eigentlich aussah, wußte kein Mensch. Stacheldraht? Scheren hatten wir natürlich nicht. Ob die Gräben wirksam von unserem Maschinengewehrfeuer gefaßt waren? Sehen konnte man durch das Anterholz des vor uns liegenden Waldstreifens nichts. Mein junger Kamerad von der Marine drängte zum Sturm. Noch ein letzter Blick auf die drohend rückwärts über uns hängende Wand von Newala — dann gab ich nach: And in abwechselnden Sprüngen, ganz wie einst auf dem Exerzierplatz, ging's heran. Schon nach zwei Sprüngen öffnete sich vor uns das Gelände: da vorn eine lange Linie srisch aufgeworfener roter Erde, aus der uns ein Äagel von blauen Bohnen entgegenschlägt, dann brachte uns ein langer dritter Sprung unter dem Äurra- gebrüll unserer Askari an den— zum Glück nicht eingedrahteten — Graben. Die Verteidiger hielten nicht Stand. Aus den Gräben erhob sich lautlos eine blaugraue Welle, quoll über und flutete in rasender Eile, aber schweigend in den bergenden Wald. Leider entkam der größte Teil, weil unsere Maschinengewehre noch nicht heran waren. Ansere dünne Linie hatte auch genug damit zu tun, die Gräben zu säubern, aus denen einige tapfere portugiesische Askari immer noch schössen. Mein Gewehrträger — ich trug meist einen Eichen- stock — rief meiner Gefechtsordonnanz zu spät eine Warnung zu — ein im Graben kauernder Askari schoß ihn auf drei Meter Entfernung mitten in die Brust. Im selben Augenblick versenkte allerdings mein Boy das aufgepflanzte Seitengewehr in den Bauch des Gegners. Wir waren bisher gewöhnt, mit unseren Ge- fangenen Englisch zu reden, das schienen die Portugiesen nicht zu verstehen, und so rief ich daher einen Ca- pitano, der, mit erhobenen Äänden herumfuchtelnd, aus dem Graben herausstrebte, statt des mir nicht gegen- wärtigen: „Restez-la-bas!" ein höfliches, aber energisches: ; ,Prenez place, monsieur!" zu. Er begriff schnell und setzte sich auf den Rand des Grabens, in dem die Leichen mit Tuchfühlung lagen. An dieser Stelle hatte mein von einem Doktor der Zoologie bedientes Maschinengewehr ganze Arbeit gemacht. Die Wasserstelle war unser; außer Gewehren und Munition sielen uns als Beute etwa 200 meist tsetse- kranke Pferde zu. Die armen Tiere waren halbverhungert und hatten einander Mähnen und Schwänze abge- fressen, ein jämmerlicher Anblick! Von den geflohenen Portugiesen konnten nur wenige eingeholt werden. Mit der Wegnahme der Wasserstelle war die Besatzung von Newala in eine schwierige Lage geraten. Die Feste war allerdings, wie die nächsten Erkundungen ergaben, besser gesichert, vor den Schützengräben war freies Schußfeld geschaffen, und ein Sturm ohne Artillerievorbereitung konnte leicht schief gehen. Wir zogen daher zunächst eine dünne, von weiten Lücken unterbrochene Linie um die Feste, jetzt der 20.Feldkom¬ pagnie die Äand reichend. Im Anmarsch befand sich ein 10,5 Zentimeter-Geschütz der „Königsberg"; mit unsäglichen Mühen gelang es einem der landeskundigen alten Beamten, das riesige Rohr auf steilen Berg- pfaden mit Menschenkraft auf die Kochebene zu schleppen. Am 27. November konnte das Geschütz wahr- hastig in Stellung gebracht werden, und am 28. Novembor flogen die ersten eisernen Grüße nach Newala. Beobachtungsschwierigkeiten unterbrachen leider vorzeitig die Fortsetzung der Beschießung. Zwischen der 20. Kompagnie und der ihr gegenüberliegenden Nordfront war ein hinhaltendes Feuergefecht im Gange. Bei uns war es im allgemeinen still, ich aber horchte an diesem Vormittag immer wieder sorgenvoll nach rechts rück- wärts. Denn dort lag, kaum 10 Kilometer entfernt, ein befestigtes Lager der Portugiesen, Mahuta, in dem mindestens drei Kompagnien standen. Die Gegner mußten ja geradezu „Rindviecher" sein, wenn sie die gute Gelegenheit nicht benutzten, uns in den Rücken zu fallen (jede unserer Kompagnien war auf 5—6 Kilometer auseinandergezogen!) und so Newala zu entsetzen. Es war 11 Ahr, als ich, gerade von einem Erkundungs- gang zurückkehrend, innerlich beruhigt, den Mahuta-Leuten eben endgültig die vorgenannte zoologische Be- zeichnung verleihen wollte, da spitzte ich auf einmal die Ohren. Just aus jener Gefahrenecke klingt es wie ver- einzelte Gewehrschüsse herüber. „Eine Patrouillenschießerei!" versuche ich mir vorzureden, aber da schwillt das Feuer schon an, und dazwischen ist jetzt unzweifelhaft auch das Kämmern von Maschinengewehren hörbar. Das kann eine nette Bescherung werden! An der Straße nach Mahuta steht, wie ich weiß, eine Feldwache der 20. Kompagnie; auf halbem Wege dahin liegt mein erster Zug. Ich raffe also, was ich an Meldegängern und Posten erwischen kann zusammen und marschiere in der Richtung auf das Feuer los. Mein tüchtiger Feld- webel Müßlin, ein ehemaliger elsäffischer Oberjäger, hat, wie ich es nicht anders erwartete, selbständig gehandelt, seine Stellung gegenüber Newala aufgegeben und ist an den Mahutaweg gerückt, dort hole ich ihn ein und nehme ihn gleich weiter mit. Auf einmal läßt der Gefechtslärm nach, und schon kommt mir die Feldwache, die sich umgangen gefühlt hatte, entgegen. Der Feind stößt aber zum Glück nicht nach, wir besetzen sofort wieder den kurzen, quer über den Weg laufenden Graben und versuchen nun den Gegner links zu umgehen. Das Vordringen in dem zähen, tausendfach verfitzten und verfilzten Busche ist überaus schwierig. Immerhin