. August: Krieg mit England.
15. August: Japans Ultimatum (Forderung auf unverzügliche Aus-
lieferung KLautschous).
23. August: Kriegserklärung Japans an Deutschland.
12. November: Eintritt der Türkei Ln den Krieg auf Seiten der
Mittelmächte (Kriegserklärung an die Ententemächte).
Deutscher Generalstabschef: Generaloberst v. Moltke; später
der bisherige Kriegsminister General der Infanterie Erich v. Falkenhayn,
sodann Generalfeldmarschall v. Beneckendorff u. v. Hindenburg; Erster
12 Sperrfeuer, Jugendausgabe
177
Generalquartiermeister: General der Infanterie Erich Ludendorff (bis 27.
)o. 19)6), danach Generalleutnant Gröner.
Österreichisch-ungarischer Generalstabschef: General
der Infanterie Frhr. Conrad v. ^ötzendorf; später General der Infanterie
Frhr. Arz v. Straußenburg.
Türkischer (Vize-) Generalissimus: GeneralleutnantEnver
Pascha.
Französischer Generalissimus: General Joffre; später Gene-
ral Nivelle; sodann General petain. Oberbefehlshaber der alliierten Ar-
meen Ln Frankreich: General — später Marschall — Foch.
RussischerGeneralissimus: Großfürst Nikolai Nikolajewitsch;
später Kaiser Nikolaus II.
Englischer Oberbefehlshaber: Feldmarschall French; später
General
Deutsches Großes Hauptquartier: Ln Koblenz; später Ln
Luxemburg, Mezieres-Tharleville, Pleß, Kreuznach, Avesnes, Spa.
Im Westen
Deutscher Aufmarsch im Westen, entsprechend Graf v. Schlies-
sens „Grundsatz der nördlichen Umfassung" („Macht mir den rechten Flügel
stark!"): -.Armee: v. Kluck; 2. Armee: v. Bülow; z.Armee: Frhr. v. Hausen;
4. Armee: Herzog Albrecht von Württemberg; 5. Armee: Deutscher Kron-
prinz; 6. Armee: Kronprinz Rupprecht von Bayern; 7. Armee: v. Heeringen.
Französischer Aufmarsch setzt nachhaltigen widerstand der
Belgier im Norden voraus: Die ). und 2. Armee, gestützt auf Epinal und
Toul, bereiten Stoß auf Lothringen vor. Die 3., 4. und 5. Armee stehen
im Dreieck von Verdun, LhLlons, Mezieres-Lharleville.
Britisches Expeditionskorps sammelt sich um Maubeuge.
Es soll sich den Operationen des linken französischen Flügels anschließen.
7. August: Lüttich gefallen (v. Emmich, Ludendorff; erste Verwendung
der 42-cw-Mörser).
7. August: Teile der ). französischen Armee dringen von Belfort her
durch die Burgundische Pforte ins Oberelsaß ein. Sie besetzen Mül-
hausen, werden aber am
9. August durch die deutsche 7. Armee Ln der Schlacht bei Mülhausen
geschlagen und zum Zurückgehen über die Landesgrenze gezwungen.
14. August: Beginn des Vorstoßes der 1. und 2. französischen Armee
nach Lothringen.
1 S. August: Mülhausen fällt zum zweitenmal Ln Feindeshand, wird aber
am 26. August erneut von den Deutschen zurückgewonnen.
16. bis 19. August: Schlacht bei Tirlemont. Rückzug der Belgier auf
Antwerpen.
20. August: Brüssel besetzt.
!
ro. bis 22. August: Schlacht in Lothringen; sie endet mit dem Sieg der
deutschen 6. und 7. Armee.
rr. bis 25. August: Nach dreitägiger Belagerung Fall der Maasfestung
Namur.
2 3. b L s 2 4. A u g u st: Siegreiche Angriffsschlachten bei Mons, Charleroi,
Dinant, NeufchLteau und Longwy.
23. Augustbis) 4. September: Ergebnisloser Vorstoß der 0. und 7.
deutschen Armee gegen die französische Festungslinie Nancy—EpLnal.
24. August bis ). September: Deutsche Siege bei LeCateau, St.
Guentrn, an der Somme und an der Maas.
2. September: Übersiedlung der französischen Regierung nach Bor-
deaux.
5. bis 12. September: Marneschlacht. (Schwere Rrise des rechten
deutschen Heeresflügels infolge des französischen Flankenstoßes aus
Paris. Der Sieg trotzdem zum Greifen nahe. Die „Sendung hentsch".
Das deutsche Heer aus vollem Siege heraus zurückgeriffen.)
7. September: Fall der Festung Maubeuge.
MitteSeptember: Die deutsche Rückwärtsbewegung ist zum Stehen
gekommen. Die Front verläuft von Noyon nördlich an Soiffons und
Reims vorbei quer durch die Champagne entlang dem Nordrand der
Argonnen bis nördlich Verdun. Beginn des Stellungskrieges, auch
in Lothringen und in den Vogesen. Beiderseits wird versucht, die
Entscheidung durch Umfassung des feindlichen Nordflügels herbei-
zuführen. Der „wettlauf zum Meere".
9. Oktober: Eroberung Antwerpens durch General von Beseler.
15. Oktober: Deutsche Truppen erreichen bei Ostende das Meer.
1 9. Oktober bis Ende November: Apernschlacht der neuen 4. so-
wie der 6. deutschen Armee (um den Rserübergang, um Dixmuiden,
BLxschoote, Langemark, passchendaele, Becelaere, Apern, hollebeke,
wytschaete und Messines branden Gefechte von wilder, mittelalter-
licher Verbissenheit).
27. Oktober: Die Belgier öffnen die Schleusen von Nieuport.
1). November: (vormittags): Der deutsche Heeresbericht: „westlich
Langemark brachen junge Regimenter unter dem Gesang Deutsch-
land, Deutschland über alles^ gegen die erste Linie der feindlichen
Stellungen vor und nahmen sie."
12. November: Aus dem englischen Heeresbericht mit Bezug auf den
bewiesenen Angriffsgeist der deutschen Kriegsfreiwilligen: „Das ist
die Frucht eines Jahrhunderts nationaler Disziplin."
Im Osten
Deutscher Aufmarsch im Osten (Ostpreußen): 6. Armee unter
Generaloberst v. prittwitz u. Gaffron, dann unter Hindenburg/Ludendorff.
Absicht: Schutz Ostpreußens, hinhaltende Kriegführung, bis Entscheidung
im Westen gefallen und starke Kräfte dort freigeworden.
Ein deutsches Korps (Landwehrkorps): Schutz Oberschlesiens, Unter-
stützung der österr.-ungar. Offensive.
12*
179
Österreichisch-ungarischer Aufmarsch: 3 Armeen gegen
Serbien. Die )., 3., 4. sowie, von der serbischen Front alsbald antranspor-
tiert, der Hauptteil der 2. Armee gegen Rußland. Absicht: überraschender
Vorstoß gegen die noch im Aufmarsch begriffenen russischen Armeen,
schneller, entscheidender Schlag gegen Serbien.
Der russische Aufmarsch entsprach dem Gedanken, zunächst mit
überlegenen Rräften das österr.-ungar. ^eer zu vernichten.
r 0. August: Beginn der österr.-ungar. Offensive zwischen Bug und
Weichsel.
2 3. bis 3). August: Österr.-ungar. Siege bei Rrasnik und Romarow;
Rückschlag bei Zloczow.
2 3. August: Hindenburg und Ludendorff sehen sich zum erstenmal auf
dem Bahnhof Ln Hannover.
2 3.-3). August: Tannenberg, die größte Einkreisungsschlacht aller
Zeiten. Hindenburg/Ludendorff vernichten die Narewarmee unter
General Samsonow.
5. bis )5. September: Hindenburg/Ludendorff schlagen die Njemen-
armee unter General v. Rennenkampf. Schlacht an den Masurischen
Seen. Verfolgung der Ruffen bis über die Landesgrenze hinaus.
Die schon zwiefach bewiesene Führerkunst Hindenburg/
Ludendorffs, die Tapferkeit und Ausdauer der Truppen und dazu dank dem
vortrefflichen Zustande des deutschen Eisenbahnnetzes die fabelhafte Beweg-
lichkeit der deutschen Armeekorps auf ungeheurem Raum drücken dem
Rrieg im Osten ihr Gepräge auf.
6. bis ) 2. September: Schwere Niederlage des österr.-ungar. Heeres
bei Lemberg. Lemberg, Galizien und die Bukowina gehen verloren.
San- und Dnjestr-LLnie können gegen die russische Übermacht nicht
gehalten werden. Rückzug endet erst hinter der wisloka und in den
Rarpaten.
2 6. September bis Mitte Oktober: Feldzug Ln Südpolen. Der
linke Flügel des österr.-ungar. Heeres und die deutsche 9. Armee
dringen bis Warschau und Iwangorod vor, müffen aber, um einer
russischen Umfassung zu entgehen, bis zu ihren Ausgangsstellungen
zurückgenommen werden. Hindenburg/Ludendorff erweisen sich als
Meister des strategischen Rückzuges, Nikolai Nikolajewitsch setzt
seine „Dampfwalze" schwerfällig gegen Posen und Breslau in Gang.
11. November bis Mitte Dezember: Feldzug Ln Nordpolen.
Um die russische „Dampfwalze" aufzuhalten, stößt die neuformierte
deutsche 9. Armee unter General d. Rav. v. Mackensen aus der Linie
Posen—Thorn gegen die rechte Flanke der Russen vor. Russen bei
Rutno geschlagen, doch gelingt die Einschließung des rechten russischen
Flügels nicht, vielmehr werden die östlich Lodz stehenden Teile der
9. Armee ihrerseits von überlegenen russischen Rräften umklammert.
23. bis 24. November: Durchbruch bei Brzeziny unter den Generalen
v. Scheffer-Boyadel und Litzmann.
). bis - r. Dezember: Sieg der österr.-ungar. 3. und 4. Armee bei
Limanowa.
6. Dezember: Eroberung von Lodz.
15. Dezember: Eroberung von Lowiez.
Russischer Winter über der ungeheuren Front von Memel bis
Lzernowitz.
Und anderswo
11. August: Die deutschen Kreuzer „Goeben" („Sultan Jawus Selim")
und „Breslau" („Midilli") entkommen aus dem Mittelmeer durch
die Dardanellen ins Schwarze Meer und werden Ln die türkische
Flotte eingereiht.
12. bis r z. August: Die Offensive der österr.-ungar. Armeen gegen
Serbien mißlingt unter schweren Verlusten.
14. August: Der Kleine Kreuzer „Emden" unter Korvettenkapitän von
Müller wird aus dem Verbände des ostasiatischen Kreuzergeschwaders
entlassen und treibt auf eigene Faust Kreuzerkrieg.
24. August: Telegramm des Gouverneurs von Tsingtau, Kapitäns z. S.
Meyer-Waldeck: „Einstehe für Pflichterfüllung bis zum äußersten."
r s. August: Seegefecht bei Helgoland. Die Engländer unter Admiral
Beatty sind an Zahl stark überlegen. Die drei deutschen Kleinen
Kreuzer „Mainz", „Ariadne" und „Köln" sinken nach tapferem Kampf.
6. September: „II 21" (Kapitänleutnant Zersing) versenkt bei Edin-
burgh den englischen Kreuzer „pathfinder".
22. September: „bl 9" (Kapitänleutnant Otto weddigen) versenkt
bei Hoek van Holland die drei englischen Kreuzer „Lreffy", „Hogue"
und „Aboukir".
Mitte Oktober bis Mitte Dezember: Auch ein zweiter An-
griff der österreichisch-ungarischen 5. und 6. Armee unter Feldzeug-
meister potiorek gegen Serbien endigt nach anfänglichen Erfolgen
mit einer schweren Niederlage. Die österreichisch-ungarischen Ar-
meen müssen bis hinter Save und Drina zurückgenommen werden.
1. November: Deutscher Seesieg bei Toronel an der Westküste Chiles.
Das ostasiatische Kreuzergeschwader unter Vizeadmiral Graf v. Spee
versenkt dabei die beiden englischen Panzerkreuzer „Good Hope" und
„Monmouth".
7. November: Die englische und japanische Flagge wehen gemeinsam
über Tsingtau („8 90" torpediert japanischen Kreuzer „Takatschio").
über weiten Teilen Kameruns geht die deutsche Kriegsflagge nieder,
doch leistet die tapfere Polizeitruppe im Innern des Landes noch
weiter widerstand. Der Raub von Togo ist schon im August voll-
zogen. Die deutschen Siedlungen im Stillen Ozean: Samoa, Neu-
Guinea, die Karolinen, die Marianen und die Marschallinseln wer-
den im Laufe des August und September von den Engländern be-
setzt. In Deutsch-Südwest- und Deutsch-Ostafrika wird heftig ge-
kämpft; in Südwest ist das Kriegsglück wechselnd, Ln Deutsch-Ost-
afrika erleiden die Engländer mehrere schwere Niederlagen.
9. November: Kreuzer „Emden" wird bei den Kokosinseln vom austra-
lischen Kreuzer „Sidney" zusammengeschossen. Kapitänleutnant
v. Mückes abenteuerliche Fahrt auf der „Ayesha" beginnt.
9. N o v e m b e r: winston Churchill, der englische Marineminister, erklärt Ln
der Londoner Guildhall: „wir haben folgenden Wahlspruch: .wäh-
rend die Landkarten Europas sich ändern, geht Englands Geschäft
seinen gewöhnlichen Gang/ Die wirtschaftliche Erdrosselung
Deutschlands durch die Seeblockade braucht Zeit. Nur Geduld!
wir sind erst im dritten Monat."
S. Dezember: Seeschlacht bei den Falkland-Inseln. heldenmütiger
Untergang des ostasiatischen Kreuzergeschwaders: Panzerkreuzer
„Scharnhorst" (Flaggschiff) und „Gneisenau", Kleine Kreuzer „Leip-
zig" und „Nürnberg"; der Kleine Kreuzer „Dresden" entkommt und
wird ein Vierteljahr später Ln neutralen Gewässern vernichtet. Das
feindliche Geschwader besteht aus den beiden Großen Schlachtkreu-
zern „Invincible" und „Inflexible", den Panzerkreuzern „Larnavon",
„Cornwall", „Kent", den Kleinen Kreuzern „Bristol", „Glasgow"
und dem Hilfskreuzer „Macedonia".
1915
Allgemeines
rb. April: Geheimabkommen Italiens mit der Entente.
rz. Mai: Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn.
6. September: Abschluß einer Militärkonvention mit Bulgarien.
September: Geheimabkommen Griechenlands (Ministerpräsident Ve-
nizelos handelt auf eigene Faust und über den Kopf König Kon-
stantins hinweg), wonach England und Frankreich Truppen in Salo-
niki landen dürfen.
14. Oktober: Kriegserklärung Bulgariens an Serbien.
Im herbst: Deutsche Friedensfühler — u. a. durch den König von Däne-
mark — in St. Petersburg. Die Regierung des Zaren lehnt ab.
Italienischer Generalstabschef: Generallt. Graf Ladorna.
Oberbefehlshaber des bulgarischen Heeres: General
Iekow.
Im Westen
Erster Kriegswinter Ln Unterständen und Gräben, hinter dicht
verdrahteten Hindernissen in den Dünen von Meuport, vor Aperrr,
auf der Lorettohöhe, am Chemin des Dames, rings um Reims, Ln
btn Argonnen, im Bogen von St. MLHLel, am Donon, am hart-
mannsweilerkopf.
) 6. Februar: Beginn französischer Angriffe zwischen Perthes und Ta-
hure. Sie werden abgewiesen.
16. Februar: Das erste Trommelfeuer im Weltkrieg Ln der Cham-
pagne zwischen Souain und Massiges.
2). Februar bis 20. März: winterschlacht in der Champagne. Erste
Durchbruchs- und Materialschlacht.
io. März: Die Engländer greifen nördlich des La-Baffee-Ranals ver-
geblich bei Neuve Lhapelle an.
Anfang April: Die Franzosen versuchen vergeblich zwischen Maas
und Mosel den vorspringenden St.-Mihiel-Bogen der deutschen
Front abzuschnüren.
rr. April: Erster deutscher Gasangriff bei Rpern zwischen Poeleapelle
und Steenstrate.
