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Zur Geschichte
milder Stiftungen
im
Lande ob der Ens.
Von
Joseph Gaisberger.
Quod - munus reipublicae afferre majus meliusve possumus
quam si docemus atque erudimus juventutem? his praeser-
tim moribus atque temporibus, quibus ita prolapsa est,
ut omnium opibus refrenanda ac coereenda sit. Cicero
de divin. II. 2.
Vorwort.
Ais ich im Jare 1855 die »Geschichte des akademischen
Gymnasiums zu Linz« verfasste, wurde mir von Seiner Exzel-
lenz , dem k. k. Statthalter von Oberösterreich Herrn Baron
Eduard v. Bach auf meine Bitte gnädig die Einsicht in die
Statthalterei-Akten gewährt. Bei ihrer Durchforschung traf ich
auf manche Notizen, die mit der Geschichte der genannten
Anstalt in losem Verbände, aber doch für mich so anziehend
waren, dass ich sie nicht unaufgezeichnet lassen konnte. Es
waren diess vorzugsweise Notizen und Daten über milde
Stiftungen im Lande ob der Ens. Der schöne Cha-
rakterzug christlicher Mildthätigkeit, der den Bewohnern dieses
Landes in hohem Grade noch heute eigentümlich ist, findet
sich schon in frühem Jarhunderten durch die vielen Stiftungen
glänzend beurkundet. Gab es doch beinahe kein Bedürfniss,
kein Gebrechen, kein Leiden, wofür unsere christlich gesinnten
Vorfahren nicht eine nachhaltige Abhilfe, eine mildernde Kraft,
ein tröstendes Heilmittel gefunden und dauernd gestiftet hätten.
Es ist daher ein Akt der Pietät, was jene in nie ruhender
1*
4
Wolthätigkeit gethan , geopfert und gegründet haben, den ge-
genwärtig Lebenden ins Gedächtniss zu rufen und nach und
nach vorzuführen. Für dieses Mal nur von zwei Anstalten in
der Hauptstadt, die kaum dem Namen nach jenen bekannt sind,
die von ihren Früchten leben und zehren.
St. Florian am 14. Mai 1859.
Der Verfasser.
L
Das Seminarium S. Ienatii zu Linz.
1. Knaben - Seminarien erscheinen unter verschiedener
Benennung beinahe in allen Jarhunderten der
Kirche.
Wenn Jesus Ch ristus seine Jünger und somit die
Priester des neuen Bundes nennet das Licht der Welt,
das Salz der Erde, deutet er dadurch sinnbildlich den
schönen Beruf, die erhabene Aufgabe ihres Lebens an, der sie
nur durch fromme Sitte, reinen Wandel vereint mit gründli-
cher Wissenschaft entsprechen können. Das bedarf sorgfältiger
Vorbereitung, frühzeitiger Uebung; und gleichwie bei Pflanzen
die Pflege oder Verwahrlosung in zarter Jugend zu ihrem Ge-
deihen oder zu ihrer Verkümmerung am meisten beiträgt; so
entscheidet auch die richtige Verwendung der Jugendjare über
die Richtung des menschlichen Lebens; selbst der angestreng-
teste Fleiss in reiferen Jaren vermag nicht wirklichen Ersaz
für das Versäumte oder Vernachlässigte zu gewähren. Daher
hat die katholische Kirche bei ihrer mütterlichen Sorgfalt für
einen sittlich strengen, frommen und wissen-
schaftlich-gebildeten Klerus seit den ältesten Zeiten
Knaben von zartem Alter an zur Erziehung und Bildung über-
nommen , um aus ihnen Priester hervorgehen zu sehen, die
in Wahrheit sind: das Licht der Welt, das Salz der
Erde. — So liess nach dem Zeugnisse der Kirchengeschichte
6
Alexander, der Bischof von Al e x a n d r i e n , Knaben in
der Kirche erziehen und in den Wissenschaften unterrichten;
darunter befand sich der glaubenseifrige, die Heiligkeit des
Christenthums kraftvoll vertheidigende A t h a n a s i u s.
Aber auch in Rom scheinen ähnliche Pflanzschulen für
den Klerus — Knabenseminarien — seit den frühesten
Zeiten bestanden zu haben. Derb. Leo I. auch der Grosse
genannt (440—461) ermahnte dringend die Bischöfe Africas,
erst jene zu Priestern zu weihen , »die vom zartesten Kindes-
alter an bis zu mehr vorgerückten Jaren in der kirchlichen
Disciplin sich befunden hätten,«1) und er berief sich hiebei
auf die ehrwürdigen Sazungen der heiligen Väter der Vorzeit-
Dieselbe Sorgfalt bewies die Kirche von Spanien. Die Väter
des zweiten zu Toledo im J. 531 gehaltenen Konzils trafen
die Anordnung, nur jene zur priesterliehen Würde gelangen zu
lassen, die ihr Leben von der zartesten Jugend auf unter den
Augen des Bischofs im Seminar bis zum 18, Jare zugebracht
und nach Verlauf von noch zw7ei Jaren in demselben Institute
sich zum Gelübde der Keuschheit verpflichtet hätten; ja die
Väter des vierten Konzils von Toledo im J. 633 unterschieden
bereits ein zweifaches Seminarium : ein grösseres und ein
kleineres. Während jenes die Subdiakonen, Diakonen und
Priester beherbergend im bischöflichen Palaste und unter un-
mittelbarer Aufsicht des Bischofs sich befand, war dieses in der
Nähe der Kirche liegend, für jüngere bestimmt, und ein ehr-
würdiger , bejarter Priester überwachte der jungen Zöglinge
Sitten und Wandel und besorgte gleich einem Vater auch ihre
zeitlichen Angelegenheiten.
Für Deutschland schlug Chro'degang der Bischof
von Metz ganz dieselbe Bahn ein (762). Er ordnete für
die Erziehung und Bildung der kirchlichen Jugend die Lebens-
d) Quorum omnis aetas a puerilibus exordiis usque ad provectiores annos per disci-
plinae ecclesiasticae stipendia cucurrisset. Epist. XII.
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weise an, wie sie ein Jarhundert früher von den Vätern des
vierten Konzils von Toledo war vorgeschrieben worden. *)
Der Segen, der dieser Einrichtung entquoll, war allent-
halben sichtbar und so erfreulich die Früchte, dass sie in den
meisten Bistümmern Deutschlands und Frankreichs eingeführt
wurde. — Dazu kamen im Zeitalter Karls des Grossen,
als die herrlichsten Pflanzschulen für den Klerus die Kloster-
schulen und blühten bald so herrlich auf, dass sie die al-
tern Kathedralschulen übertrafen und in ihrer ganzen
Einrichtung und Leitung mehr geeignet schienen, die dem
geistlichen Stande nöthige Würde zu wahren und ebendesswegen
auch als Seminarien für die Weltgeistlichkeit benüzt wurden,
wie denn Hinkmar, der berühmte Erzbischof von Rheims
ausdrücklich bekennet, dass er von zartester Jugend auf im
Kloster zum h. Dionysius auferzogen , dort das geistliche
Gewand getragen , zum Priester geweiht worden und von dort
an den Hof Ludwig des Frommen gekommen sei.
Derselbe Eifer für Erziehung und Heranbildung des Kle-
rus, welchen Karl bewies, beseelte auch seinen Sohn, Lud-
w i g den Frommen und dadurch , dass er zwei Jare nach
seiner Thronbesteigung auf dem Nationalkonzile zu Aachen die
von Chrodegang entworfene Lebensweise als allgemeines
Gesez für die Kirche erklärte, und auf ihre Einführung drang,
war für die entsprechende Bildung der heranwachsenden Welt-
geistlichkeit um so mehr eine feste Grundlage gewonnen als
auch Eugen II. auf einer Synode zu Rom (826) Karls des
Grossen und Ludwigs des Frommen Anordnungen bestätigte.
So bestanden diese Pflanzschulen durch die Vorsorge treflicher
Kirchenfürsten, begünstigt von den Kaisern des sächsischen 1
1) Solerter rectores ecclesiarum vig’ilare oportet, ut pueri et adolescentes, qui in
congregatione sibi commissa nutriuntur vel erudiuntur, ita jugibus ecclesiasticis
disciplinis constringantur, ut eorum lasciva aetas et ad peccandum valde proclivis
nullum possit reperire locum, quo in peccati facinus proruat. — Oportet ut pro-
batissimo seniori pueri ad custodiendum, licet ab alio erudiantur, deputentur,
Harzheim, Concilia German. Tom I. 410.
Kaiserhauses in frischer Triebkraft auch im zehnten und eilften
Jarhunderte und bildeten, immer wieder frisches Blut gewinnend,
in ihrem Schoose Männer heran, die voll des heiligen Geistes
als Träger und Förderer der Religion, der Gesittung und Wis-
senschaft zu den glänzendsten Erscheinungen in der Geschichte
der Menschheit gerechnet werden müssen.
So gieng — um nur die zunächst unser Land betrefen-
den zu nennen — aus dem Seminare zu M a g d e b u r g der
h. Adalbert, Erzbischof zu Prag und Apostel der Preus-
sen hervor; aus dem zu Schönau der h. W o 1 f g a n g, der
als Bischof zu Regensburg sich um die Christianisirung
Oesterreichs so grosse Verdienste erworben und eben im Be-
griffe, das Wort Gottes vom Neuen daselbst zu verkünden, un-
ferne von Linz, in P u p p i n g, in der Kapelle des heiligen
0 t h m a r vom Tode hinweggerafft wurde. — In dem Semi-
nare zu Hildesheim war der hochgebildete Lehrer Ottos
III. der h. Bern ward erzogen, der als Lehrer und Bischof
daselbst beinahe in allen Zweigen der Kunst und Wissenschaft
hervorleuchtete. — Zögling und Lehrer des Seminars zu P a-
d e r b o r n war endlich auch A 11 m a n n , der als Bischof von
P a s s a u — und somit auch unseres Landes — in den kummer-
und stürmevollen Zeiten des Investiturstreites eine Hauptstüze
Gregors VII. und seiner edlen Bestrebungen gewesen ist
und schon dadurch, wie durch seine grossartigen religiösen Stif-
tungen noch fortwährend in dankbarem Andenken fortlebt.
Doch gegen die Mitte des 12, Jarhunderts begannen diese
Pflanzschulen allmählig in Verfall zu gerathen — wol nicht aus
einer Ursache sondern aus mehreren vereint wirkenden; wor-
unter die nicht die unbedeutendste war, dass man auch ohne
Sittenreinheit, ohne wissenschaftliche Bildung zu den einfluss-
reichsten Kirchenwürden gelangen konnte. Die hohe Abkunft,
die Gunst der Grossen, eigentliche Simonie verliehen die wich-
tigsten Stellen, drängten wahres Verdienst und wahre Würdig-
keit bei Seite, dämpften das hie und da in den Seminarien
9
noch sich regende geistige Leben und lösten sie gänzlich auf,
so dass jezt nur noch die Klosterschulen als die einzigen —
aber nicht hinreichenden kirchlichen Pflanzschulen übrig blie-
ben. Das mag den h. W o 1 f g a n g zu dem Ausrufe bewogen
haben: »Hätten wir nur Mönche, das Uebrige besässen wir im
Ueberflusse!« *)
Das sittliche Verderben drang indessen auch in die Klö-
ster ein, lokerte die Bande und bereitete jene trüben Erschei-
nungen vor, die im 16. Jarhunderte in so Schrecken erregen-
der Weise zum Durchbruche kamen und mit jedem Stadium
dringender die Nothwendigkeit darlegten, eine Anstalt wieder
zu erweken, aus der in frühem Jarhunderten ein sittlich-stren-
ger, glaubens-warmer, wissenschaftlich gebildeter Klerus hervor-
gegangen ist, nämlich Seminarien, und das war keine der
unbedeutendsten Leistungen des Trienter-Konzils.
2. Die Beschlüsse des Trienter-Konzils rufen ivie an
andern Orten, auch in Linz ein Knaben - Seminar
hervor.
Um dem drückenden Priestermangel in England abzu-
helfen , hatte der Kardinal Reginald Polus bereits im J.
1556 einen Plan entworfen, der die Heranbildung des Klerus
von den Knabenjaren beginnend, geeignet schien, die geistliche
und gesellschaftliche Wiedergeburt der Kirche zu begründen.
Dieser Tlan wurde von den Vätern des Konzils in seiner We-
senheit angenommen und das Dekret lautete: »Wenn das
Jünglingsalter nicht gehörig unterwiesen wird, ist es nur allzu-
sehr geneigt, den Vergnügungen der Welt nachzugehen und
wenn es nicht schon von den Kindesjaren an, bevor noch dem
Menschen die Fehler zur herrschenden Gewohnheit geworden,
zur Frömmigkeit und Religion herangebildet wird, so harret es 1
1) Mabillon, Acta Sanct. in vita S. Wolfgangi.
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— ohne sehr grosse, ja ganz besondere Hülfe Gottes, des All-
mächtigen — in der heiligen Zucht der Kirche niemals voll-
kommen aus. Desshalb verordnet der h. Kirchenrat: Jede ein-
zelne bischöfliche, erzbischöfliche und noch höhere Kirche soll
verbunden sein nach Massgabe der Vermögens-Kräfte und nach
der Grösse ihrer Diözese eine gewisse Anzal Knaben aus ihrer Stadt
und Diöcese oder wenn daselbst die erforderliche Anzal nicht auf-
zubringen wäre, aus ihrer Kirchenprovinz in einer gemeinsamen
Bildungsanstalt in ihrer Nähe oder an einem vom Bischöfe zu
erwälenden passenden Orte zu verpflegen, religiös zu erziehen
und in der kirchlichen Zucht und Lehre zu unterweisen. In
dieses Kollegium sollen aber nur solche Zöglinge aufgenommen
werden, welche wenigstens zwölf Jare alt, aus rechtmässiger Ehe
geboren und des Lesens und Schreibens hinlänglich kundig sind,
zugleich aber auch ihrem Gemüte und Willen nach hoffen lassen,
dass sie sich dem Dienste der Kirche für immer widmen werden.«
»Der heilige Kirchenrat will aber, dass hiefür ganz be-
sonders armer Leute Söhne ausersehen werden, er schliesst
jedoch die Söhne der Reichen davon auch nicht aus , wofern
sie auf eigene Kosten verpflegt werden und genügsamen Eifer
zeigen: Gott und der Kirche zu dienen. Der Bischof wird
diese Knaben in so viele Klassen, als ihm gut dünket, abteilen
und nach ihrer Anzal, nach ihrem Alter, nach ihren in der
kirchlichen Zucht und Lehre gemachten Fortschritten teils, wo
es ihm entsprechend erscheint, für den Dienst der Kirche wid-
men, teils zu ihrer weitern Ausbildung im Kollegium zurück-
behalten; er wird auch die in solcher Weise erledigten Plätze
wieder neu besezen, so dass diese Bildungsanstalt eine fort-
währende Pflanzschule (Seminarium) von Dienern Gottes sei.» l)
Soweit das Dekret.
Als Pius IV. am 30. Dezember 1563 das Conzilium
schloss, gelobte er feierlich, die Errichtung von Seminarien
4) Harzheim, Concilia German. VII. Concil. trid. Sessio 23. cap. 8.
11
beschleunigen zu wollen; munterte dazu die anwesenden Väter
auf und ernannte zur schnellem Ausführung dieses Beschlusses
eine Kommission von vier Kardinalen, unter denen der heil.
K a r o 1 u s ßorromäus eine hervorragende Stellung einnahm.
Demungeachtet wurde von einigen Bischöfen — aus mancherlei
Ursachen — zum grössten Schmerze des Papstes gezögert,
wiederholte Bitten an weltliche Fürsten, ernste Mahnungen und
Drohungen der nachfolgenden Päpste an Bischöfe und Domka-
pitel gerichtet, konnten an manchen Orten erst nach und nach
die Durchführung dieser heilsamen Massregel erzielen.
In den deutschen Erblanden dürfte das Olmüzer Se-
rn i n a r i u m das älteste sein. Der fromme Bischof Wilhelm
Prusinowsky v. W i c k o w hat, getreu dem hei seiner
Wal gegebenen Versprechen , hinnen einer Jaresfrist ein K n a-
hensem inarium zu errichten, das gegebene Wort gelöst
und einen grossen Theil der Einkünfte des ehemaligen Non-
nen-Klosters St. Jakob zum Unterhalte der Zöglinge und der
Lehrer bestimmt. 1).
Gleich frommen Eifer für diese Angelegenheit bewies der
Erzbischof von Salzburg, Johann Jacob K u e n v. Be-
last Auf dem Provinzial-Konzil, das am 14. März 1569 be-
gann, beklagte er mit tiefer Wehmut und dem innigsten Schmerz-
gefühle den sichtbaren Verfall der Kirche, herbeigeführt durch
den überhandnehmenden Mangel solcher Männer, denen man
die religiöse und sittliche Leitung der Gemeinde , mit Beruhi-
gung anvertrauen könnte. So komme es, ach! dass die Kir-
chen ganz verwaiset stünden oder ungebildeten, ganz rohen
Leitern anvertraut werden müssten. Solchem Uebel könne nur
durch gewissenhafte Ausführung der Beschlüsse des Trienter-
Kirchenrates ahgeholfen werden.
Daher ward feierlich beschlossen binnen sechs Monaten
in Salzburg, Freisingen, Regensburg, Passau
1) Wolny, kirchliche Topographie von Mähren. I. 50.
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und B r i x e n Knabenseminarien zu errichten , um darin hoff-
nungsvolle Zöglinge unter der Aufsicht rechtschaffener Lehrer
und Rektoren zum Wole der Kirche und der Schule heranzu-
bilden. Die kleineren Diözesen des Erzbistums: Gurk, La-
vant, Sekkau und Chiemsee, deren Mittel unzureichend
wären, sollten ihre Zöglinge im Seminar zu Salzburg er-
ziehen lassen. 1)
Grosse Verdienste um die Einführung der Seminarien in
den österreichsschen Staaten erwarb sich der gelehrte und eif-
rige Bischof von Lava nt, Georg Stobaeus v. Palm-
burg (1584—1618) daher den erwähnten Anstalten bald ähn-
liche auch zu Laibach und Graz auf dem Fusse folgten;* 2)
gegen 1618 kam das zu Neustadt durch K h 1 e s 1 gestiftete
und durch seine letztwillige Anordnung vom 31. Octob. 1630
grossmütig bedachte hinzu. 3) Selbst an Orten, wo kein bi-
schöflicher Siz, aber doch wenigstens eine Schulanstalt sich be-
fand , wurden durch die freudige Opferwilligkeit und durch das
einträchtige Zusammenwirken von Geistlichen und Laien kleine
Seminarien ins Dasein gerufen, um darin — zumal der armen
— Jugend nicht bloss ein Obdach sondern auch wolwollende
Aufsicht und geistliche Pflege zu gewähren. Ein solches ent-
stand im J. 1607 zu Klagenfurt nnd wurde mit der Gült
Z e n e g g zu St. Veit dotirt. 4) Ein und zwanzig Jahre nach-
her wurde auch zu Linz, das damals noch nicht der Siz
eines Bischofs war, durch den Eifer der Jesuiten und den
wolthätigen Sinn einiger Angesehenen der Anfang zu einem
kleinen Seminar gemacht, welches Seminarium Sancti
Ignatii, manchesmal Seminarium, domus paupe-
r u m genannt wurde.
4) Dalham, Conciiia Salisburgensia, conc. XLVI. constit. LX. c. 1—4.
2) Th ein er, Geschichte der geistlichen Bildungsanstalten. S. 158.
5) Geusau, Geschichte der Stiftungen in Wien. 8. 162.
4) Hermann, Geschichte von Kärnten. II, 304,
13
3. Schwache Anfänge des Seminariums; Erstarkung
durch Wolthaten und Stiftungen; innere Einrichtung,
Vereinigung mit einem andern; endliche Auflösung.
Der Jesuite Georg K olderer, Prediger in Lin z,
hatte am 24. August 1628 zufällig von der grossen Verdienst-
lichkeit gesprochen, arme Studierende, aus denen einst eifrige
Verkünder des göttlichen Wortes werden könnten, mildreich
zu unterstützen. In der zalreichen Versammlung, die dieser
Predigt beigewohnt, befand sich auch der Propst des regulirten
Chorherrn - Stiftes St. Florian, Leopold Zehetner,
der noch am Abende dieses Tages eine bedeutende Geldsumme
zum künftigen Unterhalte der armen Studierenden an Köl de-
rer überschickte. Diess Beispiel fand bald so viele Nachah-
mer, dass man die Hoffnung nähren durfte, von dem einge-
gangenen Almosen sieben von Kölderer ausgewälte Knaben an-
ständig unterhalten zu können. — Die Wohnung erhielten sie
im Wagnerischen Hause, ganz nahe der Kapelle der hl.
Dreieinigkeit, wo damals auch die seit 1608 bestehende
Jesuitenschule sich befand. Durch den engen Raum bei
wachsender Zal der Zöglinge allzusehr bedrängt, erkaufte man
1632 von den Landständen das diesen eigentümliche Ano-
maische {) Haus in der Schmidgasse (Domplaz Nro.
160) um die Summe von 1000 fl., die der genannte Propst
von St. Florian mit freigebiger Hand gespendet und hiedurch
das Verdienst der Gründung dieser Anstalt sich erworben hatte. * 2)
Zwei Jare nachher wurde um 600 fl. das anstossende, dem
Stifte Mondsee gehörige Haus hinzu gekauft, um noch meh-
reren armen Studierenden eine Unterkunft bieten zu können.
4) Dr. Mathias Anomaeus aus Wimsiedl war von 1695—1601 Rektor der luthe-
rischen Landschaftsschule in Linz und Eigentümer dieses Hauses. Als er Oester-
reich verlassen musste, erkauften die Landstände dieses Haus desselben. Daher
der Name.
2) Sebast. Insprugger Austria mappis geograph. distineta. II. 107.
14
Den Lebensunterhalt erhielten die Zöglinge teils aus dem
nahe gelegenen Kollegium der Gesellschaft Jesu (Kollegial-Ka-
serne), teils von verschiedenen Wolthätern in der Stadt ent-
weder in Geld oder in »natura.« Auch der Landesfürst, Fer-
dinand II. begnadete diese junge Anstalt mit fünfzehn Fuder
Salz jarlich und bewilligte, dass sie von allen bürgerlichen
Lasten freigemacht wurde, was auch von der Stadtgemeinde
Linz um 100 Dukaten erlangt ward (1640).
Der Eifer, diese Anstalt mit freigebigem Sinne zu unter-
stüzen, erkaltete so wenig, dass es allmälig möglich ward,
einen eigenen geistlichen Regenten und die zur Bedienung der
zunehmenden Zal der Zöglinge nötige Dienerschaft zu unter-
halten , ja sogar die beiden Häuser vom Neuen zu erbauen und
zu einem ordentlichen Seminarium bequemer und zweckmässiger
umzugestalten, Selbst hiebei beteiligten sich in schöner Ein-
tracht alle Stände und Klassen der Stadtbewohner, indem die
einen durch Geld, die andern durch Baumaterialien oder durch
Handarbeit beizutragen wetteiferten. *) Durch reichlich einge-
gangene Sammlungen ward es sogar möglich, den am Kom-
menda-Hause liegenden Kar lottischen Garten um die
Summe von 2075 fl. zu erkaufen.
Unter den grössten Wolthätern dieser eben aufblühenden
Anstalt erscheinen, ausser den bereits genannten: 1. Werner,
Graf von Tilly, der eine Schenkung von 2000 fl. auf die
Herrschaft Weissenberg anwies. 2. Nikolaus Sper-
reuter übergab zur Zeit seines Uebertrittes zur katholischen
Kirche die Summe von 8000 fl. 3. Gregor Augustin
Faschang cedirte am Tage der Himmelfahrt Mariens 1629
einen Schuldbrief von 1000 fl,, zwar ohne alle Bedingung^
da man aber durch mündliche Mitteilung seine Intention, einen
Knaben in den Studien zu unterstüzen, in Erfahrung gebracht,
wurde dieses Kapital zu den eigentlichen Stiftungen verwendet.
4) Ein Denkstein im Innern des Hauses (des jezigen Gymnasialgebäudes) verewigt
durch die Inschrift das Andenken an die YVolthater.
15
4. Der Landeshauptmann im Lande ob der Ens, Johann
Ludwig, Graf von Kuefstein schenkte 19. Dezember 1640
järlich zehn Eimer Bergrechtwein, welchen das Collegium an
das Seminarium abzuführen hatte, endlich noch Maria Eli-
sa b e t, Gräfin von Ungnad, Bernardin Geyer, Jesuit,
und Ladislaus Vid, Provinzial der Ordensprovinz Oester-
reich und andere mit einem Gesammtbetrag von 3200 fl.
