2 einer möglichst vollständigen Uebersicht über die geographischen Erscheinungen strebte, die rein äußerlich aneinandergereiht wurden. So blieb — von wenigen Ausnahmen abgesehen — der Stand der geographischen Wissenschaft und des geographischen Unter richtes bis auf Karl Ritter. Ritter (1779 bis 1859, seit 1820 Professor in Berlin) wandte sich gegen die Be handlung der Erdkunde als Anhängsel der Geschichte; er ging von der Natur und na türlich abgegrenzten Erdräumen aus, das heißt also, er ordnete und begrenzte den Stoff der Geographie nach ihr eigentümlichen Gesichtspunkten; er führte das Kausalitäts prinzip in die Geographie ein, das heißt er betonte ganz besonders den ursächlichen Zusammenhang der geographischen Erscheinungen, hob die Wechselbeziehungen zwischen der Erde und ihren Bewohnern hervor; mit einem Worte, mit Ritter beginnt die wissenschaftliche Behandlung der Erdkunde. Ganz besonders hervorheben möchte ich noch, daß Ritter sich mit allem Nachdruck gegen die Zerreißung des geographischen Lehrstoffes aussprach, die die Systematik, die gewöhnlich zuerst alle Gebirge, dann alle Flüsse, dann die Produkte, schließlich die Orte eines Landes, womöglich eines großen Staates, zusammenstellt, vornimmt. Er sagt z. B.: „Das Trennen liegt nur in uns; in der Wirklichkeit steht alles in einem notwendigen Zusammenhang und diesen Zu sammenhang können wir nie durch Trennung des Mannigfaltigen begreifen", oder: „Die natürlichste Methode ist diejenige, die alle die verschiedenen Gegenstände der Geo graphie in ein Ganzes zu vereinigen weiß, und diese ist es denn auch, die der Natur des Gegenstandes gemäß vom Besonderen zum Allgemeinen führt", oder: „Der Gang der Methode für die Geographie kann nicht analytisch, er muß synthetisch sein". Die von Ritter dein geographischen Unterricht gewiesenen Ziele und die von ihm gezeigten Wege zu ihrer Erreichung blieben lange von den Schulmännern unbe achtet, namentlich auf dem Gebiete der Volksschule. Man setzte die Geographie noch weiter in innige Beziehung zur Geschichte; man stellte infolgedessen die politische Geo graphie in den Vordergrund und ging daher bei der Betrachtung der Länder von ihrer politischen Gestaltung aus; man ließ viel auswendig lernen, ohne für das Verständnis des Zusammenhanges der Erscheinungen etwas zu tun; die Topographie überwucherte die physikalisch-geographischen Verhältnisse, von den wirtschaftsgeographischen gar nicht zu sprechen. Daran änderte auch eine Bewegung der fünfziger Jahre des neun zehnten Jahrhunderts nicht viel, die unter den: Einfluß des Prinzips der Konzentration des Unterrichts die Forderung nach geographischen Charakter- oder Landschaftsbildern aufstellte, die den Lernenden mitten in die lebensfrische Wirklichkeit Heineinstellen und nach den Ritterschen Grundsätzen das Zusammenwirken der verschiedenartigen geo graphischen Elemente des Natur- und Menschenlebens zeigen sollten. Erst seit den sechziger Jahren wird die Zerlegung des geographischen Lehrstoffes in Landschaften mit natürlichen Grenzen immer häufiger gefordert, die ohne Trennung des Zusammengehörigen in geschlossener Betrachtung vorgeführt werden sollen. Von der Heimat aus soll, von natürlicher Landschaft zu natürlicher Landschaft fortschreitend, die ganze Erde kennen gelernt werden. Besonders wird auch betont, daß die Sied lungen, um ihr Entstehen und Emporkommen nachzuweisen, nicht mehr nach der phy sischen Geographie in einem besonderen topographischen Abschnitt, nach Provinzen geordnet, aufgezählt werden dürfen, sondern gleich bei der physischen Geographie eines Landes, von der sie abhängig sind, betrachtet werden müssen. Die größten Verdienste um die Ausgestaltung des geographischen Unterrichtes ini Geiste Ritters haben sich dann in den achtziger und neunziger Jahren des ver flossenen Jahrhunderts Alfred Kirchhofs, Alois Geistbeck und Kerp erworben. Kirchhofs ging von dein Gedanken aus, daß der Lehrer den Schwerpunkt seines Unter richtes darin suchen müsse, den Schüler geographisch denken zu lehren; und dies sei von der Heinratkunde bis zur allgemeinen Geographie möglich, ohne in: geringsten der Fassungskraft der Schüler zuviel zuzumuten. Notwendig hiezu aber ist der Vorgang nach natürlichen geographischen Einheiten; denn nur bei Betrachtung solcher kann man den Zusammenhang der geographischen Erscheinungen erfassen, für den ja, wie