7. Mai bisMitteJuli: Durchbruchsschlacht zwischen La Baffee und
Arras. Am 9. Mai bricht der Infanterieangriff los. Nach mörde-
rischen Kämpfen bleiben den Franzosen und Engländern einige zer-
trümmerte Dörfer und ein Steinhaufen, der einstmals die Rapelle
von Notre Dame de Lorette hieß.
Seit Juli: Die ersten Fokker-Flugzeuge mit eingebautem Maschinen-
gewehr.
19. September bis Ende Oktober: Doppeloffensive der Fran-
zosen und Engländer in der Champagne und bei Arras. Dom -9.
bis 25. September dauert das Trommelfeuer. Am 25. September
beginnt der Infanterieangriff zwischen Bethune und Arras im Nor-
den, zwischen Souain und Massiges Ln der Champagne. Im Artois
erobern die Engländer das Städtchen Loos (zwischen La Baffee und
Lens), die Franzosen Souchez. Don Souain bis Somme-Py (Cham-
pagne) wird die deutsche Front teilweise durchbrochen, aber der
Feind erkennt die Gunst der Lage nicht. Das sog. „Schützennest"
taucht auf. Beide Schlachten enden mit einem vollen deutschen Ab-
wehrsieg.
Im Osten
Anfang Januar: Zur Stützung der durch die russische Übermacht
schwer bedrängten österreichisch-ungarischen Armeen in den Rar-
paten wird die neugebildete „deutsche Südarmee" zwischen k. u. k.
z. Armee und Armee-Abteilung Pflanzer-Baltin eingeschoben. Im
gemeinsamen Angriff gelingt es bis Ende Januar, den Rarpaten-
kamm überall wiederzugewinnen.
7. bis 22. Februar: winterschlacht Ln Masuren. Dernichtung der
io. russischen Armee unter General SLewers durch den linken Flügel
der deutschen 6. Armee (General Otto v. Below) und die neuge-
bildete 10. Armee (Generaloberst v. Eichhorn) durch doppelte Um-
fassung. Selbstmord des russischen Armeeführers.
25. Februar bis Ende März: Russische Entlastungsangriffe gegen
die Südflanke der deutschen Ostpreußen-Stellung (Armee-Abteilung
Gallwitz). Das stark umkämpfte Przasnysz geht verloren, im übrigen
werden alle Anstürme abgewiesen.
Mitte März bis Ende April: Neue Maffenangriffe der Ruffen
Ln den Rarpaten bringen die österreichisch-ungarische Front aber-
mals ins Wanken. Durch den Einsatz des neugebildeten deutschen
Beskidenkorps kann der Ansturm aufgefangen und der bereits ver-
lorengegangene Gebirgskamm wiedergewonnen werden.
22. Mär z: Fall der österreichisch-ungarischen Festung przemysl nach tap-
ferer Verteidigung durch General Rusmanek.
Im Osten ist der ganze Rrieg auf die beiden Begriffe Improvisation
und Operation gestellt, während im Westen der Rechenkünstler regiert, Ln
dessen Hand die Materialversorgung liegt.
20. April bis 9. Mai: Zur Ablenkung von dem Ln Galizien beabsich-
tigten Angriff stößt starke deutsche Heereskavallerie gemeinsam mit
einigen Infanteriedivisionen unter Generalleutnant v. Lauenstein
überraschend gegen die freie russische Nordflanke nach Rurland hin-
ein vor. Schauten und Libau wieder genommen, an Dubiffa und
Windau entsteht eine neue Front.
). b L s 3. M a L: Nach starker Artillerievorbereitung durchbrechen die neu-
gebildete deutsche )). sowie die k. u.'k. 4. Armee unter dem Kom-
mando des Generalobersten v. Mackensen — Ohes des Generalstabes:
Oberst v. Seeckt — die russischen Stellungen bei Gorlice-Tarnow.
4. Mai bis Ende Juni: Befreiung Galiziens und der Bukowina.
Dem siegreichen Vordringen Mackensens schließen sich allmählich
die deutschen und österreichisch-ungarischen Armeen Ln den Rarpaten
und Südpolen an.
z. Juni: Die Festung przemysl zurückerobert.
22. Juni: Die Armee Böhm-Ermolli besetzt Lemberg.
1 3. Juli: General v. Gallwitz durchbricht beiderseits Przasnysz die rus-
sischen Linien und überschreitet am 24. Juli den Narew.
)6. Juli: Neuer Durchbruch der Heeresgruppe Mackensen zwischen
Weichsel und Bug Ln Richtung auf Lublin und Lholm.
27. Juli: Armee-Abteilung woyrsch überschreitet die Weichsel.
29. Juli: Neuer Angriff Mackensens zwischen Lublin und Lholm nach
Nordosten.
Ende Juli bis 5. August: heftige russische Gegenangriffe gegen die
Armee Gallwitz werden abgeschlagen.
5. August: Warschau nach kurzem Rampf genommen. Iwangorod ist
bereits tags zuvor gefallen.
16. August: Rowno durch General Litzmann Ln raschem Zugriff erobert.
20. August: Nowo-Georgiewsk wird nach nur zwölftägiger Belagerung
durch General v. Beseler bezwungen. Ungeheure Beute. Die Narew-
festungen Ostrolenka und Lomza sind bereits Anfang August ge-
fallen; Offowiez wird von den Russen am 22. geräumt.
27. August bis 12. September: Österreichisch-ungarische Offensive
Ln Ostgalizien und Wolhynien. Es gelingt, Ostgalizien bis auf ein
kleines Grenzstück vom Feinde zu befreien und Ln Wolhynien die
Festungen Luzk (3). August) und Dubno (S. September) zu erobern.
26. August: Brest-LLtowsk wird von der 9. Armee genommen. Von der
Weichsel bis hierher sind 250 km. Sie wurden Ln vier Wochen
zurückgelegt.
2. September: Fall von Grodno.
I64
6. September bis Ende September: Gegenstöße der russischen
Südwestfront unter General Iwanow. Die österreichisch-ungarische
7. und r. sowie die deutsche Südarmee erleiden einen empfindlichen
Rückschlag und müssen unter schweren Verlusten bis hinter Dnjestr
und Strypa ausweichen. In Wolhynien geht Luzk vorübergehend
verloren. Ein Vorstoß der aus deutschen und österreichisch-un-
garischen Verbänden neugebildeten Heeresgruppe Linsingen in Rich-
tung auf Rowno stellt die Lage wieder her und veranlaßt die Russen,
wieder bis hinter den Sereth zurückzugehen.
6. September: Großfürst Nikolai Nikolajewitsch legt den Oberbefehl
nieder. Zar Nikolaus II. selbst übernimmt ihn.
9. September bis Anfang Oktober: Offensive der deutschen ir.,
6., 10. und Njemen-Armee gegen die Nordflanke des russischen Heeres.
Schlacht bei Wilna. Die geplante Einkreisung des Gegners miß-
lingt, doch kann die deutsche Front bis Smorgon—postawy und an
die Düna vorverlegt werden. — Die Armeen der Heeresgruppe
Leopold von Bayern erreichen die Linie Baranowitschi—pinsk.
r. bis 13. Oktober: Wiederholung der russischen Angriffe am Sereth
und Ln Wolhynien. Örtliche Erfolge, die der Feind österreichisch-
ungarischen Truppen gegenüber erringt, werden durch deutsche Ver-
bände überall wieder ausgeglichen.
Ende Oktober: Stellungskrieg.
Bilanz: In einem halben Jahr haben die Russen 3 Millionen Men-
schen und viele tausend Geschütze eingebüßt. Rurland, Litauen, Polen sind
Ln deutscher Hand. Galizien, die Bukowina sind frei. )6 Festungen sind
gefallen.
Und anderswo
Januar bis Mitte Februar: Vergeblicher Vorstoß der 4. türkischen
Armee unter General Djemal Pascha (Thef des Generalstabes:
Oberstleutnant Frhr. Kreß v. Rreffenstein) von Birseba durch die
Sinai-Wüste gegen die englischen Stellungen am Suezkanal.
24. Januar: Seegefecht an der Doggerbank. 5 englische Schlachtkreuzer,
von 7 Rleinen Rreuzern und mehreren Torpedobootsflottillen be-
gleitet (unter Admiral Beatty), kämpfen gegen die 3 deutschen
Schlachtkreuzer „Derfflinger", „Seydlitz" und „Moltke", den Panzer-
kreuzer „Blücher", 4 Rleine Rreuzer und r Torpedobootsflottillen
unter Vizeadmiral v. Kipper. „Blücher" sinkt, r englische Schlacht-
kreuzer schwer beschädigt.
3). Januar: Geheime Anordnung der englischen Regierung, die den
englischen Handelsschiffen erlaubt und empfiehlt, unter neutraler
Flagge zu fahren.
4. Februar: Deutschland erklärt die Gewässer um England einschließ-
lich des Kanals zum Kriegs- und Blockadegebiet. Der Hauptkriegs-
lieferant der Alliierten, die Vereinigten Staaten von Nordamerika
unter der Präsidentschaft Woodrow Wilsons, protestiert scharf.
195
Deutschland antwortet, es werde alles tun, um die Sicherheit der
„legitimen" Schiffahrt zu gewährleisten.
1 9., 2 5. und 26. Februar: Beschießung der Außenforts der Darda-
nellenbefestigung durch eine englisch-französische Flotte.
) 6. März: Großer Flottenangriff auf die Dardanellen. Er wird restlos
abgeschlagen, die Angreifer verlieren 6 Schiffe.
2 5. April: Nach mehrstündigem Flottenbombardement landen englische
und französische Truppen an verschiedenen Stellen der Halbinsel
Gallipoli. Ein weiteres Vordringen wird durch die von General
Liman von Sanders geführten Türken Ln mehrtägigen, außerordent-
lich heftigen und blutigen Kämpfen verhindert.
Mai 1915 bis 9. Januar ) 9) 6: Stellungskrieg auf Gallipoli. Er-
folge deutscher U-Boote. Im Anschluß an eine neue Landung im
August zeitweiliges Aufleben der Kämpfe. Ende Dezember Beginn
der Räumung durch Engländer und Franzosen.
7. Mai: Torpedierung der „Lusitania". Amerika verlangt Schadenersatz
und protestiert gegen die Verwendung von U-Booten im Handels-
krieg.
23. Mai: Beginn der 1. Isonzo-Schlacht. Nach siebentägigem Trommel-
feuer tritt die italienische Infanterie zum Sturm an. Die Offen-
sive endigt mit einem klaren Mißerfolg der Italiener. Auch drei
weitere Isonzo-Schlachten (16. Juli bis 2. August, 16. Oktober bis
4. November und 10. November bis 2. Dezember) sind volle Ab-
wehrsiege des österreichisch-ungarischen Heeres
2 4. M a L: Mitglieder der „Emden"-Besatzung (v. Mücke) treffen Ln Kon-
stantinopel ein.
5. Juni: Auf Drängen des deutschen Reichskanzlers v. Bethmann Holl-
weg, des Auswärtigen Amtes und der Obersten Heeresleitung Ge-
heimbefehl des Kaisers an die U-Boot-Kommandanten, bis auf
weiteres neutrale Schiffe zu schonen und große Paffagierdampfer,
auch feindliche, nicht mehr anzugreifen.
11. Juli: Der letzte deutsche Auslandskreuzer, die „Königsberg", wird
Ln der Mündung des Rufiji-Fluffes (ostafrikanische Küste) nach he-
roischem widerstand verlassen. Die Besatzung schlägt sich unter
Mitnahme der Geschütze zur deutschen Schutztruppe unter Oberst
v. Lettow-Vorbeck durch.
19. August: Torpedierung des englischen Passagierdampfers „Arabie".
Starke Erregung Ln den Vereinigten Staaten. Weisung an die
U-Boot-Kommandanten, alle Paffagierdampfer zu schonen.
19. August: „U 27" wird von dem unter amerikanischer Flagge fahren-
den englischen Hilfskreuzer „Baralong" überrascht und vernichtet.
Die mit den Fluten ringende Besatzung wird durch Gewehrschüsse
ermordet.
16. September: Befehl zur Einstellung des Handelskrieges mit U-
Booten Ln den Gewässern um England.
0. Oktober bis 26. November: Feldzug gegen Serbien unter
Leitung des Generalfeldmarschalls v. Mackensen.
7. bis 11. Oktober: Übergang über Save und Donau durch die öfter-
reichisch-ungarische 3. Armee (General v. Köveß) und die deutsche
11. Armee (General v. Gallwitz).
9. Oktober: Eroberung von Belgrad.
14. Oktober: Beginn des bulgarischen Angriffs gegen Serbien.
16. Oktober: Teile der 2. bulgarischen Armee erreichen und sperren
die Bahn Nisch—Saloniki (einzige Verbindung zwischen den Ser-
ben und der Entente-Armee in Saloniki).
1. November: Einnahme von Kragujevac.
5. November: Nisch wird nach dreitägigem Kampf von den Bulgaren
genommen.
rr. November: Türkischer Sieg bei Ktesiphon (Mesopotamien) über
die Engländer.
23. bis r4. November: Schlacht auf dem Amselfelde. Der letzte ser-
bische widerstand gebrochen. Trümmer des serbischen Heeres — da-
bei der greise König Peter — gelangen nach unendlichen Mühen und
Entbehrungen durch die unwegsamen Gebirge Albaniens nach Du-
razzo, von wo sie nach Korfu gebracht werden.
2. bis 13. Dezember: Schlacht am Vardar. Die von Saloniki zur
Unterstützung der Serben nach Norden vorgegangene französisch-
englische „Orientarmee" unter General Sarrail wird von den Bul-
garen geschlagen und auf Saloniki zurückgeworfen. Entstehung der
Mazedonienfront.
Ende Dezember: Die aus der Heeresgruppe Mackensen ausgeschiedene
österreichisch-ungarische 3. Armee beginnt einen Feldzug gegen
Montenegro und Albanien.
In den Kolonien: In Kamerun tapfere und zunächst auch erfolg-
reiche Abwehr aller feindlichen Angriffe. Erst gegen Jahresende
Einkreisung der deutschen Schutztruppe vollendet, diese muß am
29. Dezember den übertritt auf spanisches Gebiet einleiten. (Ein-
treffen dort im Februar 19)6.) In S ü d w e st a f r L k a müssen sich
die Deutschen unter dem Druck des überlegenen Gegners allmählich
in den Nordteil der Kolonie zurückziehen und nach schweren Kämp-
fen bei Otawi kapitulieren. Dagegen kann Deutschostafrika
im wesentlichen vom Feinde frei gehalten werden.
191§
Allgemeines
23. Februar: Beschlagnahme der Ln den portugiesischen Häfen liegen-
den deutschen Schiffe.
9. bzw. 15. März: Kriegserklärungen Deutschlands und Österreich-
Ungarns an Portugal.
26. August: Kriegserklärung Italiens an Deutschland.
27. August: Rumänien erklärt Österreich-Ungarn den Krieg.
r6. August: Deutschland erklärt Rumänien den Krieg.
2 9. A u g u st: Rücktritt des Generals v. Falkenhayn als Thef des Ge-
neralstabes des Feldheeres. Sein Nachfolger wird Generalfeldmar-
167
schall v. ^Lndenburg, die (neugeschaffene) Stelle des Ersten Ge-
neralquartiermeisters erhält Generalleutnant Ludendorff. Ober-
befehlshaber Ost: Prinz Leopold von Bayern.
3 ). August: „Hindenburg-Programm": ein Schreiben Hindenburgs an
den Kriegsminister fordert: Verdoppelung der Herstellung von
Munition und Minenwerfern, Verdreifachung der Herstellung von
Geschützen und Maschinengewehren. Im übrigen straffere Organi-
sation der Ersatzerzeugung, Ausnutzung aller menschlichen und mate-
riellen Hilfskräfte des Landes zum Zwecke der Kriegführung.
5. November: proklamierung des Königreichs polen.
r). November: Tod Kaiser Franz Josephs I. von Österreich-Ungarn.
Nachfolger wird sein Großneffe, der schwache Erzherzog Karl. Dessen
Gemahlin Zita stammt aus dem Hause Bourbon-Parma. Zitas Mut-
ter, Herzogin von Parma, läßt noch im Sterbemonat des alten und
mit wissen des neuen Kaisers ihre beiden Ln der belgischen Armee
dienenden Söhne zu sich kommen und teilt ihnen mit, daß ihr
Schwiegersohn, der junge Kaiser Karl, unbedingt Frieden machen
wolle. — Neuer österreichischer Außenminister: Graf Lzernin.