Nach Vollendung des neuerbauten Seminariums kamen
bald neue Schenkungen oder vielmehr stabile Stiftungen unter
verschiedenen Bedingungen hinzu : Johann Engstier Dr.
der Theologie, comes palat. caes. und Dechant zu Ens machte
17. September 1682 für zwei Knaben seiner Verwandtschaft
eine Stiftung mit 4000 fl., von deren Interessen pr. 200 fl.
järlich die beiden Knaben nicht nur mit Speis und Trank am
ersten Tisch zu unterhalten, sondern auch zur Kleidung und
Anschaffung anderer Nothwendigkeiten mit 80 fl. zu beteilen
waren. Ob wiederholter Klagen der Regenten, dass bei der
Hohe der Lebensmittelpreise unmöglich zu bestehen wäre; traf
2. März 1717 der Neffe des Stifters und resignirter Pfarrer
von Sindlburg, Sigmund Engstier die mildernde Ab-
änderung , dass die eben erledigte Stelle eines Zöglings so lange
unbesezt bleibe, bis dem ursprünglichen Kapital 600 fl. zuge-
wachsen wären.
Caecilia Renata Gräfin von Trautmannsdorf, ge-
borne Burggräfm von Donna, stiftete zu »Nuz der armen stu-
dierenden Jugend, damit die Andacht und Gottesfurcht erweitert
werde,« 1683 mit 1300 fl. einen Plaz für einen Knaben und
durch letztwillige Anordnung 1691 einen zweiten mit gleicher
Summe, mit dem Wunsche, dass der eine Zögling »alumnus
5. Josephi,« der andere »Kind Jesu» heisse. — Der von Anna
Catharina Gelb im September 1690 mit 1000 fl. gestiftete
hiess »alumnus unserer lieben Frauen damit er durch den Na-
men selbst aufgemuntert, zu absonderlicher Verehrung Mariens
angetrieben würde.« —
16
Endlich widmete 14. Ocfcober 1696 Maria Ursula Ma-
ch e ro d von Wester haag, geborne v. Hillendorf 6000 fl.
für zwei Leviten , die dem Pontifikanten in der Jesuiten-Kirche
assistiren und somit Priester oder wenigstens Diakone und Sub-
diakone sein mussten. Uebrigens galt für die sechs Stiftknaben
die allgemeine Bedingung der Fähigkeit zu den Studien um
einst Gott und dem gemeinen Wesen dienen zu können.
Besondere Verpflichtungen gab es nur für die Trautmanns-
dorfischen und den Gelbischen Stiftknaben, die jede Woche
drei Rosenkränze zu beten Latten. — Hingegen zufolge der
gräflich T i 11 y s c h e n und Kuefsteinischen Schenkung
mussten alle Seminaristen am Festtage der h. Christine und
des h. Ludwig bei der Anhörung der heiligen Messe in der
Hauskapellc einen Rosenkranz und Abends für die Wolthäter
die Litanei beten; hingegen »erhielt am letztem Tage jeder ein
Seitl Wein ausser dem Ordinari Trunk.« —
In der Kost wurden alle Zöglinge ganz gleich gehalten:
Mittags erhielten sie vier, Abends drei Speisen; der Regens,
der später hinzukommende *— Subregens, so wie die beiden
Leviten — zu jeder Malzeit um eine Speise mehr, alle in
gesonderten Geschirren. An Brod ward keine gewisse Portion
vorgelegt, jeder konnte nach Bedürfniss begehren und geniessen.
Der Trunk war Mittags und Abends jedesmal ein Seitei Bier;
an Festtagen wurde Wein gereicht, wie da auch mehrere und
bessere Speisen üblich waren. Ausser den sechs Stiftknaben
und Seminaristen *) — gewöhnlich a 1 umni genannt, wur-
den aber auch gemäss der Anordnung des Trienter Kirchenrates: 1
1) Seminaristen im Gegensaze zu Stiftknaben hiessen allem Anseheine nach
jene Zöglinge die im Genüsse einer andern Stiftung nach dem ausgesprochenen
Willen des Stifters in dieser Anstalt erzogen wurden. Eine solche Stiftung hatte
wenige Jare nach dem Entstehen unseres Seminars A. Friedrich Koller, der
h. Schrift Doktor und Pfarrer zn Sirning, am 8. Decemb. 1635 für einen armen
Knaben aus dem Markt St. Florian gemacht und gewollt, «dass er bei den patri-
bus Societatis Jesu studiere und in domo pauperum daselbst unterhalten werde.»
— Heinrich Johann Bapt. von U r 1 i, Pfarrer zu Leonding sprach in seinem
Stiftbriefe vom 12. September 1759 denselben Wunsch aus. —
17
»iV<# tarnen ditiorum ßlios excludit; modo suo, swm/w alantur
et Studium praeseferant, Deo et ecclesiae inserviendi« — Kon-
Viktoren in die Anstalt aufgenommen, die ein billiges Kostgeld
— 75 fl. wenn sie Wasser, 80 fl. wenn sie Bier tranken —
entrichteten. Da in der Folgezeit von dieser Anstalt aus zur
Herhaltung der Kirchenmusik in sieben Kirchen beigetragen
werden musste und die für beiläufig 500 Kirchendienste ein-
fliessenden Beträge als Einnahmsquelle in das Seminarium ab-
flossen, gab es eine neue Klasse von Zöglingen — alumni
musici — die durch ihre musikalischen Leistungen gewisser-
massen das Kostgeld reluirten, aber auch zur Ferialzeit anwesend
bleiben mussten. Daher empfahlen zur Aufnahme — ausser
guten Sitten und Fähigkeit zu den Studien — auch musikalische
Kenntnisse, die sie in einer vorläufigen Prüfung zu bewähren
hatten. Uebrigens besuchten alle Zöglinge die öffentlichen
Schulen am Gymnasium oder Lyzeum; die älteren waren zu-
gleich Leiter und Instruktoren der jüngeren, wofür sie auch
eine kleine Gratifikation erhielten. — Die Gesammtzal aller
stieg allmälig auf dreissig und darüber. Da die Leitung eine
durchaus zweckmässige, väterlich ernste war, unfähige oder in
den Sitten unverbesserliche Zöglinge schnell entfernt wurden,
war die Anstalt in grosser Achtung und insprugger konnte
1728 mit vollem Rechte sagen: *lllud ad kujus domicilii com-
mendationem maximopere facit, quod viros dederit, utrique reipu-
blicae, sacrae cum primis, longe commendatissimos.« 4)
Von einem Regenten aus der Gesellschaft Jesu, der keinen
andern Gehalt als die Kost, Kleidung und Reisegeld bei seiner
Versetzung hatte, geleitet, bestand das Seminarium beinahe
unverändert bis zur Aufhebung des Ordens, nur mit dem
Unterschiede, dass wegen der grösseren Zal der Zöglinge,
bisweilen auch ein Subregens ohne grössere Vorteile hinzukam.
So blieb es auch nach der Aufhebung des Ordens, und die 1
1) Innsprug-ger, Austria mappis geographicis distinct. II. 108.
Mus. Jahr. Ber. XVIII.
2
18
Landeshauptmannschaft konnte in einem abverlangten Berichte
vom 11. Jänner 1775 in voller Wahrheit versichern, »dass das
Seminarium zu Linz und das zu St ei er bisher rühmlich
administrirt und die Jugend in guten Sitten sowol als ihrem
Institut gemäss erzogen worden sei.« Da jedoch durch die Auf-
hebung der lateinischen Schulen und des Jesuiten-Kollegiums
in Steier, der Endzwek des leztern Seminariums nicht mehr
erreicht werden könnte, trug sie auf die förmliche Vereinigung
der Steirer Anstalt mit der Linzerischen an. Bevor wir die
weiteren Schiksale der leztern anführen, werfen wir einen
flüchtigen Blik auf die erstere.
Die Entstehung dieser Anstalt — Seminarium S. An-
geli Custodis genannt — fällt in das Jar 1651. Als erster
Wolthäter und gewissermassen Begründer erscheint der oben
genannte Georg Friedrich Koller, der 3500 fl. für drei
Knaben — ohne besondere Verpflichtungen auszusprechen,
schenkte. Sidonia Elisabeth Gräfin von Salburg, ge-
borne Freifrau von Schärfenberg gab 1000 fl. für einen
Knaben, der am 9. November jeden Jars das Messopfer, die
h. Kommunion aufopfern und an jedem Tage für die Wolthäterin
drei Vater unser und Ave Maria beten musste. Johann
Bapt. Schiffer, Doctor der Medizin, widmete gleichfalls für
3 Knaben — ohne besondere Bedingungen — 3000 fl.; Franz
Xav. Es eher und seine Frau Franziska, geborne von
Löschenbrand schenkten für einen Knaben 1400 fl. mit
der Verpflichtung, dass er am 6. Februar, 9. März und 3. De-
zember jedes Jares auf die Meinung dieser Wolthäter das
h. Messopfer, Beicht und Kommunion aufopfere.
Spätere Schenkungen, von denen beim Jare 1761 Erwäh-
nung geschieht, waren: die der Gräfin Maria Franzisca von
Harra ch von 4800 fl. mit der Bestimmung: »Pro patris Re-
gentis sustentatione et mo ctlumno« und die der Maria Anna
Scheuchl de Sazbach, von 1000 fl. mit der Intention:
»In vestitum et necessitates pauperum alumnorum.« — Wenn
19
gleich zu diesen Schenkungen und Gaben allmalig noch andere
hinzukamen, befand sich doch dieses Seminarium manchesmal
in ziemlich bedrängter Lage, woran freilich die Zeit-Ereignisse,
unter denen das Vaterland zu leiden hatte, die meiste Schuld
trugen. Im Jare 1761 waren die Einkünfte nur 897 fl.; da-
von musste es an Steuern und andern schuldigen Abgaben
79 fl. hindangcben, so verblieben für die Verpflegung von 13
Personen und für Bestreitung aller Reparationen an den eigen-
tümlichen Gebäuden 818 fl. Wehmütig klagt in einem Ge-
suche an die Landeshauptmannschaft am 12. Mai 1761 der
Regens Franz Weis s S. J., »dass es eine Unmöglichkeit
ist, über den nötigen Aufwand auch mit genauer Oekonomie
hinfür zu kommen: als hat mich die unumgängliche Not er-
griffen schon voriges Jar zur Prästirung des dem armen Se-
minario zurepartirten grossen Darlehens pr. 430 fl. nicht ohne
vieler Mühe Kredit zu machen, gestalten dann auch zu Be-
richtigung des vor gegenwärtiges Jar wiederumben mit 290 fl.
abgeforderten Darlehens mir ungemein beschwerlich war, mit
einer anticipation aufzukommen, bis endlich mit äussersten Bitten
ein solches bewirkt habe, dass folgsam das arme Haus be-
reits intuitu deren Darlehen mit einem passivo von 720 fl.
onerirt ist.«
Der Aufwand des Staates im siebenjärigen Kriege machte
sich dieser Anstalt von Jar zu Jar fühlbarer. Am 21. Dezemb.
1763 bat der Regens »man möchte dieses arme Haus von der
unerschwinglichen Kriegsschuldenbeisteuer von 87 fl. 45 kr. ver-
schonen , indem er sich sonst veranlasst sähe bis zur Aenderung
der Zeiten den numerum alumnonm zu reduciren.« — Zu
dieser bedrängnisvollen Lage hatte ausser den erwähnten Ur-
sachen auch die verordnete Interessenreduktion von 5 auf
4% beigetragen, wodurch dem Seminarium järlich 110 fl.
verloren gingen. Die Stadt Steier, bei der die Seminar-
Kapitalien angelegt waren, erbarmte sich der armen Anstalt
und verabreichte das fünfte Prozent wieder unter einem andern
2*
20
Titel, gleichwie ihr auch die neu ausgeschriebene Interessen-
Steuer aus besonderer Gnade nachgesehen wurde.
Der früher erwähnte Antrag ward von der Kaiserin am
10. Februar 1775 genehmigt. Das Seminarium zu Steier
wurde demnach mit seinen Alumnen und Stiftungs-Kapitalien
pr. 19.600 nach Linz übertragen und mit dem dortigen Se-
minarium vereinigt, die Yeräusserung der zwei Seminarialhäuser
zu Steier sowie die Ueberlassung des sich ergebenden Kauf-
Schillings an das Seminarium S. 1 g n a t i i gleichfalls bewilligtl
Der um das Seminar zu Steier »so wol verdiente Regens,
Anton Hardt, der ohne sein Verschulden auf die Seite
gesezt ward,« erhielt bis zu einer andern passenden Anstellung
monatlich sechzehn Gulden aus dem Jesuiten-Fond; hingegen
der Regent des nun vereinigten Seminariums, S t einkellner,
einen järlichen Gehalt von 400 fl. aus dem Seminar-Fond
gegen Einziehung seiner aus dem Jesuiten-Fonde bisher be-
zogenen Pension. Das so vereinigte Seminar bestand
noch bis 1785. Die Aufhebung aller noch vorhandenen Stif-
tungen wo Jünglinge beisammen, wurde beschlossen und durch-
geführt und die Umwandlung der Stiftungen in Handstipendien
eingeleitet. — Die ferneren Schiksale dieser werden wir unten
in Kürze anführen.
II.
Das Collegium Nordicum zu Linz.
1. Veranlassung zur nordischen Stiftung; ihre anfäng-
lich schwankenden Verhältnisse, allmälige Befestigung
unter den zivei ersten Regenten.
In den skandinavischen Reichen waren es vorzugsweise
staatswirtschaftliche Rüksichten, die unter dem Schuze
der Könige gegen den Willen der Untertanen der neuen Lehre
21
Eingang und bald auch ein so drtikendes Uebergewicht ver-
schafften , dass die Anhänger der katholischen Kirche für un-
fähig zu allen Aemtern und des Erbrechts verlustig erklärt
wurden. Diese Härte ward aus politischen Gründen unter
Gustav Adolph gesteigert. Landesverweisung und Konfis-
kation des Vermögens wartete desjenigen, der seine Kinder
in katholischen Anstalten erziehen liess; alle Katholiken sollten
sogar in drei Monaten das Reich verlassen. x) Wenn nun
gleich diese drükenden Massregeln seit dem westphälischen
Frieden nicht mehr in gleicher Schärfe durchgeführt wurden,
blieben sie doch noch immer aufrecht und es ist in frischer
Erinnerung, was für ein Urteil das Svea - Hofgericht
am 19. Mai 1858 über einige Frauen gefällt. — Bei solcher
Sachlage drohte ungeachtet des hingehendsten Eifers der Mis-
sionäre die grösste Gefahr des allmäligen Erlöschens des Katholi-
zismus im skandinavischen Norden. Niemand führte sich diess
tiefer zu Gemüt als ein edler Schwede, Joannes Baptista
von Galdenblad, — Page am Hofe der Königin Christine
und Bruder des hochgebildeten Geheimschreibers dieser Fürstin,
trat er nach dem Hinscheiden dieser (19. April 1689) in den
Orden der Jesuiten ein und entwarf den Plan zu einer eigenen
Stiftung, um die wenigen im Norden gebornen katholischen
oder Konvertiten-Kinder darin zu erziehen, ihrem Stande ge-
mäss zu bilden und dann durch sie, wenn sie als Laien oder
als Priester in ihre Heimat zurükgekehrt waren, die katholische
Religion in ihren Familien und Kreisen aufrecht zu erhalten.
Als Vorbild des Entwurfes diente ihm das für die eng-
lische Nation in den französischen Niederlanden errichtete Er-
ziehungs-Haus, woraus die zum geistlichen Stande berufene
Jugend gewält und nach Rom in das für eben diese Nation
gestiftete Kollegium verpflanzt ward. — Der Entwurf fand bei
dem damaligen Papst lnnocenz XII. solchen Beifall und so
4) Grau er t, Christi na, Königin von Schweden und ihr Hof. Bonn, 1837. I. 143-
22
werkthätige Zustimmung, dass er die Einkünfte einer im vier-
zehnten Jarhunderte von der h. Brigitta in Rom veran-
stalteten Stiftung, die bisher für schwedische Konvertiten und
Pilgrime verwendet wurden , zu einem Kollegium der nordischen
Nation bestimmte und mit der Ausführung dieser Sache den
Protektor der schwedischen Nation, den Kardinal Johann
Franz v. Albani betraute.
Diesem ursprünglichen Plane gemäss sollte in einem der
deutschen katholischen Länder eine Pflanzschule errichtet wer-
den , von wo die nordischen Zöglinge als Laien in ihre Heimat
zurükkehren, die aber den geistlichen Beruf wälten, zu höherer
Ausbildung in das schwedische Kollegium nach Rom kommen
könnten. Ganz erfüllt von diesem Plane eilte Galdenblad
im J. 1694 nach Deutschland — und vermutlich auch nach
Schweden — um Teilname zu weken, Unterstüzung zu suchen
und auch jene Knaben auszuwälen, die den schönen Zwek ver-
wirklichen könnten. Leider vergeblich ! Doch ward das schöne Vor-
haben darum nicht aufgegeben. Der edle Same keimte in Schwe-
den selbst, unter gleich sorgfältigen Händen heran, um unter
Galdenblads späterer Thätigkeit zur vollen Reife zu gelangen.
Am schwedischen Hofe befand sich seit 1690 als Ge-
sandter Leopolds. I.der Halbbruder des berühmten Ver-
teidigers Wiens gegen die Türken, Franz Ottocar Graf
v. Starhemberg, und in seinem Gefolge als Beichtvater ein
Jesuite, Martin Gottseer. ^ Dieser, ein Mann voll religiösen 1
1) ObGottseer, oder G o 11 s c h e e r der richtige Name, mögen die Leser entscheiden.
In dem schriftlich vorhandenen Lehrer «Verzeichnisse, das vermutlich vom jeweili-
gen Rector geführt wurde, erscheint die zweite Form nur beim Jare 1703, in
welchem er Professor casuum war. Beim Jare 1708, heisst er in gleicher Stellung
Gott sch er; aber in dem 1855 erschienenen Werke: »Scriptores provineiae
austriacae Societatis Jesu« wird er wieder Gottscheer genannt. —Die erste
Form dagegen erscheint im nämlichen Verzeichnisse schon bei den Jaren 1685,
1686, in welchen er Zweige der Philosophie lehrte; dann im Jare 1702, wo er im
ersten Semester Theologie vortrug, im zweiten mit dem Grafen Seeau nach
Siebenbürgen gesendet ward. Ferner beim Jare 1706 und endlich beim Jare
1710, nicht als Lehrer der Theologie, sondern der Mathematik. In derselben Form
23
Sinnes, wegen seines reichen Wissens und wegen seines edlen
Charakters von allen geliebt und geachtet, hatte, als die fran-
zösische Gesandtschaft ihres Kaplans beraubt worden war, die
seelsorglichen Geschäfte auch bei dieser übernommen. Obgleich
an die angestrengteste Thatigkeit von jeher gewohnt, musste er
doch bald die Ueberzeugung gewinnen, dass seine Kräfte kaum
dieser doppelten Anforderung, geschweige denn den Wünschen
und Bedürfnissen jener vielen Katholiken in Schweden, die sich
vertrauensvoll an ihn wendeten, genügen können. Eine blei-
bende Stiftung zur Erziehung und Bildung der katholischen
Jugend erschien auch ihm unerlässlich und seine Ansicht fand
bei dem gleichgesinnten Gesandten so freudigen Anklang, dass
dieser als Erstlingsgabe zu einem so schönen Zweke ein Kapital
von 1000 fl. darbot und durch seine beredte Verwendung die
Fürstin von Ditrich stein, die Gräfin von L amberg und
Strattmann — jede zu einem gleichen Geschenke vermochte,
während Philipp von And 1 er und Maximilian Praun
v. Artstätten—jeder eine gleiche Summe —hinzufügten;
lezterer auch noch einen Weinberg in dem Dorfe Etzerstorf
und eine Mühle bei Ips als Vermächtnis bestimmte (1702).—
Ein die missliche Lage der katholischen Sache in Schwe-
den offen darlegendes Bittgesuch des Grafen von Starhem-
b e r g und seines Beichtvaters, das an den h. Vater gerichtet
ward, fand nicht nur die beste Aufnahme, sondern hatte auch
zur Folge. dass Martin Gottsee r den Auftrag erhielt,
sechs Knaben auszuwälen *). Bei seiner Rükreise aus Schwe-
den brachte e» diese nach Linz, wo sie im S e m i n a r i u m
S. Ignatii erzogen und gebildet und später zur hohem 1
kömmt sein Name auch vor in dem Beschlüsse der Stände vom 27. November 1710
und in dem daraus bevorgehenden Stiftbriefe. Endlich nennet ihn sein Zeitgenosse
und Mitbruder, der gleichfalls in Linz als Lehrer der Philosophie drei Jare ver-
weilte, Sebastian Insprugger, in seinem oft erwähntem Werke, ohne Ab-
Aveichung fortwährend Gottseer und bestimmt mich einstweilen diese Form für
die richtige zu halten.
1) Insprugger, Austria. II. 102.
24
Ausbildung für den geistlichen Beruf nach Rom gesendet
wurden. Fünf wurden Priester nnd Doktoren der Theologie,
der sechste, Petrus Hock, ,ein Sohn des königlichen Ge-
heimschreibers, trat in Kriegsdienste und das ganze schöne
Unternehmen schien hiemit beendet zu sein, freilich gar nicht
nach dem Sinne Galdenblads, der nicht etwas vorüber-
gehendes, sondern etwas bleibendes, fortan dauerndes vom
Anfänge schon im Auge hatte — eine Pflanzschule in
einem deutschen katholischen Lande. Darum machte
er sich selbst, der inzwischen Priester geworden war, an die
Ausführung seines Lieblings-Planes. Angeeifert durch den
ehemaligen Vorsteher der Propaganda, Kardinal Albani, nun
Papst Clemens XI., versehen mit Empfehlungsbriefen desselben
ging er 1705 an den kaiserlichen Hof nach Wien. Wol war
indessen der Mann aus dem Leben geschieden (1699) der sich
der edlen Sache gleich vom Anfänge durch Wort und That
so grossmütig angenommen und noch in den lezten Augen-
bliken seines Lebens liebend derselben gedacht hatte. *) Diese
lezten Wünsche des Sterbenden betrachtete der gleichgesinnte
Bruder, Thomas G un da c-ar v. Starh e mb er g als heiliges
Vermächtnis und wendete G al d enb 1 a d bei seiner Ankunft in
Wien eine so warme Teilnahme und so kräftige Fürsprache bei
Joseph I. zu; dass durch die bald hierauf an die ob der
ensische Landeshauptmannschaft und an das Obermauthamt zu
Linz erlassene Anordnung das beantragte Institut eine sichere
Grundlage gewann. Diese Schenkungs-Urkunde vom 15. Octob.
1707 kennzeichnet den frommen, edlen Sinn des Landesfürsten
so bestimmt, und sezt den schönen Zwek der Anstalt so
unumwunden auseinander, dass wir den wesentlichen Inhalt
angeben müssen.
»Getreue, Liebe! Gleichwie unsere Vorfahrer am Reich
und insonderheit unser Gross - Ahnherr und Herr Vater glor- 4
4) In sprugger, Austria. II. 403.
25
würdigsten Angedenkens aus angewohnter Pietät, so vielfältige
Causas pias und fundationes zu machen getrachtet, wie inson-
derheit auch die immer mehrere Fortpflanzung und Propagirung
des wahren und allein seligmachenden röm. kath. Glaubens,
inständigst beeifert haben ; wir auch nichts mehreres als diesen
heilsamb- und löblichen Exempeln nachzufolgen gnädigst ge-
denken und in Gemüt tragen und solchen nach gnädigst ent-
schlossen , zu der in unsern Erzherzogthumb Oesterreich ob der
Ens und alldaigen Hauptstadt Linz durch die Soc. J. aufzu-
richten vorhabend und dahin angesehenen Fundation, damit
die von verschiedenen akatholisehen Orten ankommende und
im Glaubensirrthume stehende Jugend eingenommen und unter-
halten nach christlich katholischem Gebrauch in dem wahren
Glauben und Lehr unterwiesen, auch nach eines jeden Capa-
zität und Tauglichkeit ad siudia appliciret oder zu Erlernung
sonstiger freier Künste und Handwerke wol unterrichtet wer-
den , sondern mit der Zeit auf eine oder andere Weise sich
selbst versorgen und dagegen andere wiederum zu obigem
Ende und Ziele in die Fundation genommen werden mögen,
alljärlich ein Tausend Gulden auf ein beständiges beitragen
und in specie aus unsern darobigen in Eurer Verwalt- und
Verrechnung stehenden Obermauthamtsgefällen ganz richtig be-
zalen zu lassen.«
Von Wien hatte sich G a 1 d e n b 1 a d an mehrere geist-
liche und weltliche Fürsten Deutschlands, um milde Beiträge
zum nordischen Erziehungshause zu sammeln, gewendet. 4) Seine
Bemühungen waren auch da nicht fruchtlos; gleichwie er vom
päpstlichen Hofe und von mehrern Kardinälen nicht unbedeu-
tende Unterstützung zu gleichem Zweke erhalten hat, die an
den Leiter des Seminars S. Ignatii, wo die nordischen Zöglinge
U Clemens XI. empfahl diese Sache in eigenen Briefen vom 1-i. Juni 1707 dem Kar-
dinal von Passau, dem Erzbischof von Mainz, Trier, Salzburg und dem Bischof von
Trient. Clementis XI. Epistolae et Brevia selectiora. Romae 1729. pag. 403.
