Sechstes Kapitel.
Streifzüge auf der Nordinsel.
is zum Juli wartete ich vergeblich darauf, daß meine
B Schuldner ihre Rechnungen beglichen. Da ich aber meine
Abreise nach der Nordinsel nicht länger aufschieben wollte, er—
suchte ich Dr. von Haast, die Schulden zur Eintreibung zu über—
nehmen, machte mich reisefertig und vereinbarte mit Kapitän
Grundy den Tag der Abfahrt.
Am 17. Juli, um 3 Uhr nachmittags, lichtete der Schoner
„Torea““* die Anker und eilte mit vollen Segeln bei einer guten
Südwestbrise aus dem Hafen von Lyttelton. Um 4 Uhr waren
wir bereits auf hoher See. Die „Torea“ glitt über die Wogen
wie ein Schwan. Die Nacht war ruhig, und das Meer flimmerte
von unzähligen Millionen leuchtender Kleintiere. Mein Nacht—⸗
lager war eine Bank, denn auf dem kleinen Schoner, der mit
Waren vollbeladen war, gab's wenig freien Raum.
Am 18. Juli frischte der Wind auf, die See ging hoch; dem
Schiffe folgten Albatrosse und andere Sturmvögel. Gegen Mitter—⸗
nacht passierten wir die Cookstraße. Am 19. erhob sich nach⸗
mittags ein Orkan von Südost. Wir sahen nur noch Wasserberge;
die Segel wurden gerefft, alles sturmfest gemacht, zwei Mann
standen am Steuerrad. Wie ein wildes Roß ritt die „Torea“
einen Wasserberg hinauf, um dann wieder, fast senkrecht stehend,
pfeilschnell in eine Wasserschlucht zu stürzen; das Bugspriet bohrte
sich in die nächste Welle ein, die llatschend übers Schiff wusch. Der
Wind pfiff und heulte, das Schiff knarrte und ächzte, als wollte
es aus den Fugen gehen, aber die klare Stimme des Kapitäns
abertönte den Lärm, und seine Befehle wurden genau befolgt.
* „Torea“ ist der Maoriname eines Seevogels (Haematopus piĩcatus).