5. Dezember: Hilfsdienstgesetz. (Der „Vaterländische Hilfsdienst" erfaßt
alle männlichen Deutschen im Alter von )7 bis 6o Jahren, soweit sie
nicht militärdienstpflichtig sind. Schon beginnt selbstsüchtiger Mate-
rialismus sich an die Stelle nationaler Ideale zu drängen.)
12. Dezember: Friedensangebot der Mittelmächte; es erfährt durch
die Staatsmänner der Entente höhnische Abweisung.
2). Dezember: Note des Präsidenten Wilson an alle kriegführenden
Mächte und die bedeutendsten Neutralen, „daß man sondiere, um Ln
Erfahrung zu bringen, wie nahe wohl das Ziel des Friedens sei, nach
welchem die ganze Menschheit mit heißem und immer wachsendem
Begehren sich sehne".
22. Dezember: Der Chef des deutschen Admiralstabes unterbreitet der
Obersten Heeresleitung eine Denkschrift über die Möglichkeiten des
uneingeschränkten U-Boot-Krieges. Er kommt zu dem Schluß, daß
England innerhalb von fünf Monaten zum Friedensschluß gezwun-
gen werden könne. Die Oberste Heeresleitung unterstützt den Ad-
miralstab Ln seiner Forderung nach Wiederaufnahme des U-Boot-
Krieges, Reichskanzler v. Bethmann Hollweg ist schärfster Gegner.
2 6. Dezember: Antwort der Mittelmächte an Wilson. Sie erneuern
ihren Vorschlag vom )2. Dezember.
zo. Dezember: Ablehnung des deutschen Friedensvorschlages durch
die Entente. („In voller Erkenntnis der Schwere, aber auch der
Notwendigkeiten der Stunde lehnen es die alliierten Regierungen,
unter sich eng verbunden und Ln voller Übereinstimmung mit ihren
Völkern, ab, sich mit einem Vorschlag ohne Aufrichtigkeit und ohne
Bedeutung zu beschäftigen.")
Im Winter 1016/17 wird ein wesentlicher Teil der deutschen
Rüstungsindustrie durch Streiks für einige Zeit lahmgelegt.
169
3m Westen
r 6. Januar: Deutscher Ablenkungsangriff bei Frise an der Somme.
ro./3o. und 3 0./Z). Januar: Deutsche Zeppeline über Paris.
2 1» Februar: Beginn des Angriffs auf Verdun (zunächst nur auf dem
östlichen Maasufer). Die deutschen Angriffstruppen dringen auf der
ganzen Front tief Ln die französischen Stellungen ein.
2 4. Februar: Der (Oberbefehlshaber der französischen Heeresgruppe
Mitte ordnet die Vorbereitung der Räumung des ganzen östlichen
Maasufers an. Im Auftrag Joffres begibt sich General de Tastel-
nau nach Verdun und verbietet die Räumung. „Jeder Führer, der
einen Befehl zum Rückzug gibt, wird vor ein Kriegsgericht gestellt
werden." General petain übernimmt die Verteidigung Verduns.
2 5. Februar: Teile des Brandenburgischen Inf.Regts. 24 unter Füh-
rung von Hptm. Haupt und Lt. d. Res. Radtke dringen in die pan-
zerfeste Douaumont ein.
6. März: Ausdehnung des Angriffs auch auf das westliche Maasufer.
14. März: Der Nordteil der Höhe „Toter Mann" erstürmt.
April: Der deutsche Angriff wird zur reinen Zermürbungs- und Mate-
rialschlacht.
S. Mai: Furchtbare Explosionskatastrophe im Fort Douaumont. Mehr
als 075 Tote!
22. Mai: Ein heftiger französischer Gegenangriff dringt vorübergehend
bis zum Fort Douaumont vor.
7. Juni: Eroberung des Forts Vaux.
19. Juni: Oberleutnant Immelmann, der „Adler von Lille", fällt im
Luftkampf.
23. Juni: Erstürmung von Fleury und des Zwischenwerks Thiaumont.
(Fleury blieb der südlichste Punkt der deutschen Offensive. Es waren
von dort nur mehr 4 Kilometer bis Verdun.)
2 4. Juni bis 26. November: Die Sommeschlacht, die blutigste,
längste und Ln ihrer Breite gewaltigste Materialschlacht des Krieges.
Sechsunddreißig angreifenden feindlichen stehen etwa zwölf ver-
teidigende deutsche Divisionen gegenüber. Die Überlegenheit der
Entente an Artillerie und Material jeglicher Art beträgt das Drei-
bis Sechsfache. Maffenverwendung der Luftstreitkräfte und von
Gasmunition.
I. 1. bis 5. Juli: Nach -Sostündigem Trommelfeuer fünftägiger
Ansturm auf der ganzen Angriffsfront. Jm Norden werden die
deutschen Linien restlos gehalten, Ln der Mitte und im Süden
dringen die Angreifer bis zu 2,5 Kilometer tief Ln die deutschen
Stellungen ein.
II. 6. bis io. Juli: ELnzelvorstöße bringen den Angreifern nur
unbedeutenden Geländegewinn.
III. 20. bis 3). Juli: Neue Folge gemeinsamer Großangriffe der
Engländer und Franzosen. Auch sie bringen nur geringe örtliche
Erfolge.
IV. 1. bis 23. August: Nach vorübergehendem Abflauen der Schlacht
sind der 7. und 6. August wieder Großkampftage. Der Brenn-
)§9
Punkt der Schlacht liegt jetzt nördlich der Somme. Vom 9. bis
23. August folgen Einzelvorstöße wechselnden Umfangs. Die
Ergebnisse für die Angreifer bleiben nach wie vor gering.
V. 24. August bis Ende September: Eine nur durch kurze Spannen
unterbrochene Folge von Großkämpfen auf der ganzen Front
zwischen Thiepval und Estrees. Die deutschen Linien werden
teilweise zurückgedrängt, doch kommt es nirgends zu einem
Durchbruch der Angreifer.
16. September: Erstmalige Verwendung von Tanks (durch die
Engländer).
VI. ). Oktober bis 26. November: Merkliches Nachlassen der An-
griffskraft der Franzosen und Engländer. Zahlreiche Einzel-
vorstöße haben ebenso geringe Ergebnisse wie die letzten Groß-
angriffe.
Die Schlacht endet für die Entente mit dem Verlust von dreiviertel
Millionen Menschen, für die Deutschen von einer halben Million.
Der Durchbruch an der Somme wird nicht erreicht. Der unsicht-
bare, aber wichtigste Teil der Entscheidung dieser Schlacht ist
seelischer Art.
1). Juli u. i. August: Die letzten deutschen Angriffe an der Verdun-
front gegen Fort Souville mißlingen.
r. September: Befehl zur endgültigen Einstellung des Angriffs auf
Verdun.
2 4. Oktober: Ein überraschender französischer Vorstoß auf dem öst-
lichen Maasufer unter Leitung des Generals Nivelle führt zu einem
tiefen Einbruch in die deutschen Stellungen und zum Verlust des
Forts Douaumont. Fort Vaux muß wenige Tage später freiwillig
geräumt werden.
2 6. Oktober: Hauptmann Boelcke, der große Flieger (40 Flugzeug-
abschüsse), findet den Fliegertod.
15. Dezember: Ein zweiter Angriff der Franzosen bei Verdun führt
zum Verlust des größten Teils des im Februar Gewonnenen.
Dezember: General Nivelle neuer Oberkommandierender im kriegs-
müden Frankreich.
Im Osten
16. bis 26. März: Schlacht am Narotsch- und Wischniewsee (66 deut-
sche fangen annähernd 400 russische Bataillone auf. Mehr als tausend
Geschütze standen hinter den Russen).
1 9. b L s 2 6. M ä r z: Ein zweiter vergeblicher russischer Stoß wird weiter
nördlich Ln der Gegend von Dünaburg angesetzt. Schlacht zwischen
Mitau und Jakobstadt.
4. Juni bis Anfang September: Brussilow-Offensive. General
Brussilow, Oberbefehlshaber der russischen Südwestfront, greift auf
35o Kilometer Frontbreite an. Hauptstöße Ln Wolhynien (Ln Rich-
tung Luzk) und Ln der Bukowina. Bei Luzk bricht die österr.-ungar.
4. Armee völlig zusammen und flutet panikartig zurück. Auch die
190
österr.-ungar. 7. Armee Ln der Bukowina verliert den Halt. Innere
halb einer Woche über 100000 Gefangene! Dagegen hält die bei
Tarnopol stehende deutsche Südarmee eisern stand.
7. Juni: Die Russen marschieren Ln Luzk ein.
13. Juni: Die Russen erreichen den Stochod.
1 6. Juni: Gegenstoß der aus rasch herangeführten deutschen und österr.-
ungar. Kräften gebildeten „Angriffsgruppe Rowel". — In wochen-
langen Kämpfen gelingt es, den russischen Angriff Ln Wolhynien
am Stocl)od zum Halten zu bringen. (Ab rs. Juli: Mißlungene
russische Durchbruchsversuche bei Kowel.)
2. bis 0. Juli: Ein Gegenangriff der k. u. k. 7. Armee bei Kolomea
scheitert trotz Einsatzes deutscher Verstärkungen.
r. Juli bis 9. August: Russische Anstürme gegen die durch Abgaben
geschwächte deutsche Armeeabteilung woyrsch bei Baranowitschi
scheitern völlig.
1 6. bis 23. Juli: vergebliche russische Vorstöße gegen die deutsche
S. Armee bei Kekkau, zwischen Mitau und Friedrichstadt.
Ende Juli bis )o. August: Neue russische Angriffe zwingen zur
Zurücknahme der Front der k. u. k. 3. und r. sowie der zwischen
beiden stehenden deutschen Südarmee bis Ln die Linie Stanislau—
Brody. Durch Einsatz neuer deutscher Kräfte gelingt es, die Kar-
patenpässe zu halten.
z. August: Ausdehnung des Befehlsbereichs „Oberost" nach Süden.
Hindenburg kommandiert von Riga bis Tarnopol. Oberbefehls-
haber vom Sereth bis zu den rumän. Karpaten Erzherzog-Thron-
folger Karl (Generalstabschef seit Anfang Juli: Generalmajor
v. Seeckt).
29. August: Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern wird Ober-
befehlshaber Ost.
Und anderswo
15. Januar: Vizeadmiral Scheer Chef der deutschen Hochseeflotte.
3 1. Januar/1. Februar: 9 Marinezeppeline steuern England, be-
sonders den Hafen Liverpool, an. (Verhalten des englischen Fisch-
dampfers „King Stephan".)
11« Februar: Seetreffen an der Doggerbank (englisches Minenboot und
der englische Kleine Kreuzer „Arethusa" sinken).
15. März: Verabschiedung des Großadmirals von Tirpitz; sein Nach-
folger wird Admiral v. Capelle.
EndeMärz/Anfang April: Erneute Luftangriffe auf die englische
Küste.
25. April: Ein Geschwader deutscher Schlachtkreuzer und Zerstörer be-
schießt Aarmouth und Lowestoft.
Z I.Mai/i.Iuni: Seeschlacht vor dem Skagerrak. Größte Seeschacht aller
Zeiten. Die deutsche Vorhut führt Vizeadmiral v. Hipper. Ihm gegen-
über steht die englische Vorhut unter Admiral Beatty. Das deutsche
Gros unter Admiral Scheer, das englische unter Admiral Jellicoe.
Verluste auf deutscher Seite: ) Schlachtkreuzer, 4 Meine
Kreuzer, 1 älteres Linienschiff, 5 Torpedoboote und 2551 tapfere
Seeleute. Verluste auf englischer Seite: 3 Schlacht-
kreuzer, 3 Panzerkreuzer, 3 Kleine Kreuzer, 6 Torpedoboote und
insgesamt 0094 Mann. Im ganzen kostete die Schlacht Deutschland
11 Schiffe und England 17 Schiffe.
Ende August/Anfang September: wiederholte Luftangriffe
auf London.
10. Januar: Erstürmung des Lovcen (Montenegro) durch die österr.-
ungar. 3. Armee. — Anschließend Unterwerfung Montenegros. König
Nikita geht außer Landes.
23. Januar: Teile der k. u. k. 3. Armee rücken Ln Skutari (Albanien)
ein.
27. Februar: Österr.-ungar. Kräfte vertreiben die Italiener aus
Durazzo (Albanien).
11. bis 20. März: Die 5. Isonzoschlacht; sie bringt den Italienern
geringen Geländegewinn auf der Hochfläche von Doberdo.
14. Mai bis Anfang Juni: Österr.-ungar. Offensive in den Tiroler
Alpen zwischen Etsch und Brenta gegen die Hochfläche der „Sieben
Gemeinden". Große Erfolge, reiche Beute.
30. Mai: Eroberung der Sperrforts Asiago und Arsiero.
15. Juni bis 2. August: Eine italienische Gegenoffensive zwingt die
durch Abgaben an die Ostfront (infolge der Brussilow-Offensive)
geschwächte österr.-ungar. Heeresgruppe Erzherzog Eugen, den größ-
ten Teil des im Mai eroberten Gebiets wieder zu räumen. Auch
Asiago und Arsiero gehen wieder verloren.
4. bis 10. August: 6. Isonzoschlacht. Die Italiener erobern Görz und
die Hochfläche von Doberdo.
14. bis 17. September: 7. Isonzoschlacht. Unbedeutende Gelände-
gewinne der Italiener.
Oktober: §. und 9. Isonzoschlacht (9. bis 12. und 29. bis 31.). Geringe
Fortschritte der Italiener. Der von ihnen angestrebte Durchbruch
wird nicht erreicht.
Januar bis Juli: Russische Offensive im Kaukasus. Die Russen
erobern Armenien.
26. April: Nach Abweisung eines Entsatzversuches Kapitulation der in
Kut-el-Amara eingeschlossenen englischen Truppen unter General
Townshend.
21. Juli bis 30. Januar 1917: Türkisch-russische Kämpfe in Persien.
Schon 1915 haben Araber am Kampf gegen die Türken teilge-
nommen. Der vom türkischen Sultan im November )9)4 prokla-
mierte heilige Krieg findet Ln der mohammedanischen Welt keinen
Widerhall. 1916 geht der Emir von Mekka zu den Engländern
über.
17. bis 19. August: Schlacht bei Florina (Maz.). Teilerfolge der Bul-
garen.
m
3. Oktoberbis2 7. November: Schlacht bei Monastir (Maz.). Ein
groß angelegter Angriff der Orientarmee unter General Sarrail
wird Ln erbitterten Kämpfen im Ternabogen von den deutsch-bul-
garischen Kräften nach Anfangserfolgen des Gegners abgewiesen.
Monastir muß am )S. November geräumt werden.
Ende August: Einfall der Rumänen in Siebenbürgen, Hermannstadt
und Kronstadt von den schwachen österreichisch-ungarischen Grenz-
schutztruppen geräumt.
In Siebenbürgen Aufstellung einer neuen deutschen 9. 2lrmee
unter General v. Falkenhayn, Ln Nordbulgarien einer deutsch-
türkisch-bulgarischen Heeresgruppe unter Generalfeldmarschall von
Mackensen.
r. September: Heeresgruppe Mackensen dringt Ln die Dobrudscha ein.
6. September: Eroberung der Festung Tutrakan (Rum.).
9. September: Einnahme von Silistria (Rum.).
rb. bis 2 9. September: Schlacht bei Hermannstadt; der rumänische
linke Flügel Ln Siebenbürgen durch die deutsche 9. Armee völlig
geschlagen.
29. September bis 4. Oktober: Kämpfe um Fogaras (Rum.).
5. Oktober: Schlacht vor dem Geisterwald (Rum.), Niederlage der
2. rumänischen Armee.
7. bis 9. Oktober: Schlacht bei Kronstadt; die 2. rumänische Armee
endgültig besiegt und ins Gebirge zurückgeworfen.
22. bis 25. Oktober: Einnahme von Konstanza-Ternavoda (Rum.)
durch Heeresgruppe Mackensen.
)o. bis 14. November: Durchbruchsschlacht am Szurduk- und Vulkan-
paß (Rum.). Teile der 9. Armee erkämpfen sich den Austritt Ln die
walachische Ebene.
z 6./) 7. November: Schlacht von Targu-Iiu (Rum.),
i S. bis 23. November: Verfolgung durch die Westwalachei.
23. November: Die Donauarmee (Heeresgruppe Mackensen) über-
schreitet bei Svistow die Donau. Generalfeldmarschall v. Mackensen
übernimmt den Oberbefehl über alle Ln Rumänien kämpfenden
Truppen.
