3(3 Leseproben anstellte, daß vom anscheinend gesunden Auge die Antiqua (unter sonst gleichen Umständen) auf 143 cm Entfernung, die Fraktur hingegen erst bei 115 cm buchstabierend gelesen werden konnte. Und während die Antiqua durchschnittlich auf 115 cm ein geläufiges Lesen ge stattet, ist dasselbe in der Fraktur erst bei 91 cm möglich, denn das Schriftbild bei der Fraktur ist bei gleicher Größe mit der Antiqua doch scheinbar kleiner, weil die meisten Kleinbuchstaben oben und unten in einer Spitze endigen. Die Deutlichkeit der Antiqua ist somit etwa um den vierten Teil größer als diejenige der Fraktur. Diesen Vorzug verdankt die Antiqua ihren deutlicheren, einfacheren und übersichtlicheren Formen und dem Umstande, daß die Unter scheidungsmerkmale der einzelnen Buchstabenformen viel klarer und charakteristischer ausgeprägt sind, als bei der Fraktur, wie ja jedermann aus obigen Schriftbeispielen deutlich er sehen kann. Aus diesem Grunde herrscht schon jetzt die Antiqua nahezu aus schließlich bei uns in streng wissenschaftlichen Büchern und Zeitschriften, in Kupferstichen und Lithographien, in Aufschriften an Gebäuden und Briefen, auf Münzen und Denkmälern, in Zirkulären aller Art, in Fahr plänen der Eisenbahnen und der Fahrkarten, auf Post- und Stempel marken, in Telegrammen und Eintrittskarten, in Atlassen u. s. f. u. s. w. — Ja schon fast überall findet sich die Antiqua, nur am aller wichtigsten Platze, in der elementaren Schulfibel fand sie bisher bei unseren deutschen Schulmeistern kein Heimatsrecht! — Die ganze Lese- lernerei wäre durch sie ja bedeutend vereinfacht — doch dies soll ja nicht sein, das Kind soll und muß wissen, daß es zur Schinderei auf der Welt istl — Doch vermögen diese Herren den Grundsatz nicht genug zu loben: „Vom Leichten zum Schweren 66 — unterrichte elementarisch I Aus diesem bißchen Loch in der Logik scheint man sich nichts daraus zu machen. — Antiqua ist die urdeutsche Schrift und nicht die Fraktur. So haben Jakob Grimm und alle germanischen Sprach forscher die Rundschrift für die eigentlich deutsche und vorzüglichere erklärt. Der 1868 zu Jena verstorbene, als Sprachforscher weit berühmte Professor A. Schleicher z. B. sagt darüber in seiner Schrift: „Die deutsche Sprache“: „Ein großer Übelstand ist die Beibehaltung der von unseren romanischen, germanischen und slavischen Nachbarn fast durchaus bereits abgeschafften, verzerrten und verschnörkelten Schrift, wie sie zur Zeit der Erfindung der Buchdruckerkunst gerade üblich war. Keineswegs ist die Schrift etwa eine deutsche, etwas uns Eigentümliches* Nationales. Diese Entstellung der lateinischen Schrift war vor einigen Jahrhunderten bei allen Nationen üblich; aber, wie denn überhaupt der Geschmack sich in vieler Beziehung wieder dem Einfachen, Natürlichen zuwandte, kehrte man auch hier zu den edleren, reineren Formen zurück; nur wir Deutschen halten zur Unbequemlichkeit für den Ausländer und für uns selbst, die wir alle zwei Schriften lesen und schreiben lernen müssen, an der verkehrten Sitte einer geschmacklosen Zopfperiode fest.“ Man streitet sich vielfach herum, woher das erste Alphabet stammt. Die einen finden seine Spuren in Asien, die anderen in Afrika, die dritten sagen, die Phönizier waren die Erfinder. Soviel ist sichergestellt, daß alle Völker die Elemente der Schrift besaßen, wenn sie auch nur Knoten