26
einstweilen untergebracht werden sollten, eingesendet wurde, —
Eine noch günstigere Wendung nahm diese Angelegenheit,
nachdem Joseph auf die Bitte des Regenten der nordischen
Stiftung, Martin Gottseer, am 28. März 1710 diese und
ihre »ganze Einrichtung förmlich bestätigte und sich, ausser
dem Jus praesentandi auf drei unkatholische Knaben, nicht
allein die Inspection und jedesmal nötige Untersuchung, pri-
vative von aller Geistlichkeit, sondern auch nach Beschaffen-
heit der Zeit eine Aenderung dabei vorzunehmen vorbehielt,
Diese unter der Direktion der Sozietät Jesu zu Linz neu an-
gehende Fundation sollte von nun an und ins künftig ewiglich
ein Se mi n ar i u m SS. tri um R eg u m benamset, dabei auch
aller Privilegien, Gnaden und Freiheiten, womit andere derlei
Seminaria und Stiftungen fürgesehen und begabt sind, teil-
haftig seyn.« —-
Diese kaiserliche Bestätigung förderte das Gedeihen der
jungen Anstalt. K o n r a d Sigismund Anton Graf von
Starhemberg trug »aus besonderer Zuneigung zu der
nordischen Fundation , deren erster Urheber sein Vater ge-
wesen , zu grösserer Beförderung und Befestigung derselben
6000 fl. rheinisch mit der Bedingung und dem Vorbehalt bei,
dass Für die ersten 3000 fl. von der nordischen Stiftung für
ihn und seine Familie alle Quartale ein gesungenes h. Amt
abgehalten werde. Von der andern Hälfte sollten die nach-
folgenden Majoratsinhaber jedesmal einen Zögling zu präsentiren
haben, der in der Fundation mit allem nothwendigen versehen
werden soll« (31. Mai 1710). Auch die ob der ensischen
Landstände gewährten in Folge Beschlusses vom 27. Nov.
1710 »zur Ergänzung der notwendigen Requisiten und zur
Erhaltung zweier Priester aus der Gesellschaft Jesu, nämlich
eines Regenten der nordischen Stiftung und eines Missionarii
järlich 600 fl.; hingegen war die nordische Stiftung gehalten,
einen von den zwei obern politischen Ständen des Landes
ernannten jungen Herren aufzunehmen, zu erhalten und zu
27
bilden.« *) Franz Ludwig von Pfalz - Neub urg, seit
12. Juli 1694 Hoch- und Deutschmeister, gewährte
7. Febr. 1711 »zur Beförderung des Institutes der drei heil.
Könige zu Linz 2000 fl. rhcin., damit aus den järlichen Zinsen
auf ewige Zeiten nach der Norm und Einrichtung dieser An-
stalt ein eigener Zögling ernährt und erhalten werde, der den
Namen Zögling des deutschen Ordens führen und aus dem
Adel Lieflands oder wenn aus diesem Lande kein Zögling die
Aufname wünschte, aus einem andern nordischen, von der
neuen Lehre ergriffenen Lande gewält werden sollte.« 2)
Da bei so erwünschtem Fortgange der Anstalt, die
Joseph I. fernerhin thätigst zu unterstüzen im Plane hatte,
von mehreren hochgestellten Gönnern bedeutende Gaben ein-
flossen, und die Vermehrung der Zöglinge in sicherer Aus-
sicht stand, sah sich der Regent der Stiftung, Gotfseer,
gezwungen, eine andere Räumlichkeit auszumitteln, um die
grössere Zal dem Zwek entsprechend und auch bequem unter-
zubringen. Bisher wohnten auch die nordischen Zöglinge im
Seminarium S. Ignatii und man nährte fortwährend die
Hoffnung, ein daran stossendes Haus käuflich zu erwerben,
um es durch einen Umbau mit jenem zu vereinigen und so
beide Anstalten, wenn auch nicht zu verschmelzen, doch in
weniger kostspieliger Weise zu leiten und zu unterhalten. Diese
Hoffnung täuschte; Gottseer hatte desshalb am 4. Febr. 1710
das seit 31. Dezemb. 1688 vom Grafen Octavius Carl
Gavriani besessene schöne und grosse Haus sammt Garten,
von C a v r i a n i s Erben , Johann Ehrenreich v. S p r in-
zenstein um 20.000 fl. erkauft. — Ein zweites kleineres
Haus , das Ehrmanische, erwarb er wegen des dazu gehöri-
gen Garten um 7000 fl. weil hiedurch hinlänglicher Raum zum
i) Verg’l. Reichenbach. Das k. k. Koriv-ikt z u K rem s m ii n s t e p und s e i n e
Stiftungen. Linz, 18-42. S. 188.
28
Umbau des grossen Hauses und was vor allem wünschens-
wert war, zur Errichtung einer naheliegenden dazu gehörigen
Kirche gewonnen ward.
Diese Ausgaben, welche durch den begonnenen Doppel-
bau notwendig wuchsen, verschlangen grosse Summen und
zwangen den Regenten, da wegen des noch immer fort-
dauernden spanischen Erbfolge-Kriegs die Unterstüzungen von
den katholischen deutschen Höfen immer sparsamer einflossen^
zur Aufnahme von Kapitalien. Ein Jar nach dem Ankäufe des
Cavrian is chen Hauses starb auch zum grössten Nachteile
der Anstalt Kaiser Joseph I. 19. April 1711. Mit seinem
Tode trübten sich die politischen Verhältnisse noch mehr.
Oesterreichs Bundesgenossen näherten sich in geheimen Ver-
handlungen dem gemeinsamen Feinde, traten nach und nach
aus dem Bunde, schlossen Frieden und Oesterreich mit den
wenigen zu ihm stehenden deutschen Fürsten traf die ganze
schwere Wucht des beinahe schon zehn Jare dauernden Krieges.
Die materiellen, nahen Bedürfnisse drängten die religiösen,
spirituellen Interessen in den Hintergrund. Die für die Fort-
setzung des Begonnenen notwendigen Gelder gingen immer
langsamer und sparsamer ein; der Bau rükte kaum vor oder
stokte ganz und drohte halbvollendet allmälig wieder in Trüm-
mer zu gehen.
Tief ergriffen von dem traurigen Loose einer Stiftung,
die so glüklich beginnend so schönes verhiess, wendete sich
Clemens XI. der als Kardinal sich ihrer mit Wärme ange-
nommen, an JoseplTs I. Bruder und Nachfolger auf dem
Throne, an Karl VI. in einem Briefe vom 16. Jan. 1712. Er
spricht darin seinen tiefen Kummer aus, dass ausser so vielem
ruhmwürdig Begonnenen auch das in der Stadt Linz in
Oesterreich für die nordischen Völker errichtete
Seminarium, welches Joseph in seinen kräftigen Schuz
genommen und mit so freigebiger Hand unterstüzt hatte, nun
auch durch seinen frühzeitigen Tod verwaiset und verlassen
29
sei. Wol habe das so heilsame Werk mit der Gnade Gottes
durch Errichtung eines geräumigen Wohngebäudes, einer schönen
Kirche und durch deren äussere Verschönerung einen erfreu-
lichen Aufschwung genommen. Aber die Zal der Zöglinge sei
klein und bei dem driikenden Mangel könne der Hauptzwek
des frommen Unternehmens nur kümmerlich gefördert werden.
Durch die ungünstigen Zeitumstände sei er gehindert, dem
dringenden Bedürfnisse des erwähnten Seminarium jene Abhilfe
zu gewähren, die er so sehr wünschte. — »Darum flehen Wir
Euere Majestät an, die zuverlässig eine Sache fördern wird,
welche der Österreichischen Frömmigkeit und Frei-
gebigkeit nicht nur ganz würdig, sondern auch mit den
frommen Wünschen des Bruders in vollem Einklänge ist und
was bei weitem hoher zu achten, bei dem Vergelter aller
guten Werke, bei Gott, um dessen Sache es sich vorzugs-
weise handelt, ein wahrhaft grosses Verdienst sich erwerben
wird.« •*)
Am Schlüsse fügte er noch die Bitte hinzu, er möge
bei seiner angebornen Güte den Priester aus der Gesellschaft
Jesu, Johann Galdenblad, der vom regesten Eifer für
die Förderung des Woles des erwähnten Seminariums erfüllt
sei und die zwekdienlichen Mittel und Wege dem drükenden
Mangel desselben abzuhelfen, an die Hand geben würde, gnä-
diges Gehör gewähren und so weit es möglich, seiner heissen
Bitte willfahren. 1 2)
Ein Schreiben ähnlichen Inhalts richtete Clemens auch
an Eleonora Magdalena Theresia, die Mutter Karls
und damalige Regentin des Reiches. Ihre durch so viele und
so glänzende Beweise bezeugte Frömmigkeit und Religiosität
1) „Quamobrem . . . a Majestate Tua imploraiiius, quae certe rem faciet non tantum
Austriaca pietate ac liberalitate dignissimam sed etiam Fraternis votis admodum
consentaneam et quod longo magis aestimandum est, apud Deum bonorum operum
Retributorem, cujus causa inprimis agitur, insigne Sibi meritum comparabit.“ —
2) Glementis XI. Epistolae et Brevia sei. p. 1615—16.
30
lasse ihm keinen Zweifel, dass Sie, was der Priester aus der
Gesellschaft Jesu, Andreas Gal den bl ad (der dritte Bru-
der), über die drükende Lage des für die nordischen
Nationen in der österreichischen Stadt Linz er-
richteten Seminariums Ihr eröffnen würde, gnädig an-
hören und Ihr hilfreiches Fürwort bei Ihrem Sohne, Karl,
dem erwälten römischen Kaiser Vorbringen werde, um für
selbes die zwekmässigste Unterstüzung auszumitteln. Ihren gnä-
digen Schuz für jenes Seminarium sich ausführlicher zu erbitten,
unterlasse er, in der vollen Zuversicht, Sie werde aus eigenem
Antriebe jenem Ihren Beistand angedeihen lassen. Jedenfalls
möge Sie die Versicherung empfangen, dass, was Sie an
Mühe und Sorgfalt für diesen Zwek verwendet haben werde,
er, dem dieses so fromme, so heilsame Unternehmen so sehr
am Herzen liegt, als einen sehr angenehmen Dienst betrachten
und keine günstige Gelegenheit vorübergehen lassen werde,
um seine dankbare Gesinnung dafür augenscheinlich zu er-
kennen zu geben *). (16. Jan. 1712).
Die Fürbitte des heiligen Vaters blieb nicht ohne gute
Früchte. K.arl VI. — auch hierin seinem Bruder nachfolgend
bestätigte nicht nur was dieser für die nordische Stiftung
in Linz angeordnet, sondern bewilligte auch die Summe von
20.000 fl. deren Zinsen 1000 fl. alljärlich und auf ein bestän-
diges hin aus den ypserischen Mauth- und Aufschlagsgefällen
»ohne Unterbruch und mit aller Pünktualität« bestritten wer-
den sollten. (3. August 1712).
Dieses erhabene Beispiel wekte Nachahmung. Johann
Galdenblad hatte sich auch an mehrere deutsche Höfe ge-
wendet. Er sezte daselbst die vom h. Vater erhaltenen Aufträge zur
Errichtung einer Pflanzschule in Linz für junge Ade-
liche aus Schweden, Dänemark, Norwegen und
den angränzenden Ländern auseinander und zeigte wie 1
1) Ciementis XI. Epistolae et Brevia sei. p. 1616—17.
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Bl
durch dieselben, wenn sie unterrichtet und gebildet in ihre
Heimat zurükkehren würden, die gute Sache gefördert werden
könnte. — Der Bischof von Eichstädt, Johann Anton
Freiherr von Leyen, stiftete dem gemäss mit einer Summe
von 3000 fl. einen Plaz für einen adelichen Zögling aus jenen
drei Reichen und behielt sich das Recht der Präsentation be-
vor, 20. Jan. 1713. 1) — Zwei Monate darauf that Johann
Philipp von Greiffenklau, Bischof von Würzburg,
dasselbe und »händigte für die fortdauernde Stiftung zur Unter-
haltung eines Zöglings aus Schweden, Dänemark oder Nor-
wegen die gleiche Summe baar dem P. Johann Galden-
blad persönlich ein,« * 2) — Noch eifriger bewies sich Johann
W i 1 h elm, der Kurfürst von der Pfalz, vermutlich durch die
Fürbitte seiner Schwester Eleonore bewogen — dadurch,
dass er am 26. Jun. 1713 »zum Gedeihen und Wachsthum
des Seminariums der drei h. Könige als fortdauernde Stiftung
für zw’ei Zöglinge 7000 fl. rheinisch anwies ohne irgend eine
andere Bedingung hinzuzufügen, als dass die järlichen Interessen
der viertausend Gulden zum anständigen Unterhalt eines ade-
lichen Zöglings aus Schweden, dem es frei stünde den
Laien- oder Klerikal-Stand zu wälen, verwendet werden; hin-
gegen sollten die järlichen Zinsen der drei tausend Gulden
zur angemessenen Verpflegung eines Zöglings — wenigstens
besserer Abkunft — dienen, damit er nach Rom in das
neue päpstliche Kollegium (Propaganda?) geschikt werden könne,
um dort nach dem Sinne des h. Vaters zu apostolischen Mis-
sionen herangebildet zu werden.« 3)
In gleicher Absicht, nämlich »zum Gedeihen des
S e m i n a r i u m d e r d r e i heiligen Könige zu Linz und
zur anständigen Verpflegung eines Zöglings
1 Reiclienbach, S. 181.
2) Reichenbach, S. 185.
o) Reichenbach, S. 182.
32
damit er in der F o 1 g e in das neu errichtete
päpstliche Kollegium zu Rom gesendet werden
könne, überreichten in demselben Jare oder bald nachher
dem Johann Galdenblad die von ihnen gefertigten
Schenkungs-Urkunden: der Erzbischof von Mainz, Lothar
Franz Freiherr von Schönborn, am 7. April 1713 über
3000 fl.; der Erzbischof von Köln, Joseph Clemens,
Herzog von Baiern, am 19. Jul. 1713 über 4000 fl.; der
Bischof von Münster und Paderborn, Franz Arnold
v. Wolf, am 13. Oct. 1713 über 3000 fl.; der Erzbischof
von Prag, Ferdinand, am 23. Jun. 1714 über 3000 fl.,
denen am 1. Nov. 1716 der Erzbischof von Salzburg
Franz Anton v. H a r r a c h mit derselben Summe nachfolgte.
Hoch erfreut über diese Stiftungen deutscher Fürsten
geistlichen und weltlichen Standes und zumal über die gross-
artige Unterstüzung des Österreichischen Hauses, welches bereits
über vierzigtausend Gulden dieser Anstalt gespendet und es,
da andere diesem Beispiele folgten, ermöglicht hatte, dass
eine nicht unbedeutende Zal von Zöglingen dauernd unterhalten
werden konnte, wollte Clemens XI. nicht länger zögern,
eine Anstalt, der er, von ihren ersten Anfängen an eine so
warme Sorgfalt zugewendet, von der er für die katholische
Sache so Grosses hoffen durfte, feierlich anzuerkennen und
unter dem Namen: S e m i n aY i u m der drei heiligen
Könige und Märtyrer: Erich, Canut und Olaus
förmlich zu bestätigen. *) Der Papst zeichnete diese Anstalt 4
4) Clemens P. P. XI. Ad perpetuam rei memoriam. Pasloralis oflieii cura Nobis
meritis licet imparibus ex alto commissa Nos admonet et inducit, utloca pia, quae
pro Christi Fidelium commodo et augmentö erecta dfcuntur, ut firma et illibata
persistant, apostolico praesidio consolidemus, pro ut in domino conspicinius salu-
briter expedire. Sano sicutNobis innotuitin oppido capitali Superioris Austriae
civitate, nuncupato LinciiPassaviensis dioecesis post diuturna eadem-
que continua Missionariorum societatis Jesu in septentrione ardentissima vota
novum colleg'ium seu seminarium sub titulo — trium S. S. Regum et
Martyrum Erici, Canuti et 01 ai, ut in eo nobilis, ingenua et majoris spei
juventus ad orthodoxam fidem conversa vel ulteriore missionariorum opere conver-
33
auch durch Verleihung jener Hechte und Freiheiten aus, die
andere Seminarien der Jesuiten in unserm Lande genossen.
So war endlich der heisse Wunsch der Missionäre in den nor-
dischen Ländern erfüllt.
Karl VI. voll religiösen Eifers fügte bald hierauf (21. August
1716) auf die Bitte Galdenblads zur Förderung der nor-
dischen Stiftung eine neue Gnade hinzu, indem er die Ver-
lassenschaft des Herrn von Hansee, 7000 fl. zum Unterhalt
eines eigenen Missionärs für Dänemark und die angränzen-
den Länder verwendete. Dieser hatte zugleich die Aufgabe, für
die Wal der ins Seminar aufzunehmenden Knaben recht-
zeitig Sorge zu tragen, damit bei Erledigung eines Plazes im
nordischen Kollegium, dieser sogleich durch den neuen An-
kömmling besetzt werden könnte.
In eben dieses Jar oder in den Anfang des folgenden
fallen auch andere Stiftungen, darunter jene bedeutende des
Kurfürsten Max. Erna n u e 1 von B a i e r n, von 12,000 fl.
für drei Zöglinge, vermutlich als thatsächliche Erwiederung
tenda ex tribus septemtrionalibus regnis, scilicet Suecia, Dania et Norvegi a
eisdemque respective subjectis provinciis et statibus oriunda, purä ac catholicä
doctrinä, pietate» puris honestisque moribus, bonis quoque artibus et scientiis or-
thodoxae fidei dilatandae, illisque in partibus promovendae, maxime necesariis
imbuatur, sub auspiciis clarae memoriae Josephi dumviveret, Romanorum regis
in imperatorem electi ac sub cura et directione clericorum regularium S. J. erectum
et institutum f-uerit, illudque dilectus filius noster C ar o 1 u s, modernus Romanorum
Rex in Imperatorem electus non modo caesareo sub patrocinio tuendum susceperit,
verum etiam certis sub annuis proventibus ita liberaliter auxerit, ut, quod huie
piae causae a sola austriacae dom.us muniiicentia et pietate obvenerit, jam
valorem quadraginta millium florenorum excedat, cujus exemplo non pauci tum
ecclesiastici tum saeculares Romani imperii principes moti, inter quos domini Sta-
tus superior is A u s t r i a e vel determinatos in finem praedictum Alumnatus
instituerint vel certos annuos reditus pie et liberaliter impertiti fuerint ul jam ibi-
dem non contemnendus alumnorum et ministrorum numerus manuteneri valeal
et si quid supererit, in Missionuni pro dictis regnis et provinciis sustentationem
impendi possit. — Nos attendentes collegii seu seminarii erectionem hujusmodi in
maximum catholicae fidei incrementum fore cessurain, volentesque tarn pium tamque
salutare opus, quantum cum domino possumus, perpetuo nostro et apostolicae sedis
munimine roborare — approbamus et confirmamus. — Datum Romae ad sanctam
Mariam majorem sub anulo piscatoris, die 12. Junii a. 1715, Pontificatus nostri
anno quinto decimo.
Mus. Jahr. Ber. XVIII,
3
34
des verbindlichen Schreibens, das der Papst am 15* März 1715
an denselben gerichtet. Er hatte darin den Wunsch ausge-
sprochen , der Kurfürst möge nach dem Beispiel mehrer Fürsten
Deutschlands, nach dem Vorgänge seiner ruhmreichen Ahnen,
deren ausgezeichnete Verdienste um den katholischen Glauben in
den Jarbüchern der Kirche hell glänzen, dem vor wenigen
Jaren in Linz entstandenen Seminar mit seiner Unter-
stüzung und seinem Schuze zu Hilfe kommen; und da von
seiner Macht und seinem Willen die Verfügung über einige
Güter abhienge, welche der hochselige Herzog von Baiern,
Maximilian Heinrich und seine Gemahn F a b r o n a zum
Unterhalte einer auserlesenen Jugend, die sich dem Dienste
Gottes geweiht, in ihrer leztwilligen Anordnung bestimmt
hätten; bäte er ihn flehentlich, so weit es mit dem Wunsche
der frommen Spender vereinbarlich wäre, mit diesen Gütern
das erwähnte Seminar unterstüzen zu wollen, *)
Auch der Kurfürst von der Pfalz, Karl Philipp, stif-
tete 14. Nov. 1716 mit Anweisung der Summe von 4000 fl.
einen Plaz für einen adelichen Zögling, gleichwie im
nämlichen Jare oder spätestens zu Anfang des folgenden mit
derselben Summe ein solcher vom Herzoge Leopold von
Lothringen zur grössten Freude des Papstes gestiftet wurde * 2),
■1) Vehemotcr a Te flagitamus, ut quatenus id piorum Largitorum voto cohaereat,
ejusmodi bonorum subsidio praefatum S eminarium augere volis. G1 e m enti3
epist. p. 2058—59.
2) Später zu meiner Kenntnis gelangte Abschriften der Stiftbriefe Max. Emanuel’s
von Baiern und Leopold’s von Lothringen bestätigten meine Vermutungen.
Max. EmanucI, der ihn zu München 7. Sept. 1715 ausgestellt, sagt unter
anderm : Praesentibus Nostris palam facimus ac testamur, Nos in gratiam Spnctae
et Apostolicae sedis, nec non ad imitationem Suae Sacrac caesareae Majestatis et
ulterius p r a e f a t i co 11 e gi i aut Seminar i i Trium Sänctorum R e gum
augmentum aut incrcmentum matui’ä interposita deliberalione in Domino decrevisse,
stabilem ac perpetuam trium alumnorura nobilium, qui ad men-
te m intcnt.ionemque Suae Sanctitatis Romani ad novum P0ntifi-
cium Collegium identidem submi11i possunt, decentem susten-
t, a t i 0 n e m, p r 0 q u 01 i b e t n i m i r u m quatuor milliaflorenorum R h e-
nensium, eo modo, quo Sanctitas Sua a Nobis desiderare videtur
libenti prorsus animo et parata voluntate suppeditare. — Leopold von Lothrin-
35
der daher auch in einem eigenen Schreiben vom li. Mai 1717
für diesen neuen Beweis der oft erprobten kindlichen Ergeben-
heit gegen ihn und den römischen Stuhl, ihm seine hochachtungs-
volle und dankbare Gesinnung ausspricht 1). — Auch Franz
Ludwig, der oben erwähnte Hoch- und Deutschmeister, der
20. Februar 1716 zugleich zum Erzbischof von Trier gewält
worden war, vermehrte die früher angewiesene Summe von
2000 fl., in Anerkennung, dass sie zum dauernden Unterhalte
eines a d e 1 i c h e n Zöglings unzureichend sei, um andere
2000 fl. (28. Oct 1717 *).
Dass gleichzeitig, während die Anstalt durch neue Stif-
tungen sich so erweiterte, auch der Um- und Ausbau des
Hauses, der Neubau der Kirche, in der G o t ts e e r am 1, August
1712 die erste heilige Messe gelesen, bedeutend vorrükte, darf
nicht erst erwähnt werden; es war ja dringend notwendig bei ver-
mehrter Zal der Zöglinge auch für ihre zwekmässige Unterbringung
und Pflege religiöser Bedürfnisse Sorge zu tragen. — Leiter
der Anstalt —Regent —war bisher fast durch zehn Jare —
freilich mit Unterbrechungen, die durch Missionen oft in ferne
Gegenden veranlasst wurden, derjenige gewesen, der zur Aus-
führung des edlen Zwekes den ersten Versuch gemacht: Mar-
tin Gottseer. Er hatte, wie oben erwähnt, in dieser Stellung
bei so wechselnden Zeitumständen, nicht selten mit drükendem
Mangel zu kämpfen gehabt. Hochbejart — er zälte 72 Jare —
trat er jetzt von der Leitung dieser Anstalt zurük, gieng als
Spiritual nach Graz (1720) und in seine Stelle rükte derjenige
ein, der den edlen Keim zur Anstalt gepflanzt und gepflegt, * 1 2
gen, der42.Febr. 4717 aus Nancy seinen Willen kund gab, sagt: Volendo secon-
dare la pia intentione del defunto Ser. Eletlore di Treviri, nostro Sig'n. Fr stell o
desideratissimo dibuona memoria p er 1 o stabilm ento d’un Seminario nella
citta di Linz dei nazionali di Settentrione, habiamo destinato sopra le nostre ren-
dite da V. S. amministrate per il s o s t en tarnento d’un Seminarista una
Somma capita 1 e di quatro mi 11 e fiorini.
1) Giern.entis Epistolae pag. 2234.
2) Reichenbach S. 485.
3*
36
der sie selbst, so lange er es noch durfte, aus seinem und
seiner Brüder Vermögen thätig unterstüzte, unermüdet für sie
sprach und handelte, sie wie seinen Augapfel wahrte und
schüzte: Joannes Bapt. Galdenblad. Seinen persön^
liehen Eigenschaften war es zu verdanken, dass hohe und
höchste Gönner wie früher, so auch jezt der Anstalt reichliche
Unterstlizung zukommen liessen. Hiedurch ward es ermöglicht,
an das Begonnene die lezte Hand anzulegen, So wurde die
Wohnung mit dem dritten Stoke erweitert, der grosse Garten
zwekmässig verwendet, und der Bau der schönen Kirche wie
ihre innere Ausschmükung zu Ende geführt. ~~
Die Kirche, ganz nach dem Plane und der Form der-
jenigen aufgeführt, welche einst Helena über dem Orte, wo
der Heiland geboren ward, prächtig erbauen liess ($. Maria
de praesepio) hatte zwei Abteilungen. Unter dem höher stehen-
den Hauptaltare, war wie zu Bethlehem, die geheimnissvolle
Grotte oder Höhle mit der Krippe des Herrn , wohin zu beiden
Seiten gewundene Stiegen hinabführten, *— Die Kirche mit
vierzehn Altären, Orgeln, kostbaren Gefässen und herrlichen
Geräten glänzend ausgestattet, hiess B e t h 1 e h e m und davon
haben noch gegenwärtig, nachdem sie selbst längst zerstört
ist, zwei Gassen der Stadt, die sich in ihrer Nähe durch-
schnitten, ihre Benennung.