24. bis 27. November: Kämpfe am unteren Alt (Rum).
1. bis 5. Dezember: Schlacht am Argesch. Stark überlegene rumänische
Kräfte werfen sich auf die schwache Donauarmee. Deren linker
Flügel Ln schwerer Bedrängnis. Gerade noch rechtzeitig Entlastung
durch Teile der 9. Armee (Gruppe Kühne und das Kav.-Korps
Schmettow). Der rumänische widerstand bricht zusammen.
6. Dezember: Einnahme von Bukarest.
2). bis 27. Dezember: Schlacht bei Rimnicul-Sarat (Rum.).
Deutschostafrika: Ende März Beginn eines konzentrischen Ein-
griffs gegen die deutsche Schutztruppe (Führer: General Smuts).
Die Deutschen unter General v. Lettow-Vorbeck entziehen sich der
Umklammerung durch Rückzug nach Mahenge.
193
13 Sperrfeuer, Jugendausgabe
1917
Allgemeines
9. Januar: Abschließende Besprechung im Großen Hauptquartier über
den uneingeschränkten Unterseebootkrieg.
jo. Januar: Gemeinsame Note der Alliierten an Wilson. (Sie fordern
damals bereits u. a. Auslieferung Elsaß-Lothringens, Zerstückelung
der Donau-Monarchie, die Entfernung der Türkei aus Europa.)
3). Januar: Ankündigung des uneingeschränkten Unterseebootkrieges.
1. Februar: Die Vereinigten Staaten von Nordamerika brechen die
diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab.
2 7. Februar: Sturz des k.u.k. Generalstabschefs Feldmarschall Frhr.
Conrad v. Hötzendorf. Nachfolger: General Frhr. Arz v. Strau-
ßenburg. — Feldm. Frhr. v. Conrad übernimmt den Oberbefehl an
der Tiroler Front.
I m M ä r z: Habsburgs „Friedensvermittlung". Kaiser Karl und Kaiserin
Zita von (österreich-Ungarn empfangen den Prinzen Sixtus und über-
geben ihm einen Brief für den französischen Präsidenten poincare,
Ln dem die „berechtigten Ansprüche Frankreichs auf Elsaß-Lothrin-
gen" anerkannt werden.
6. April: Kriegserklärung der Vereinigten Staaten an Deutschland.
(Raffinierter Lügenfeldzug, widerrechtliche Beschlagnahme des deut-
schen Privateigentums.)
7. April: Osterbotschaft Wilhelms II.
Die Zerwürfnisse zwischen der Obersten Heeresleitung und der
Reichsregierung (Hindenburg/Ludendorff gegen v. Bethmann Holl-
weg) vertiefen sich mehr und mehr.
Mitte April: Schreiben Kaiser Karls an Kaiser Wilhelm mit der
übertrieben pessimistischen Denkschrift des Grafen Czernin.
Ende April: Graf Czernin bittet den deutschen Parlamentarier Erz-
berger (Zentrum) zu sich und teilt ihm die Einzelheiten der öster-
reichisch-ungarischen Friedensbemühungen mit. Die fatale Denkschrift
gelangt, durch Prinz Sixtus im Sinne des Märzschreibens des Kai-
sers Karl gefälscht, in die Hände der Feinde. Sie zerstört jeden
Friedenswillen, besonders bei Lloyd George, der sich um diese Zeit
mit dem französischen Ministerpräsidenten, dem alten Ribot, Ln Paris
trifft.
27. Juni: Griechenland tritt auf die Seite des Feindbundes.
0. Juli: Rede Erzbergers im Reichstag „für einen Frieden der Verstän-
digung und des Verzichts auf alle Eroberungen".
z 4. Juli: Rücktritt des Reichskanzlers v. Bethmann Hollweg. Sein
Nachfolger wird Unterstaatssekretär Dr. Georg Michaelis.
1 9. Juli: Friedensresolution des Deutschen Reichstags.
1. August: Friedensnote des Papstes Benedikt XV. an die kriegführenden
Mächte.
14. August: Kriegserklärung Chinas an Deutschland.
25. Oktober: Kriegserklärung Brasiliens an Deutschland.
194
6. Dezember: Waffenruhe zwischen Rußland und den Mittelmächten.
9. Dezember: Waffenstillstand mit Rumänien.
2 6. Dezember: Feierliche deutsche Einladung an alle kriegführenden
Nationen, sich am 4. Januar Ln Brest-Litowsk einzufinden, um über
die Herbeiführung eines allgemeinen Friedens ohne Kriegsentschädi-
gungen und Annexionen zu verhandeln. Die Entente antwortet über-
haupt nicht darauf.
Im Winter 1017/16 steigt Ln Deutschland die Not auf allen Ge-
bieten des Lebens aufs äußerste.
Amerikanischer Oberbefehlshaber: General Pershing.
Im Westen
4. Februar: Beginn der Vorbereitungen für die Rückwärtsbewegung
Ln die „Siegfried-Stellung".
1 6. b L s r 1. M ä r z: planmäßige Rücknahme deutscher Truppen auf einer
Front von mehr als 150 Kilometern zwischen Arras und Soiffons Ln
die „Siegfried-Stellung". (Bei St. Ouentin erreicht der Rückmarsch
eine Tiefe von 40 Kilometern. Ergebnis: Verkürzung der Front um
45 Kilometer, Einsparung von 10 Divisionen. Entziehung der tak-
tischen Grundlagen einer erwarteten großen feindlichen Offensive.)
Im Anschluß daran: Neueinteilung der Westfront Ln 3 Heeres-
gruppen:
I. Kronprinz Rupprecht von Bayern (von der Nordsee bis La Fere)
a) 4. Armee (General Sixt v. Armin)
d) 0. Armee (Generaloberst Frhr. v. Falkenhausen)
0) r. Armee (General v. der Marwitz),
II. Deutscher Kronprinz (von St. Ouentin bis einschl. Verdun)
a) 7. Armee (General v. Boehn)
b) 1. Armee (General Fritz v. Below)
c) 3. Armee (Generaloberst v. Einem)
d) 5. Armee (General v. Gallwitz),
HI. Herzog Albrecht von Württemberg (von Verdun bis zur Schwei-
zer Grenze)
Armeeabteilungen C, A und B.
Ietzt mußte sich zeigen, ob die Umschulung des deutschen
Heeres auf ein neues, bewegliches Verteidigungsverfahren gelungen
war. Dem Soldaten hatte man, im Gegensatz zu allen taktischen
Grundsätzen der Vergangenheit, eingehämmert: „Du sollst nicht L n
der vorderen Linie kämpfen, sondern u m sie. Du sollst das Vorfeld
beim feindlichen Großangriff durch geschicktes Ausweichen räumen
und auf die dahinterliegende Hauptwiderstandslinie zurückgehen. Du
sollst dich dem vernichtenden Hagel der vorderen Feuerzone entziehen,
nicht um diese Zone aufzugeben, sondern um sie im Gegenstoß wie-
derzugewinnen."
r. April bis ro. Mai: Frühjahrsschlacht der Engländer bei 2trras.
(9. April, Ostermontag: Infanterieangriff in 25 Irin Breite. Erheb-
licher Anfangserfolg der Engländer. Der heißumstrittene Vimy-
)95
13*
Rücken geht verloren. Es gelingt jedoch, die ELnbruchstelle abzu-
riegeln.
9. April bis 27. Mai: Doppelschlacht an der ALsne und Ln der Cham-
pagne. (wenige Tage vorher erbeuten deutsche Stoßtrupps fran-
zösischen Armeebefehl, der wertvolle Angaben über Zeit, Ort, Um-
fang und Ziel gibt.)
1 1. April: Neue Massenangriffe der Engländer bleiben erfolglos.
In der Nacht zum 13. April wird die deutsche Front vom Fuße
der Vimyhöhe noch etwa 5 km bis Lens zurückverlegt.
1 4. A p r L l: Sir Douglas Haig erklärt: „Es ist genug. Meine Divisionen
brauchen Ruhe. Mögen die Franzosen nun sehen, daß sie etwas
erreichen."
15. April: General Nivelles Heeresbefehl: „Die Stunde ist gekommen.
Habt Vertrauen und seid mutig. Es lebe Frankreich!"
16. April: Beginn des Infanterieangriffs zwischen Vailly und Reims.
Furchtbare französische Niederlage. — Auch Wiederholungen am
17. und i§. April haben das gleiche Ergebnis.
1 s. April: Beginn des französischen Angriffs Ln der Champagne (prosnes
—Auberive). Er kommt nach Gewinnung eines Teils des Höhen-
geländes von Moronvillers zum Stehen.
2 3. bLs 26., 26. bis 29. April, 3. bis 5^ 1 0. bis 20. Mai: wei-
tere Großkampftage bei Arras. Deutsche Abwehrerfolge.
5. bis 7. Mai: Neue französische Anstürme auf der ganzen Angriffsfront
endigen mit einem deutschen Abwehrsieg. Schwere Tankverluste der
Franzosen im Aisnetal.
15. Mai: Nivelle, „der Blutsäufer", des Oberbefehls enthoben. Genera!
petain wird sein Nachfolger. Schwere Meutereien im französischen
'Leer.
Der deutsche Soldat beherrscht um diese Zeit die Schlachtfelder
von Flandern bis Mesopotamien, von Riga bis an den Isonzo. Das deut-
sche Unterseeboot streift vom Schwarzen Meer bis nach westindien, vom
Nördlichen Eismeer bis zum Äquator.
27. Mai bis 3. Dezember: Schlacht in Flandern. (Das sinnlose wüten
des Materials Ln letzter Steigerung.) Angriffsziel: Wegnahme der
deutschen U-Boot-Basis Ostende—Zeebrügge.
I. 27. Mai bis 21. Juli: Rampf um den wytschaetebogen und
Vorbereitungskämpfe für die Sommerschlacht Ln Flandern.
II. 22. Juli bis 17. September: Sommerschlacht Ln Flandern.
III. 16. September bis 3. Dezember: Herbstschlacht Ln Flandern.
7. Juni: Auftakt zur Flandernschlacht: Ungeheure Minensprengung
(500 ooo Rilo Sprengstoff) im wytschaetebogen durch die Engländer.
Die nach Westen vorspringende Höhenstellung geht verloren, doch
kann der Stoß Ln einer Sehnenstellung aufgefangen werden.
3 1. Juli bis 3. August: Ununterbrochener Großkampf beiderseits von
Rpern. Trotz des ungeheuren Rräfteeinsatzes der Angreifer geht nur
der vordere Rand des deutschen Stellungssystems verloren.
12. August bis 9. Oktober: Abwehrschlacht bei Verdun.
196
1 5. bLs ) 7. Auyust: In einer neuen Angriffsfolge Ln Flandern gelingt
es den Engländern, Langemark zu erobern. Im wesentlichen bleibt
aber das Ergebnis auch dieses Ansturms gering.
20. August: Nach achttägigem Gas- und Zerstörungsfeuer französischer
Angriff auf beiden Ufern der Maas. Die Franzosen erzielen einen
nicht unbedeutenden Geländegewinn.
16. bis nv r 6. bis 26. September, 4., 9. bis ) 6. Oktober:
Neue Höhepunkte der Flandernschlacht. Der Raumgewinn der An-
greifer bleibt gering.
2 3. O k t 0 b e r: Französischer Angriff auf die sog. Laffaux-Ecke nordöstlich
Soiffons. Die deutsche Front muß hinter den OLse-ALsne-Ranal und
die Aillette zurückgenommen, der Dhemin des Dames geräumt werden.
6. November: während der letzten Phase der Flandernschlacht fällt
der Ort passchendaele in englische Hand. Bei Abschluß der
Flandernschlacht sind die deutschen Stellungen an keiner Stelle weiter
als 9 km eingedrückt.
20. bis 29. November: Dankschlacht bei Dambrai. (376 englische
Danks, 1000 Flieger, 1000 Geschütze, 12 Divisionen bei nur 10 Rilo-
meter Frontbreite.) Der mangelnde englische Sinn für neue Lagen
verhindert die Ausnutzung des schon gelungenen Durchbruchs.
30. November bis 7. Dezember: Angriffsschlacht bei Dambrai.
(2. deutsche Armee.) Rückeroberung des größten Dells des verlorenen
Geländes.
3m (Osten
Von Riga bis zum Schwarzen Meer lückenlose Rette der
Schützengräben.
Anfang Januar: überhandnehmen der Deuerungsunruhen Ln den
russischen Großstädten. Vereinzelt hört man schon die Fanfaren des
Bolschewismus. An der Front schaffen sich vielfach die russischen
Soldaten auf eigene Faust eine Art Waffenstillstand.
5. b L s 9. I a n u a r: ). winterschlacht an der Aa (2.: 23. 1. bis 3. 2.)
Im Februar: Erregte Verhandlungen Ln der Duma, dem russischen
Reichstag. Die Abdankung des Zaren wird ohne Widerspruch öffent-
lich erörtert. Die Reaktion zwingt den Zaren, das Dekret zur Auf-
lösung der Duma zu unterzeichnen. Die Duma nimmt keine Notiz
davon. Sie erklärt sich aus eigener Macht Ln Permanenz. Ver-
faffungskonflikt. In Petersburg Ausbruch radikaler Militär- und
Arbeiterrevolten. Schon jetzt erbitterter Rampf der beiden Rich-
tungen untereinander, der Menschewiki im Bunde mit den Kadetten
gegen die Bolschewiki.
15. Mär z: Abdankung des Zaren Nikolaus II. von Rußland aus dem
Hause der Romanows. (Er und seine Familie mitsamt dem Zare-
witsch werden später von den bolschewistischen Horden Ln Iekaterin-
burg ermordet. Die Zarin, von Geburt eine deutsche Prinzessin,
stand jahrelang unter dem Einfluß des dämonischen Bauern Rasputin.
Fürst Iuffupow erschoß ihn.)
197
Im Anschluß daran: Rußland wird demokratische Republik unter
Rerenski, dem radikalsten Mitglied der Revolutionsregierung.
Seit Mitte Juni: Rerenskr russischer Diktator.
Etwa So Divisionen, d. h. ein Drittel des gesamten deutschen
Feldheeres, mußten im Osten belasten werden. So konnte es weder im
Osten noch im Westen zur Entscheidung kommen. Der Rrieg wurde zu
einem Wettrennen zwischen der Arbeit der Unterseeboote und der mili-
tärischen Aufrüstung Amerikas.
r6. Juni bis 14. Juli: Abwehr der russischen Sommeroffensive 1917
(Rerenski-Offensive). Große russische Angriffserfolge bei Zborow
gegen die k. u. k. 2. und bei Stanislau gegen die k. u. k. 3. Armee.
Versagen österr.-ungar. Regimenter mit tschechoslowakischem, ruthe-
nischem und serbokroatischem Ersatz. Erst durch Einsatz deutscher
Verbände kann der Einbruch aufgefangen werden.
iS. bis 2 7. Juli: Russische Nebenangriffe gegen die deutsche Ostfront
bei Dünaburg und Smorgon—Rrewo werden ohne Schwierigkeiten
abgeschlagen.
19. bis 26. Juli: Durchbruchsschlacht Ln Gstgalizien (Ln Richtung Tar-
nopol); Rarpatenfront schließt sich an. Ganz Galizien und die
Bukowina werden vom Feinde befreit. Rußland bricht zusammen.
). bis 5. September: Schlacht um Riga (Dünaübergang bei Uexküll,
Vorstoß bis zum Rl. Jägel, Einnahme von Dünamünde, die Ostsee-
küste erreicht).
z. September: Eroberung von Riga, das viel unter der stark bolsche-
wistisch verseuchten russischen Soldateska zu leiden gehabt hat.
2 1./2 2. September: Erstürmung des Brückenkopfes von Jakobstadt.
11. bis 20. Oktober: Eroberung der baltischen Inseln Gsel, Moon,
Dagö. Glänzendes Zusammenarbeiten von Heer und Flotte. St.
Petersburg unmittelbar bedroht.
7. November: Rerenskis Sturz durch die Kommunisten Lenin und
Trotzki. Herrschaft des roten Terrors. Bürgertum wird massakriert.
Diktatur des Proletariats.
20. November Funkspruch des russischen Oberbefehlshabers Rrylenko
(früherer Fähnrich). Er fragt an, ob man deutscherseits zu waffen-
stillstandsverhandlungen bereit sei.
2S. November: Lenins erstes kommunistisches Manifest „An alle".
