Scparatabdruck aus den „Katholischen Schulbliittern" Nr. 18, 19 und 20, 1914. Die geographische Wissenschaft hat im letzten Menschenalter einen bedeutenden Aufschwung genommen. Ich erwähne beispielsweise nur die starke Heranziehung der Geologie, sowie die Ausgestaltung der Siedelungsknnde. Es hat aber nicht bloß eine stoffliche Erweiterung stattgefunden, sondern auch eine Aenderung der Betrachtungs weise, der Methode. Der geographische Unterricht hat sich nun noch nicht, wenigstens nicht auf allen Linien, die Neuerungen der Wissenschaft zu eigen gemacht. Es ist dies übrigens eine natürliche, in allen Fächern und in allen Schulgattungen in gleicher Weise zu beobachtende Erscheinung: der Schulbetrieb muß den Wandlungen in der Wissenschaft nachhinken. Er zieht aber aus diesem scheinbaren Nachteil den Vorteil, daß er, ohne alle Experimente mitzumachen, nur das Neue, das sich bewährt hat, auf nimmt. Angesichts dieser Tatsache spreche ich also gegenüber niemandem einen Vor wurf aus, wenn ich sage, daß ich zu meinen Auseinandersetzungen durch die Erfahrungen angeregt wurde, die ich als Mitglied der Prüfungskommission für allgemeine Volks und Bürgerschulen in Linz zu machen Gelegenheit hatte. Besonders ermuntert hat mich zu dem Unternehmen dann noch der Umstand, daß eine Lehrplanänderung in: Zuge sein soll, bei der ja auch moderne Strömungen im geographischen Unterricht berücksichtigt werden könnten und sollten. Was die Geographie, und zwar der Zweig derselben, den wir genauer als Länder kunde bezeichnen, bei Herodot, dem bekannten griechischen Geschichtsschreiber, gewesen war, das blieb sie in der Hauptsache auch durchs ganze Mittelalter bis tief in die Neu zeit herein: die dienende Magd der Geschichte, die die in einem Geschichtswerke oder beim Geschichtsunterricht vorkommenden Länder und Orte zu beschreiben hatte. Die Geographie war also nicht viel mehr als das, was wir Topographie (Ortsbeschreibung) nennen. Da sie keine selbständige Stellung besaß, so hatte sie auch keine ihr eigentümliche Auffassung und Einteilung des Stoffes; von physikalischer Erdkunde war überhaupt kaum zu reden, ebensowenig von einer innerlichen Verknüpfung der geographischen Tatsachen. Daran änderte sich auch noch nichts, als die Geographie seit dem siebzehnten Jahrhundert selbständiger wurde: sie wurde zu einer trockenen Systematik, die nach Inhalt der im April 1918 im Fortbildungskurse für Lehrer an der k. k. Lehrer bildungsanstalt zu Linz über diesen Gegenstand gehaltenen Vorträge, den „Katholischen Schul blättern" ans Ersuchen zur Verfügung gestellt.