Mit diesem thatkräftigen Wirken nach Aussen, hielt auch
die Verwaltung im Innern und insbesondere die erziehen d e,
und wissenschaftlich ausbildende Leitung der
Zöglinge gleichen Schritt. Der religiöse Sinn, die sittliche
Reinheit und die wissenschaftliche Strebsamkeit womit ausge-
stattet die Zöglinge aus der Anstalt ins Leben heraustraten,
zeugte ehrenvoll von der guten Einrichtung wie von der Treff-
lichkeit des Leiters. Und doch traf ihn gerade in dieser Stel-
lung eine tiefe Kränkung: — eine Untersuchung seiner
Verwaltung.
Galdenblad hatte — aus zarter Schonung gegen seinen
37
Vorgänger — mehrere Jare keine Rechnung gelegt und ver-
mutlich auch keine Betreibung erhalten. Plözlich ergieng 23, De-
cember 1732 an den Landeshauptmann, Christoph Wil-
helm von Thür heim die kais. Anordnung über den Zustand
der ganzen Anstalt einen umfassenden Bericht zu erstatten.
Thürheim verzögerte diesen Bericht aus unbekannten Gründen.
Desshalb erging an ihn 13. Junius 1738 die ernstgemessene
Mahnung und Rüge: »Obschon Wir ganz sicher verhoft, du
würdest deiner Pflicht und Schuldigkeit gemäss, diesem unsern
Befehl schleunig Vollzug leisten, haben Wir dennoch sehr
missfällig ersehen müssen, dass durch diese beinahe verflossenen
sechs Monate von dir in solchem nichts eingelanget sei; daher
befehlen Wir dir nochmalen, dass du den abgeforderten Bericht
innerhalb vier Wochen, und dann einen Interims-Bericht, was
diese sechs Monate hindurch geschehen sei, innerhalb drei
Tage nach Empfang dieses erstattest.« —
Galdenblad, ohne Weisung von seinen Obern, nahm
auch jezt noch Anstand, den vom Landeshauptmann abgeord-
neten Kommissären den wahren Zustand der Stiftung, wie
dieser von Zeit zu Zeit ab- oder zugenommen, vollständig zu
eröffnen. Darum ergieng an den Ordensprovinzial wie an
Galdenblad am 27. August 1733 der scharfe Befehl: »Binnen
sechs Wochen die Rechnungen von Antretung des nordischen
Kollegiums zu legen, und den abgeordneten Kommissären alle
Stiftbriefe, Obligationen u. s. w. vorzuweisen, als im widrigen
wir dich hierzu durch behörige Kompellirungsmitteln wirklich
zu verhalten veranlasst werden würden.« — Der Kaiser, von
diesem Vorgänge unterrichtet, erliess auf der Stelle die scho-
nungsvolle Weisung: »die Untersuchung sine strepitu und ohne
prcstituirung mehrerwähnten patris regentis, mit gehöriger Diskre-
tion vorzunehmen.«
Die anbefohlene Untersuchung stellte nun heraus, dass
die Anstalt unter Galdenblads Leitung keinen Schaden erlitten;
»wol hat sich zum besondern Ruhme des patris regentis soviel
38
geäussert, dass selber durch seinen zu Aufnehmung sothaner
Fundation unermüdlich gezeigten Eifer durch Erwerbung hoch-
ansehnlicher Gutthäter, auch geführte gute Oekonomie an
denen von seinem antecessore P. Gottseer sei. unumgänglich
gemachten passiv* Schulden 8000 fl. abbezalt habe, also zwar,
dass an denen passivis derzeit noch 10000 fl. haften, die er,
Galdenblad, zum Teil durch erlangende donationes zu tilgen
Hoffnung giebt.« !).
Was die Leitung, Zucht, Disziplin betrifft war alles in
guter Ordnung. Kurz die Untersuchung stellte Galdenblads Ver-
waltung in glänzendes Licht; selbst die Beschuldigung, dass
er ein Stiftungs - Kapital von 5000 fl, an das Wechselhaus
Gichini und Jäger in Wien ohne die erforderliche Sicher-
heit ausgeliehen und nun bei erfolgtem Falle des Hauses, die
Anstalt in die Gefahr eines grossen Verlustes versezt habe,
stellte sich was Galdenblad betrifft, als ganz unbegründet
dar; seine Ehre war gerettet, sein grosses Verdienst um die
Anstalt anerkannt; aber in seinem tiefverlezten Gemüte blieb
eine düstere Vorahnung zurük, als sei durch dieses Vorgehen
eine Bahn gebrochen, auf der man vorschreiten werde, um
von Aussen auf die Anstalt Einfluss zu gewinnen, worunter
die bei Erziehungs- und Unterrichtsanstalten so notwendige
Selbstständigkeit nur leiden könnte. Ob sich diese Vorahnung
erwahrte, wird die Folge zeigen. — Nachdem Galdenblad
fast sechzehn Jare die Anstalt geleitet, starb er 1. Jänner
1736, im Alter von 69 Jaren.
2. Fernere Schiksale der nordischen Stiftung bis zu ihrer
Auflösung und Umwandlung in Handstipendien.
An Galdenblads Stelle trat Johann B a p t. Putz,
der nach Denis Urteil die Kunst, die Gemüter der Menschen
j) Landeshauptmann. Hofbericht vom 'iS. Jänner 1754.
39
za leiten, in einem ausgezeichneten Grade besass. Wie viele
Jare er an der Spize dieser Anstalt stand *), kann ich nicht
mit Bestimmtheit angeben. Dass sie gut geleitet wurde und
fortwährend einen sehr ehrenvollen Ruf behauptet habe, ist
gewiss. Das Vertrauen zu derselben war gross, und beschränkte
sich nicht auf die Gränzen des ausgedehnten Kaiserreichs;
selbst aus fernen, fremden Ländern ward die Aufnahme von
Zöglingen nachgesucht. — Noch sprechender sind die Stiftungen,
die zu den bereits bestehenden, neu hinzukamen, darunter
vorzüglich die des Kardinals und Fürstbischofs von Pas sau
Joseph Dominicus von Lamberg.
Schon sein Oheim* und mittelbarer Vorgänger in der fürst-
bischöflichen Würde, Johann Philipp v. Lajnberg, dem
Clemens XL in einem eigenen Schreiben vom 14* Junius 1707
das im Entstehen begriffene Seminarium warm empfohlen, * 2)
hatte dieses durch järliche Beiträge unterstüzt. 3) Grösseres
that der Neffe. Er, der am Gymnasium zu Linz seine Studien
begonnen, sie zu Be^ancon und Siena fortgesezt und zu
Rom im Clementinum vollendet hatte, bewies da so viel
Geist, Frömmigkeit und wissenschaftliche Strebsamkeit, dass er
nicht nur die Aufmerksamkeit des neugewälten Papstes Cle-
mens XI. auf sich zog, sondern auch seine Zuneigung in
hohem Grade gewann. 4) Eine innige Begeisterung für Religion,
Sittlichkeit und geistige Reinheit begleitete ihn durch alle Ehren-
stufen, die er nach und nach erstieg, auch in die fürstbischöf-
liche von Passau, und jezt in dieser einflussreichen Stellung,
wo ihm, dem Landesbischof die genaueste Kenntniss der nor-
•1) Die Reihe der übrigen Vorsteher, soweit sie in den Akten mir vorkamen, ist diese:
Johann . Bapt, Putz, 1736. Maximilian Galler 1748 —1750. Joseph
Socher, 1752. Jak o b F o ky, 1755. Ignaz Jagerhuber, 1761. ü ominicus
Fichtl, 1762 —.69. Ludwig Becceler, 1771. Sigismund v. Hohen-
wart, 1771 — 1777. Ignaz Schiffermiillar 1777 — 1787.
2) Clementis Epistolae p. 403.
3) Hansiz, Germania sac. I. 811.
4) Hansiz, Germania sac. I. 816.
dischen Stiftung zu Gebote stand, hat er eben diese ausersehen,
um durch sie seine edle Gesinnung und grossmütige Anhäng-
lichkeit an sein Vaterland zu bethätigen und zu verewigen. Er
beschloss — um mich seiner Worte zu bedienen: »ein from
perpetuirliche Stiftung in dem Gollegio Nordico S. S. triurn Regum
der Hauptstadt Linz unter Obsorg der P. P. Societ. J. daselbsten
vor vier adeliche Knaben, deren Eltern die Ehre und Würde
wirklicher Landsmannschaft ob der Ens gemessen, hingegen
ihre Kinder in guten Sitten, Wissenschaften, ritterlichen Exercitien
und Sprachen unterweisen zu lassen, keine standesmässige Mittel
besizen, aus wahrer patriotischer Absicht und gedachten Adel-
stand beharrlich zu tragenden adfection, Lieb und Hochachtung
zu machen und in dieser Absicht ein Kapital pr. 25.500 fl. ge-
widmet haben wollen.« (17. Febr. 1747).
Im folgenden Jare, 21. Sept., fügte er noch die Summe
von 12,750 fl. für zwei Zöglinge, somit im Ganzen für sechs
mit der Erklärung hinzu, dass »in Ermanglung adelicher, auch
andere zum Studium fähige Söhne von Offizianten löblicher
Landeshauptmannschaft oder Landschaft des Landes ob der Ens
berufen sind.« *)
Eilf Jare nachher (1. Oct. 1759) kam nach der leztwilligen
Anordnung des Wolf Martin Fortunat Freiherrn v. EJir-
mann auf Falkenau — Nachkomme jenes von Leo-
pol d I. im Jare 1665 wegen seiner Verdienste im Bauern-
Kriege in den Adelstand mit dem Prädikate von Falkenau
erhobenen Martin Ehrmann — dem nordischen Kollegium
das Kapitel von 3000 fl. gegen dem zu, dass in demselben
von den davon abfallenden Interessen ein von akatholischen
Eltern oder in protestantischen Ländern geborner, oder sonst
zu der römisch - katholischen Religion übergetretener Alumnus
bis zur Vollendung seiner Studien unterhalten werde. 1 2) — Das
1) Vergl. Reichenbach. S. 481.
2) Reichenbach, S. 185.
41
Recht diesen vorzuschlagen hatte der zeitliche Regent im Nordiko,
das der Bestättigung der jeweilige Professor der Theologiae
pölemicae aus der Gesellschaft Jesu zu Linz. Für leztern hatte
er im §. 5* seiner leztwilligen Anordnung die Summe von
6000 11. und besonders zu etwa notwendiger Anschaffung der
zu dieser Professur tauglichen Bücher 1000 fl. bestimmt.
Die jüngste der eigentlichen Stiftungen war die des ehe-
maligen k. k. Oberkriegs-Kommissärs Johann v. Christani,
der in einem Stiftbriefe vom 10. Juli 1769 zum nordischen
Stifte in Linz zur Unterhaltung zweier entweder Konvertiten
oder sonsten von protestantischen Eltern oder in protestan-
tischen Ländern gebornen Knaben und auf Verteilung von
100 fl. unter vier Konvertiten in Wien ein Kapital von 10000 fl.
gestiftet hat in der Absicht, dass jene allen für ihre Stifter
gewöhnlichen Andachtsübungen beiwohnen, auch sich durch
Erlernung der Wissenschaften fähig machen, einstmalen in ihrem
bedrängten Vaterlande die wahre katholische Religion befördern
zu können.« *)
So erfreulich auch diese Wohlthaten für die Anstalt sein
mussten, traten doch, bevor noch die beiden jüngsten Stiftungen
erfolgten, manche Vorfälle ein, welche die trübe Vorahnung
Galdenblads nur zu sehr rechtfertigten. Die Landeshaupt-
mannschaft hatte 12. Oct. 1749 an die Kaiserin M. Theresia
über die Anstalt einen Bericht erstattet; worin sie im allge-
meinen an der Art, wie die Zöglinge gehalten und erzogen
wurden, nichts tadelte, im Gegenteile den Vorstehern des Kol-
legium dieses Lob erteilte, dass sie nichts unterdessen, »was
die Jugend zu einem tugendsamen Wandel, zu wahrer Gottes-
furcht und Erlangung guter Wissenschaft führen könnte.« —
Und doch beantragte sie für die Zukunft einige Massregeln, die
an und für sich teils in das innere Leben der Anstalt eingrif-
fen, teils durch ihre Motivirung ein arges Misstrauen verrieten.
42
Das alles, »damit man jederzeit auf den Grund sehen könne,
ob auch die milden fundationes ad mentern fundatorum erfüllt
und denen Verordnungen weiland Kaiser Jo sep h i und C a r o 1 i
Majestät in allen Punkten pflichtschuldigst Folge geleistet
werde.« —
Die in Vorschlag gebrachten Massregeln wurden genehmigt*
An den Regenten, Max Gal ler, ergieng 15. Nov; 1749 die
Weisung auch alljärlich den Status activus und passivus funda-
üonis zur Einsicht der Landeshauptmannschaft vorzulegen.« —
Da im erwähnten Berichte unter anderm auch der Tadel aus-
gesprochen war, dass die kaiserlichen Alumni, nicht so wie die
lambergischen und ständischen — zum ersten , sondern zum
zweiten Tisch gezogen wurden, forderte die gewissenhafte Für-
stin auch die Angabe der Gründe, welche für die Zulassung
der landesfürstlichen Stiftlinge zum ersten Tisch sprechen.
Diese genügten ihr aber so wenig, dass sie nach erlangter
Einsicht in die Stiftbriefe Josephs und Karls auf eine Weise
sich aussprach, die ihr feines Rechtsgefühl zu gut kennzeichnet,
als dass wir den Inhalt dieser Entscheidung hinweglassen könn-
ten. »Nachdem vom Regenten durch die eingereichten Stift-
briefe dargethan worden, dass die von unsern Vorfahren glor-
würdigsten Gedächtniss vorbesagtem Seminario alljärlich zuge-
wendete 2000 fl* nicht nur zu blosser Unterhaltung deren sechs
Alumnorum, sondern unter einstens auch zu besserer Bestreitung
deren anderweiten Bedürfnissen sothanen Gollegii gewidmet
worden seien, so lasset sich zwar nach Euer gehorsamsten
Meinung Ihme P. Regenti die Zuziehung derenselben zu dem
ersten Tisch nicht wol absolute aufbürden, doch habet Ihr
demselben zu erkennen zu geben, wie Wir gnädigst gerne
seheten, wann wenigstens jene landesfürstliche Fundatisten, die
von Adel seind, zu erholten ersten Tisch admittirt werden
möchten« (2. Mai 1750). Dass dem Wunsche der edlen Für-
stin sogleich und fortan entsprochen wurde, bedarf nicht der
Erwähnung.
43
Schwerer traf das nordische Kollegium eine Anordnung,
die durch den Andrang der Zeitumstände hervorgerufen, die
Zal der Zöglinge und die Einnahme auf viele Jare verminderte.
Bei Errichtung der sogenannten Missionsstationen im
Lande oh der Ens erliess die Kaiserin die Weisung: die von
Karl VI. zur Erziehung dreier Knaben im nordischen Stifte ge-
widmete järliche Summe pro bono religionis auf andere Art zu
verwenden und diese Alumnate einstweilen unbesezt zu belassen.
Diese Summe wurde von da an (1754) vom nordischen Kolle-
gium an die oberösterreichische Religions-Kasse, deren Vor-
steher der Abt von Kremsmünster, Alexander Fix 1-
millner war, entrichtet um daraus die beiden Missionäre zu
Alkhofen und Ottnang zu besolden. Diess dauerte gegen
zwanzig Jare. Erst einem der lezten Regenten des nordischen
Kollegiums, Sigismund v. Hohenwart gelang es bei einer
Privataudienz, die ihm am 27. Sept, 1772 von der Landes-
fürstin gewährt worden war, diese Angelegenheit und die seither
gänzlich veränderten Umstände gegen die des Jares 1754 in
Anregung zu bringen, ln der That willfahrte die Fürstin seiner
Bitte und verordnete wenige Monate nachher, dass »sothane
drei Alumnate in dem nordischen Kollegio nach der Intention
des höchstseligen Stifters wiederum redintegrirt und für das
künftige besezt werden sollten« (22. Mai 1773).
Uebrigens war die Leitung der Anstalt fortwährend gut und
dem Zweke entsprechend. Ein Bericht der Landeshauptmannschaft
vom 31. Jänner 1766 schildert der Kaiserin die grosse Sorgfalt
des damaligen Regenten (Dominicu s Fi c h 11) für alle Zweige
der innern Verwaltung mit grosser Wärme; hebt insbesondere
die religiös-moralische Führung der Zöglinge und ihre bedeu-
tenden Fortschritte in den Studien hervor; »wir müssen —
heisst es — bevorab dem dermaiigen patri regenti das Lob mit-
teilen, dass er nicht allein auf die Reinlichkeit des Hauses,
gute Zucht und Ordnung, auch Verpflegung der unterhabenden
Jugend sich mit so vieler Aufmerksamkeit als gutem Erfolge
44
verwende, so dass die Jugend im Nordiko so gut als in was
immer für einem Kollegio gehalten wirdet.« —
Doch das sprechendste Urteil über diese Anstalt ist zu-
verlässig dasjenige, welches wenige Jare nachher an die Kaiserin
unter Umständen abgegeben wurde, die ihm ein grosses Ge-
wicht verleihen. Im Jare 1773 ward der Orden der Jesuiten
auch im österreichischen Staate aufgehoben. Das Nordikum
von seinem Beginne an immer von Jesuiten geleitet, blieb einst-
weilen der Leitung derjenigen Mitglieder dieses Ordens über-
lassen, die sich gerade daselbst befanden. Doch ergieng bereits
im folgenden Jare an die Landeshauptmannschaft der Auftrag
(27. August 1774), sich ausführlich zu äussern, wie das Col-
legium nordieum und die beiden Seminarien zu Linz
und Steier in Zukunft administriret oder auf eine der stu-
dierenden Jugend nüzlichere Weise zum Genüsse gebracht wer-
den könnten.
Die über die Seminarien abgegebene Aeusserung haben
wir oben erwähnt; über das Nordikum sprach die Landes-
stelle am 25* Nov. 1774 offen und mit edlem Freimut, was
und wie sie alles gefunden: »Die genaueste Erfüllung der ge-
stifteten Verbindlichkeiten überhaupt, insbesondere aber die
Ordnung, die allenthalben im Stifthause herrscht, die Gelegen-
heit, die den Alumnis offen steht: in allen Gattungen deren
zu ihrem künftigen Glück und Fortkommen teils unentbehrlichen
teils beförderlichen Wissenschaften Unterricht zu schöpfen, die
edle Art im Umgänge, die der dermalige Regent den Stifts-
Knaben durch sein vorleuchtendes Beispiel beizubringen, und
gleichsam eigen zu machen sucht, der unermüdete Eifer, mit
dem derselbe sowol den Verstand als auch die Herzen der
Knaben glüklich zu bilden und selbe zu ihrem künftigen Be-
ruf vorzubereiten sich angelegen sein lässt, die Öffentlichen
Prüfungen, die das Jar hindurch öfters mit den Fundatisten
gehalten werden, sind die eigentlichen Züge, welche dieses
Kollegium unterscheiden und die trefflichen Kenntnisse, so der
45
Regens in Absicht auf die gute Erziehung der Jugend besizet,
im vollen Masse an den Tag legen; und bei dieser wahren
Lage der Stiftung findet sich diese Stelle ausser Stande Eurer
Majestät einen gedeihlicheren Plan, nach dem die Administration
des Stiftes geführt oder die Verfassung selbsten, ohne dem
Willen der Stifter zu nahe zu treten, auf einen nüzlichern
Fuss gesezet werden könnte, zu entwerfen.«
Auf diese so bestimmt ausgesprochene Ansicht hin, blieb
alles im frühem Zustande, ja »bei dem von dem Kollegio be-
sizenden beträchtlichen Vermögensstande und in dem Anbetracht,
dass der Regens dieses Kollegii grosse Obsorge und eine ade-
liche Jugend zu respiciren habe,« erhielt dieser järlich, solange
die dermalige Verfassung dieses Kollegii besteht, aus den Ein-
künften 500 fl. (22. Oct. 1774). Hohenwart muss in dieser
Stellung, als Erzieher und Administrator, in der That etwas
ausgezeichnetes geleistet haben, indem es ihm, ohne irgend
eine Einschränkung im Haushalte einzuführen , möglich wurde,
einen langgehegten Lieblingswunsch zu realisiren: eine ausser-
halb der Stadt schön gelegene, mit einem grossen Garten aus-
gestattete Besizung käuflich zu erwerben, wo die Zöglinge den
grössten Teil der Ferien in ungestörter Müsse zubringen konnten.
Diese Besizung -— das Bergschlösschen — hatte er vom
1. Sept. 1773 in järlichen Pacht genommen, am 1. Jänner
1777 um die Summe von 3000 fl. für das nordische Stift,
zur Freude und zum Jubel der mit kindlicher Liebe an ihm
hängenden Jugend erkauft. — Um so grösser und gerechter
war ihr Schmerz, als der geliebte Vorsteher bald hierauf an
den Hof des Grossherzogs von Toskana abgerufen wurde
zu der hohen Bestimmung, den vier altern Prinzen, darunter
dem nachmaligen Kaiser Franz, in der Religion und Ge-
schichte Unterricht zu erteilen. — Der Schmerz so grossen
Verlustes beschränkte sich nicht auf den Umkreis des Institutes;
er war allgemein und die Landeshauptmannschaft lieh dem
wahren Schmerzgefühle nur Ausdruk, wenn sie offen erklärte:
46
Hohenwarts ungemeine Kenntnis im Wirtschaftswesen und
die nüzliche Gebarung mit den Stiftseinkünften, sein wissen-
schaftlicher Sinn gepaart mit einem edlen Charakter und einer
wahrhaft christlichen Denkungsart, die er auf die ihm anver-
traute Jugend hinübergeleitet hat, haben den Flor und die
Aufnahme dieses Stiftes befördert und diesem so würdigen
Vorsteher die Achtung der Stelle, die Liebe der erziehenden
Jugend und das Vertrauen des ganzen Landes dergestalten zu-
gezogen , dass nunmehr dessen Verlust auch jedermann em-
pfindet und bedauert.«
Wie wahre Grösse immer mit Bescheidenheit gepaart ist,
und für eigenes Verdienst kein Auge hat, so hob Hohen-
wart bei dem was er etwa geleistet, das fremde Verdienst als
das grössere mit dankbarer Anerkennung gerne hervor. »Der
Subregens Anton Joseph v. Zanetti hat seit fünf Jaren
alle Arbeiten und Wetter als ein getreuer, emsiger und von
allen Seiten Iobenswürdiger Mitarbeiter ertragen, dem ich, wenn
ich doch dieses Stift mit Zufriedenheit der hohen Stelle ver-
waltet habe, den glüklichen Erfolg meiner Bemühungen zum
grössten Teil zuschreiben muss.« —Ungezweifelt war es dieser
Anerkennung zu verdanken, dass zufolge Hofreskripts vom 29»
März 1777 »der Subregens Zanetti die Pension von 300 fl.
aus dem Stiftungsvermögen erhielt, solange er dem Amte eines
Subregens im nordischen Stifte gehörig vorstehen wird.« —
Mit Hohe n wa r t s Austritte schlossen sich die heiteren
Tage der Anstalt; die trüben, die endlich zur Auflösung führten,
rükten näher und näher heran. Die Versuche zu rütteln, ano-
nym zu verleumden, die schon bisher gemacht, von Hohen-
wart mit ruhiger Entschiedenheit vereitelt worden waren, er-
neuerten sich bald. Beiläufig ein Jar nach Hohen war f s
Abreise, erschien in Linz Anton Marcus W i 11 o 1 a , der
Propst v. Bienco, beauftragt, den Zustand der Erziehungs- und
Unterrichtsanstalten zu erheben, und den Quellen der etwa
herrschenden Missbräuche, nachzuforschen. W i 11 o 1 a, Mann
47
der raschen Aufklärung, leidenschaftlicher Feind der Jesuiten,
entwarf von den Studienanstalten, an denen Ex-Jesuiten lehr-
ten, das düsterste, unwahrste Gemälde *). — Was er über das
nordische Kollegium an die Kaiserin berichtet, ist mir zwar
unbekannt, doch kann seine Relation kaum günstig gewesen
seyn, da die Kaiserin zur bessern Erziehung der Jugend, es
bald darauf für dienlich und notwendig hielt — ausser dem
geistlichen Vorsteher — Ignaz Schi ff e r m ül 1 e r — auch
einen weltlichen Superintendenten in der Art zu be-
stellen , dass die in Kraft Verordnung weiland Kaiser Joseph I.
einem jeweiligen Landeshauptmanne zugleich obliegende Direction
dieses Kollegii ungekränkt bleibt. Sie ernannte dazu den Frei-
herrn v4 Pilati »ob der Einsicht und des patriotischen Eifers«
fl.' Mai 1779).