Acht Tage später: Eintreffen der russischen Unterhändler im Haupt-
quartier Oberost zu Brest-LLtowsk.
7. Dezember: Beginn der zehntägigen Waffenruhe.
15. Dezember: Unterzeichnung des Waffenstillstandes mit Rußland.
22. Dezember: Zusammentritt der Friedenskonferenz Ln Brest-LLtowsk.
(Russische Taktik: das ständige Ausspielen der Völker gegen ihre
Regierungen unter dem Deckmantel des Selbstbestimmungsrechts.)
Und anderswo
4. bis 6. Januar: Schlacht an der putna (Rum.). Sie bildet den
Abschluß des Bewegungskrieges in Rumänien; die Offensive der
199
verbündeten Mittelmächte kommt zum galten, der Stellungskrieg
beginnt.
5. Januar: Einnahme von Bra'ila (Rum.); die Dobrudscha im Besitz
der Mittelmächte.
Ende Juli: Russisch-rumänische Angriffe am Sereth und im Soveja-
Becken gegen die deutsche 9. Armee werden abgeschlagen.
0. August bis 3. September: Durchbruchsschlacht an putna und
Susita (Rum.). Die von den Mittelmächten beabsichtigte Eroberung
der Moldau wird nach Anfangserfolgen wegen Rräftemangels ein-
gestellt.
9. Dezember: Waffenstillstand mit Rumänien.
11. bis 20. März: r. Schlacht bei Monastir (Maz.). heftige Angriffe
der Orientarmee Sarrails werden von der Heeresgruppe Below
zurückgeschlagen.
4. bis ) 8. Mai: Maischlacht Ln Mazedonien. Abermalige Niederlage
der Sarrail-Armee (zwischen Doiran- und Presba-See).
1 2. Mai bis 5. Juni: 10. Isonzo-Schlacht. (Ungewöhnlich große ita-
lienische Verluste.)
16. August bis Anfang September: )). Isonzo-Schlacht zwischen
Goerz und dem Meere. Der von den Italienern beabsichtigte Durch-
bruch nach Triest gelingt nicht, doch muß die österr.-ungar. Heeres-
gruppe Boroevic die wichtige Hochfläche von Bainsizza-Heiligen-
geist und den Mt. Santo räumen.
15. September bis 15. Oktober: Deutscher Aufmarsch hinter der
Isonzo-Front (7 deutsche Divisionen als 14. Armee unter dem ver-
dienten General Otto v. Below eilen der österr.-ungar. Heeres-
gruppe Boroevic zu Hilfe).
24. bis 27. Oktober: Durchbruch durch die Julischen Alpen. (Im
Raum von Flitsch auf dem Nordflügel der 14. Armee steht die
österr.-ungar. Gruppe Rrauß. Im Zentrum, beiderseits Tolmein
stehen die deutschen Gruppen Stein und Berrer. Den Südflügel
bildet die österr.-ungar. Gruppe Skotti. — Ab 2 Uhr nachts Artillerie-
vorbereitung, punkt 6 Uhr Infanterieangriff.) „Talstoß" der preuß.
12. Inf.DLv. über Rarfreit ins Natisonetal.
27. Oktober: Einnahme von Tividale.
26. Oktober: Eroberung von Udine, Zusammenbruch der gesamten
italienischen Isonzo-Front.
2. November: Erzwingung des Tagliamento-übergangs.
11. November: Am Piave; die Verfolgung kommt zum galten.
General Ladorna wird des Oberkommandos enthoben. Sein ^eet:
hat 300000 Gefangene, außer den blutigen Verlusten, 3200 Ge-
schütze, 3000 Maschinengewehre und mehr als 300000 Gewehre
eingebüßt.
12. November 1917 bis 22. Januar ) 9) 8: Gebirgskämpfe Ln
den Venezianischen Alpen. Schweres, verlustreiches Ringen um das
Grappa-Massiv. Einstellung der Offensive.
\99
1. Februar: Uneingeschränkter Unterseebootkrieg (Erfolg: vom j. r.
bis 3). )r. 1917 annähernd 6 Mill. Br.-R.-Tonnen versenkt. — Der
erfolgreichste Unterseebootkommandant war Rapitänleutnant v. Ar-
nauld de la periere. Er versenkte allein während der Dauer des
uneingeschränkten U-Bootkrieges 400000 Tonnen.)
Im Mai: Erster Vorstoß deutscher Flugzeuge bis zur englischen Güdost-
küste.
1 6. /1 9. Oktober: Der unglücklichste Luftschiffangriff auf England.
(11 Marineluftschiffe — die Armee gab die Luftschiffahrt 1917 auf —
werden nach Beendigung des Angriffes durch Nordsturm nach Süden
abgetrieben und müffen zum Teil die französische Front überstiegen
5 Luftschiffe werden zerstört.)
Jm Dezember steht fest, daß der Unterseebootkrieg nicht die von ihm
erwartete entscheidende Wirkung gehabt hat, vor allem hat er nicht
die Überführung starker Kräfte der Vereinigten Staaten nach Frank-
reich verhindern können. (An der Westfront werden die ersten
geschloffenen amerikanischen Divisionen ermittelt.)
1. Februar bis 31. März: Englische Offensive Ln Mesopotamien.
Die zahlenmäßig stark unterlegenen Türken werden nach schweren,
verlustreichen Kämpfen beiderseits des Tigris gezwungen, Kut-el-
Amara zu räumen (25. Februar) und auch Bagdad preiszugeben
(11. März). Die Engländer schieben sich langsam auf Mofful vor.
Gleichzeitig mit ihrer Offensive Ln Mesopotamien drängen
die Engländer vom Suez-Kanal aus gegen Palästina vor, erleiden
aber Ln zwei Schlachten bei Gaza (rd./r7. März und 19. April)
schwere Niederlagen.
3 1. Oktober bis Mitte Dezember: Neue englische Offensive
(General Allenby) Ln Palästina. Als Ergebnis der 3. Schlacht von
Gaza (r.—7. Nov.) müffen die Türken Gaza räumen. Die Eng-
länder nehmen Askalon und Jaffa (10. bzw. 17. Nov.) und dringen
am 9. Dezember Ln Jerusalem ein.
General v. Falkenhayn übernimmt den Oberbefehl Ln Syrien und
Palästina. Eintreffen des deutschen Asienkorps an der palästinafront.
Deutschostafrika: Die deutsche Schutztruppe unter Oberstv.Lettow-
Vorbeck leistet dem vielfach überlegenen Gegner weiterhin erfolg-
reich widerstand. Jm Oktober bringt sie einer starken englischen
Abteilung westlich von Lindi eine schwere Niederlage bei, muß aber
dann die Kolonie preisgeben und nach Portugiesisch-Ostafrika über-
treten, um hier den Krieg fortzusetzen.
Ein Versuch, der ostafrikanischen Schutztruppe Muni-
tion, Medikamente usw. zuzuführen, mißlingt. Das hierzu von
Iambol (Bulgarien) aufgestiegene Luftschiff „L 59" (Kapitän
Bockholt) macht auf Grund irreführender Nachrichten (durch eng-
lische Funksprüche) nach Zurücklegung der Hälfte des Weges über
Lhartum kehrt.
200
1 91 S
Allgemeines
6. Januar: Präsident Wilsons berühmt-berüchtigte „Vierzehn Punkte"
(Kongreßbotschaft).
Der deutsche Reichskanzler Graf Bertling weist am
24. Januar die Zumutung, reichsdeutsche Gebiete abzutreten, ener-
gisch zurück.
rS. Januar bis Anfang Februar: Munitionsarbeiterstreiks in
Berlin, Hamburg, Kiel, Magdeburg, Halle, Nürnberg usw.
4. Juli: Präsident Wilsons Rede, Ln der gefordert wird, jede militärische
Macht müsse vernichtet werden, die nach eigener willensbestimmung
den Weltfrieden stören könne.
1 0. Juli: Haiti erklärt Deutschland den Krieg.
19. Juli: Honduras erklärt Deutschland den Rrieg. (Die letzte Kriegs-
erklärung.)
14. August: Der deutsche Raiser beruft die verantwortlichen Politiker
aus Berlin ins Große Hauptquartier nach Spa Ln Belgien. An dem
Rronrat nehmen teil: der Rronprinz, Hindenburg, Ludendorff,
Reichskanzler Graf Hertling, Staatssekretär des Auswärtigen
Amtes Admiral v. Hintze, die Chefs des kaiserlichen Militär- und
Zivilkabinetts und der Generaladjutant Generaloberst v. pleffen.
(Auftrag des deutschen Kaisers an die politische Leitung, im ge-
eigneten Zeitpunkt durch die Vermittlung einer neutralen Regierung
„Fäden betreffend eine Verständigung mit dem Feinde anzuspinnen".)
Gleichzeitig finden auch mit dem nach Spa gekommenen Kaiser Karl
von Österreich und Ungarn sowie mit dessen Außenminister, Graf
Burian, Beratungen über die Friedensmöglichkeiten statt.
1 6. August: Die Entente erkennt die Tschechoslowakei? als auf ihrer
Seite mitkämpfende Nation an.
r i. August: Staatssekretär v. Hintze klärt im Beisein des Vizekanzlers
v. Payer die Führer der Reichstagsparteien über den furchtbaren
Ernst der Lage auf und bittet sie, den inneren Hader zu begraben.
In den ersten Septembertagen: Reise des deutschen Staats-
sekretärs des Auswärtigen Amtes nach Wien. Er findet dort bereits
alles im Zustande der Auflösung. Kaiser Karl will persönlich seinen
Völkern den Frieden bringen, weil er dadurch den Thron zu retten
hofft.
14. September: Die österreichisch-ungarische Sondernote fordert (im
Gegensatz zu dem von Deutschland vorgeschlagenen Wege) die Re-
gierungen aller kriegführenden Staaten („An Alle") unmittelbar zu
Verhandlungen über Waffenstillstand und Frieden auf. — Nichts-
sagende Antworten der Alliierten.
2 4. September: Die marxistischen Mehrheitssozialdemokraten geben
ihre politischen Forderungen bekannt. (Bekenntnis zum sofortigen
Friedensschluß unter Wiederherstellung und Entschädigung der er-
oberten Gebiete, Aufhebung des Belagerungszustandes, freie Mei-
nungsäußerung Ln Presse und Öffentlichkeit, Verfassungsreform,
Umbildung der Regierung unter Einbeziehung der Sozialdemo-
kraten.) — Die Welle einer tiefen Erschütterung geht durch das
ganze Volk. Der greise Kanzler Graf Hertling, der Nachfolger von
Dr. Michaelis, soll ebenso wie Staatssekretär v. Hintze auf Wunsch
der Parteien abtreten.
2 7. September: programmatische Rede des Präsidenten Wilson über
einen Völkerbund.
2 9. September: Hindenburg/Ludendorff schlagen dem Kaiser bei
einem neuen Kronrat Ln Spa vor, den Gegnern durch Vermittlung
Wilsons auf Grund seiner 14 Punkte ein unmittelbares Friedens-
angebot zu machen.
30. September: Abschiedsgesuch des Grafen Hertling genehmigt. Be-
ginn der quälenden Neubildung der Regierung auf der Grundlage
des reinen Parlamentarismus.
1. Oktober: Ludendorff telegraphiert, das Friedensangebot müffe un-
verzüglich — gegebenenfalls noch vor Bildung der neuen Regie-
rung — hinausgehen.
z. Oktober: Der österreichische Ministerpräsident Frhr. v. Huffarek
verkündet, die Monarchie solle ein Bundesstaat werden, höhnische
Ablehnung bei fast allen Gruppen.
2. Oktober: Das Reichskabinett noch immer nicht gebildet. Vortrag
eines Abgesandten der O.H.L., Majors Frhr. v. dem Bussche, vor
den Parteiführern, Erschütternde Wirkung, wilde Gerüchte. Luden-
dorff drahtet Vorschlag für den Wortlaut der Friedensnote.
3. Oktober: Rein parlamentarische Regierung des deutschen Volkes.
Prinz Max von Baden Reichskanzler.
4. Oktober: Deutsches Friedens- und Waffenstillstandsangebot an den
Präsidenten der Vereinigten Staaten (durch Vermittlung der
Schweizer Regierung).
4. Oktober: Österr.-ungar. waffenstillstandsangebot an Wilson.
5. Oktober: Prinz Max stellt dem Reichstag die neue Regierung vor.
7. Oktober: ). Reichstagung der Spartakus-Gruppe Ln Gotha.
9. Oktober: Wilsons Antwort an Deutschland. Er verlangt vor Auf-
nahme irgendwelcher Verhandlungen die Räumung der besetzten
Gebiete und fährt fort: „Der päsident glaubt auch zu der Frage
berechtigt zu sein, ob der Kanzler nur für diejenigen Gewalten des
Reiches spricht, die bisher den Krieg geführt haben."
12. Oktober: Antwort der Reichsregierung an Wilson.
14. Oktober: 2. Note Wilsons Ln Berlin. Sie nimmt auf die Rede
des Präsidenten vom 4. Juli 10)6 Bezug, fordert Einstellung des
U-Bootkrieges und Beseitigung des Obrigkeitsstaates.
17. Oktober: Manifest Kaiser Karls, in dem er „seinen lieben Völkern
Österreichs" die Autonomie zusichert.
Da erklärt der ungarische Ministerpräsident im Namen
des Parlaments, Ungarn erkenne zwar die Königsherrschaft der
Habsburger noch an, im übrigen aber sage es sich von Österreich
los und werde als selbständiger Staat unverzüglich eigene Friedens-
202
Verhandlungen mit der Entente beginnen. — Der Zusammenbruch
der Donaumonarchie ist nicht mehr aufzuhalten.
17. Oktober: Teilnahme Ludendorffs an einer Sitzung des Kriegs-
kabinetts. Die Stimmung allgemein etwas zuversichtlicher:,
ro. Oktober: r. Antwort der deutschen Regierung an Wilson,
23. Oktober: 3. Note Wilsons. (Friede, wenn ihr euch des Kaisers
entledigt, Unterwerfung, wenn ihr ihn behaltet.)
2 6. Oktober: Rücktritt des Generals Ludendorff, Generalleutnant
Groener sein Nachfolger.
27. Oktober: Letzte deutsche Antwort an den amerikanischen Präsidenten.
27. Oktober: Österreich-ungarisches Sonderfriedensangebot an Wilson.
Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Tschechoslowaken und
Jugoslawen.
2$. Oktober: Der Kaiser vollzieht das vom Bundesrat angenommene
Gesetz über die Verfassungsänderungen: 1. Kriegserklärung und Ab-
schluß von Friedensverträgen bedarf der Zustimmung des Bundes-
rats und Reichstags, 2. der Reichskanzler bedarf zu seiner Amts-
führung des Vertrauens des Reichstags, 3. die Militärgewalt wird
der Zivilregierung, d. h. der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers
unterstellt.
28. Oktober: Ausbruch der Meuterei bei den in Wilhelmshaven
liegenden Teilen der deutschen Flotte.
29. Oktober: Der sozialdemokratische Staatssekretär und Abgeordnete
Scheidemann fordert im Namen seiner Partei zum erstenmal öffent-
lich die Abdankung des Kaisers.
1. November: Der preußische Minister des Innern schlägt im Großen
Hauptquartier in Spa dem Kaiser im Auftrag des Reichskanzlers
vor, freiwillig seinen Thronverzicht zu erklären.
3. November: Abschluß des Waffenstillstands zwischen Österreich-
Ungarn und der Entente.
3. Notember: Beginn der Revolution in Kiel.
4. November: Die revolutionäre Bewegung greift auf die ganze
deutsche Flotte über. Kiel in der Gewalt des Arbeiter- und
Soldatenrates. Am nächsten Morgen setzen die Schiffe im Hafen
die rote Flagge. Offiziere werden abgesetzt, mißhandelt, erschossen.
Diktatur des Proletariats.
5. November: Abbruch der diplomatischen Beziehungen Deutschlands
zu Rußland.
5. November: Wilsons 4. Note. („Marschall Foch ist ermächtigt
worden, gehörig beglaubigte Vertreter der deutschen Regierung zu
empfangen und sie von den Waffenstillstandsbedingungen in Kennt-
nis zu setzen.")
6. November: Die rote Welle überschwemmt Hamburg, Bremen und
Lübeck.
7. November: Die rote Fahne über München. Flucht König Ludwigs
von Bayern. Ausbruch der Revolution auch in Köln, Frankfurt
a. M. und Leipzig.
