Angebildeter fast stets auf den Zeugeneid, da die Richter ja wußten, daß sich die „Leute aus dem Volke" über die Bedeutung des Eides überhaupt nicht im klaren waren. Eine sehr gerissene Spionin, eine Lettin mit Namen Kirstein, war ein auffallend hübsches Geschöpf. Dieses durch und durch verlogene und äußerst gewandte Mädchen siel meinen Leuten im Winter 1915/16 in die Äände. Das erste, was die Kirstein tat, war, daß sie mir, dann aber meinen Wachtmeistern eine Liebeserklärung machte und gewisse Anträge stellte. Auch den Gefängniswärter wollte die Kirstein auf diese Weise veranlassen, sie wieder laufeu zu lassen. Kurz, das noch nicht siebzehnjährige Mädchen war bereits eine abgefeimte Dirne, wie man sie nicht alle Tage trifft. Diese Person war entschieden gefährlich; denn in der kurzen Zeit, die sie sich hinter unserer Front herumgetrieben hatte, war es ihr möglich gewesen, mit verschiedenen Angehörigen unseres Äeeres in intimste Verbindungen zu kommen. Da man der Kirstein trotz aller Bemühungen nur wenig nachweisen konnte, wurde sie nur in die Gefangenschaft abgeführt. Der Nachweis der versuchten oder aber vollendeten Spionage hätte aber auch in diesem Falle nicht zu einem Todesurteil führen können, da das Mädchen schwanger war. Im Winter 1915/16 schickte der russische Nachrichtenoffizier Oberst Teraschow eine Reihe „Spreng- agenten", die von einem Pionieroffizier in der russischen Stadt Pskoff ausgebildet waren, durch unsere Linien. Diese Leute waren fast samt und sonders entlassene Zuchthäusler, denen man Freiheit und Straf losigkeit sowie auch eine namhafte Geldsumme versprochen hatte. Die Aufgabe dieser Leute war, Stäbe durch Bomben in die Luft zu sprengen, Magazine, Eisenbahnen und Brücken zu zerstören, Transportzüge zum Entgleisen zu bringen, vor allen Dingen aber Äindenburg und Ludendorff zu ermorden. Man hatte auch den Leuten die Photographien der beiden deutschen Heerführer gezeigt, so daß die Verbrecher ohne weiteres den Generalfeldmarschall und seinen Generalstabsches erkannt hätten. Es gelang unseren Leuten, achtzehn von den vierundzwanzig ausgesandten Sprengagenten dingfest zu machen, eine anstrengende, auf- reibende und aufregende Arbeit, da uns ja Zweck und Ziel dieser Leute bekannt waren. Der letzte Trupp, geführt von einem Zuchthäusler namens Agaphonoff, hatte die Aufgabe, sich nach Kowno zu begeben, sich dort mit anderen Agenten in Verbindung zu setzen, die die Front bei Wilna zu durchschreiten hatten, besonders aber mit einem Mädchen, einer merkwürdigerweise nicht revolutionär gesinnten, sondern fanatisch patriotischen russischen Studentin, die anscheinend die Äauptsührerin der Bande war. Diese Leute sollten sich in Kowno in die Kirche begeben, um dort bei Gelegenheit des Gottesdienstes mit Äilse von mitgebrachten Bomben (Marke „Toll"), Revolvern und Dolchmessern den Generalfeldmarschall zu ermorden. Alle 18 Agenten wurden kriegsrechtlich abgeurteilt und erschossen. Leider ist es nicht geglückt, die russische Studentin zu fassen. Im russischen Nachrichtendienst standen glücklicherweise nur sehr wenige russische Studenten und Studentinnen; denn diese sonst zu allem bereiten „Intellektuellen" waren kaum zu bewegen, in die Dienste des Zaren zu treten, da sie als Revolutionäre völlig „neutral" waren. Kütten diese Elemente dem russische«, Geheimdienst zur Verfügung gestanden, so wäre unsere Arbeit bedeutend schwieriger gewesen. So aber mußte sich Oberst Tereschow mit Dirnen und anderen Frauenzimmern begnügen, mit Verbrechern, deutsch- feindlichen Letten und anderen Einwohnern des Landes. Mir selbst ist es auch nur ein einziges Mal geglückt, mit einer russischen Sozialrevolutionärin, der Jüdin Silberstein, in Fühlung zu kommen, und zwar in Berlin. Diese Person war aus Käß gegen das zaristische Rußland bereit, für uns Dienste zu leisten, doch wurde ihr die Ausführung ihrer Pläne von der Parteileitung der Sozialrevolutionäre in Genf untersagt, und es blieb bei dem Versuch. Man wollte also auch für das kaiserliche Deutschland nichts tun, trotz allen Zarenhasses. Wiederholt haben sich mir russische Offiziere aus Gefangenenlagern zur Verfügung gestellt, doch habe ich von den Angeboten dieser Leute nur in zwei Fällen vorsichtigen Gebrauch gemacht, da ich den Eindruck hatte, daß diese Herren nur eine Gelegenheit suchten, durch unsere Front nach Rußland zu kommen und wieder gegen uns zu kämpfen. Es ist wiederholt von gewisser Seite behauptet worden, wir hätten durch bestochene russische Offiziere und Agenten versucht, den Großfürsten Nikolai Nikolajewitfch aus dem Wege zu räumen. Keine Erfindung kann plumper und dümmer sein; denn wer das Gewissen und die Denkweise des deutschen Offiziers kennt, wird über einen solchen absurden Gedanken nur lachen. Wir haben es natürlich, da unsere lithographische Kunst aus der Äöhe ist, leicht fertiggebracht, falsche Pässe herzuftelleu und unsere Agenten als „Ausländer"