Unter Josephs 11. Regierung geschah 19. Dezemb. 1781
ein wichtiger Schritt, durch welchen der Zwek, wesshalb diese
Anstalt geschaffen worden war, mehr und mehr verrükt wurde.
Der Kaiser beliess das Institut zwar bei seiner damaligen Ver-
fassung, doch wurden nicht nur alle Stiftpläze, die nicht aus-
drüklich für ausländische Konvertiten eines gewissen Landes
bestimmt waren, für inländische Bedürftige und hiezu qualifi-
zirte junge Leute fortan Vorbehalten, und hiezu bloss Inländer
in Vorschlag gebracht, sondern auch wenn bei Erledigung der
für ausländische Konvertiten bestimmten Alumnate keine aus-
ländische Konvertiten aus den betreffenden fremden Landen
vorhanden wären, diese Stellen an bedürftige Inländer vergeben.
— Vier Jare nachher ergieng die Anordnung, der zu Folge alle
noch vorhandenen Stiftungen, wo Jünglinge beisammen leben
aufgelassen und die Fonds in H a n d s t i p e n d i e n ver-
wandelt werden sollten (27. Sept. 1785). Zwei Jare darauf,
21. August 1787 erfolgte endlich die wirkliche Auflösung 1
1) Vergl. Gaisberger: Geschichte des akademischen Gymnasiums zu Linz.
S.'Sl — 86.
48
des nordischen Kollegiums. Eine wenige Tage vor-
her (13. August) erlassene Anordnung regelte das von nun an
zu beobachtende Verfahren in folgender Weise :
Die Stiftungen in Handstipendien umgewandelt, sollten
nach der Vorschrift der Stiftbriefe verliehen werden. Das Prä-
sentations-Recht blieb jenen gewahrt, denen es nach den Stift-
briefen zukam, wo es hingegen vom jeweiligen Rector des nor-
dischen Kollegium ausgeübt wurde, gieng es an die Regierung
über. — In Hinsicht der Stipendien, die nach den Stiftbriefen
Knaben aus den nordischen Staaten zugewendet waren, hatten
die Stipendienwerber sich an die, an auswärtigen Höfen befind-
lichen k. k. Gesandten und Geschäftsträger zu wenden. Diesen
nordischen Knaben, denen ein Stiftplaz verliehen ward, wurde
die Begünstigung zu Teil, dass ihnen vom Tage der Verleihung
an, der Genuss gerechnet werden sollte, um ihnen hiedurch
eben so die Reisekosten zu vergüten, wie sie ihnen vorher
aus der nordischen Stift-Kasse bezalt wurden. Jene Kapitalien
des nordischen Stiftes, die zu geistlicher Verwendung bestimmt
waren, wie die Summa von 3012 fl. 38 kr., wurden an den
Religionsfond und jene 2500 fl., die Christani zum Unter-
halt armer Konvertiten in Wien gewidmet, an das Armeninstitut
abgeführt. —* Dem Dienstpersonale und den Exerzitienmeistern
wurden Pensionen bewilligt, die nach ihrem Erlöschen dem
Stipendienfonde zufielen. Das schöne Stiftsgebäude sammt Kirche
und Garten ward 28. Nov* 1788 an den Pfleger Joseph
Schraml um 7150 fl. veräussert und diese Summe gleichfalls
dem genannten Fonde zugewiesen. Erhielt dieser dadurch einigen
Zuwachs, so erlitt er schon im nächsten Jare einige Abnahme,
eine weit bedeutendere wenige Jare nachher.
Um dem einst zu besorgenden Mangel an Feldkaplänen
vorzubeugen, befahl Joseph II. zu diesem Beruf eigens
bestimmte Zöglinge in das General-Seminarium aufzu-
nehmen und den für einen Zögling auf 200 fl. ausgemessenen
Aufwand zu bedeken, Hiezu wurden die Kapitalien jener zehn
49
Stiftungen des nordischen Kollegiums, deren Genuss mit nicht
mehr bestehenden Verbindlichkeiten verknüpft war, gewidmet,
in einer Summe von 35*900 fl. von deren järlichen Interessen
pr. 1400 fl. sieben Stipendien nach und nach vom Eintrite des
Sehuljares 1780 an, errichtet werden sollten *). Bald trat
hierin eine Aenderung ein. Die General-Sem inarien
wurden von Leopold II. aufgehoben; der Klerus sollte unter
den Augen des eignen Bischofs herangebildet werden. Doch
der Alumnats-Fond dieses Landes war unzureichend. Auf die
bittliche Vorstellung des für sein Alumnat eifrig besorgten
Bischofes, Joseph Anton Gail, genehmigte der Kaiser
Franz, zu Dotirung des Alumnats - Fonds das aus dem ob
der ensischen Stipendienfond für die Bildung der Feldkapläne
ausgeschiedene Kapital sammt den bis zum Tage der Ueber-
nahme verfallenen Interessen. So giengen die genannten Stif-
tungs-Kapitalien sammt den Interessen — zusammen 47.467 fl.
30 kr. .am 30. August 1801 an den Alumnats-Fond über.—
Bevor wir die ferneren Wandlungen und Schiksale der
andern nordischen Stiftungen anführen, ist es notwendig auch
die innere Einrichtung dieses Kollegiums in Kürze anzugeben,
3. Innere Einrichtung und Venvaltung des nordischen
Kollegiums.
a. Bestimmung der Anstalt. Der Zwek, den Gal-
denblad zu verwirklichen strebte, war: die wenigen in den.
drei nordischen Reichen gebornen katholischen oder Konver-
titen-Kinder hier zu erziehen, ihrem Stande gemäss zu bilden,
»dass sie mit der Zeit dem gemeinen Wesen unseres wahren
heiligen Glauben eifrig dienen mögen und denselben helfen 1
1) Hofkanzlei-Dekret vom 13. Mai 1789. Diese Stiftungen waren: die Mainzische,
Kölnische, Münster’sche, Prager’sche t Baierische — drei Pläze — Salzburgische,
Pfälzische vom Jarc 1716, und die Lotharingische.
Mus. Jahr. Ber. XLX. 4
50
erweitern *). — Diesem gemäss gehörten die zum Eintrit be-
rufenen Zöglinge durch Geburt wirklich eineni der drei nor-
dischen Königreiche oder davon abhängigen Ländern an —-
wir nennen sie nordische Zöglinge im engem Sinne
— und sie legten beim Eintrite in das Kollegium ausser dem
Glaubensbekenntnisse das eidliche Versprechen ab: Sobald sie
im wahren Glauben, in den Wissenschaften oder Künsten
weiter ausgebildet sein würden, in ihr Vaterland oder in andere
von der Stiftung umfasste Länder zurükzukehren und eben dort,
wenn sie nicht von den Vorstehern der Anstalt eine Dispens
erhalten hätten, zu verbleiben; wenn es ihr Beruf sein sollte
nach katholischem Gebrauche die Ehe zu schliessen und die
Kinder gewissenhaft und nach katholischen Grundsäzen zu er-
ziehen; auch diesen heiligen Glauben als Laien oder als Prie-
ster, jedoch ohne Unruhe oder Aufruhr zu befördern1 2).
Die Anstalt für diesen speziellen Zwek begonnen, blieb nicht
ohne Unterstüzung; grossmütige Schenkungen und eigentliche
Stiftungen erfolgten, von denen einige denselben Zwek hatten, an-
dere ein verwandtes Ziel; vorzugsweise waren es auch wolgesinnte
Eltern und Vormünder, welche dieser Anstalt ihr ganzes Vertrauen
zuwendeten und in dieses Asyl aus der Zerstreuung des öffentlichen
Lebens und aus der verpesteten Atmosphäre grosser Städte ihre
Söhne und Pflegebefohlenen zur Erziehung und Bildung flüchten
wollten; was umso einladender erschien, indem das Kollegium mit
den wissenschaftlichen Lehranstalten dieser Stadt in der engesten
Verbindung stand. — Sonach erweiterte sich die Anstalt; sie be-
herbergte nicht bloss Nordländer, sondern auch Südländer, Aus-
länder und Inländer aller Art und aller Stände und erlangte eine
allgemeinere Bestimmung: Erziehung und nachhaltige
ächte Bildung der anvertrauten Jugend im Geiste und nach
den Grundsäzen der katholischen Kirche.
1) Instruction vor die Nordisehe Fundation deren lieyligen Erlci, Canuti und Olai, zu
Linz an der Donau. S. 2. §. 2.
2) Instruction. S. 6. §. 3.
51
b. Leitung der Zöglinge in religiöser und sitt-
licher Beziehung. Die Seele des ganzen Kollegiums —
»das waltende Herz, das sein warmes Blut nach allen Seiten
Leben verbreitend ausströmt« — war der Vorsteher — Re-
gens. Sein Wille verlieh dem Ganzen den regelmässigen
Gang, in seinem Sinne handelten: Der Subregens, der
Minister, der Präfekt der Humanisten, kurz alle
höhern und niedern Organe, jedes in der ihm angewiesenen
Sphäre. In des Vorstehers Gegenwart verrichteten alle Zög-
linge in der schönen Kirche um halb sechs Uhr das Morgen-
gebet mit lauter Stimme, womit ein Morgenlied, dann fünf
Vater unser, fünf Ave Maria für Stifter und Wollhäter verbunden
wurden. — Hierauf folgte die h. Messe für die Studierenden
der Philosophie; die Gymnasialschüler hingegen wohnten um
halb acht Uhr der allgemeinen Schulmesse bei.
Abends acht Uhr versammelten sich wieder alle in des
Vorstehers Gegenwart — in einem geräumigen Saale im Winter,
in der Kirche im Sommer — zur Anhörung einer erbaulichen
Vorlesung, welcher das Abendgebet mit einem passenden Liede
wie am Morgen folgte. — An Festtagen, oder bei Kongregations-
feierlichkeiten wohnten alle nordischen Zöglinge mit ihren
Schulen in der akademischen Kirche dem Hochamte und der
Predigt bei. Jeden Monat war in der Kirche des Hauses eine
öffentliche Kommunion; doch stand es jedem nach dem Rate
seines Beichtvaters frei, die h. Kommunion zu empfangen oder
zu verschieben; ja um volle Freiheit in dieser h» Sache zu
gewähren, ward die h. Kommunion nicht durch den Vorsteher
— den grünen Donnerstag ausgenommen — ausgespendet. —
Zur Aufnahme der h. Beicht, die zweimal im Monat statt fand,
wurden geeignete Beichtväter aus der Stadt in die Hauskirche
entboten. — An jedem Sonntage erfolgte durch eine halbe
Stunde ein Religionsunterricht für die verschiedenen [Alters-
stufen eingerichtet, nach denen gereiht die Zöglinge zu er-
scheinen pflegten.
4*
52
Zur Erhaltung guter Sitten diente eine fortwährende
Aufsicht selbst bei Spaziergängen und Spielen; ja ein eigener
geistlicher Hofmeister wohnte und schlief mit den Lambergischen
Stiftlingen in denselben Räumen, ein anderer mit den nordi-
schen und ein weltlicher Informator übte die gleiche Aufsicht
bei einem Teile der Kostknaben aus. — An jedem Samstage
wurde über das Betragen und Verhalten eines jeden Zöglings
an den Regenten berichtet. Geringem Fehlern folgten väter-
liche Ermahnungen unter vier Augen; grossem oder wieder-
holten: .Abbruch an Speise, auch Zimmerarrest, öffentlicher Ver-
weis — sogar Rutenstreiche — aber niemals ohne ausdrükliche
Zustimmung des Vorstehers. Doch fand diese Strafe ausserst selten
statt. Hatte ihre Wiederholung bei einem Zöglinge nicht die er-
wartete Besserung hervorgebracht, wurde er entlassen »um nicht
ein Züchtigungs-Haus aus dem nordischen Stifte zu machen.«
c. Auf die wissenschaftliche Ausb ildu n g wurde
nicht geringere Sorgfalt verwendet. Zum Eintrit ward Kenntnis
des Lesens, Schreibens und der Anfangsgründe des Lateinischen
erfordert. Alle Zöglinge , soweit sie zu den Studien geeignet
waren, besuchten die öffentlichen Schulen in der Stadt. Um
ihre Fortschritte zu fördern, das weniger richtig Aufgefasste
zum wahren Bewusstsein zu bringen, das Mangelhafte zu er-
gänzen, das Zweifelhafte besser zu begründen stellte der Sub-
regens durch etwa zwei Stunden täglich mit den Hörern
der Philosophie über die öffentlichen Vorlesungen Repetitionen
an, der Präfekt der Humanisten that dasselbe mit den
Humanisten und der Hofmeister mit den Schülern der
niedersten Klassen. Die ausgezeichneten Fortschritte der Zög-
linge in allen Abstufungen des Unterrichts zeugen von der
Zwekmässigkeit des eingehaltenen Verfahrens. Die wöchentlichen
Berichte über Fortgang kamen wieder alle Samstage an den Regens.
Im Stiftshause selbst wurden die Zöglinge in der
deutschen Sprache mit grosser Sorgfalt unterrichtet, die
der höhern Klassen drei Stunden wöchentlich in schriftlichen
53
Aufsäzen geübt, mit entsprechender Lektüre und Literatur-
geschichte beschäftigt. In den niedern Klassen wurden alle
freien Stunden zum Unterrichte in der Muttersprache verwendet.
Um sie im gefälligen Vorträge zu üben, wurden im Jare
wenigstens zwei kleine Komödien gegeben; kurze Anreden aber
oftmals von allen und vor allen gehalten. Im Französischen,
das in den höhren Klassen einer der Geistlichen des Hauses, in
den niederen ein weltlicher Sprachmeister aus der Stadt lehrte,
erlangten die Zöglinge grosse Gewandtheit und Fertigkeit und es
galt — wenigstens heim Tische erster Klasse —* die Hegel, an drei
Tagen der Woche die Konversation in französischer Sprache,
an drei in lateinischer zu führen, Ueberdiess war für Zeich-
nungs- und Musikunterricht treflich gesorgt.
d. Dieselbe Sorgfalt herrschte für körperliche Ent-
w i k e 1 u n g : Tanzunterrieht für alle, für die altern, mehr
gekräftigten war der Besuch der Reitschule, wie des Fechtbodens
gewährt. An Bewegung in freier Luft fehlte es an keinem
Tage, an Rekreationstägen fanden weitere Spaziergänge am
Vor- und Nachmittage statt, immer unter Aufsicht der Hof-
meister. -— Wie für Sauberkeit und Reinlichkeit gesorgt
war, mag man — um anderes zu übergehen — daraus erkennen,
dass die jüngern Zöglinge wöchentlich dreimal von einer eigenen
Frau (Kamp elfra u) gekämmt und am Kopfe gereinigt wurden.
e. In Hinsicht der Kleidung — sagt die, wahrschein-
lichunter dem ersten Regenten *) gedrukte Instruction — sollen
die Zöglinge »so viel möglich, alle Jar wenigstens ein neues
Kleid erhalten und zwar also, dass sie alle zu wechseln haben,
wesswegen ihnen der Leinenzeug öfters in der Wochen rein
j) Seite 22. Anmerkung 1. gab ich die Gründe an, die für die Namensform Gottseer
sprechen. Seither ward ich auf freundliche Weise auf eine im Jare 4687 zu Linz
gedrukte Brochüre aufmerksam gemacht, welche die philosophischen Säze ent-
hält , deren öffentliche Verteidigung »praeside Rever. Patre Martino Gottseer,
AA. LL. et Philosophiae Doctore ejusdemque Professore ordinario« zwei Professen
aus dem Stifte Wilhering auf sich genommen. Hiedurch ist jeder Zweifel über die
richtige Form des Namens des ersten Regenten beseitigt.
54
soll gegeben werden« *). — Der Anzug war anfänglich bei
allen vermutlich derselbe; in der Folgezeit, vorzüglich seit
der Lambergischen Stiftung mag sich eine Verschiedenheit
gebildet haben; wenigstens trit diese in der lezten Zeit be-
stimmt hervor; so z. P>. batten der ständische und die Lam-
bergischen Zöglinge einen französich - blauen Uniform - Rok,
Westen und Beinkleider pompadur — oder carmoisin-färbig
mit leichten silbern Börteln, Diese Uniform bekamen sie um
Weihnachten. Alle zwei Jare erhielten sie auch eine Sommer-
weste und Beinkleider von Barcan in pompadur: oder car-
moisin Farbe. Der Hut war glatt mit einer silbernen Schlinge;
die 'Uniform - Strümpfe waren weiss, von feiner Baumwolle,
sächsische genannt. Alle drei Jare erhielten sie einen tücher-
nen Uniform - Mantel von grauer Farbe mit Börteln eingefasst.
— Die nordischen hatten eine silberfarbige Uniform, die sie
gleich den lambergischen um Weihnachten bekamen.
f. Dass zwei Klassen von Tischen bestanden, ward
bereits erwähnt. Beim Tische erster Klasse speisten — dem
lambergischen Stiftbriefe gemäss — der Regens und die lam-
bergischen Stiftlinge; dann der ständische, seit 5. Mai 1750
auch jene kaiserlichen, welche adelich waren und jene nor-
dischen, die gleichfalls dem Adelstande angehörten und jene
Kostknaben, für welche die Summe von 200 fl. järlich ent-
richtet wurde; alle andern Stiftlinge sammt den Kostknaben,
für welche 120 fl, bezalfc wurden, speisten am Tische zweiter
Klasse. Doch war für beide die Mahnung geltend: »Der Tisch
soll ihnen wie ehrlichen Kindern gebürt, mit guten Gerichten,
Suppen und wol gekocht versehen sein, Speis und Trank
ohne Klügeln und Magenmauth nach Art des Land vor der-
gleichen Kind, und nach Austragung einer jedwederen Stiftung.
Diessfalls soll wol gemerkt werden, dass dergleichen Kind all-
hier besser gehalten sei, als sie zu Haus bei ihren Eltern
d) Instruction. S. dß. g. d,
55
finden möchten, damit ein jedwederer Ursach habe, mit Freud
in die Stiftung aufgenommen zu werden« *).
4. Die nordischen Stiftungen seit der Auflösung des
Kollegiums bis zum heutigen Tage*
Am oben erwähnten Tage des Jares 1787 wurde das
nordische Kollegium aufgelöst, die Stiftungen in Hand-
stipendien umgestaltet, und als solche verliehen — gegen den
ausgesprochenen Willen der Stifter, welche die Erziehung der
Zöglinge in Konvikten und Seminarien gewollt. Diesen Willen
heilig achtend wollte Kaiser Franz die ehemals bestandenen
Erziehungs - Häuser wieder herstellen, wo das nicht angieng,
andere substituiren und dahin alle Stiftungen, bei denen die
Stiftbriefe auf die Erziehung in Konvikten und Seminarien be-
stimmt lauteten, verwenden. — Da, was Oberösterreich
betrift, der Orden, welcher ehemals das nordische Kollegium
geleitet, aufgehoben, das Gebäude dieser Stiftungen in Privat-
hände übergegangen war, erging im Frühjare 1803 an den dama-
ligen Abt von Kremsmünster, Wolfgang Leuthner,
von Seite der Regierung der Antrag der Errichtung eines
Konviktes. Der Antrag wurde angenommen , die nötigen Bauten
geführt, das Konvikt am 1. November 1804 wirklich eröfnet,
und ausser den nordischen und vereinigten Seminar-
stiftungen einige andere, auf die wir ein anderesmal zurük-
kommen, dahin überwiesen , unter welchen Verhältnissen und
Modalitäten, Veränderungen und Wandlungen durch die in der
Folge eintretenden Finanzmassregeln veranlasst, ist von andern 1 2)
so genau und" erschöpfend dargestellt worden, dass wir füglich
darauf verweisen dürfen. Nur das wollen wir hier erwähnen,
1) Instruction. S. 17. §. 5—4.
2) Das k. k. Konvikt zu Kremsmünster und seine Stiftungen von Karl Aug. Rei-
ch enbach. Linz 4842. Das Wirken der Benediktiner-Abtei Kremsmünster für
Wissenschaft, Kunst und Jugendbildung von Th. Hagn. Linz 4848.
56
dass jene vier Stiftungen, die ausdrüklich für die nordischen
Länder: Schweden, Dänemark, Norwegen lauteten, immer
nordischen Jünglingen zu verleihen und die Interkalar-Beträ ge
wieder zur Vermehrung der Stiftpläze für die nordischen Na-
tionen zu verwenden waren (10. April 1804), ja es ward in
Hinsicht dieser vier Pläze die Begünstigung ausgesprochen,
dass , weil in Krems m ii n s t e r eine normale Haupt-
schule bestand, Knaben zwischen sieben und acht Jaren
angenommen werden konnten, doch sollte jenen, die in der
deutschen Sprache den meisten Fortgang gemacht hätten der
Vorzug gegeben werden; auch ward zur Bestreitung der Reise-
kosten für jeden Zögling ein Betrag von 150 fl. ausgemittelt,
der von den Ueberschüssen der nordischen Stiftung zu erheben
war (3. Decemb. 1804),
Seit 1. Novemb. 1804 waren also die sogenannten nor-
dischen und vereinigten Seminar-Stiftlinge —
dem Willen der Stifter entsprechend — wieder in einem
geistlichen Erziehungshause geborgen und verweilten daselbst
vier und vierzig Jare. Gross ist die Anzal derer, die in diesem
Zeiträume hier ihre religiöse, sittliche und intellectuelle Ent-
wiklung und wissenschaftliche Bildung erhielten. Gerne bliken
diese, wenn gleich in die verschiedenartigsten Kreise und
Lebensverhältnisse hingestellt, auch jezt noch auf die hier
verlebten Jare zurük und erkennen mit ihren Eltern dankbaren
Sinnes an, was ihnen diese Anstalt geworden. Um so grösser
war die Teilnahme, um so gerechter der Schmerz als die
wilden Meereswogen, welche das Jar 1848 aufgewült hatte,
in ihren äussersten Brandungen auch in dieser stillen, fernen
Bucht sich fühl har machten. Es wurden ja bereits die Mängel,
die in dem einen oder andern Konvikte geherrscht haben
mochten, allen zugeschrieben, leidenschaftlich vergrössert und
gierig ausgebeutet; ihre Aufhebung am Reichstage in Anregung
gebracht; in manchen Provinzen noch im selben Jare einge-
leitet, und die Verwendung der Stiftungseinkünfte zu Hand-
57
Stipendien wirklich in Vollzug gesezt. •—An die ob der en-
sisclie Regierung ergieng daher 28. Juli 1848 die Auffor-
derung: einen gutachtlichen Bericht zu erstatten, ob mit Rüksicht
auf den jezt unter den Studierenden herrschenden Geist und
auf die sonstigen obwaltenden Verhältnisse dem Konvikte zu
Kremsmünster forthin die dort genossenen Stiftungen zu
belassen seien? Die Landesstelle antwortete 28. August mit
edlem Freimute und suchte die sittliche Ueberzeugung, die sie
durch genaue Kcnntniss sich eigen gemacht, zur Geltung zu
bringen. Sie leugnete nicht, dass die Umwandlung der be-
zeichneten Konviktspläze in Handstipendien an und für sich
um so weniger einem Anstande unterliege, als das Konvikt
in der gegenwärtigen Gestaltung erst 1804 ins Leben gerufen
wurde, und die Konviktspläze-Dotationen längere Zeit hindurch
schon Handstipendien gewesen wären. Die Beantwortung der
Frage aber, ob das K o n v i k t zu K r em smüns te r au f-
zulösen, ob ihm die dort genossenen Stiftungen zu belassen
seien, hänge von der Prinzipienfrage ab : Ob die Staatsverwal-
tung die Jugenderziehung überhaupt aus den Händen der katho-
lischen Geistlichkeit in der Art nehmen wolle, dass selbe mit
Ausnahme der Erteilung des katholischen Religionsunterrichtes
von jedem Einflüsse auf dieselbe zu entfernen sei oder nicht?
Mit der Annahme dieses Grundsazes falle notwendig das
Institut und könne weder als öffentliches noch als Privat-
institut fürder gestattet werden. — Werde aber mit Beseitigung
dieses Ausschliessungsgrundsazes dem Prinzipe der Lehr- und
Lernfreiheit gehuldigt, und somit der Geistlichkeit gestattet,
sich an der Jugenderziehung ferners freiwillig zu beteiligen, so
stelle sich die Auflösung des Konviktes zu Kremsmünster
durchaus nicht als notwendig dar. Die wiederholte, eindrin-
gendste Untersuchung desselben gewährte die Ueberzeugung,
dass diese Anstalt in dem allgemeinen Rufe der
Sittenreinheit der Zöglinge stehe. — Zur Unter-
stüzung dieser Ansicht legte die Landesstelle gleichzeitig das
58
Gesuch von 14 Familienvätern bei, die um Belassung dieser
Anstalt baten und schloss mit dem Anträge, dass aus der
Leitung, dem Geiste, und der Tendenz dieser Anstalt die
Notwendigkeit ihrer Auflösung nicht fliesse; dass bei deren
Bestände auch die von der Staatsverwaltung dotirten Stiftungen ge-
nossen werden können, dass wenn eine Ausnahme von der allge-
meinen Aufhebung der Konvikte zulässig ist, diese Anstalt durch
ihre moralische, geistige und zeitentsprechende
Jugendbildung derselben würdig sei (28. Aug. 1848).