203
7. November: Ultimatum der Mehrheitssozialdemokraten an die
Reichsregierung. Rücktrittsgesuch des Reichskanzlers Prinz Max
von Baden.
5. November: Die deutsche waffenstillstandskommission unter dem
Vorsitz des Staatssekretärs Erzberger trifft in Lompiegne, Fochs
Hauptquartier, ein.
6. November: Der jüdisch-marxistische Abgeordnete Kurt ELsner —
später vom Grafen Arco erschossen — ruft die Absetzung der Dynastie
wittelsbach und die Bildung des Volksstaates Bayern aus. — Der
Reigen zusammenbrechender Dynastien ist eröffnet.
5. November: Der Plan, gegen Berlin zu marschieren, muß angesichts
der fortschreitenden Revolutionierung von Etappe und Heimat auf-
gegeben werden.
6. November: Aufruf Wilsons an die Völker Österreich-Ungarns.
9. November (jo Uhr vormittags): Hindenburg und Groener zum
Vortrag beim Kaiser. Sie begründen die Unmöglichkeit der be-
fohlenen Unternehmung gegen die im Aufruhr befindliche Heimat»
Der Generaladjutant, Generaloberst von pleffen, und der General-
stabschef der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz, Graf v. der Schu-
lenburg, wenden sich gegen Groener. Der Kaiser will nach Abschluß
des Waffenstillstandes das Heer friedlich in die Heimat zurückführen.
General Groener hält dies für unmöglich. („Das Heer steht nicht
mehr hinter Euer Majestät!")
9. November: Die Hauptstadt Berlin Ln Aufruhr. Generalstreik. Um
9 Uhr morgens Austritt der sozialdemokratischen Staatssekretäre
aus der Reichsregierung. Um jo Uhr sitzen sie mit den revolutio-
nären Unabhängigen zusammen und beraten die Bildung einer Ar-
beiterregierung. Um )z Uhr erklärt die bisherige Regierung ihren
Rücktritt. Schießverbot des Generalobersten v. Linsingen. Prinz
Max von Baden erläßt eigenmächtig Bekanntmachung vom Thron-
verzicht des Kaisers und des Kronprinzen. Um 14 Uhr ruft der
Marxist Scheidemann vor dem Reichstagsgebäude die deutsche Repu-
blik aus. Nachmittags: Reichskanzlerschaft an Ebert übertragen.
9. November (nachm.): Der Kaiser besteht darauf, König von Preußen
zu bleiben. Als Generalfeldmarschall v. Hindenburg gegen 5 Uhr
den Kaiser verläßt, tut er es Ln der festen Überzeugung, den Kaiser
wiederzusehen.
9. November: Umsturz Ln Sachsen, Württemberg und Baden.
1 0. November: Kaiser Wilhelm II. begibt sich auf dringenden Rat
des Generalobersten v. pleffen und des Staatssekretärs v. Hintze
hin Ln der Morgenfrühe über die holländische Grenze.
1 0. November: Telegramm der waffenstillstandskommission aus Tom-
piegne. Ungeheuerliche Bedingungen. Anfrage wegen Unterzeichnung»
)v. November (mittags): Bildung des „Rates der Volksbeauftragten"
(Ebert und führen den Doppelvorsitz). Dagegen der „Voll-
zugsausschuß der Arbeiter- und Soldatenräte" (er ruft zum Kampf
für die Diktatur des Proletariats auf).
204
JO* November: Der Reichskanzler ermächtigt — in zwei offenen Funk-
sprüchen! — die waffenstillstandskommission zur Unterzeichnung.
Generalfeldmarschall v. Hindenburg fordert (chiffriert) Milderung
besonders drückender Bedingungen, hält aber Unterzeichnung auf
jeden Fall für unvermeidlich.
11* November: Der Waffenstillstand wird (nach unbedeutenden Mil-
derungen) unterzeichnet.
1 1* November: Verzichtleistung Kaiser Karls von Gsterreich-Ungarn
auf die Führung der Staatsgeschäfte.
1 r. November: Kronprinz Wilhelm geht gleichfalls nach Holland,
nachdem die Regierung den Wunsch, seine Heeresgruppe Ln die Hei-
mat führen zu können, abgelehnt hat.
Generalfeldmarschall von Hindenburg bleibt auf dem
Platz, auf den ihn die Liebe und die Zuversicht des Volkes in
größeren Zeiten gerufen haben.
über Weihnachten: In Berlin wilde Straßenkämpfe. Es droht die
blutige Diktatur des Proletariats nach russischem Muster.
Im Westen
Die Oberste Heeresleitung schöpfte ihren Glauben an die
siegreiche Entscheidung aus drei Tatsachen. Das waren: Überlegenheit des
deutschen Soldaten im Angriff gegen jeden Gegner des Weltkrieges; der
noch nicht zur Auswirkung gekommene Einsatz der Amerikaner (bis zum
Frühjahr rechnete die O.H.L. mit etwa )5 amerikanischen Divisionen, von
denen jedoch nur ein Bruchteil für den Großkampf geeignet sein würde);
Möglichkeit der Vereinigung fast des gesamten deutschen Feldheeres im
Westen und damit erstmalig zahlenmäßige Gleichheit. (Von insgesamt
231 deutschen Divisionen standen im März i§3 auf dem westlichen Kriegs-
schauplatz, 42 davon kamen aus dem Osten und Italien, zö Divisionen
blieben im Osten, je eine Ln Mazedonien und der Türkei. Die Gesamtstärke
des Westheeres betrug 3750000 Köpfe. Dieses Heer verfügte über rund
14 000 Geschütze.)
Im Winter 19)7/16: Grundsätzliche Umstellung der Truppe auf
Angriff und Bewegungskrieg.
z. Februar bis 20. März: Stellungskämpfe an der gesamten West-
front und Aufmarsch zur „Großen Schlacht in Frankreich". (An-
griffsraum zwischen Arras und La Fere beträgt 75 Kilometer.
62 Angriffsdivisionen stehen zur Verfügung, dazu der größte Teil
der Heeresartillerie und Spezialwaffen. 3 Armeen sollen den
Angriff führen, die )7. im Norden, die 2. Ln der Mitte, die )6. im
Süden des Angriffsabschnittes. Angriffsziel: Durchbrechung der
englischen Front, Vorstoß entlang der Somme auf Doullens und
Abdrängung der Engländer gegen die Küste. Die Operationsabtei-
lung der Obersten Heeresleitung geht nach Avesnes. Das Große
Hauptquartier siedelt von Kreuznach nach Spa in Belgien über.)
1 6. März: Die Oberste Heeresleitung gibt bekannt, daß der „Tag X =
r). März" ist.
2). März bis 6. April: Große Schlacht Ln Frankreich. (Punkt 4 Uhr
40 morgens deutsches Trommelfeuer, 9 Uhr 40 verläßt die Infan-
terie auf der gesamten Angriffsfront die Gräben und stürmt hinter
der Feuerwalze vor.)
2). März (abends): 17. Armee (General Otto v. Below), zwischen
Monchy an der Scarpe und Tambrai, rst über die erste englische
Stellung nicht wesentlich hinausgekommen. Auch der rechte Flügel
der 2. Armee (General v. der Marwitz) südwestlich Tambrai liegt vor
der zweiten englischen Stellung fest. Dagegen sind der linke Flügel
der 2. sowie die gesamte )6. Armee (General v. Mutier) beiderseits
St. Ouentin weit vorwärtsgedrungen. Bereits am 22. März er-
kämpft die 16. Armee den Übergang über den Trozat-Ranal, am 23»
wird zwischen peronne und Ham die Somme erreicht.
Darauf Änderung des Angriffsziels: Trennung der Eng-
länder und Franzosen durch rasches Vordringen beiderseits der
Somme.
23. März: Paris erstmalig durch ein deutsches Ferngeschütz beschoffen.
25. März: )6. Armee im Kampfe um Thaulnes und Noyon. Die Ver-
bindung zwischen Engländern und Franzosen nahezu abgerissen.
2 0. M ä r z: Tagung des „Obersten Rriegsrats" der Alliierten Ln Doullens.
General Foch erhält den Auftrag, „das Verhalten der verbündeten
Armeen an der Westfront Ln Übereinstimmung zu bringen". Alle
Verfügbaren Reserven werden nach dem bedrohten Amiens hin
zusammengezogen.
27. März: Montdidier genommen. Einsatz französischer Reserven. Der
feindliche widerstand versteift sich. Große Nachschubschwierigkeiten
der Deutschen über das einstige Sommeschlachtfeld. Überanstrengung
der Truppe.
4. April: Ein letzter Versuch, durch Vorstoß beiderseits von Moreuil
die Offensive wieder Ln Gang zu bringen, zeitigt nur örtliche Er-
folge. Amiens bleibt Ln Feindeshand.
Befehl zur Einstellung der Offensive.
Gewaltiger taktischer Erfolg, über 90000 Gefangene und
12oo Geschütze! hervorragende Leistungen der Truppe. Zweck-
mäßigkeit des Angriffsverfahrens erwiesen.
Das strategische Ziel aber nicht erreicht!
6. April: Angriff auf die Götzen von Amigny (im Raume westlich Laon)
bis zum Oise—ALsne-Ranal bei Loucy-le ThLteau. OLfe-übergang
bei Thauny (7. Armee).
9. bis 29. April: Schlacht bei Armentiöres und um den Remmel. Die
Angriffspläne sind durch die Oberkommandos der 6. Armee — Gene-
ral v. Ouast — und der 4. Armee — General Sixt v. Armin — seit
langem ausgearbeitet. Ziel der neuen Operation: Gewinnung des
beherrschenden Höhengeländes nördlich der Lys als Einleitung für
die Entscheidungsoperation gegen die englische Armee. An dem
206
Angriff, der bei der 6. Armee am 9., bei der 4. Armee am 10. April
beginnt, sind zunächst 26 deutsche Divisionen beteiligt.
9. April: Die englischen und portugiesischen Stellungen südlich der Lys
zwischen Armentieres und Festubert genommen, an einer Stelle die
Lys überschritten. Große Schwierigkeiten beim Nachziehen der
Artillerie durch das völlig verschlammte Gelände.
10. April: 4. Armee erstürmt Hollebeke, Messines und ploegsteert.
0. Armee erweitert den Brückenkopf auf dem nördl. Lysufer, ihr
linker Flügel bleibt jedoch liegen.
11. April: Die Engländer räumen Armentieres, auch Merville wird
genommen.
1 1. u. 1 r. April: Vergebliche Versuche der Engländer, die U-Boothäfen
Zeebrügge und Ostende von See her zu sperren. Auch ein dritter
kühner Handstreich englischer Kreuzer und Zerstörer Ln der Nacht
vom rr./rz. April hat nur einen vorübergehenden Erfolg.
16. April: während an der Front der 6. Armee die Offensive zum
galten gekommen ist, veranlassen die Erfolge der 4. Armee die Eng-
länder, das gesamte in der Flandernschlacht von )9)7 genommene
Gelände nördlich und östlich von Rpern wieder aufzugeben.
2 ). A p r L l: Manfred Freiherr v. Richthofen, „Der rote Ritter der Luft",
fällt nach So Luftsiegen.
25. April: Erstürmung des Kemmel-Massivs; danach Einstellung des
deutschen Eingriffs. Gesamtergebnis: Abermals ein großer taktischer
Erfolg für die Deutschen. Der Gegner verliert 50000 Gefangene
und über 450 Geschütze. Das operative Ergebnis ist aber nicht
größer als das der „Großen Schlacht Ln Frankreich".
2 5. A p r L l: General Foch zum Oberbefehlshaber der alliierten Armeen Ln
Frankreich ernannt.
Im April: Die feindliche Zersetzungspropaganda schwillt zum Trommel-
feuer an, um sich bis zum November hin noch immer weiter zu
steigern, (über der deutschen Westfront werden unzählige Propa-
gandaschriften abgeworfen, vom April bis zum Waffenstillstand
schätzungsweise 25 Millionen. Organisator dieser Aktion war Lord
Northcliffe.)
Im Mai: Die Zahl der Ln Frankreich gelandeten Amerikaner beträgt
bereits 200000. Rein einziger Truppendampfer konnte versenkt
werden.
2 7. M a L b L s 1 3. I u n L: Schlacht bei Soissons und Reims. Der deutsche
Angriff ist nur als Ablenkungsoffensive gedacht, der einerseits die
Aufmerksamkeit der Engländer ableiten, andererseits die fran-
zösischen Reserven von Flandern wegziehen soll, wo nach wie vor
die eigentliche Entscheidung geplant ist. — Der Angriff (55 Kilo-
meter Frontbreite, 41 deutsche Divisionen und i)5§ Batterien)
führt die deutsche 7. Armee (Generaloberst v. Boehn) zunächst gegen
die von der französischen Führung für uneinnehmbar gehaltenen
Stellungen auf dem Themin des Dames. Völlige Überraschung des
Gegners. Schon am ersten Angriffstag wird die ALsne überschritten
und die Vesle erreicht, nur die beiden Flügel bei Soissons und
Reims bleiben noch zurück. — Entschluß der O.H.L., das ursprüng-
lich engbegrenzte Angriffsziel bis Tompiegne und zur Marne zu
erweitern.
r§. Mai bis j. 'Juni: Verfolgungskämpfe zwischen Oise und ALsne
und über die Vesle bis zur Marne,
ro. Mai: Soiffons Ln deutscher Hand.
30. Mai: Zwischen ThLteau-Thierry und Dormans wird die Marne er-
reicht.
3). Mai: Der rechte Flügel der 7. Armee schiebt sich bis dicht an den
Wald von Villers-Totterets heran. Der halbe weg nach Paris ist
zurückgelegt.
Die Nachricht vom neuen Erscheinen der Deutschen an der
Marne versetzt Paris Ln furchtbare Erregung. Tlemenceau aber, der alte
„Tiger", bleibt zuversichtlich: „Die Amerikaner kommen, und die Deutschen
erschöpfen mit jedem Angriff ihre Rräfte. wir werden den Sieg davon-
tragen, wenn die öffentlichen Gewalten auf der Höhe ihrer Aufgabe stehen.
Ich schlage mich vor Paris, ich schlage mich Ln Paris, ich werde mich
hinter Paris schlagen." (Rammerrede vom 4. Juni.)
9. bis 14. Juni: Ausdehnung des Angriffs auf den linken Flügel der
)S. Armee. Nur 2tnfangserfolge. Bedrohung der rechten Flanke
durch starke französische Tankangriffe bei Mery und Lourcelles.
Tompiegne wird nicht erreicht, die Operation im Marnebogen
kommt nicht wieder Ln Gang. Die Gefahr vom Wald von Villers-
Totterets bleibt bestehen.
Ende Juni stehen nahezu 900000 amerikanische Soldaten auf fran-
zösischem Boden. Im Bogen von St. Mihiel, südöstlich Verdun,
haben sie eine selbständige Armee unter General Pershing gebildet.
Für den Iuli muß man mit einem weiteren Zuwachs von mindestens
L5o 000 Mann rechnen. Sie schwellen an wie eine Lawine. (Dagegen
die deutsche Lage: am L). März )9)S hat ein deutsches Rampfbataillon
durchschnittlich 600 Röpfe gezählt, im Iuli sind es noch 650, im
August 400. Erschreckend ist der Mangel an kriegserfahrenen Offi-
zieren.)
5. Iuli: Oberleutnant Hermann Göring wird Führer des Jagdgeschwa-
ders Nr. 1, des Richthofen-Geschwaders.
15. bis )7. Iuli: Der letzte deutsche Angriff. (Beiderseits Reims,
an der Marne und Ln der Champagne.) Beteiligt sind 47 Divisionen
und ro)o Batterien der ). (General v. Mudra), 3. (Gen.Ob.
v. Einem) und 7. deutschen Armee (Gen.Ob. v. Boehn). Der Angriff
ist abermals als Ablenkungsoffensive gedacht, außerdem zur Stel-
lungsverbesserung (Beseitigung des vorspringenden Marnebogens).
Der Angriff durch Überläufer verraten. Trotzdem gelingt der
Marneübergang. Dann bleibt der Angriff überall stecken. — Ent-
schluß der O.H.L., den Entscheidungsangriff Ln Flandern sogleich
anzuschließen.
1 7. Juli: General Ludendorff fährt zum Stabe der Heeresgruppe Rupp-
recht. Am )S. morgens früh beginnen die Besprechungen über die
roS
geplante Operation in Flandern. Mitten aus den Beratungen her-
aus wird Ludendorff von der Operationsabteilung Ln Avesnes ans
Telephon gerufen. Die Krise ist da.
