8 Sperrfeuer, Jugendausgabe
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1. Kapitel
Die Schüsse von Serajewo
Im gerbst )oir hebt der russische Großfürst Nikolai NLkolaje-
witsch, als Vertreter des Zarenreiches an den großen französischen
Manövern teilnehmend, beim Abschiedsdiner sein Glas, gefüllt mit
schäumendem Lhampagner, und ruft unter dem begeisterten Beifall
der französischen Offiziere: „Ich trinke auf unsere gemeinsamen Siege
Ln der Zukunft! Auf wiedersehen in Berlin, messieurs!" Rußland
aber hat seine Vorbereitungen für den Krieg noch keineswegs beendet.
Im Dezember des gleichen Jahres tagt Ln London die große
Balkankonferenz der Mächte. Es gilt, den Krieg zu liquidieren, den
der Balkanbund auf Rußlands Geheiß gegen die Türkei vom Zaune
gebrochen. Mögen Deutschland und Österreich sich auch sträuben, die
Türkei verschwindet bis auf einen unbedeutenden Zipfel aus Europa.
Ein selbständiges Albanien entsteht, dem Protest der Balkanstaaten
zum Trotz.
Unter stärkstem Druck versuchen die Großmächte die lüsternen
Sieger zu zähmen. Da bricht zwischen den beiden größten von ihnen,
Serbien und Bulgarien, der ^ader um die Beute aus. Griechenland
ergreift Partei für Serbien. Rumänien beeilt sich, Bulgarien in den
Rücken zu fallen, und Serbien ist der Nutznießer seines Unglücks.
Die Stunde rückt näher, in der die großferbischen Träume reifen.
Rußland hat während des Balkankrieges und während der Londoner
Konferenz gut sekundiert.
Noch bevor man Ln London sich heiß und vergeblich bemüht, den
Balkan zu ordnen, setzen im September des Jahres i§ir nach ein
gehenden und jahrelangen Besprechungen die Vertreter der eng
lischen und französischen Admiralität ihre Unterschriften unter die
englisch-französische Marine-Konvention. Ihre Bestimmung ist die
Regelung des Zusammenwirkens der beiderseitigen Flotten im Falle
eines Krieges mit Deutschland. England wird die ganze Nordsee
einschließlich der französischen Nordküste unter seine Fittiche neh
men. Frankreich übernimmt das Mittelmeer, denn man weiß noch
nicht mit Bestimmtheit, auf welche Seite Italien, das vertraglich