Schon nach wenigen Tagen erfolgte vom damaligen
Unterrichts - Ministerium die Erledigung: dem Stifte Krems-
münster bleibt es unbenommen, fernerhin ein Konvikt zu
halten, aber von Zuweisung von Stiftungen an dasselbe hat
es abzukommen. Die bisherigen Stiftlinge haben Handstipendien
von 250 fl. C. M. järlich zu erhalten. Den Eltern dieser Stift-
linge stehe es übrigens frei, diese irgend einer Erziehungs-
anstalt anzuvertrauen, womit die Besorgnis mehrer Familien-
väter, die um Aufrechthaltung des Konvikts zu Krems-
münster angesucht, behoben wäre (6. September 1848).
Hiemit war das Konvikt zu Kremsmünster in der Gestalt,
wie es 1804 zu Stande kam, aufgehoben. Die nordischen
und vereinten Seminar-Stiftungen giengen wieder
in Handstipendien über. Wol konnte das Unterrichtsministerium
des folgenden Jares das Geschehene nicht ungeschehen machen,
doch stellte es für die Umstaltung der Stiftungen in Hand-
stipendien solche Grundsäze auf, dass das Eigentum und die
Rechte einer jeden Stiftung gewissenhaft gewahrt blieben.
Dahin gehört vor Allem, dass von nun an jede Stiftung ab-
gesondert verwaltet, verrechnet und die Ueberschüsse zu den
eigenen Zweken jeder einzelnen Stiftung verwendet werden
mussten. Hiemit hatte die durch traurige Zeitereignisse herbei-
geführte Kumulirung der Stiftungspläze ein Ende. — Zwek-
mässig war die Bemessung der Handstipendien nach Stufen:
War die notwendige Bedekung vorhanden, wurde in höheren
59
Stadien das järliche Stipendium auf 300 fl,; in den acht Gymnasial-
Klassen auf 200 fl. C. M. festgesezt: die Zeit des Genusses aber
genau durch die Bestimmung der Stiftungsurkunden geregelt. —
Nur in Hinsicht der vier nordischen Stiftungen
im engeren Sinne traten Abänderungen des Ministerial-
Erlasses vom 6. September 1848 ein. So wurde dieser, zu
Folge einer Anordnung vom 8. Julius 1851, aufgehoben und
die von jezt an neu ernannten nordischen Stiftlinge wurden
wieder wie vor dem Jare 1848 im Konvikte zu Krems-
münster' erhalten, Seit 28. Mai 1858 ist auch diess abge-
ändert und der Kaiser genehmigte die Bitte des apostolischen
Vikars zu Stokholm, dass die järlichen Beträge der vier
Stiflungspläze, wie sie nach und nach erledigt würden, auf
sechs Jare jenem zur Verfügung gestellt werden sollten.
Der Stand der von uns besprochenen Stiftungen ist den Be-
stimmungen der Stiftungsurkunden gemäss, gegenwärtig folgender:
Name der Stiftungen in chronologischer Folge. Anzal der Plaze. Jarlicher Ertrag eines Plazes. fl. öst. Währ.
A. Vereinigte Seminar-Stiftung 16. 210-315
B, Nordische:
1. Joseph’s I. 2. 210
2. Conr. v, Starhemberg’sche 1. 210-315
3. Ständisch-Nordische 1. 210-315
4. Hoch- und Deutschmeisterische 1. 210-315
5. Karl’s VI. 1. 210-315
6. Eichstädt’sche * 1. 210-315
7. Würzburgische * 1. 210-315
8. Churfürstlich-Pfälzische * 2. 358 fl. 76 3/4
9. Cardinal Lambergische 7. 210
10. Ehrmannische 1. 210-315
11. Christanische 4. 1 210-315
60
Werfen wir noch einen flüchtigen Blik auf die besprochenen
zwei Anstalten zurük, so gewahren wir, dass sie von ihrem
Entstehen an bis zum heutigen Tage fast gleiche Schiksale
hatten. Durch christliche Wolthätigkeit ins Leben gerufen,
begannen sie mit ziemlich schwachen Kräften und fristeten
anfänglich unter demselben Dache geborgen nur kümmerlich
ihr Dasein , freudige Opferwilligkeit gewährte reichliche Unter-
stüzung; so schlugen sie tiefer und fester die Wurzeln, ge-
langten zu Kraft und Stärke und trugen als edle Frucht-
bäume "herrliche Früchte, die der Kirche, dem Staate, der
Wissenschaft zum Segen gereichten. Aber die Ansichten wurden
andere, eine feindselige StrÖmmung schlug an ihren festen
Standort, die Zeitenstürme haben sie nicht nur entlaubt, son-
dern auch tief herab geknikt; nur die Wurzeln behielten,
wenn gleich verlezt und geschädigt, noch Leben und Triebkraft.
Werden sie, wo sich die Stürme gelegt, wieder wachsen
und gedeihen ? Wieder jene Gestalt gewinnen und jene Früchte
spenden, welche die Stifter in ihrer edlen Gesinnung wollten
und hoften ? Das sind Wünsche in Fragen eingekleidet, die
jeder Nachdenkende und Wolgesinnte hegt, der durch die
Geschichte und die Erfahrung belehrt, weiss, einerseits wie die
durch Frömmigkeit, durch sittlichen Ernst und Charaktertüch-
tigkeit hervorragendsten Männer, solchen Anstalten alles ver-
dankten, was sie geworden; andererseits wie erregbar, wie
leicht verführbar die Jugend ist; wie sehr sie gerade in unsern
Tagen des Schuzes, der wolwollenden Aufsicht und der fried-
lichen Leitung bedarf um im Gewüle der Menge, bei der von
allen Seiten sich darbietenden Verlokung« nicht Steuer und
Kompass zu verlieren!« —
Zur Geschichte
milder Stiftungen
im
Lande ob der Ens.
4*
Von
Joseph Gaisberger.
II. Lieferung :
Ehmalige Waisen-Anstalten in Linz.
Mus. Jahr. Ber. XX.
1
Vorwort
Treu dem Versprechen, dasjenige, was unsere christlich-
gesinnten Vorfahren zum Tröste der Betrübten, zum Heile der
Kranken, zum Schuze und zur Zuflucht für Arme und Ver-
lassene in nie ruhender Wolthätigkeit in unserm Lande ge-
opfert, gestiftet und gegründet haben, den gegenwärtig Leben-
den ins Gedächtnis zu rufen und nach und nach vorzuführen,
übergebe ich den Freunden der vaterländischen Geschichte und
vaterländischen Anstalten, die zweite Lieferung »zur Geschichte
milder Stiftungen im Lande ob der Ens.« Sie enthält in Kürze
die Geschichte der drei ehemaligen Waisenanstalten in Linz.
An ihrer Stiftung und Gründung beteiligten sich alle Stände
und Klassen in frommer Gesinnung; es galt ja einer guten,
einer schönen Sache: der Rettung, dem Schuze hilfloser
»Kleinen, deren Engel im Himmel immerfort das Angesicht des
himmlischen Vaters schauen, der nicht will, dass eines von
diesen Kleinen verloren gehe.«
Dass ich über diese segenbringenden Anstalten sicheres
und probehältiges mitteilen konnte, verdanke ich allein der
Huld Seiner Exzellenz, des k. k. Statthalters, des Herrn Baron
1*
4
Eduard v. Bach, welcher die Benüzung der Statthalterei-
Akten wieder gnädig mir gewährte; eine Gnade, welche mir auch
Zutritt zur Registratur des vereinigten Landes - Collegium, der
k. k. Staats-Buchhaltung und des Gemeinderates der Haupt-
stadt in jenen Fällen verschaffte, wo ich aus der ersten Quelle
schöpfend nicht zur klaren Vorstellung gelangen konnte. Dass
ich hiebei immer und von allen Seiten das bereitwilligste Ent-
gegenkommen erfuhr, erkenne ich mit dankerfülltem Herzen
an ; zu ganz besonderem Danke bin ich aber dem k. k. Ad-
junkten der Statthalterei-Registratur, Herrn Franz Razen-
berger verpflichtet, der mir bei den mancherlei Anfragen, die
zu stellen, bei den vielen Erhebungen, die zu machen waren,
immer mit der grössten Bereitwilligkeit und Freundlichkeit be-
hilflich war.
St. Florian, am 4. Junius 1860.
Der Verfasser.
Ehmalige Waisen-Anstalten in Linz.
/. Waisenhäuser, fremd dem heidnischen Altertum y
schuf erst das Christentum.
Immer ruft in der fühlenden Menschenbrust der Anblik
des verwaiseten Kindes warme Teilnahme und inniges
Mitleid hervor. Das zarte, edle Reis steht losgerissen von dem
Mutterstamme, hilflos, ohne Schuz, preisgegeben den wilden
Stürmen und den sengenden Stralen der Sonne, in steter Ge-
fahr, dass die schönen Keime, die so vieles versprochen, un-
entwikelt verkümmern und gänzlich ersterben. Darum haben
auch — ohne einen tieferen Grund zu kennen — bloss von
einem schönen menschenfreundlichen Zuge geleitet, schon im
heidnischen Altertume die gebildetsten Völker in ihrer Gesez-
gebung den Waisen eine besondere Aufmerksamkeit zuge-
wendet. — ln Athen standen — vielleicht nach solonisehern
Vorgänge — die verwaiseten Kinder unter der wachsamen
Obhut des ersten Archon, der gewissermassen als Obervor-
mund nicht nur ihren Unterhalt und ihre Erziehung überwachte
sondern auch jede leichtere Beleidigung oder Verlezung dersel-
ben durch eine Geldstrafe ahnden, bei schwerem, den Belei-
diger vor ein Volksgericht belangen konnte. Noch grösserer
Sorgfalt erfreuten sich jene Kinder, deren Väter im Kampfe
für das Vaterland den Tod gefunden. Sie waren der Aufsicht
des dritten Archon anvertraut; auf Kosten des Staates wurde
6
für ihre Erziehung und Heranbildung Sorge, getragen. Waren
die Söhne zur Volljährigkeit gelangt, .wurden sie auch noch
mit einer vollständigen Waffenrüstung ausgestattet. — Aehn-
liches verfügten auch die römischen Geseze über Vor-
mundschaft (tutela) schon zur Zeit der Republik.
Noch weiter giengcn in dieser Sorgfalt einige der römischen
Kaiser. Der edle Greis, Coccej u s Nerva suchte die Wunden,
die sein Vorgänger geschlagen , wie er nur konnte, zu heilen.
Nur kurze Zeit herrschend, dehnte er doch seine Sorgfalt auf
jene Kinder aus, welche durch Domitian’s Grausamkeit zu
Waisen geworden waren. Sein Adoptiv - Sohn, Trajan seztc
das Begonnene mit freigebiger Grossmut fort und machte die
nur zeitweiligen und gelegenheitliehen Spendungen an die armen
und verwaiseten Kinder (pueri ac puellae Ulpiani) zu monatlichen.
In welchem Masstabe sich diese Grossmut äusserte, zeigt am
deutlichsten jene Stiftung, welche ihm Velleja unweit P 1 a-
centia zu verdanken hatte, die, schon sehr bedeutend von
seinem Nachfolger Hadrian noch vergrössert wurde.
In dieselben Fusstapfen traten der väterlich gesinnte An-
toninus Pius und der wissenschaftlich gebildete Marcus
Aurelius; sie nahmen sich besonders der verwaiseten Mäd-
chen sorgfältig an und nannten sie zu Ehren ihrer Gemahnen,
»Pflegetöchter d er Fau s t in en« (puellae a Urnen-
tariae Fau s ti n i ana e , novae puellae Faustinianae)
auch scheint es, dass sie gleich den Vorgängern, den Knaben
bis zum achtzehnten, den Mädchen bis zum vierzehnten Lebens-
jare die ausgeworfene Unterstützung verabreicht haben. Auch
der sittlich-strenge Severus Alexander liess diese Anstalt,
die der Verschwender Gommodus aufgehoben, wieder auf-
leben und die so unterslüzten Kinder um das Andenken an
seine Mutter Mamma ea, die Freundin des Origen es, zu
verewigen , nach ihr benennen (p u eri et puellae Marn-
mae a ni).
7
Diess waren ehrenvolle aber vorübergehende Erscheinun-
gen und ruhten auf keiner sicheren Grundlage. »Die Heiden
erkennen wol, bemerkt Lactantius, dass es der Natur nach
billig sei, denen beizustehen, die des Schuzes und Beistandes
bedürftig sind, aber sie sehen es nicht ein, warum sie es
thun sollten?« *)
Einen hohem Beweggrund bot erst das Christentum
dar, aus dessen innerstem Wesen sich allmälig eine reiche
Fülle der wolthätigsten Anstalten, die dem Heidentume fremd
waren, herangebildet hat.. Schon das an die Spize gestellte
Gebot des Heilandes: »Liebe Gott über Alles, deinen Nächsten
wie dich selbst« und die Versicherung: »Was ihr einem der
Geringsten aus meinen Brüdern gethan , das habt ihr mir ge«*
than, und wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt,
der nimmt mich auf« * 2) stellte jedem Christen auch die ver-
lassene Waise in einem hohem Lichte dar, als Gottes
Ebenbild, als Kind des ewigen Vaters, als Miterben Christi.
Nach dem Vorbilde des göttlichen Heilandes, der nur Wol-
thaten und Segen spendend unter den Menschen gewan-
delt , beeilten' sich daher die Glieder der ersten christlichen
Gemeinde zu Jerusalem, mit ihrer Habe den Hilfsbedürfti-
gen jedweder Art beizustehen. »Sie verkauften was sie ent-
behren konnten und brachten den Werth und legten ihn zu
den Füssen der Apostel nieder, damit davon jedem zugeteilt
würde, je nachdem er bedurfte.« 3) Dass eben diese Mildthätig-
keit auch in dem nächsten Jarhunderte in derselben Weise
geübt wurde, ersehen wir aus der Schilderung eines unter-
richteten Augenzeugen. »Jeder (der Christen) bringt freiwillig
einen mässigen Beitrag, Gaben der Liebe; sie werden ver-
*) Illi sentiunt quidem, natura justum esse tueri eos, qui tutelä carent,
sed cur ita sit, non perspiciunt. Lactant. lib. VI. div. Inst. c. 12.
2) Matth. 25 , 40. 18, 5.
3) Apostelgesch. IV. 34- — 35.
8
wendet zur Nahrung der Armen, zum Unterhalt dürftiger und
verwaiseter Knaben und Mädchen oder schwacher Greise oder
solcher, die in Banden liegend der Sache Gottes wegen leiden.« *)
Und das geschah in den Jarhunderten, in denen noch
die blutigsten Verfolgungen gegen die Bekenner des Christen-
tums wüteten. Kaum waren diese geendet, und durch das
Mailänder Edikt Constantin’s des Grossen den Christen
nicht bloss Duldung sondern freie Uebung ihrer Beligion ge-
währt, und der Kirche Schenkungen und Vermächtnisse anzu-
nehmen gestattet, konnte sich die freudige Opferwilligkeit un-
gehindert entfalten und hat sich in reichem Masse wirklich
entfaltet. Die Kirche war es, die von der Stunde an, wo das
zarte Kind von der irdischen Mutterbrust hinweg an die Brust
der Religion getragen wird, es als ihr anvertraut betrachtete
und sich desselben in allen Stadien des Lebens, in allen Nöten
und Leiden gleich einer liebenden Mutter unermüdet annahm.
Erfüllt von dieser Gesinnung bewiesen die Vorsteher der Kirche
eine Hingebung , der auch die Heiden ilTre Bewunderung nicht
versagen konnten. Sie unterzogen sich — ausser den Ver-
richtungen ihres Amtes — auch der Handarbeit, um hiedurch
so viel zu verdienen , dass sie die Einkünfte ihrer Pfründe den
Armen, Kranken, Bedrängten zuwenden konnten; ja Augu-
stin, der heilige, liess, nachdem er die Einkünfte seiner
Kirche für die Armen und Notleidenden ganz erschöpft hatte,
sogar die Gefässe des Herrn wegen der Gefangenen und we-
gen sehr vieler Armen zerbrechen und einsehmelzen und daraus
Vergabungen an die Armen machen.
Durch diese nie ruhende Sorgfalt der Kirche und ihrer
Vorsteher traten sehr bald dauernde öffentliche Anstalten für
*) Modicam unusquisque stipem — confert. Haec quasi deposita pie-
tatis sunt. Inde dispensatur egenis alendis et pueris ac puellis re ae
parentibus destitutis, jamque aetate domitis senib'us, Ter tu 11.
Apolog. cap. 39.
9
Arme, Kranke, Verlassene und verwaisete Kinder
an mehreren Orten ins Dasein. Eine der ersten und vorzüg-
lichsten war die vom h. Basilius zu Caesarea in Cappa-
docien gegründete und vom Kaiser Valens und andern
wolhabenden Christen reichlich beschenkte Anstalt, in der die
Kranken Heilung, die Altersschwachen sorgsame Pflege, die
armen verlassenen Kinder Erziehung und Unterricht genossen.
Sie hatte in Verbindung mit den für die Wärter, Lehrer und
Aerzte bestimmten Häusern und notwendigen Gebäuden eine
solche Ausdehnung, dass sie einer kleinen Stadt glich und ge-
wöhnlich auch die Neustadt oder zu Ehren des Gründers
Basilias genannt wurde. Der h. Gregor von Nazianz,
der vertraute Freund des Stifters, welcher sie unter die Welt-
wunder zälte , hat eben darin eine seiner schönsten Reden und
zwar über die Pflege der Kranken gehalten. 1) Auch an-
dere Kirchenvorsteher eilten nach Caesarea um diese herr-
liche Anstalt kennen zu lernen und nach dem Vorbilde des
Gründers in ihren Sprengeln ähnliche zu errichten und bald
gab es keine der Hauptstädte , ohne solche wolthätige Anstalt.
Diesen Bestrebungen der Kirchenvorsteher kam häufig die
Unterstüzung der Laien entgegen; sie spendeten was sie konn-
ten, und freuten sich dieser christlichen Pflicht. Der Geist des
thätigen Christentums drang in die Gesezgebung ein ; er wurde
durch diese gefördert, fromme Vermächtnisse erleichtert und die
Bischöfe aufgefordert, sorgfältig darüber zu wachen dass die Wil-
lensmeinung der Verstorbenen keine Verzögerung erleide, im
Gegentheile der Bau der Kirchen, der Spitäler, der
Kranken- und Waisenhäuser, Loskaufung der Ge-
fangenen oder überhaupt jede fromme Anordnung so bald
wie möglich in Vollzug gesetzt werde. * 2) ln gleicher Ge-
*) U11 m a n n , Gregor von Nazianz. S. 140,
2) God. Justin, i, Tit. III 46
10
sinnung verordnete und handelte Karl der Grosse. In der
fast ununterbrochenen Kette von Kriegen vergass er der Armen,
Bedrängten, Hilfebedürftigen nicht; die warme, christliche Sorg-
falt für diese spricht aus vielen gesezlichen Anordnungen (Ca-
pitularien) , welche er bei verschiedenen Gelegenheiten erliess.
»Wittwen und Waisen sollen, so heisst es in einem vom
Jare 782, einen Vormund haben , weigert sich dessen Jemand,
so soll der Richter einen gottesfürchtigen Menschen
dazu ausersehen..« ■— In einem andern vom Jare 797 werden
die Kirchen , Wittwen und Waisen und die Mindermächtigen
unter den Schuz des Königs wie unter den Gottes selbst ge-
stellt; '>sie sollen ruhigen und rechten Frieden haben;« ja er
befahl seinen Grafen die Rechtshändel der Unmündigen
und Waisen beim Gerichte vor allen andern vorzunehmen;
ein Befehl, der von seinem Sohne und Nachfolger, Ludwig
dem Frommen nicht nur von neuem eingeschärft, sondern
auch näher bestimmt wurde. Die Prozesse und Klagen der
Armen sollen noch vor Mittag untersucht werden und die
Rechtshändel des Königs und der Kirche und der Grossen erst
am Nachmittage, weil Wittwen, Waisen und Arme keinen
Unterhalt haben um zu warten bis man an ihre Sache kommt. *)
Was durch diese gesezlichen Anordnungen zum Schuze
der Wittwen , Waisen und Bedrängten eingeschärft war, wurde
einem ganzen, im Mittelalter sehr einflussreichen Stande und
vorzüglichen Träger und Pfleger der Bildung und Gesittung,
dem Ritter stände zu einer der heiligsten Pflichten ge-
macht. An dem lang ersehnten Tage, an dem der Jüngling
den Ritterschlag erhielt, legte er an den Stufen des Altars
knieend, unter einem feierlichen Eide das Gelübde ab: »die
Wahrheit zu reden, das Recht zu behaupten, die Religion sammt
ihren Dienern und Häusern, alle Schwache und Unvermögende,
alle Wittwen und Waisen zu beschirmen , die unterdrükte
*) Historisch-polit. Blatter I 406.
11
Unschuld zu retten, keinen Schimpf gegen edle Frauen und
Jungfrauen zu dulden und die Ungläubigen zu bekriegen.«
Erst nach diesen feierlich ausgesprochenen Worten und
übernommenen Pflichten wurde er mit den Waffen ausgerüstet
ö
und im Namen des h. Erzengels Michael und des h. Ritters
Georg durch drei flache Schwertschläge auf Hals und Schul-
ter zum Ritter geschlagen.
Während so die Kirche und ihre Vorsteher sich der Ge-
drängten überhaupt, der verlassenen Waisen insbesondere
mit väterlicher Liebe annahmen , über ihren Unterhalt, ihre
Erziehung und Unterweisung sorgfältig wachten und der christ-
liche Staat in seinen Anordnungen , Gesezen und Einrichtungen
dieselbe Richtschnur befolgte und alles förderte, was die Ver-
lassenen schirmen , zu nüzlichen Gliedern der Gesellschaft ma-
chen und ihnen Trost und Beruhigung für (Jas ganze Leben
gewähren konnte; durchdrang derselbe Geist der christlichen
Teilnahme alle Stände, Gemeinden, Familien und Individuen.
In der vaterlosen Waise erblikte der Hohe wie der Niedere,
die ganze Korporation wie der Einzelne das. Kind des ewigen
Vaters ; er vernahm in seinem Innern wieder den Ruf des Er-
lösers: »Wer ein solches Kind in meinem Namen aufnimmt,
der nimmt mich auf« — und gab und opferte gerne; viel, wen
die Vorsehung mit irdischen Gütern gesegnet, wenig, aber mit
innerer Freudigkeit, wem wenig verliehen ward. Nicht selten
erklärten Eltern , denen Kinder versagt oder durch frühzeitigen
Tod entrissen waren, die Waisen zu Erben all* ihrer Güter.
So mehrte sich durch freiwillige Gaben das Gut ; der Segen
des Himmels ruhte auf diesen gottesfreudigen Opfern und bot
die Möglichkeit, selbst in kleineren Städten und Orten bleibende,
dauernde Anstalten für verlassene, verwaisete Kinder, Wai-
senhäuser, 0 r p h a n o t r o p h i e n zu gründen , die gleich
edlen Fruchtbäumen, deren kühlender Schatten, deren süsse
Früchte auch dann noch erquiken , wenn ihre Pflanzer schon
lange vermodert sind, ihre Segnungen den fernsten Geschlech-
12
tern spenden und ihnen die heilige Pflicht auflegen , bisweilen
einen dankbaren Rükblik auf jene zu werfen, welche in christ-
licher Gesinnung sie grossmütig gestiftet. Um dieser Pflicht zu
genügen, wollen wir in einem flüchtigen Umrisse die Geschichte
und Wandlung jener Waisen - Anstalten anführen, die im Ver-
laufe des vorigen Jarhunderts in der Hauptstadt unseres Lan-
des gestiftet, noch jezt in veränderter Gestalt fortleben.
//. Kellerisches Waisenhaus.
1. Hauptstiftung.
Johann Heinrich Keller im Kanton Zürich, wo
noch heute dieser Familien-Name blühet, unfern der Haupt-
stadt von armen Eltern geboren, musste durch der Hände Ar-
beit und in der Fremde sein Fortkommen suchen. Die Vor-
sehung , welche die Gemüter und Geschike der Menschen gleich
Wasserbächen leitet, führte ihn — den in der Lehre Calvins
erzogenen — in die Hauptstadt des Christentums, nach Rom.
Wie so viele Gott wahrhaft suchende Gemüter fand auch er in
den trokenen starren Formen des calvinischen Cultus keine innere
Befriedigung. Anderes erfuhr er in Rom. Die Feierlichkeit des
katholischen Gottesdienstes hob seine Stimmung, die wunder-
lieblichen Töne des Gesangs drangen tief zum Herzen, beflü-
gelten seine Andacht und erfüllten Sinn und Gemüt mit einer
innern Seligkeit und Heiterkeit, die er früher niemals gefühlt,
niemals empfunden. Dieser Kundgebung der göttlichen Gnade
folgend , trat er in den Schoos der katholischen Kirche zurük.