IS. bis 2 5. Juli: Abwehrschlacht zwischen Soiffons und Reims.
iS. Juli: überraschender Vorstoß dreier französischer Armeen gegen
beide Flanken des Marnebogens. Der Angriff gegen die Ostflanke
wird glatt abgeschlagen. Gegen die westflanke zwischen Aisne und
ThLteau-Thierry stoßen aus dem Wald von Villers-Totterets stark
überlegene Kräfte unter dem Schutze von 500 Tanks vor. Bis zu
6 Kilometer tiefer Einbruch Ln die abgekämpften, durch Grippe ge-
schwächten deutschen Divisionen.
19. bis 20. Juli: Fortsetzung der feindlichen Angriffe, Erstarken des
deutschen Widerstandes. Einsatz von Reserven. Es gelingt, eine
neue Abwehrfront zu bilden und den drohenden Durchbruch zu
verhindern.
In der Nacht zum r). Juli: 7. deutsche Armee geht befehlsgemäß
auf das nördliche Marneufer zurück.
22. Juli: Verzicht der deutschen O.H.L. auf die Flandern-Offensive.
24. Juli: General Foch zum „Marschall von Frankreich" ernannt.
20. Juli bis 2. August: Die bewegliche Abwehrschlacht zwischen
Marne und Vesle. Die unvermeidlich gewordene Räumung des
Marnebogens gelingt über Erwarten gut. Das gesamte Material
und alle Vorräte können zurückgeführt werden. Glänzende Leistung
von Führung und Truppe. Die neue Stellung liegt hinter Aisne
bzw. Vesle. Die Schlacht endigt mit einem klaren deutschen Ab-
wehrsieg. Das Gesamtergebnis bleibt trotzdem, daß das Gesetz des
Handelns auf die Seite der Feindmächte übergegangen ist.
6. bis 12. August: Beiderseits der großen Straße peronne—Amiens
brechen eine englische und eine französische Armee, unterstützt von
rund 500 Tanks, tief Ln die Stellungen der 2. deutschen Armee ein.
Der „schwarze Tag". Mehrere deutsche Divisionen werden völlig
zertrümmert. Anzeichen für eine starke Erschütterung der physischen
und seelischen Kräfte der Truppe. Nur mit Mühe gelingt es, das
tiefe und breite Loch Ln dem deutschen Stellungssystem wieder zu
schließen. Südlich der Avre leistet der rechte Flügel der iS. Armee
erfolgreichen widerstand.
S. August bis 3. September: Die Abwehrschlacht zwischen Somme
und Oise. Der erste große Schlag der Alliierten zur Herbeiführung
der Entscheidung.
9. bis 10. August: Ausdehnung des Ententeangriffs bis zur Oise.
Zähe Abwehrkämpfe der 18. Armee.
Von Mitte August ab: Zunehmende Verbreiterung der Angriffsfront
nach beiden Seiten. Ununterbrochene schwere Kämpfe der 17., 2.,
16. und 9. deutschen Armee an der ganzen Front zwischen Tambrai
und Soiffons. (Abwehrschlachten zwischen Scarpe und Somme
sowie zwischen Oise und Aisne.)
2. September: Tiefer englischer Einbruch an der Straße Arras—
Lambrai.
14 Sperrfeuer, Jugendausgabe
209
4. September: Die deutsche O.H.L. sieht sich gezüngen, den Rückzug
Ln die Siegfried-Stellung durchzuführen. Der von dem Angriff
bei Armentieres herstammende Gtellungsbogen wird freiwillig ge-
räumt. Damit sind alle jene Gewinne wieder verloren, um die das
deutsche Heer Ln vier ruhmvollen Schlachten geblutet hat. Von der
Nordsee bis nach Verdun stehen die Armeen wieder Ln ihren Aus-
gangsstellungen vom März.
12. bis 14. September: Die Amerikaner greifen im St. Mihiel-
Bogen an. Die deutscherseits geplante Räumung des Bogens und
Zurücknahme der Front Ln die vorbereitete Michel-Stellung ist
nicht rechtzeitig durchgeführt worden; sie gelingt jetzt nur unter er-
heblichen Einbußen. An der Michel-Stellung läuft sich der ameri-
kanische Angriff sogleich fest.
16. September: Beginn der feindlichen „Generaloffensive" von der
„Maas bis zur Nordsee". 03 amerikanische und 31 französische
Divisionen zwischen Verdun und Reims, 40 englische und 2 ameri-
kanische zwischen St. Guentin und Lambrai, 16 französische, eng-
lische und belgische Infanterie- sowie 7 Kavallerie-Divisionen Ln
Flandern.)
Ab 26. September: Abwehrschlacht Ln der Champagne und an der
Maas (1., 3. u. 5. 2Lrmee). Die deutschen Divisionen schlagen sich
gut, die Gegner gewinnen nur sehr langsam Boden. Schwerste Ver-
luste der kriegsunerfahrenen Amerikaner. Der Argonnerwald am
io. Oktober von den Deutschen geräumt.
Ab 27. September: Sturm der Engländer auf die Siegfried-Stellung
(17., 2. u. )§. Armee). Sie wird nach tagelangem Ringen an meh-
reren Stellen durchstoßen, doch können sich die deutschen Divisionen
in zähem Rampf im Hintergelände der Stellung behaupten.
Ab 2 §. September: Abwehrschlacht in Flandern. Die 4. und der
rechte Flügel der 6. deutschen Armee weichen vor dem feindlichen
Druck unter hartnäckigen Kämpfen Ln die Linie Cortemarck—Rou-
lers—wervicq aus.
Mitte Oktober: Allmähliche Zurücknahme der einzelnen deutschen
Frontabschnitte; nach der Durchführung bilden die gut ausgebaute
Hunding-Brunhild- sowie die noch unfertige Hermann- und die
Lys-Stellung die deutsche Kampflinie.
Die flandrische Seefront sowie die U-Boot-Häfen sind, so gut es
ging, geräumt worden (iS. bis 19. Oktober).
iS. Oktober: Ein neuer allgemeiner Ansturm der Ententearmeen be-
ginnt.
1§. bis2 3. Oktober: Schlacht bei Vouziers (3. Armee).
24. Oktober bis 4. November: Schlacht um Valenciennes (17.
Armee).
25. Oktober bis 1. November: Abwehrschlacht an der Lys (4.
Armee).
25. Oktober bis 1. November: Abwehrschlacht Ln der Hunding-
Steüung (1. Armee).
rio
Änsangttovember: Es gelingt dem Gegner, die Hermann-Hunding-
Brunhild-Stellung an einigen Stellen einzudrücken. Darauf befiehlt
am 5. November die deutsche O.H.L. den Rückmarsch in die Ant-
werpen-Maas-Stellung.
6. November: Beginn der waffenstillstandsverhandlungen.
10. November: Der rechte deutsche Heeresflügel nähert sich der Linie
Antwerpen —Brüst el—Tharleroi —GLvet—Mäzieres—Stenay—Dun.
Von dort nach Süden steht die alte Front der vier Rriegsjahre
fast unverändert.
11. November (morgens 6 Uhr): Unterzeichnung der ungeheuerlichen
waffenstillstandsbedingungen im Salonwagen des Marschalls Foch
im Walde von Tompiögne. Sechs Stunden später, um ir Uhr
mittags, Waffenruhe.
Der letztedeutsche Heeresbericht des Weltkrieges: „Großes
Hauptquartier, n* November i9l§. Bei Abwehr amerikanischer Angriffe
östlich der Maas zeichneten sich durch erfolgreiche Gegenstöße das Branden-
burgische Reserve-Infanterie-Regiment Nr. 207 unter seinem Kommandeur,
Oberstleutnant Hennigs, und Truppen der 192. sächsischen Infanterie-
Division unter Führung des Oberstleutnants v. Zeschau, Kommandeurs
des Infanterie-Regiments Nr. 1S3, besonders aus. Infolge Unterzeichnung
des Waffenstillstands-Vertrages wurden heute vormittag an allen Fronten
die Feindseligkeiten eingestellt."
Das deutsche Westheer marschiert unter Hinden-
b u r g in guter Ordnung in die Heimat zurück. Die letzte hervorragende
Leistung von Truppe und Generalstab.
Im Osten
7. Ianuar: Beginn der eigentlichen Friedensverhandlungen in Brest-
Litowsk. (An der Spitze der russischen Delegation steht Trotzki in
eigener Person. Er hält täglich lange propagandistische Reden.)
Die Ukraine hat inzwischen von dem auch von Ruß-
land proklamierten Selbstbestimmungsrecht Gebrauch gemacht und
sich zum selbständigen Staatswesen erklärt. Die Mittelmächte
unterstützten die ukrainische Bewegung. Gegen die Ukrainer mar-
schiert bereits im geheimen die Rote Armee auf.
General Hoff mann, der Vertreter der deutschen O.H.L.,
verlangt endlich von Trotzki eine klare Antwort auf die Fragen
der Mittelmächte. Trotzki weiß die Verhandlungen Ln die Länge zu
ziehen.
9. Februar: Sonderfriede mit der Ukraine, der sogenannte „Brotfriede".
(Recht der Besetzung und Sicherung der Getreidevorräte für die
Mittelmächte gegen Anerkennung der vollen staatlichen Selbstän-
digkeit.)
11. Februar: Trotzki beantwortet den Abschluß des Ukraine-Friedens
mit dem Abbruch der Verhandlungen und erklärt den Krieg für
Rußland als ohne Friedensschluß beendet. Darauf kündigt die
deutsche O.H.L. das waffenstillstandsabkommen (16. Februar).
21)
14*
1 6. Februar: Die Feindseligkeiten mit Rußland werden wieder er-
öffnet (Feldzug gegen die Rote Armee). Im Norden Besetzung des
gesamten Baltikums, im Süden Einrücken deutscher und — von
Ende Februar ab — auch österreichisch-ungarischer Truppen Ln die
Ukraine.
Anfang März: Kiew und Odessa von den Verbündeten besetzt.
3. März: Friede Ln Brest-LLtowsk ohne weitere 2tussprache unterzeichnet.
(Rußland willigt Ln den Verlust von Polen, Rurland, Litauen, Liv-
land, Estland, Finnland und einiger Gebiete im Kaukasus ein. Weiß-
Rußland bleibt als Garantie für die russische Demobilmachung und
die Durchführungen der Friedensbestimmungen besetzt. Polen und
Finnland werden selbständige Staaten, die Rußland anerkennt. Der
Ostfriede bleibt ein Streitobjekt der öffentlichen Meinung, und wird
sowohl von der Propaganda der Feindmächte als auch der deutschen
Linkskreise als „Gewaltfrieden" weitgehend ausgenutzt.
Seit dem Friedensschluß mit Rußland: Kommu-
nistische Propaganda-Zentrale Ln der Berliner Sowjet-Gesandtschaft.
Deutschland/Österreich Ln fortdauernden Auseinander-
setzungen über die staatliche Gestaltung Polens.
3. April: General v. der Goltz landet auf den Hilferuf Finnlands hin
im Südwesten des neugeschaffenen Staates eine deutsche Division
und zieht nach einem siegreichen Gefecht mit bolschewistischen Streit-
kräften am 13. April unter dem Jubel der Bevölkerung Ln Helsing-
fors ein.
r o. April: Im Zusammenwirken mit der finnischen Armee des Generals
Mannerheim umzingelt General v. der Goltz die Roten bei Lahti—
Tavastehus und zwingt sie zur Kapitulation.
Im Sommer: Charkow und das Kohlengebret des Donez werden Ln
Verwahrung genommen. Deutsche Truppen gelangen bis Ln den
Kaukasus. Im Norden reicht das Okkupationsgebiet bis Narwa
und Dorpat. Die Bolschewisten kümmern sich nicht um die unter-
schriebenen Bedingungen von Brest-Litowsk.
S. Juli: Der deutsche Gesandte Ln Moskau, Graf v. Mirbach, von einem
russischen Sozialrevolutionär ermordet.
16. Juli: Zar Nikolaus von Rußland und seine Familie in Iekatarinen-
burg von den Bolschewisten erschossen.
30. Juli: Generalfeldmarschall v. Eichhorn Ln Kiew ermordet.
r 7. A u g u st: Unterzeichnung eines deutsch-russischen Ergänzungsvertrages
(u. a. Loslösung Georgiens, 0 Milliarden Goldmark Entschädigung
für privatschäden).
Im letzten Oktoberdrittel: Die von österreich-ungarischen
Truppen gebildeten Teile der Ostfront lösen sich auf.
9. November und folgende Tage: Völliger innerer Zusammen-
bruch des gesamten Ostheeres. Auflösung der Disziplin, Bildung
von Soldatenräten.
9. bis i i. November: polnische Erhebung im Gebiet des General-
gouvernements Warschau. Schimpflicher Abzug der Besatzungs-
rir
truppen auf Grund der von den SoldatenrLten mit den Polen ab-
geschlossenen Verträge. Nur wenige rühmliche Ausnahmen.
io. November: Beginn des polnischen Aufstandes Ln der Provinz
Posen.
Mitte November bis Februar 1010: Rückführung des Ost-
heeres unter ungeheuren Schwierigkeiten.
Und anderswo
5. M ä r z: Vorfriede zu Buftea zwischen Rumänien und den Mittelmächten.
7. Mai: Frieden zu Bukarest.
1 1. N 0 v e m b e r: Der Friedensvertrag wird im waffenstillstandsvertrag
von Lompiegne annulliert.
16. Juni: Rücktritt des bulgarischen (deutschfreundlichen) Ministerpräsi-
denten Radoslawow; der Ententefreund Malinow wird am 22. Juni
sein Nachfolger. Geheime Verhandlungen mit der Entente. Auf-
hetzung der Armee gegen den Zaren Ferdinand. Parteikämpfe. ,
15. September: Beginn der Offensive der Orientarmee unter General
Franchet d'Esperey. (Ziel: Wiedergewinnung Serbiens, Trennung
der Bulgaren und Türken von ihren Bundesgenossen.) Trotz vor-
heriger Kenntnis der Angriffsabsichten und entsprechender Abwehr-
vorbereitungen vollständiger Zusammenbruch der mazedonischen
Front.
25. September: Bulgarien bittet die Entente um Einstellung der
Feindseligkeiten.
20. September: Waffenstillstand zu Prilep. — Bulgarien wird von
Ententetruppen besetzt.
3. Oktober: Thronverzicht König Ferdinands von Bulgarien zugunsten
des Kronprinzen Boris.
Anfang Oktober: Alle deutschen und österr.-ungar. Balkantruppen
unter dem k. u. k. Feldmarschall v. Koeveß vereinigt. Deutsche und
österr.-ungar. Divisionen rollen von verschiedenen Kriegsschau-
plätzen her zur Stützung heran.
12. Oktober: Beginn des abschnittsweisen Rückzuges der n. Armee
aus der Gegend von Nisch.
3). Oktober: Räumung von Belgrad und Semendria. Rückzug über
Donau und Save.
15. bis 20. Juni: Offensive der k. u. k. Heeresgruppen Tonrad und
BoroLvic auf der gesamten Front zwischen der Hochfläche der Sieben
Gemeinden und dem unteren Piave. Verfehlte Anlage, Zersplitte-
rung der Kräfte. Verrat des Angriffsplanes. Trotzdem gelingt der
PLaveübergang. Der Nordhang des Mte. Montello gewonnen. 50 ooo
Gefangene, 120 Geschütze erbeutet. Anschwellen des Piave infolge
von Gewittergüssen, die Brücken weggerissen, der Nachschub unter-
bunden.
21. bis 23. Juni: Zurücknahme der österr.-ungar. Truppen auf das
linke PLaveufer. Schwere Verluste. Abbruch der Offensive. Feld-
marschall Frhr. Conrad v. Itzendorf wird — völlig zu Unrecht —
für das Mißlingen verantwortlich gemacht und verabschiedet.
Mitte September: Vorstoß italienischer und amerikanischer Truppen
zwischen Etsch und Brenta.
2 4. Oktober: Unter Leitung des Generals Diaz beginnen 5) italienische,
3 englische, r französische, i tschechoslowakische und Teile einer
amerikanischen Division die entscheidende Offensive am Piave und
im Gebirge (Richtung Vittorio—Feltre). Im Gebirge, beiderseits
der Brenta, halten die österr.-ungar. Truppen Ln alter Tapferkeit
stand, am Piave wird die Front durchbrochen.
