Einundzwanzigstes Kapitel. Die letzten Jahre. Vom Herausgeber. eim Feste des Wiedersehens in der Heimat darf eine stumme B Heldin dieses Lebensromans nicht vergessen werden: Rei— scheks Frau, meine unvergeßliche Mutter, die in unwandelbarer Treue und Liebe, unter vielen Entbehrungen und harter Arbeit auf ihres Mannes Rückkunft geharrt hatte. Nach kurzer, glücklicher Ehe hatte sie, ein junges, lebensfrohes Weib, ihren Mann auf „drei Jahre“ in die Fremde ziehen lassen, und als er nach drei Jahren nicht kam, sondern schrieb, daß seine Kraft, sein Leben der Menschheit, der Wissenschaft gehöre, leistete sie den großen Verzicht. Sie opferte der Menschheit, der Wissen— schaft ihr Recht des Blutes und viele Hunderte glücklicher Tage der Jugend. I Auf dem Südbahnhof in Wien stand zitternden Herzens eine Frau, deren Haar von silbernen Fäden erhellt war — und als sie dem bärtigen, bronzebraunen Mann entgegenlief, da stand er einen Augenblick betroffen und fühlte die Schuld der versagten Jugend— und Liebesjahre. Aber aus ihren Augen leuchtete ihm Glück, Jugend und Liebe — und er umfing sie und versank in dem Kusse der Heimat, der Mutter, der Erde — die ihn wiederhatte! Die unerschöpfliche Natur dankte ihm, der ihr in Ehrfurcht und Liebe gedient hatte, und dankte dem liebenden Weibe mit einem Geschenk, dem banalsten und doch göttlichsten Wunder im Leben: zwei Jahre nach Reischeks Rückkunft gebar ihm seine Frau einen Sohn. Nun war der Ring des Lebens geschlossen; Reischeks Leben hatte einen neuen Zweck; das Opfer für die Menschheit war gebracht — nun begann das Opfer für die Familie.