Still und arbeitsam bei seinem Gewerbe — er war Klei-
dermacher — redlich und treu in seinem Thun und Lassen
wurde er der Königin von Schweden, Christine, die
bald nach ihrer Thronentsagung gleichfalls zur katholischen
Kirche übergetreten und zu dauerndem Aufenthalte nach Rom
13
gekommen war , als verlässlicher Diener bestens empfolen und
in ihre Dienste genommen. Als sich durch den Tod der Kö-
nigin diese dienstlichen Verhältnisse aufgelöst, verliess er Rom
und Italien und gelangte — ich kann nicht angeben durch
welche Vermittelung? — nach Linz, wo er sich als Schnei-
dermeister bleibend niederliess. Fleiss und Sparsamkeit, Red-
lichkeit und unverbrüchliche Treue begleiteten ihn auch hieher,
erwarben ihm Zugang und Vertrauen und hiedurch allgemach
einen Wolstand , ein Vermögen, das in jenen Zeiten und für
seine Verhältnisse als namhaft erschien. — Rereits zu hohem
Alter gelangt, »begab er sich seiner Handtierung und bürger-
lichen Facultäten und verdingte sich, um dem Heil seiner Seele
abzuwarten, in die Kost zu den Minoriten hier.«
Sich dem Tode, nahe glaubend, verfasste er 10. Oktober
1713 sein Testament und sezte seine zalreichen Anverwand-
ten, welche in Zürich, Heidelberg und Mühlhausen
zertreut lebten, zu Universal - Erben ein unter der Bedingung
jedoch, dass sie die genannten Orte verlassen , den katholi-
schen Glauben annehmen und in Linz sich niederlassen.
Wiederholter Einladung und mehrmaliger Aufforderung
folgte keine Antwort. Nach langer Zögerung erschien endlich
ein einziger Anverwandter, aber — fast wie zum Hohne ge-
sendet — ein Blödsinniger. Keller nahm daher durch ein
Godicill vom 19. Jänner 1715, in seinem Testamente eine Ver-
änderung vor, er vermachte seinen Anverwandten 5000 fl. als
Legat und sezte verwaisete Kinder, so viele deren aus
dem übrigen Vermögen erhalten werden könnten , als Universal-
erben ein. — Der Rest des Vermögens, der nach Abzug aller
Legate übrig blieb — 22,000 fl. — bildete den Anfang und
Grundstein des neuen Waisenstiftes.
Zu Testaments - Executoren ernannte er, als er achtzig
Jare alt, am 28. März 1716 starb, seine vertrautesten Freunde
und Mitbürger: Wilhelm Lindner und Peter Egg,
Schlossermeister, die bald nach dem Hintrite des Stifters, das
14
zu dem erwähnten Institute bequem gelegene, mit einer Kapelle
und gestiftetem Benefiziate versehene F ü r t e n b e r g i s c h e
Maus in der Vorstadt z u Linz *) erkauften, es einfach
einrichteten, nach und nach acht verwaisete Knaben aufnahmen,
mit Kost, Kleidung versahen und für Instruktoren und andere
notwendige Personen Sorge trugen. — Erst nachdem diese ein-
leitenden Schritte geschehen , wendeten sich die genannten an
Kaiser Karl VI. mit der Bitte, »Dieser milden Stiftung seinen
landesfürstlichen Sch uz und Schirm angedeihen zu lassen.«
Der Kaiser sah in diesem Vorhaben nicht nur ein Gott
wolgefalliges Werk, sondern auch ein zwekmässiges Mittel, die
verlassenen Waisen sowohl zum eigenen als des gemeinen We-
sens Nuzen in den Studien und andern ihnen anständigen
Uebungen sorgfältig zu erziehen; er nährte auch aus gutem
Grunde die Hoffnung, es würden noch andere Wolthäter— »inson-
derheit einige vom Adel« — heitreten um dieses Stiftungswerk
zu vermehren und zu erweitern. Daher genehmigte er 11. Ju-
lius 1720 den überreichten Stiftungs-Entwurf, wie den um
7400 11. bewerkstelligten Kauf des Fürstenbergischen, mit einer
Kapelle und einem gestifteten Benefiziaten versehenen Hauses
und bestätigte die vom verstorbenen Stifter ernannten zwei
Exsecutoren in der ihnen anvertrauten Verwaltung — »Haus-
haltung und Verrechnung« mit dem Beisaze: «Wir versehen
Uns gegen dieselben gnädigst, sie werden lebenslang dabei nach
des Stifters Intention, solche Obsicht und Sorge tragen, wie
sie es vor Gott und Uns verantworten mögen.« — Zugleich
sezte der Landesfürst jene Bedingungen fest, die er für das
fröhliche Gedeihen der Anstalt für heilsam und notwendig hielt.
Die Oberaufsicht über diese übertrug er dem jewei-
ligen Landeshauptmanne im Lande ob der Ens — damals
Christoph Wilhelm Graf von T h ü r h e i m — an diesen
*) Fürstenbergisches Haus, im Anhänge.
15
gelangten auch die vorn Stadtrate zu machenden Vorschläge
des für die Anstalt notwendigen Personales: des Waisenvaters,
der Mutter, der Lehrmeister und insbesondere des nach dem
Tode der Exsecutoren für die Verwaltung und Verrechnung
aufzustellenden Verwalters. Dieser musste nicht blos Bürger ,
sondern auch mit eigenem Vermögen oder genügsamer Bürg-
schaft versehen sein und erhielt ausser der Wohnung »eine
gemessene Besoldung, doch ohne Kost und andere Naturalien.«
Er erstattete über die Stiftungs-Empfänge und Ausgaben vier-
teljärige Extrakte . nach Verlauf eines Jares aber und zwar vier
Wochen nach dem Sonntage s. s. Trinitatis die järliche Raittung
dem linzerischen Stadtrat, welcher sie aufzunehmen , zu prü-
fen , und vor der Erledigung dem Landeshauptmanne zur Re-
vision vorzulegen hatte.
Aehnliches wurde auch in Bezug jener Stiftungen fest-
gesetzt, die für diese Anstalt von andern unbürgerlichen Wol-
thätern in der Folge gemacht wurden; nur musste der Landes-
hauptmann , sobald ihm die järliche Raittung vorgelegt war,
eine oder mehrere Tagsazungen nach Erheischung der Notdurft
bestimmen und sie den Stiftern oder nach ihrem Hintritte ihren
Abkömmlingen — und was die Kellerischen Stiftungen betrifft
dem Stadtrate zum Beisize verkünden und selbst im Waisen-
hause bei der Raittungsjustifizirung erscheinen und den Vorsiz
führen — nur im Verhinderungsfälle hatte dies durch den
Landesanwalt zu geschehen.
Järlich war auch ein ordentliches Inventarium über alle
Mobilien und Immobilien, Kapitalien und Einkünfte in das Stif-
tungs - Archiv zu hinterlegen, zu welchem der Stadtrat den
einen, der Verwalter den andern Schlüssel verwahrte. —
Dem leztern lag auch besonders ob, von den Ersparnissen der
Geschenke und der Almosengelder das Gebäude des Waisen-
hauses nicht allein in besseren Stand zu sezen, sondern auch
zu vergrössern und nach der Vollendung, die Ersparnisse zu
16
kapitalisiren und die Interessen zur Vermehrung der Waisen
zu verwenden.
Das von Keller den beiden Exseeutoren eingeräumte Recht:
alternative die Kellerischen Zöglinge in die Anstalt aufzu-
nehmen, wurde ihnen auf ihre Lebenszeit vom Landesfürsten
bestätigt; nach ihrem Tode ging es an den Stadtrat über.
Zur Aufnahme eigneten sich bürgerliche oder bei
ihrem Abgänge auch unbürgerliche Linzerische Kin-
der, welche verwaiset, arm, am Leibe unmangelhaft,
sieben bis zehn Jare alt waren, um sie , nachdem sie zu einem
Handwerke oder einer Kunst tauglich oder bei besondern Fähig-
keiten — mit Vorwissen des Superintendenten zu den Studien
bis zur sechsten Schule verwendet worden wären, mit dem
sechzehnten Jare ausmustern zu können. — Beim Austrite erhielt
der Zögling noch ein neues Kleid und an Geld, nach den
jeweiligen Kräften der Kellerischen Stiftung.
2. Allmälig erfolgende Z u stiftun gen.
ln der erwähnten landesfürstlichen Bestätigungs-Urkunde
der Kellerischen Stiftung war auch für den Fall Vorsorge ge-
troffen , dass zu der Hauptstiftung die eine oder andere Zu-
stiftung hinzuträte.
Wie billig, blieb das Recht des Vorschlags zu
solchen Stellen den Stiftern und nach ihrem Tode ihren Ab-
kömmlingen gesichert; örst nach dem Erlöschen der stiftenden
Familie und wenn nicht etwas anderes bestimmt sein würde, gieng
das erwähnte Recht an den jeweiligen Landeshauptmann über,
immer aber mit der Beschränkung dass die Intention des Stif-
ters unverlezt gewahrt bleibe. — Das hiezu erforderliche
Kapital ward auf 1500 fl. angesezt; es wäre denn dass diese
Zustifter eine bessere Verpflegung ihrer Waisen wünschen und
desshalb eine grössere Geldsumme selbst aussezen würden. —
Um die genannte Summe konnten auch andere Zöglinge
17
(extranei) in dieses Waisenstift aufgenommen werden. Doch
waren diese wie jene — zur Vermeidung jeder UnzukÖmmlich-
keit und Unordnung, zur leichtern Handhabung der Zucht —
an die vorgezeichnete Verfassung und Einrichtung der Kelleri-
schen Stiftung in allen wesentlichen Beziehungen (in substcin-
tialibus) gebunden.
Auf welche Weise solchen Zustiftern gegenüber bei der
Rechnungslegung vorzugehen war, ist bereits erwähnt; daher
erübrigt nur noch nachzuweisen, von welchen Wolthätern
diese Zustiftungen und unter welchen Modalitäten sie nach und
nach gemacht worden sind ?
a) Maria R o s i n a von Zeppenfeld, geborne Gab-
ler vermachte in ihrer letztwilligen Anordnung, Linz 21. Juli
1722, kleinere Legate an das Bürgerspital, Bruderhaus,
an beide Siechenhäuser und an das Thonmüller-
Häusl; zur bessern Verpflegung der armen Kranken im La-
zareth 500 fl. Kapital, für die Armen 400 fl.; dann »ver-
schaffe ich zum Linze rischen Waisenhaus 0000 fl.
Kapital auf drei neue Waisenstellen; und noch besonders 1000 fl.,
vor welche die Waisen alle Freitag des ganzen Jares den
schmerzhaften Rosenkranz in der fürstlichen Kapellen zu Trost
meiner und meines Herrn sollen zu beten verbunden sein.
Diese 7000 fl. sollen bei gemeiner Stadt Linz angelegt werden.
Es ist aber auch mein Will und Meinung, dass wenn das arme
Haus künftig auch auf Mädln eingerichtet werden möchte, als-
dann zwei Stellen von obigen dreien mit zweien Mägdlen be-
sezt sollen werden.« Sie schliesst mit den Worten: »Ich seze
zum wahren Universal - Erben ein meinen liebsten Eheherrn Jo-
hann Eberhard v. Zeppenfeld in bestem Vertrauen,
der werde all obiges getreulich und zu meiner Seelentrost
schleunig vollziehen.«
b) Wenige Jare nachher folgte diesem Beispiele christ-
licher Mildthätigkeit der Gemal der Genannten: J ohann Eber-
hard v. Zeppenfeld, ständischer Landschreiber, der in
Mus. Jahr. Ber. XX. 2
18
seiner leztwilligen Anordnung vom 14. August 1726 gleichfalls
den Armen 300 fl. legirte; dann »lege ich zu der mit 1500 fl.
gestifteten Waisenstelle noch 500 fl. bei, weillen nach Ausweis
deren aufgenommenen Rechnungen die Verpflegung eines Kna-
ben ein Mehreres erfordert; nebst diesen verschaffe ich annoch
2000 fl. zur änderten z ep p e n f e 1 d’s ch en Waisen-
stelle, auf gleiche Weis und Ordnung wie die erste, dass
hiezu vor allen denen Kanzleiverwandten , sodann denen lan-
deshauptmannschaftlichen Amtsboten, und ferner deren Schloss-
vorstehern hinterlassenen armen Kinder nacheinander den Vor-
zug haben; in Ermanglung deren aber der Landshauptmann-
schaft andere bürgerliche oder unbürgerliche Waisen aufzuneh-
men bevorgelassen sein solle.« »Dann legire ich diesem
armen Haus 1000 fl. Kapital mit der Verbindlichkeit, dass
die sämmtliche Kinder alle Freitag den h. Rosenkranz öffentlich
vom Tag meines Hinscheidens zu immerwährenden Zeiten vor
mein und meiner Ehekonsortin wie auch deren Vorstehern und
Gutthätern verstorbene in Gott ruhende Seelen andächtig beten
sollen.« — Zu mehrseitiger Kennzeichnung dieses Mannes mag
auch noch angeführt werden, was er für seine Anverwandte,
deren grossmütiger Wolthäter er lange gewesen, bestimmte.
Seinen Neffen zu Münster vermachte er 3750 fl. »mein
Herr Rruder Theodor ist zwar von Gott dem Allmächtigen
so weit gesegnet dass er des meinigen nicht bedarf, zum brü-
derlichen Angedenken jedoch legire ich demselben das grosse
silberne Lavoir, meinen Ring, zwei Goldstük, auf deren einem
die Stadt Wien, dem andern aber die Stadt Münster ge-
prägt ist, item drei Stük Gemälde nach seiner Willkür, wie
auch meine Bücher und Schriftsachen, die nicht zur Landkanz-
lei gehörig sind.«
c) Bereits mehrere Jare vorher hatte Katharina Su-
sanna Hölbling, geborne Egger in ihrem Testamente,
Linz 4. April 1702 zur Auferziehung armer Waisenkinder eine
Stiftung auf 2000 fl. Kapital gemacht und hierüber die freie
19
Disposition und Einrichtung ihrem Geniale NikolausHölb-
1 i n g des innern Rats Bürger zu Linz überlassen. Dieser be-
stimmte in der Folge, dass sein Universal - Erbe auf zwei
Kinder, die im hiesigen Bürgerspitale unterhalten und
erzogen werden sollten , antragen und darüber das jus präsen-
tandi — anfänglich er selbst — und nach seinem Tode der
nächste Holblingische Verwandte von seines Herrn Vaters sei.
Linie haben, in deren Abgang aber solches auf einen löblichen
und wolweisen Magistrat der Stadt Linz verfallen solle. Das
zu diesem Behufe ins Waisenhaus gestiftete Kapital von 4000 fl.
war seit dem Linzerostermarkt 1731 auf der Herrschaft Parz
gegen 5% Verzinsung angelegt.
Der Genuss dieser Stiftung erstreckte sich für jene Kna-
ben, die einem Handwerke sich zuwendeten bis zum 15. Le-
bensjare; die den Studien bis zur Vollendung der Gymnasial-
studien. Um den mancherlei Bedürfnissen des Hauses auch
auf einer andern Seite zu begegnen, vermachte er demselben
noch zwei Stüke Leinwand »auf notwendiges Leingewand.«
d) Ein gleichgesinnter Anverwandte, Bernhard Leo-
pold Hölbling führte es teilnehmend zu Herzen, dass von
seinen Anverwandten auf ein weibliches Waisenkind keine
Rücksicht genommen worden; »darum ist mein ernstlicher Willen
und Meinung, — so lautete seine testamentarische Anordnung
vom 30. Mai 1727, — dass der Genuss von meinem dermalen
besizenden Haus, oder gesezt, das es verkauft werde, das In-
teresse davon dahin applicirt werden solle, ein oder zwei
Mädl von 10 oder 11 Jaren so lange davon zu unterhalten,
bis sie ihr Brod selbsten gewinnen und verdienen können.«
* Die Verwirklichung dieser Intention: eine Stiftung für
ein oder zwei Mädchen zu errichten , empfahl er ange-
legentlich seinem Universal - Erben und den Testamentsvollstre-
kern. Das erwähnte Haus wurde von diesen veräussert. Da
der erzielte Kaufschilling pr. 2400 fl. zum Unterhalt von zwei
Mädchen unzureichend erachtet wurde, ward er mit Genehmi-
2*
20
gung der Landeshauptmannschaft vom 6. Februar 1738 zum
Unterhalte eines Mädchens bestimmt, welches vom 10. oder
11. bis zum 15. vollendeten Jare im Genüsse bleiben konnte.
Da hinsichtlich der Vorschlags-Rechte weder vom Erb-
lasser noch von den Testaments - Exsekutoren irgend etwas be-
stimmt ward, überliess es der Magistrat in billiger Würdigung
der Umstände den nächsten Hölblingischen Anverwandten ohne
Unterschied der väterlichen oder mütterlichen Linie und behielt
es sich nur bei ihrem gänzlichen Erlöschen bevor.
e) Eine ähnliche Stiftung machte Sebastian Joseph
Geissler der über dreissig Jare Hofrichter des Stiftes St.
Florian gewesen. Er hatte bereits eine Summe bestimmt,
welche nach seinem Tode zum Unterhalte eines verwai-
seten Knaben im Kellerischen Waisenhause verwendet
werden sollte. Da durch die vom Stifte St. Florian ihm järlich
gewährte Unterztützung und durch andere Mittel seine Vermö-
gens-Verhältnisse eine solche Verbesserung gewonnen, dass
ohne empfindlichen Abbruch und Schmälerung der für seine
Person und seinen Stand erforderlichen Bedürfnisse die bean-
tragte Stiftung auf zwei Knaben einzurichten möglich war,
änderte er 19. Juli 1725 den frühem Entschluss in etwas ab,
»was massen dergleichen Stiftungen und gute Werke Gott dem
Allmächtigen desto angenehmer, folgsam dann auch zu eines
Stifters Seelenwolfahrt beförderlicher seind, wenn selbige noch
bei Lebzeiten werkstellig gemacht werden.« —
Auf die Erklärung des Landeshauptmannes, des Protek-
tors des Waisenhauses hin, gegen Erlag von 3500 fl. zwei
Knaben ins Haus aufnehmen und beständig unterhalten zu lassen,
versprach Geissler: die Summe zu erwähntem Waisenhause
schuldig zu sein und während seines Lebens mit 4% verzin-
sen zu wollen. Nach seinem Tode sollte diese Summe bei
seinen angelegten Kapitalien gesucht und beim Stifte St. Florian
oder von diesem anderswo sicher angelegt werden. — Das
Recht: die Knaben in Vorschlag zu bringen, behielt sich er
21
für sein Leben bevor; nach seinem Tode ging es an den je-
weiligen Propst zu St. Florian über. — Da er die erwähnte
Summe aus den so viele Jare genossenen Amtserträgnissen und
aus den vom Stifte ihm gewährten Emolumenten erspart, be-
stimmte er diese Stiftung auch florianischen Pupillen, deren
Eltern entweder mit Tod abgegangen oder wenn sie auch leb-
ten, doch so arm wären, dass sie ihren Kindern, »bis sie ihr
Stükl Brod selbst gewinnen können« nicht die nötigen Mittel
darbieten könnten , um sie ein anständiges Handwerk oder eine
andere ehrliche Handtierung erlernen zu lassen. —
Zur Aufnahme eigneten sich nach seinem Willen solche
Knaben, die das sechste Jahr erreicht, das zehnte nicht über-
schritten. Die Stiftung genossen jene, welche eine Kunst oder
ein Handwerk erlernten bis zum sechszehnten Jare, Studierende
»usque ad Rhetoricam« (bis zur Vollendung der damaligen Gym-
nasial - Studien).
f) Aus einem ähnlichen religiösen Motive entsprang die
sedlmayr i sehe Stiftung. Eustachius Sedlmayr s. s.
Theologiae baccalaureus formatus und Benefiziat des Bürger-
Spitals zum h. Geiste in Linz, spricht dieses Motiv im
Stiftbriefe vom 1. Sept. 1734 so aus: »Ich habe in reife
Betrachtung gezogen, dass die frommen und milden Stiftungen
bei annoch guter Gesundheit und Leibeskonstitution deren Stif-
tern , Gott dem allmächtigen weit gefälliger seind, als zur Zeit
des ob den Augen schwebenden Todes und weillen ich dann
all mein zeitliches Vermögen ab ara Domini und durch gött-
lichen Segen überkommen und erspart habe, so will ich auch
aus demütig verpfliehtetster Dankbarkeit zu immerwährender
Ehre Gottes, sonderbar aber zu Trost und Hilfe der armen und
mittellosen Jugend für allhiesige Kellersche Waisen - Stiftung
12,000 fl. für sechs gestiftete Knaben diese Stiftung gemacht
haben;« nämlich für sechs mittellose Kinder von komplett sie-
ben Jaren an bis höchstens auf das vierzehnte Jahr ihres Al-
ters, sie seien gleich Knaben oder Mägdlein, meinige Befreun-
22
dete oder Ohnbefreundete, verwaisete oder ohnverwaisete Ju-
gend (doch haben Verwandte den Vorzug.)
Für seine Lebenszeit behielt er sich das jus praes en-
tern di für vier Kinder bevor, für zwei der Stadt Linz; nach
seinem Hinscheiden erhielt die Stadt das Recht drei zu präsen-
tiren, die andern drei wurden von der Blutsverwandtschaft
präsentirt.
Nach vollendeten Waisenstiftungsjaren wurden diese Zög-
linge ebenfalls ausgemustert und wolgekleidet entlassen; »wenn
jedoch einer der austretenden Knaben gar mit guten Talenten
versehen wäre, und Rhetoricam (die Gymnasialstudien) im Wai-
senhause absolvirt hätte, sollte er honeste ausstaffirt, dann ihme
zur Hörung der Philosophie , juris canonici et institutionum juris
civilis järlich sechzig Gulden gereichet und solange bis er nicht
diese studia absolvirt haben würde, die Stelle im Waisenhaus
nicht ersezt werden.«— Jene hingegen, so sich zu einer
Profession wenden, sollen » semel pro semper « mit 60 fl. ab-
gefertigt und mit dieser Summe alle Auslagen des Aufdingens
und Freisprechens besorgt werden. Den austretenden Mägdlein
aber soll, wenn sie das zwanzigste Lebensjar erreicht und eine
gute Aufführung bewiesen hätten, zu ihrer Ausstaffirung ein
Beitrag von 80 fl. gereicht werden. — Ausser diesen Anord-
nungen vermachte er endlich noch zur Erweiterung des Wai-
senhauses 300 fl.; er berüksichtigte' auch den Fall, wenn nach
dem Austrite eines Kindes bis zur Besezung des Plazes sich
irgend ein Ersparnis ergäbe, da sollte diess gesammelt, und
sobald 100 fl. beisammen gewinnbringend angelegt werden wie
die Hauptsumme von 12000. Von dem Interesse des Augmen-
tations - Capitals sollte nach seinem Wunsche dem lateinischen
Instruktor der Waisen in jeglichem Linzermarkt zu Ostern und
Bartholomaeus vor dessen in Studiis angewendeten Fleiss und
Eifer zu einer ErgÖzlichkeit ein Species-Thaler id est 2 fl. ge-
reicht werden,
23
g) Der günstige Ruf von der zwekmässigen Leitung dos
Waisenhauses mag auch ferner stehende bewogen haben, ihre
wolthätige Gesinnung gegen Verwaisete durch Zustiftung zu
bethätigen. So erklärte die unvermälte Bürgerin von Efer-
ding, Maria Elisabeth Lachamber, Linz 26. April
1735: «Oefters habe ich bei mir erwogen, dass durch früh-
zeitigen Hintritt der Eltern die hinterlassenen unversorgten Kin-
der an erforderlicher Pflege der Seele und des Leibes vielmals
Mangel leiden müssen, mithin Gott dem Allmächtigen ein sehr
angenemes Werk sei, dergleichen armverwaisten Kindern bei-
zuspringen und selben ihren Unterhalt auf einige Jare zu ihrem
künftigen besseren Fortgange zu verschaffen.« Darum widmete
sie zu der Kellerischen Waisen Stiftung in Linz
für einen armen Waisenknaben 2000 fl. Die Stiftung sollte
nach ihrem Hintrite beginnen. Das Recht des Vorschlags
überliess sie abwechselnd ihrer Verwandtschaft und dem Ma-
gistrate der Hauptstadt Linz, so dass das erstemal es ihrem
Schwager, Elias Münzer, bürgerlichem Buchbinder zu Linz
oder nach dessen Tode seinen männlichen Leibeserben und
zwar allezeit dem ältern Sohne zustehen sollte« Andere Be-
dingungen wurden nicht von ihr gestellt.
h) Das warme Gefühl der Dankbarkeit gegen die gött-
liche Vorsehung, welche sichtbar über der Menschen Wol
wacht, leitete wenige Jare nachher zu einer ähnlichen Stiftung
einen Bürger der Stadt Linz, der selbst mehrere Jare hindurch
das Waisenhaus verwaltet und tsich von dem erspriesslichen
Einflüsse desselben auf die Erziehung der anvertrauten Waisen
zur Genüge überzeugt hatte: es war Andreas Ehmayr.
