21 Wenn man nun sämtliche Kleinbuchstaben mit den Vorübungen vergleicht, so ersieht man auf den ersten Blick, daß, wenn diese Vor übungen von den Schülern einmal geschrieben werden können — und was ihnen bei dieser allmählichen Entwicklungsart nicht die mindeste Schwierigkeit macht — sie dann eigentlich auch schon fast alle Klein buchstaben zu schreiben vermögen so, daß die ihnen nun in Bälde vorgeführten „Grundwörter“ fürs Schreiben nicht die geringste Mühe verursachen, weshalb ihnen das Schreiben eines jeden Grund wortes geradezu eine Leichtigkeit wird. — Aus diesem Umstande und aus noch einem anderen nur meiner Methode eigentümlichen, den wir bei Behandlung der Grundwörter kennen lernen werden, ist auch der so rasche Vorgang, der gewiß jedem mit der Sache nicht Vertrauten Staunen abnötigt, erklärlich. Und aus diesem beständigen Vorausbearbeiten der Schwierigkeiten so daß, wenn die Sache selbst kommt, alles ohne Not und Zwang bearbeitet, als bereits Bekanntes begrüßt wird, liegt die Würze und Lust — das Erziehliche bei dem steten, unausgesetzten Vor wärtsschreiten! — Noch einen Wink zur Praktik dieser schriftlichen Vor übungen für jüngere Amtsgenossen. Jeder Jahrgang bringt bekanntlich seine gewissen geistigen Schwächlinge unter dem neuen Schülermaterial; jene Armen, die entweder nicht schulreif sind, trotzdem sie in ihrem schulpflichtigen Alter stehen, oder aber, bei denen es überhaupt in Frage steht, ob sie den Bildungsfähigen einzuzählen sind, es sind dies jene, mit denen ein Lehrer in Berücksichtigung der übrigen großen Zahl oft geradezu nichts anzufangen weiß. Dieser Art außergewöhnlich Schwacher (von denen auf dem Grade „unter mittelmäßig“ Stehenden gar nicht zu reden 1) hatte ich im 1888iger Jahrgange 6 Exemplare, aus denen namentlich 3 faktisch nach 4 Wochen Schulzeit noch immer nicht den Griffel halten und nicht die einfachsten Striche nachzumachen ver mochten, sie waren in der Handhabung desselben so linkisch, daß ich volle Ursache gehabt hätte, sie für dieses Jahr aufzugeben. Schon in den ersten Tagen meiner Rekognoszierungsarbeiten erkannte ich übrigens diese Halbreifen und gab ihnen deshalb aus den besten Schülern (selbst verständlich aus demselben Jahrgange) Helfer zur Seite. Solches Helfen dürfen macht den Kindern in der Regel große Lust, weshalb die guten Erfolge dieser Mitarbeiterschaft stets wider jede Erwartung ausfallen. Be kanntlich entwickeln Kinder gewöhnlich die größte Geduld und rührend ist es zu sehen, wie so manch Braves mit einem ihm Befohlenen sich abmülit — bis das Ziel erreicht ist. — So kam es auch hier; selbst die Allerschwächsten in den Schreibübungen wurden auf diese Weise nach gebracht und schrieben bald nahezu gerade so gut, wie alle übrigen. — Helfer also spielen für den Lehrer namentlich bei einer großen Schüler zahl eine Hauptrolle! Damit aus dieser Schulmeisterei auch jene einen Nutzen ziehen, welche ihr aus beruflicher Stellung sonst kein Interesse entgegenbringen, erlaube ich mir noch ein Wort an das Elternhaus zu richten. Vielfach hört man den Vater, die Mutter, wenn sie den angehenden Studenten zur Schule bringen, klagen: Wir haben den Buben, das Mädchen zu Hause gar nichts gelehrt — oder, was noch schlimmer ist, man hört sie erzählen: Einige Buchstaben könne wohl das Kind schon, auch vermag es bereits bis 100 zu zählen u. dgl. andere für die Schule ganz unnütze, oder vielmehr störende Heldentaten tischt man auf. — Doch wisset, das