Das Bevölkerungsproblem in Oesterreich. 185 ihrer Nachbarn hilflos ausgeliefert wären. Wenn man auch die E a s t- schen Forderungen für die österreichischen Verhältnisse zurzeit ablehnen muß, so soll deshalb die Grundidee, die East mit seinem Werk mit aller Klarheit und Beweiskraft ausgestattet hat, vor allem die Gefahr der Ueber- fülliung der ganzen Erde mit Menschen, nicht in Vergessenheit geraten, im Gegenteil, man muß daraus vor allem für die heutigen Verhältnisse die Lehre ziehen, mehr als bisher den Nahrungsspielraum in der Bevölkerungs politik zu beachten und ihn auf keinen Fall zu überschätzen. Mit dieser Stellungnahme zu den Forderungen E a s t s soll aber nicht etwa gesagt sein, daß nun andererseits die Folgerungen Grotjahns vorbehaltlos auf die österreichischen Verhältnisse Anwendung finden können. Vor allem wird man seiner Auffassung, daß heute bevölkerungspolitische Maßnahmen quali tativer Art gegenüber den quantitativen noch zurückzu stehen haben, nicht beipflichten können. Damit Oesterreich den kulturell hochstehenden Erwar tungen, die an sein Volk gebunden sind, Genüge leisten und so seine völ kische Bedeutung wahren kann, wird es wohl seine ganze Macht daran zusetzen haben, um seine geistige Leistungsfähigkeit, die heute mehr denn je gefährdet ist, nicht zu verlieren. Bekanntlich ist der starke Rückgang unserer Geburtlichkeit darauf zurückzuführen, daß sich vor allem unsere Gebildeten und geistig gut und hochbegabten Kreise einer immer weiter gehenden Verringerung der Kinderzahl befleißigen und nicht auf eine all gemein gleichmäßige Beschränkung der Geburtenzahl. Auf solche Weise kann die geistige Spannkraft unserem Volke nicht erhalten werden. Da die Gefahr sehr groß ist, daß dieser Zustand in den intellektuellen Kreisen zu einem Dauerzustand wird, da ja bekanntlich mit der Kinderlosigkeit und Kinderarmut eine merkliche Erleichterung der Lebensführung einhergeht und überdies die Verhütung heute kaum besondere Geschicklichkeit er fordert, so wäre es geradezu verbrecherisch, wollte der Staat dieser Erschei nung gleichgültig gegenüberstehen und keine Maßnahmen ergreifen, die imstande wären, ein schon drohendes Verhängnis zu verhüten. Man wird deshalb im Gegensatz zu Grotjahn fordern müssen, daß schon heute gegen jedes Weitergreifen des Geburtenrückganges in den Kreisen unserer Gebildeten und geistig „Wohlgeborenen“ Vorkehrungen getroffen werden, die sich, wie hier nicht näher ausgeführt werden kann, gegebenenfalls sehr wohl mit allgemeinen Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Hebung unserer Geburtlichkeit verbinden lassen. Will man nun zum Schluß die Hauptfrage der Abhandlung beantwor ten, so wird man notgedrungen an die statistisch nachgewiesene Tatsache anzuknüpfen haben, daß die Verhütung der Geburten am meisten in den Kreisen vorzukommen pflegt, die kraft ihrer geistigen und körperlichen Fähigkeiten den Durchschnitt überragen. Mannigfache Umstände privat- wirtschaftlicher und sozialer Art begünstigten das Eindringen neumalthu-