1. Venedig (0 eseliiclit-liclies). 33 Ostens sich nicht entzöge. So kam es zu den freundlichsten Beziehun¬ gen zwischen den Venetern und By¬ zantinern; der Inselstaat erstarkte und konnte nach der Vertreibung der Griechen aus dem Exarchat sei¬ nen ehemaligen Gebietern als Ver¬ bündeter und bald auch als Be¬ schützer beistehen. Schon 580 hatte Paulinus, Patriarch von Aquileja, um dem langobardischen Druck zu ent¬ gehen, seinen Sitz verlassen und in Grado sich angesiedelt. So erhielt das Seeland ein eigenes geistliches Oberhaupt. Paulinus begab sich un¬ ter byzantinischen Schutz; der aria- nische Glaube der Langobarden¬ könige half dann aber, dass der Pa¬ triarch sowohl den Ansprüchen der griechischen Rechtgläubigkeit, als der Hoheit des Papstes selbständig gegenübertreten konnte. Eine alte Chronik von Grado erwähnt neben dem Patriarchenstuhl die SufFragan- sitze der Inseln Torcello, Malamocco, Olivolo, Jesolo und Heracliana. Die Insel Grado war damals das politi¬ sche und kirchliche Centrum der industriellen, thätigen Bevölkerung; neben den Fischern, Schilfern und niederen Gewerken blühte der Han¬ del, gestärkt durch die Verbindungen mit der Levante. Jener eigenthüm- liehe Zusammenhang mit dem grie¬ chischen Kaiserreich liess schon in früher Zeit eine Art freistaatlicher Bildung zu. Der Doge Dandolo be¬ richtet in seiner Chronik: »Im Jahr 697 ward als erster Doge über See- venetien Panlucius Anafestus bestä¬ tigt; denn da, während in den ein¬ zelnen Orten des Seelandes die Be¬ völkerung mehr und mehr wuchs, die Tribunen um den Vorrang strit¬ ten und einander keine Hülfe leiste¬ ten, mischten eich die Langobarden wiederholt ein und eigneten sich hier und da Güter gewaltsam an. Um solchem Unfug zu steuern, tra¬ ten die Tribunen, alle Vornehmen und auch die Volksgemeinde, ebenso der Patriarch und der gesammte Klerus in Heracliana zusammen und wählten den vornehmen Pauluzzo aus Heracliana zum Herzog des Seelandes, der nun dasEinberufungs- recht der Versammlung, die Rechte der Ernennung von Tribunen und Richtern über Volk und Klerus Wegweiser durch Italien.' $ (rein Geistliches ausgenommen), der Synodenbewilligung und der Beam¬ tenbestätigung erhielt«. Erst der zehnte Doge, Agnello Partecipazio, begann 811 die Reihe der in Venedig wohnenden Dogen, indem er die Insel Riva alta (Rialto), die allein den Angriffen Pipins wi¬ derstanden hatte, zum Sitz der Re¬ gierung erhob. So entstand Venedig als eine neue, nun mit Ringmauern umgebene Stadt; die einzelnen In¬ selgemeinden wurden zu Stadtvier¬ teln und Kirchspielen einer durch Brücken verbundenen gemeinsamen Seestadt, deren Lage zwischen dem östlichen und westlichen Kaiser¬ thum sie zum grossen Welthandel bestimmte und ihr dadurch den gross¬ artigen eigenthümlichen Charakter und die gewaltige Aristokratie der Handelsherren gab. Agnello’s Sohn, Giustiniano, hatte das Glück, dass eine nach Alexandria verschlagene Handelsflotte von dort die Reliquien des Apostels St. Marcus nach Vene¬ dig zur Gruft des Dogen überführte. Der Löwe des St. Marcus wird nun zum Abzeichen Venedigs, der Apo¬ stel als Stadtherr verehrt, und neben dem Dogcnpalast erhebt sich die Markuskirche. Die Macht der Repu¬ blik stieg. Im Jahr 839 lief Pietro Tradenico schon mit 60 Kriegsschif¬ fen aus und lieferte den Saracenen bei Taranto die erste Seeschlacht, 840 an der Küste von Istrien die zweite; aber erst bei der dritten unter Orso Partecipazio siegte Ve¬ nedig. Orso’s Sohn bekämpft Ra¬ venna, den merkantilen Nebenbuh¬ ler Venedigs. Venedig bildet sich zu einer kriegerischen Seemacht heran. Unter Domenico Flabianigo, der mit den Demokraten die dem Erbher¬ zogthum nachstrebenden Orseoli stürzte, beginnt die Herbeiziehung (pregare) der Häupter der vorneh¬ men Familien zu Berathungen bei wichtigen Entscheidungen (Gonsiglio dei Pregadi). Die grossartigste Stellung ver¬ liehen den Venetianern die Kreuz¬ züge, da Seetüchtigkeit und Staats¬ klugheit sie bald über Pisa und Ge¬ nua erhoben. Die immer innigere Verbindung Venedigs mit dem Orient liess auch die byzantinische Kunstb&ld mehr, bald weniger siegreich mit 3