Aber nicht bloß auf dem Gebiete des Straf- und Civilprocesses könnte das Richteramt auf den bösen Geist der Zeit corrigirend ein wirken, auch auf dem Gebiete des Pflegschaftswesens könnte es wirken. Es gestattet das Gesetz dem zur Oberaufsicht berufenen Richter, Bäter ihrer väterlichen Gewalt zu entkleiden, wenn sie die Verpflegung und Erziehung der Kinder vernachlässigen, angemessene Verfügungen zu treffen, wenn die väterliche Gewalt gemißbraucht, oder die damit verbundenen Pflichten vernachlässigt, und verpflichtet zur Entlassung des Vormundes wegen pflichtwidriger Verwaltung. In meiner vieljährigen Praxis ist mir ein einziger Fall vorge kommen , daß ein Vater der väterlichen Gewalt verlustig erklärt wurde, aber erst dann, als ich als Vertheidiger der wegen Diebstahl ver- urtheilten Kinder desselben mit Energie daraus gedrungen hatte. Dagegen weiß ich Hunderte von Fällen, in welchen trotz noto rischer Uebelstände die Pflegschaftsbehörde nichts gethan hat, ja sogar trotz energischer Vorstellungen mnd Eingaben unthätig blieb. Der Geist der Strenge, der überall walten soll, liegt eben weder in der gegenwärtigen Zeit überhaupt, noch im Character unseres Volkes, und dieser ist auch deshalb in dieser Sphäre im Richteramte nicht zu finden. V. In dieser sehr hochwichtigen Aufgabe soll das Richteramt durch die Anwaltschaft kräftigst unterstützt werden. Es kann von dieser wohl verlangt werden, daß sie auf dem idealen Standpunkte fleht, von welchem nicht der um jeden Preis erfochtene Sieg der Partei, sondern nur der Triumph des Rechtes als das Ziel des Anwaltes angesehen wird. Das läßt sich verlangen, ohne dem lediglich subjectiven Ermessen des Anwaltes die Interessen der Parteien preiszugeben. Es gibt so viele zweifelhafte Fälle, in welchen schließlich der Richterspruch und da auch nur formell den Streit schlichtet, bei dem sohin das materielle Recht durchaus nicht klar zum Siege gelangt oder unter liegt. Es gibt insbesonders eine Unzahl privatrechtlicher Streitigkeiten, bei denen ganz wohl jede Partei Recht zu haben vermeinen, und daher