24 An der Spitze des österreichischen Generalstabes steht Lonrad von Hoetzendorf, ein tüchtiger, leicht beweglicher General, voll ge dankenreicher strategischer Pläne, ein treuer Bundesgenosse Deutsch lands. Etwa 200 ooo Deutsche und 900 000 Österreicher, das sind 1 ) 00 000 Verbündete, stehen im Osten gegen fast drei Millionen Russen. Am Abend des 2. August spricht der deutsche Gesandte in Brüssel bei der belgischen Regierung vor und überreicht eine Note seiner Regierung. Der deutsche Reichskanzler ersucht um Zulassung des freien Durchmarsches deutscher Truppen durch belgisches Gebiet und sichert für diesen Fall die Unversehrtheit Belgiens und eine an gemessene Entschädigung zu. Es wird um sofortige Antwort ersucht. Jedermann weiß, daß die belgische Neutralität nur noch zum Schein besteht. Längst sind militärische Vereinbarungen zwischen Belgien und Frankreich getroffen. Der Ausbau der belgischen Fe stungen ist einseitig gegen Deutschland gerichtet. Die belgische Armee versammelt sich bereits gegenüber der deutschen Grenze. Am 5. August wendet sich König Albert von Belgien an die eng lische Regierung. Eilends sucht der englische Botschafter in Berlin den Reichs kanzler auf und fordert die strikte Achtung der belgischen Neutra lität. Der Reichskanzler erklärt dem Botschafter, Deutschland sei bereit, die Versicherung abzugeben, daß es selbst dann nicht an den Erwerb belgischer Gebiete denke, wenn Belgien sich auf die Seite seiner Gegner stelle. Aber es bedeute ein unmögliches Begehren, von Deutschland zu verlangen, daß es ohne Gegenwehr dem zu er wartenden französischen Aufmarsch durch Belgien hindurch zuschaue. Am Tage darauf spricht der Kaiser im Berliner Schloß vor den Reichstagsabgeordneten das Wort: „Ich kenne keine Parteien mehr, nur noch Deutsche." Eine starke Erhebung ergreift den Reichstag. Die Kriegskredite werden fast einstimmig bewilligt. Reichskanzler von Bethmann-Hollweg gibt eine Erklärung ab, die darin gipfelt, daß Deutschland sich genötigt gesehen habe, die Neutralität Belgiens zu verletzen. Noch während der Sitzung erscheint der englische Botschafter in den Arbeitsräumen des Kanzlers im Reichstagsgebäude und bittet den Kanzler abermals um die Versicherung, daß Deutschland die bel gische Neutralität achten wird. Der Kanzler kann nur erwidern, daß in dieser Stunde die deutschen Truppen bereits die belgische Grenze überschritten haben. Gleichwohl fügt er hinzu, Deutschland sei bereit, sich an seine letzten Erklärungen zu halten, wenn England neutral bleiben wolle.