EndeOktober: Völliger Zusammenbruch des k. u. k. Heeres Ln Italien.
Meutereien. Abzug der Ungarn, die nur noch die Grenzen ihres
Landes verteidigen wollen sowie aller polnischen, slowakischen und
südslawischen Truppenteile.
3. November: Waffenstillstand. Voreilige Einstellung der Feindselig-
keiten durch die Österreicher, dadurch 450000 Gefangene. — Die
Italiener nennen diese „Vermischung von Schlacht, Kapitulation
und friedlichem Manöver" den „Sieg von Vittorio".
Februar bis Mai: In Mesopotamien führt der englische Vormarsch
auf Mofful zu einem Mißerfolg und vorübergehendem Rückzug der
Engländer.
9. bis )). März, 30. April bis 6. Mai: Die türkische Palästina-
armee unter dem Oberbefehl des Marschalls Liman v. Sanders —
dabei auch das „Asienkorps" und einige andere deutsche Verbände —
weist Ln zwei blutigen „Jordan-Schlachten" alle Anstürme der Eng-
länder ab.
16. Septemberbis 30. Oktober: paläftinaschlacht. Groß angelegte
Offensive Allenbys zwischen Jordan und Meer. Vollständiger Zu-
sammenbruch der durch junger zermürbten Türken, heldenhafter
Kampf der deutschen Verbände, die sich zweimal der feindlichen
Umklammerung entziehen, den Iordanübergang erzwingen und sich
schließlich nach Konstantinopel durchschlagen.
30. Oktober: Abschluß des waffenstillstandvertrages von Mudros. —
Kapitulation der Türkei.
rs. September: Die deutsche Schutztruppe unter General v. Lettow-
Vorbeck trifft nach neunmonatigen Märschen und Kämpfen vom
äußersten Süden Portugiesisch-Ostafrikas aus wieder in Deutsch-
Ostafrika ein.
2. November: Einrücken Ln Britisch-Nordrhodesia. — Vordringen bis
nahe an den Thambesi-Fluß.
13. November: Einstellung des Kampfes auf Grund des Waffen-
stillstands von Tompiegne.
20. Oktober: Einstellung des U.-Bootkrieges.
2)4
Das Ln de
Im Dezember: Bildung der ersten deutschen Freikorps.
9. Dezember: Ultimatum des „Obersten polnischen Volksrates" Ln
Posen betr. Zurückziehung des Heimatschutzes.
26. Dezember: Offener Ausbruch des Polenaufstandes Ln der Stadt
Posen; Posen Ln polnischer Hand.
EndeDezember i9l6bis An fang Januar i 9 1 9: Eroberung
der Provinz Posen durch die polnischen Aufständischen. Einsatz des
deutschen Grenzschutzes Ost.
16. Januar i 9 1 9: Waffenstillstand Ln Trier bis 17. Februar ver-
längert. (Die Entente verlangt dafür u. a. Auslieferung der ge-
samten deutschen Handelsflotte.)
16. Januar i 9 1 9: Eröffnung der Friedenskonferenz Ln Versailles —
ohne die Deutschen und ihre bisherigen Verbündeten. (Wilson aus
Amerika herübergekommen.)
19. Januar 19 19: Wahl zur deutschen Nationalversammlung. (Zu-
sammentritt der Nationalversammlung am 6. Februar Ln Weimar.)
Der Sozialdemokrat Friedrich Ebert vorläufiger Präsident der
deutschen Republik. (Reichskabinett unter dem Sozialdemokraten
Philipp Scheidemann als Reichskanzler.)
ri. Januar: Generalfeldmarschall v. Hindenburg geht mit der Obersten
Heeresleitung nach wilhelmshöhe bei Rassel. (Am 12. 2. nach
Rolberg.)
6. Februar: Vorläufiger Waffenstillstand mit Polen.
14. bis 16. Februar: Erneute Verhandlungen wegen Verlängerung
des Waffenstillstands Ln Trier. Dabei u. a. auch Festsetzung einer
Demarkationslinie zwischen den polnischen Aufständischen und dem
Grenzschutz Ost.
Im April: In München Räteregierung nach russischem Muster. (Er-
oberung der Stadt durch bayerische, preußische und württembergische
Truppen am 1. Mai nach schweren Kämpfen.)
Anfang Mai: Deutsche Friedensdelegation nach Versailles beordert.
(Sie wird vom deutschen Außenminister, dem Grafen Brockdorff-
Rantzau, würdig geführt.)
2 9. M a i: Übergabe deutscher Gegenvorschläge.
Im Mai tobt der Bürgerkrieg Ln Sachsen.
Bis Ln den Sommer Kämpfe mit den Spartakisten.
16. Juni: Übergabe der endgültigen Friedensbedingungen durch Tlemen-
ceau. (Annahme binnen fünf Tagen gefordert.)
ri. Juni: Versenkung der deutschen Kriegsschiffe Ln der Bucht von
Scapa Flow (Admiral v. Reuter).
22. Juni: Annahme der Unterzeichnungs-Vorlage durch die National-
versammlung mit 257 gegen izs Stimmen. 5 Abgeordnete enthalten
sich der Stimme.
r§. Juni: Unterzeichnung des Friedensdiktats im Spiegelsaal des
Schlosses zu Versailles.
2)5
1 0. Januar 1 9 2 0! Friedensratifikation zwischen Deutschland und Eng-
land, Frankreich, Italien, Japan, Belgien, Bolivien, Brasilien,
Guatemala, Peru, Polen, Siam, Tschechoslowakei, Uruguay, Jugo-
slawien, Kuba, Griechenland, Portugal, ^aiti, Liberia, Rumänien,
Honduras, Nicaragua, Panama.
). Juli )ori: Ratifikation des Friedens zwischen Deutschland und
China.
2 5. 2lugust )9rr: Ratifikation des Friedens zwischen Deutschland und
den Vereinigten Staaten von Nordamerika.
Auf Erden leben rund i§oo Millionen Menschen, 1563 Millionen
standen im Kriege gegeneinander und zwar 1400 Millionen Ln den Län-
dern unserer Feinde gegen 163 Millionen des Vierbundes.
Die Totenopfer des Weltkrieges betragen rund 9,3 Millionen
Soldaten (Entente: 5 723 ooo, Mittelmächte 3 626 000)* Deutschland
zog mit fast 2,4 Millionen -9)4 ins Feld, 2036000 fielen, d. h. die Gesamt-
zahl der tödlichen Verluste beträgt etwa % der bei Kriegsanfang ins Feld
gerückten Soldaten.
wir Verloren mit den Kolonien insgesamt 30234S0 qkm Land
mit )$% Millionen Menschen. Die Gesamtsumme der Zahlungsmittel, die
das Reich während des Krieges für Zwecke der Kriegführung ausgab,
beträgt 147 Milliarden Mark, nicht berücksichtigt sind dabei die Verluste
der Privatwirtschaft, die Verluste durch das Friedensdiktat und alle als
Folgen des Krieges zu betrachtenden Ausgaben. Die wirklichen Kosten des
Krieges sind nicht annähernd genau zu bestimmen.
Friedensbedingungen: Deutschland büßt ein: Elsaß-
Lothringen, die Kreise Eupen-Malmädy, die Provinzen Posen und West-
preußen, Teile von Ostpreußen, Oberschlesien und Pommern, Memel,
Danzig, Nordschleswig, das Saargebiet und die gesamten deutschen Kolo-
nien. (Memel und Danzig werden unter den Schutz des Völkerbundes
gestellt. Im Saargebiet soll nach 15 Jahren eine Volksabstimmung über
die staatliche Zugehörigkeit entscheiden.) Rheinland und Pfalz bleiben
15 Jahre lang besetzt. Deutschland bezahlt die Besatzungskosten, bezahlt
alles. — Die deutschen Kriegsgefangenen bleiben Ln Feindeshand, bis der
Friede ratifiziert ist. Die Entente erhebt Anklage gegen die Führer un-
seres Volkes wegen „schwerster Verletzung des internationalen SLtten-
gesetzes und der Heiligkeit der Verträge". — Die deutsche Friedensarmee
wird von $00000 auf 100000 Mann herabgesetzt. Die allgemeine Wehr-
pflicht wird abgeschafft. Ein Netzwerk interalliierter Militär-Kommis-
sionen wird über Deutschland zur Überwachung seiner Abrüstung verteilt.
— Schließlich verlangt der Feind die vorbehaltlose Unterschrift unter fol-
gendes Schuldbekenntnis: „Die alliierten und assoziierten Regierungen er-
klären und Deutschland erkennten, daß Deutschland und seine Verbün-
deten als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich sind,
welche die alliierten und assoziierten Regierungen und ihre Angehörigen
infolge des ihnen durch den Angriff Deutschlands und seiner Verbündeten
aufgezwungenen Krieges erlitten haben."
Die Werke
Werner ßeumelburgs
DIE BÜCHER VOM KRIEG
Sperrfeuer um Deutschland
Volksausgabe: sös. Tausend. 642 Seiten. Gebunden 4,so RM.
6ruppe DolemMer
Der Roman des Frontsoldaten
230. Tausend. 332 Seiten. Gebunden 4>*o RM.
„In Beumelburgs Roman erwachen die grausigen Stätten um Verdun zu atem-
beklemmendem Leben, wie die Pioniergruppe des Unteroffiziers Bosemüller auf
eine stille, trotzige, männliche Art sich mit dem Schicksal auseinandersetzt, weiß der
Verfasser hinreißend ZU erzählen." Hamburger zremdenblatt
Douaumont
Neue Ausgabe. 155. Tausend. 244 Seiten. Gebunden 3,75 RM.
Mit seiner eindringlichen Schilderung der furchtbaren Äämpfe um das Hort Douau-
mont hat Werner Beumelburg jene Art der Rriegsdarstellung eingeleitet, die das
TatfächlichemitdemSeelischenverbindetundzu einer gewaltigenSynthesezwischen
Material und Mensch vereinigt.
klandern
Neue Ausgabe. -43. Tausend. 220 Seiten. Gebunden 8,75 RM.
Beumelburg gestaltet hier Langemarck und das Schlachtfeld von ) 9)7 als den Aus-
gangsraum einer neuen Epoche, eines neuen Geistes, einer neuen Haltung, die mit
Materialismus und Liberalismus nichts mehr zu tun hat.
veutlcbland in Ketten
Von Versailles bis zum Z?c>ungplan
$7, Tausend. 34Z Seiten. Gebunden 4,$o RM.
„Hier wird die Geschichte des vergangenen Jahrzehnts Ln all ihren Phasen lebendig
gestaltet. Das ist die große Darstellung der Nachkriegszeit, die uns fehlte. Beumel-
burg hat es verstanden, die Ereignisse zu formen. Meisterhaft die Sprache, ergreifend
die Darstellung, tief empfunden die furchtbaren Geschehnisse." Düsseldorfer Nachrichten
Kampk um 8panien
Die Geschichte der Legion Condor
Bearbeitet im Auftrag des Reichsluftssahrtministeriums
70. Taufend. 5|j Seiten. Mit ganzseitigen Bildtafeln und 4 Rartenbeilagen. Gebunden -,80 RM.
In jeder Buchhandlung erhältlich
Serbard StalUng Verlas, oldenburg (Oldb)/Berlin
Reich und Rom
Aus dem Zeitalter der Reformation
s 48. Tausend. 4Sb Seiten. Gebunden 7,-0 RM.
„Das nationale Streben und Sehnen, das Kämpfen und Scheitern einer tragischen
Generation der deutschen Vergangenheit findet Ln diesem Buche von Reich und Rom
erschütternden Ausdruck." Dresdener Neueste Nachrichten
Kaiser und Herzog
Kampf zweier Geschlechter um Deutschland
78. Tausend. 88t> Seiten. Gebunden 8,80 RM.
„Beumelburg hat eines der großen Jahrhunderte unserer Geschichte füralleZeiten in
diedichterische8ormgegossen,diederELnzigartigkeitdesGeschehensvoll entspricht."
völkischer Beobachter, Berlin
Mont Royal
Ein Buch vom himmlischen und vom irdischen Reich
40. Tausend, rg; Seiten. Pappbd. 8,so RM.
„In mächtigen Kulissen baut Beumelburg die Geschichte zwischen zöso und -700
auf, als der Raubkönig, der vierzehnte Ludwig, im Westen die 8etzen aus dem
mürben Reiche riß, als Türke und 8ranzose eine Zange bildeten, in der die deutschen
Völker zerrieben werden sollten." Berliner Lotalanzeiger
ver König und die Kaiserin
8riedrich der Große und Maria Theresia
8ö. Tausend. 48g Seiten. Gebunden 7,80 RM.
Bismarck gründet das Reich
74. Tausend. 488 Seiten. Pappbd. 4,So RM.
„Bismarcks Leben und Werk wird von Beumelburg Ln einer glücklichen. Mischung
von dichterischer Schau und Historischer Präzision dargestellt. Die große Gesamt-
schau ist die Stärke dieser Darstellung. Beumelburg bewährt sich als charakterfester
Historiker, der die Stoffmassen souverän beherrscht." Deutsche Allgemeine Zeitung, Berlin
Vas ekerne 6esetz
Ein Buch für die Rommenden
Roman. zo. Tausend. 408 Seiten. Gebunden 4>so RM.
„Wir erleben das wiedersehen mit den Gestalten der unvergeßlichen „Gruppe
Bosemüller", an deren Schicksal Beumelburg den schweren, harten, unerbittlichen
Kampf um die Neugestaltung der Dinge aufzeigt."
vogtländischer Anzeiger und Tageblatt, Plauen
In jeder Buchhandlung erhältlich
Gerharö StalUng Verlag, Oldenburg (Olöb) / Berlin
ERZÄHLUNGEN
Die Hengstrolese
SS. Tausend, irr Seiten. Pappbd. r,do RM.
„Aus dem Schrei eines sterbenden Pferdes formte sich die Vision einer historischen
Begebenheitaus derHohenstaufenzeit.LngmiteinanderverbundenwirddasGeschick
des Ritters mit dem eines edlen Schimmelhengstes, der ihm der beste Freund in der
Verbannung wird. DieseNovelleverfchmilztglücklich den tiefen Atem des Thüringer
Waldes mit der Romantik mittelalterlichen deutschen RLtterlebens."Bautzmer Tageblatt
?reukttcke Novelle
gs. Tausend, rrs Seiten. Pappbd. r,ro RM.
„Eine barte, klare Lust umweht uns, Ln der sich jenes schlichte Heldentum entfaltet,
das nichts anderes als Pflichterfüllung ist. Indem der Leutnant Werner von Romin
sein Leben einsetzt, um eine frühere Tat des Ungehorsams zu sühnen, die doch nur
aus idealen Motiven entsprang, wird er zum Sinnbild einer Rrast, die in Disziplin
sich männlicher bewährt, als in wildem Draufgängertum." Berliner Lokalanzeiger
krlebnls am Meer
75 Seiten. Pappbd. ;,ro RM.
„Beumelburg erzählt uns eine Rindergeschichte, eine Begebenheit am Strande.
Und in der heiteren sommerlichen Landschaft, die Beumelburg farbig erstehen läßt,
spielt sich das hintergründige, von Wehmut und Tragik umschattete Geschehen ab.
Der Dichter versteht es, ihm eine eigeneMelodie zu geben." Danziger Neueste Nachrichten
SCHRIFTEN ÄN DIE NATION
Band 7
Wilhelm II. und Büloro
70 Seiten. Gebunden r,rs RM.
Band j 5
Blemarch greift zum Steuer
71 Seiten. Gebunden f,zo RM.
Band 20
Arbeit ist Zukunft
-0 Seiten. Gebunden ),ro RM.
In jeder Buchha
Band 34
Der Soldat von 1917
-4 Seiten. Gebunden ;,ro RM.
Band 49
Das jugendliche Reich
-4 Seiten. Gebunden ),ro RM.
Band Hz/ör
Friedrich II. von Hohenstaufen
gs Seiten. Gebunden ),bo RM.
ndlung erhältlich
Gerhard Stalllng Verlag, Oldenburg (Olöb)/Berlin
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Gerhard Stalling Verlag, Oldenburg i. O
Beumelburg: Sperrfeuer (Schul- und Jugendausgabe)
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Die deutsche Westfront
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Beumelburg: Sperrfeuer (Schul- und Jugendausgabe)
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in Serbien
Oktober bis Dezember 1915.