»Weillen ich, sagt er 23. März 1747, durch den ungezweifel-
ten Segen Gottes einige Mittel erworben und erspart habe, so
will ich auch aus Dankbarkeit zur Ehre Gottes, zum Tröste und
zur Hilfe der armen und mittellosen Jugend 4000 fl. für zwei
Vater- und Mutterlose Knaben vom vollendeten sie-
benten, höchstens vom neunten Jare ihres Alters angefangen,
24
gewidmet haben« und zwar sowol zur Betreibung der Studien,
als auch um in freien Künsten oder Handwerken unterrichtet
zu werden. Doch beschränkte er die Aufnahme ins Waisen-
haus auf Bürger - Kinder der Stadt Linz. — Das Recht des
Vorschlags behielt er sich auf Lebenszeit bevor ; nach seinem
Tode gelangte es an seine männliche Verwandtschaft mit Aus-
schluss der weiblichen; an diese erst nach Abgang der männ-
lichen aber immer nur abwechselnd mit dem Magistrat und nach
dem Erlöschen beider Linien an leztern ganz allein.
i) Was einem andern frommgesinnten Bürger dieser Stadt
im Leben nicht mehr gelang, gieng als heiliges Vermächtniss
an seine Kinder und Erben über. Diese bezeugten am Linzer-
Ostermarkt 1756 gewissenhaft dass ihr liebster Herr Vater Jo-
hann Michael Pröll, beider Rechte Doktor und Landes-
Advokat zu Linz, in seinem am 22. Julius 1752 errichteten
und am 27. November 1755 veröffentlichten Kodizill in das
allhiesige Kellerische Waisenhaus nächst der h. Dreifaltigkeit-
Kapellen in der Vorstadt zur Verpflegung und zum Unterhalte
eines Knaben an Kapital 2500 fl. mit dem ausdrüklichen Vor-
behalte legirt und gestiftet habe dass seine Nachkommen ihn in
Vorschlag zu bringen haben ; diese sollten ihn auch ermahnen
für seine arme Seele und seine Freundschaft fleissig zu beten.
Zur Verwirklichung dieser leztwilligen Verfügung des Vaters er-
legten die Kinder am erwähnten Tage bei gemeiner Stadt Linz
die Summe von 2500 fl. Das Recht des Vorschlags blieb der
männlichen und weiblichen Deszendenz fortan gewahrt.
k) Der k. k. Rat und Landrat in Oesterreich ob der
Ens, Wolfgang Martin Fortunat Freiherr von Ehr mann
a u f F a 1 k e n a u und F r e i e n w Ö r t h, der so viele wolthätige
Anstalten dieses Landes grossmütig bedacht 1) vergass auch un-
seres Waisenhauses nicht. *)
*) Yergl. Gaisb-erger: Zur Geschichte milder Stiftungen im Lande ob
der E)ns. I. Lief. S. 40,
25
Er vermachte in seiner leztwilligen Anordnung zu Baden
in Unterösterreich 8. Julius 1744 demselben ein Kapital von
2500 fl. unter der Bedingung, dass es sich »kräftigist« anhei-
schig mache, einen »beständigen« Waisenknaben anzunehmen,
auf die in selbem gewohnte Weise zu erziehen und gleich den
andern Waisen-Knaben zu versorgen. Er sprach hiebei noch den
Wunsch aus, dieser Knabe möchte — wenn auch nicht die
übrigen gestifteten Waisenknaben — am Sterbetage des Stif-
ters alljärlich einer heiligen Messe mit andächtigem Gebete für
die Seele desselben beiwohnen. — Den Vorschlag eines
von ehlichen Eltern «ehrlich« gebornen Waisen überliess er
dem Magistrate , die Bestätigung hingegen dem jeweiligen patri
professori theologiae polemicae e S. J. in Linz. — Der Stiftungs-
genuss dauerte für angehende Handwerker bis zum sechzehn-
ten Jare, für Studierende usque ad Rhetor kam (Vollendung des
Gymnasium). Der Stifter starb 31. Dezember 1756; da über
die Verlassenschaft sich ein Streit erhob , ward erst am 1. Ok-
tober 1759 vom Prälaten zu Lambach, Amand Schi k-
mayr, im Namen des Klosterprofessen und ehemaligen Priors
(prioris emeriti) Goelestin Ehr mann v. Falken au,
des Bruders und von der Schwester des Testators, Maria
Theresia E)e onora der Stiftbrief ausgestellt.
1) Die jüngste der Zustiftungen erfolgte im Jare 1774.
Die Jungfrau Maria Anna D o s e r sezte in ihrer leztwilli-
gen Anordnung vom 6. Jul. 1774 das Kellerische Waisenhaus
in der Vorstadt, über alles übrige und rein verbleibende Ver-
mögen zum Universalerben ein; sie bestimmte ausdrüklich, dass
»von den abfallenden. Interessen dieses Vermögens zwei hie-
sige arme Bürgersmädchen, so aber wenn es möglich und alle-
zeit vorhanden, von der Schneider-Profession sein und von
der Stifterin Freundschaft abstammen, mit Kost, Kleidung und
allem , gleich andern Stiftkindern im bemeldeten Waisenhause
perpetuirlich unterhalten, von einem löblichen Stadtmagistrat
präsentirt werden sollen.« Beim Austrite eines Mädchens war
26
die leere Stelle sogleich wieder zu besezen, und nur in dem
Falle auf andere würdige Bürgers-Kinder weiblichen Geschlechtes
Rücksicht zu nehmen wenn die geeigneten Verwandten mangel-
ten. — Ueber die Verpflichtung dieser beiden Stiftmäd-
chen schrieb sie vor, dass »sie alle Wochen am Sonnabend
entweder zu Hause in der Betstube oder bei schöner Witterung
bei ihrer Grabstätte am Gottesaker nächst der Todten-Kapelle
für sie und ihre in Gott ruhende Schwester Theresia einen
Rosenkranz andächtig beten und zu dieser h. Pflicht von ihren
Vorgesezten sorgsamst angehalten werden.«
Nachdem die Verlassenschafts - Abhandlung zu Ende ge-
führt war, ergab sich ein Ueberrest von 7090 fl., den als ein
wahres und ewiges Stiftungs - Kapital der Testamentsvollstreker
Franz Wolfgang Paulusberger in ausgestellten Obli-
gationen zu Händen des Ratbürgers und Kellerischen Waisen-
haus-Verwalters, Leopold Wazinger am 31. Dezember
1775 übergab. Hiemit war die Zal der Waisen, deren anfäng-
lich acht gewesen, im genannten Jare bis 31 angewachsen —
die extranei abgerechnet — ein Ergebniss, das der christlichen
Mildthätigkeit der Stifter wie der zwekmässigen Einrichtung
und guten Leitung der Anstalt selbst zu verdanken ist. Es
bleibt darum nicht ohne alles Interesse auf diese einen flüch-
tigen Blik zu werfen , bevor wir den Faden der Erzälung fort-
führen.
5. Innere Einrichtung.
Zwek der Anstalt war: den verlassenen, hilflosen Wai-
sen in den wichtigen Entwiklungsjaren vom 6.—16. eine solche
Erziehung und religiös - moralische und intellektuelle Bildung
zu gewähren, damit sie nach ihrem Austrite im Stande wären,
ihr eigenes zeitliches und ewiges Wol und das des gemeinen
Wesens zu fördern. Ungeheuchelte Gottesfurcht, eine Geistes-
bildung, wie sie fürs bürgerliche Leben hinreichend ist, Liebe
zur Thätigkeit und Arbeitsamkeit und physiche Kräftigung waren
27
die Mitgift, womit ausgestattet die Zöglinge aus der Anstalt
treten sollten. Demgemäss waren die Uebungen und Beschäfti-
gungen eines jeden Tages in entsprechendem Wechsel geregelt.
Daher hatte diese Tagesordnung statt: Zur Sommerszeit
standen die Zöglinge um fünf Uhr auf; halb sechs Uhr folgte
das Mörgengebet und Litaneien vorzüglich für ihre Wolthäter.
Von 6 — 8 Uhr waren Lehrstunden. Die Knaben hatten
einen Instruktor in der deutschen, einen andern in der lateini-
schen Sprache, da diese auch im Schlafgemach der Knaben
schlafen mussten, hatten sie Kost und Wohnung in der Anstalt
nebst einer Besoldung von 60 und 66 Gulden. — Der erste
erteilte den Knaben Unterricht im Lesen, Schreiben, Rechnen;
der andere in den Anfangsgründen der lateinischen Sprache ,
ein Unterricht, der darum nüzlich schien, »weihen derlei Kna-
ben entweder in einer officina pharmaceutica oder chirurgica
lieber angenommen werden oder auch bei einer Pflege (Pfleg-
gericht) oder einem advocato leichter in Dienst gelangen können.«
Die Fähigeren — »capacioris teilend« — besuchten das öffent-
liche Gymnasium und das noch vorhandene Sehülerverzeichniss
weiset bereits im Jare 1727 einen Waisenhaus - Zögling als
Schüler der Poetik vor. — Auch für Unterricht in der Musik
war Sorge getragen ; der Musikmeister genoss eine Besoldung
von sechzig Gulden järlich.
Die Mädchen unter die Aufsicht einer Waisen-Mutter und
einer Wirtschafterin gestellt, lernten ausser Lesen, Schreiben
und Rechnen auch Nähen, Stricken, Spinnen und Kochen.
Um acht Uhr giengen alle in die angebaute Dreieinigkeits-
Kapelle zur heil. Messe, wo sie für das kaiserliche Haus, für
Einigkeit der christlichen Fürsten, Ausrottung der Kezereien
beteten. Nach der Messe erhielten sie das Frühbrod und gien-
gen nachdem diess eingenommen war , an die für sie passen-
den Handarbeiten und es war eine wichtige Aufgabe für den
jeweiligen Verwalter, für den Vater und die Mutter— »Waisl-
vater, Waislmutter« — zu ermitteln, für welches Handwerk,
28
Gewerbe, Kunst, bürgerliche Stellung jeder Zögling am besten
sich eignen würde?
Um 11 Uhr folgte das Mittagsmal, wobei wie beim Abend,*-
male eine Waise aus einem geistlichen Buche vorlas; jede aus
einem besonderen Geschirre ass und trank. — Nach beendig-
tem Male folgte das gewönliche Tischgebet und fünf Vater un-
ser und fünf Ave Maria zu Ehren der allerheiligsten fünf Wun-
den. — Von 12—1 Uhr war Rekreation; von 1—3 Uhr wurde
der am Vormittag erwähnte Unterricht fortgesezt; hierauf in der
Kapelle vor dem bochwürdigsten Gute ein Rosenkranz sammt
der lauretanischen Litanei gebetet. — Nach genommenem Jau-
senbrode wurden die Handarbeiten wieder vorgenommen, denen
um 6 Uhr das Nachtmal, dann eine Rekreationsstunde folgte. —
Um 8 Uhr wurde mit einer Glocke das Zeichen zum Still-
schweigen gegeben »silentium geläutet« — die lauretanische
Litanei mit Gebeten für die Wolthäter verbunden; um 9 Uhr
war alles in Ruhe.
Diese Tagesordnung galt auch zur Winterszeit, nur
mit dem Unterschiede, dass die Waisen um eine halbe Stunde
später aufstanden; übrigens hatten sie, wenn nicht ein Festtag
einfiel, wöchentlich zwei Rekreationstage und Erlaubnis nach
beendetem Morgengebete bis halb acht Uhr sich zu vergnügen
oder in der bessern Jareszeit mit dem Vater und der Mutter
spazieren zu gehen. — Sonst galt die gewohnte Ordnung, nur
unterblieb noch die gewöhnliche Lesung bei Tische und die
nachmittägige Handarbeit, wofür — wenn nicht die Witterung
gar zu ungünstig war, wieder ein Spaziergang unter gewohn-
ter Aufsicht eintrat. Ueberhaupt war es keiner Waise gestattet,
allein auszugehen; selbst bei Prozessionen und feierlichen Lei-
chenbegängnissen , wozu sie bisweilen eingeladen wurden,
mussten sie wie bei Spaziergängen vom Vater und der Mutter
begleitet sein. — So wie eine beinahe klösterliche Klausur im
Hause herrschte, waren auch — den Gottesdienst und die
öffentlichen religiösen Hebungen abgerechnet — die Knaben
29
von den Mädchen strenge geschieden; ja zur Hlndanhaltung
jeder Unzüchtigkeit war es »bei grosser Strafe des Widerspiels«
nicht einmal gestattet, dass zwei Knaben in einem Bette
schliefen.
Gleichwie auf Sittlichkeit und Zucht wurde auch
auf Reinlichkeit und Sauberkeit unnachsichtlich ge-
halten. »Es ist darob zu seyn dass keine Unordnung, noch
weniger Missbrauch oder Untugenden einschleichen; auf den
Fall aber wider verhoffen, ist denselben alsogleich im An-
fänge vorzubauen und zu remediren. Zum Fall jedoch ein
Waisl durch üble Aufführung, nachdem er schon öfters ge-
straft und überflüssig ermahnt worden, gleichwohl incorrigibl
verbliebe, alsdann sollen die Verwalter bei genugsam befunde-
nem Beweis Macht haben, einen solchen Waisen hinauszuthun,
völlig abzudanken , doch in allweg mit Vorwissen dessen Mit-
stifters oder desselben Repräsentantens als Interessenten. *)
Im Erkrankungsfalle eines Kindes, wurde dieses
in einem eigenen Krankenzimmer untergebracht; die von einer
anstekenden Krankheit ergriffenen im Lazarethe auf Kosten der
Stiftung wol versorgt; mit geistlichen und leiblichen Medika-
menten gestärkt und im Falle des Todes in Begleitung der
Waisen der vorgeschriebenen Ordnung gemäss zu Grabe ge-
bracht. —
Um die Waisen frühzeitig an Genügsamkeit und an
Wirtschaftlichkeit zu gewöhnen, wurde in Kleidung,
Betten , Weiszeug was noch ausgebessert werden konnte, der
Ausbesserung unterzogen und zur Schonung des neuen benüzt
und verwendet. — Doch erhielt jede Waise järlich: ein neues
Unterkleid, zwei paar Strümpfe , Schuhe u. s. w. nebstdem ein
Kleid für den Gebrauch im Hause, ein anderes für den ausser-
halb. — Nach dem Wunsche des Stifters trugen sie im Hause
ein blaues Gewand aus Neuhofer - Zeug; später aus Tuch, statt 1
1) Stiftbrief §§. 22. 23.
30
der Halsbinde einen linnenen Ueberschlag; ausser dem Hause
sowol in der Kirche als auch bei Prozessionen, Leichenbegäng-
nissen u. s. w. einen roten Talar von Tuch mit blauen Auf-
schlägen und mit zweien bis auf die Füsse herabfallenden Flü-
geln und ein blaues Mittenband {) (Gürtel?)
Der Tisch, gleich für alle, brachte einfache, sich in
bestimmter Reihe ablösende Gerichte. Montags und Mittwochs
zu Mittag: Suppe, Rindfleisch und Zugemüse — Abends Suppe,
Fleisch mit Rüben. Dienstag und Donnerstag nebst Sonntag
Mittag : Suppe, Rindfleisch mit Kren und Sauerkraut mit einer
Zuspeise, Abends wie am Montage. Nur am Sonntage galt die
Ausnahme, dass sie eine Gerstensuppe, Braten und Kohl oder
Salat erhielten. — Freitag und Samstag — Abstinenztage —
brachten Mittags : Suppe, Mehlspeise und Zugemüse ; Abends :
Suppe, Käse und Salat oder was sonst die Jareszeit bieten
konnte. — Zur Fastenzeit, in der man sich von Fleischspeisen
gänzlich enthielt, wurde das geboten, was für die Jugend pas-
send schien, nur galt als Regel, dass am Dienstage und Don-
nerstage Stokfische gereicht wurden , am Sonntage jedes Kind
eine Portion Karpfen erhielt. — Zu heiligen Zeiten als Weih-
nachten, Ostern, Pfingsten, Neujar, Fasching musste «zur Er-
gözlichkeit der Kinder etwas extra gekocht werden« auch er-
hielt jedes — ausser dem gewöhnlichen Tischtrunke von einem
halben Seitei Bier für die kleinen, von einem ganzen für die
grossem — ein halbes oder ganzes Seitei Wein. —
4-. Auflassung des Kellerischen Waisenhauses; Anordnungen
für Unterbringung der Waisen, Regulirung der Pfründen.
Seit dem Tode des Stifters des Kellerischen Waisenhau-
ses waren beinahe siebenzig Jare vorübergegangen; andere An- *)
*) Dieses etwas sonderbare Kostüme mag Insprugger gemeint haben
wenn er sagt: Kelleriani ex vestitu rubro, sed multo magis ex sin-
gulari compositione externa, cujusnam sint contubernii, noscuntur.
Austria mappis geogr. dist. II. 109.
31
sichten, Gesinnungen und Ueberzeugungen hatten sich nacli
und nach auf dem Gebiete der Religion und Kirche Bahn ge-
brochen. Dem aus dem Westen immer kühner und hochmü-
tiger vordringenden Geiste der Neuerung und sogenannten Auf-
klärung dünkten die durch christliche Mildthätigkeit hervorgeru-
fenen Anstalten veraltet, abgelebt, nicht zeitgemäss, den wah-
ren Fortschritt hemmend — die Waisenhäuser überdiess wegen
der bedeutenden Kosten für den Staat nachtheilig und wegen
der Gefahr der physischen und moralischen Anstekung bei
grösserer Zal der Pfleglinge sehr bedenklich. — Solche An-
sichten fanden bei Joseph II. nur allzu leicht Eingang, liessen
unbefangene Beobachtung der wahren Sachlage nicht aufkonr-
men und trübten das Licht, in welchem sich dem sonst men-
schenfreundlich gesinnten Kaiser mehrere Anstalten dieser
Stadt darstellten, als er im Spätherbste 1786 einige Tage in
Linz verweilte. Sein Handbillet an den Grafen von Thür-
heim vom 9. Oktober 1786 aus Steier schildert den Ein-
druck , den mehrere Linzer Institute auf ihn gemacht und ist
ein unverkennbares Gepräge jener unruhigen Eile und Hastig-
keit , womit er wie im Vorgefühle von der kurzen Dauer sei-
ner Regierung bei vielen seiner Neuerungen und Reformen zu
verfahren pflegte.
»Die Erziehungshäuser, wo mehrere Kinder sich beisam-
men befinden, sind kostspieliger und ungesünder für selbe,
als wenn sie in Privathäusern in die Kost gegeben werden,
wo sie zugleich leichter zu bürgerlichen und Bauernarbeiten
angeleitet werden hönnen. Dieses beweiset sich auch allhier,
wo zwei Drittel der Kinder mit der Krätze behaftet sind.«
»Es sind daher die Kinder aus dem Theresianischen
Waisenhaus, jene aus dem Prunn er stift, dann jene
aus dem Kellerischen Waisenhause sammentlich in
auswärtige Kosten zu geben und zwar ein jedes nach Mass
Seines Stiftungsgenusses; das Präs en t ati o ns - R e c ht aber
32
ist denenjenigen, so es dermalen ausüben vorzubehalten und
hiezu die nämliche Gattung Kinder fürzuwälen.«
Hiemit war die Auflassung der genannten Waisenhäuser
entschieden ; die Regierung erhielt die Weisung dafür zu sor-
gen , die Waisen nach und nach zu Fabriken und Handwerkern
abzugeben; für sie gute und sorgfältige Meister zu wälen und
mit diesen förmliche Kontrakte zu schliessen. Um sicher zu
sein dass die abgegebenen Waisen wirklich gut geleitet und
unterrichtet und nach Mass ihrer Fähigkeit zu dem verwendet
werden, wTas ihnen beförderlich sein kann, erhielt der Verwal-
ter und der kontrollirende Amtschreiber der Stiftungsverwaltung
d-en Auftrag : wenigstens zweimal im Jare unvermutete Unter-
suchungen in den Kostorten vorzunehmen um alle Umstände
der Waisen sowol als der Kostgeber genau zu erkunden und
das hierüber aufgenommene Protokoll ungesäumt der Regierung
vorzulegen, um je eher je lieber die wahrgenommenen Ge-
brechen zu heilen und die nötigen Veränderungen vorzunehmen.
(Hofkanzleidekret vom 28. Jänner 1787.)
Das Bruderhaus und Kelle rische Waisen-
haus hatte das erwähnte Handbillet wegen seiner guten Lage
und den mehreren Zimmern in jedem Stoke zum G e b ä r-
und F i n d e 1 h a u s bestimmt und der Kaiser sah nur noch
der Vorlage der Pläne und der Ueberschläge zur Zurichtung und
Einteilung sowie über die Beköstigung nebst den Vorschriften
für die innerliche Besorgung des Hauses entgegen. — Doch
auf die mit umsichtigem Freimute abgefasste Vorstellung der
Regierung, dass das Waisenhaus in der belebtesten Vorstadt
von Linz gelegen und nur mit einem Eingänge von der im-
mer befahrenen Strassenseite versehen sich zum beantragten
Zweke gar wenig eigne, wurde von diesem Plane Umgang ge-
nommen. Das von den Waisen verlassene Gebäude wurde an-
fänglich znr Einquartierung der Militär-Mannschaft verwendet,
bis ein Befehl der Hofkanzlei vom 19. November 1787 die
Weisung brachte: das Waisenhausgebäude sammt Garten, dann
33
das ebenallda befindliche Bruderbaus sammt Garten, nicht min-
der die zwischen benannten zwei Gebäuden stehende h. Dreifal-
tigkeits - Kapelle einzeln oder zusammen mittelst Öffentlicher
Versteigerung gegen bare Bezalung oder auch gegen Bezalung
einer Hälfte und hinlängliche grundbücherliche Versicherung für
die andere Hälfte den Meistbietenden zu verkaufen , was auch
am 15. Dezember 1787 um die Summe von 10.200 fl. wirk-
lich geschah. Sofort überantwortete der gewesene Verwalter
des Kellerischen Waisenhauses, Leopold Wazinger am 16.
Hornung 1788 alle Aktiv- Obligationen und das bare Geld die-
ser Stiftung an den k. k. Stiftungsfond, in Summa:
72.132 fl. 17 kr. Die Stiftlinge erhielten , jeder zur Versor-
gung den Betrag von 86 fl. 8 kr. järlich , wie er nach dem
von der Hofbuchhalterei verfassten Entwürfe ausgewiesen war.
Indessen blieb weder dieser Versorgungsbeitrag noch auch die
Zal der Stiftlinge immer sich gleich. Nach der Aufhebung der
Waisenhäuser blieb das Vermögen der Zustiftungen mit jenem
der Hauptstiftung vereinigt, wurde kumulativ verwaltet und für
jeden Stiftling der Haupt- und Zustiftungen, ein gleicher Betrag
festgesezt. Dazu kamen in der Folge die Veränderungen, wel-
che der Stiftungsfond durch die finanziellen Massregeln und
Herabsezung der Interessen bei den die Bedekung der Stiftun-
gen bildenden Obligationen erlitt, welche notwendig eine Ver-
minderung der Zal wie des Betrages der Stiftpläze so lange nach
sich zogen , bis durch die Verlosung die einzelnen Obligationen
den ursprünglichen Zinsfuss erreichten. Auch die erhöhten
Preise der Lebensmittel forderten Berücksichtigung. Daher wurde
der Stiftungsgenuss, der in der Regel 75 fl. nicht überschritt,
im Jare 1843 für jeden Stiftling — der Haupt- und Neben-
stiftungen — auf 90 fl. CM. erhöht, obgleich die für jeden
Stiftplaz gewidmeten Kapitalien nicht sich glichen und auch die
stiftbriefmässigen Bestimmungen über die zur Erlangung eines
Plazes erforderlichen Eigenschaften und die Dauer des Genusses
bei den einzelnen Stiftungen von einander abwichen.
Mus. Jahr. Ber, XX. 3
34
Das Unbillige des bisherigen Verfahrens, das den Willen
der Stifter und einem unverkennbaren Eigentumsrechte entge-
gentrat, konnte nicht länger verkannt werden; die rechtliche
Ansicht kam zur Geltung, dass diese Stiftungen zu trennen,
jeder der ihr gebürende Vermögensanteil zuzuweisen, somit
jede Stiftung als selbstständig zu behandeln sei. — So ward
zu der gar nicht geringen Arbeit der Vermögens-Auseinander-
scheidung geschritten: Das Gesammtinteresse der Kapitalien der
Haupt- und Nebenstiftungen wurde nach dem Verhältnisse der
ursprünglich gestifteten Kapitalsbeträge verteilt. Ein anderes
Vorgehen verlangte das Interesse des von den Zeppenfeld-
schen Eheleuten dem Waisenhause mit der Verbindlichkeit
gewidmeten Kapitals von 2000 fl. j) dass die sämmtlichen Wai-
senkinder alle Freitage einen Rosenkranz zu beten hatten. Die-
ses wurde nach der Zal der bei jeder Stiftung bestehenden
Stiftlinge, 31 an der Zal, verteilt. — Zur Verteilung kamen
auch noch drei unverloste Obligationen und jener Anteil, der
diesen Stiftungen von dem Mietzinse des Schwarzenber-
gischen Hauses* 2) zukommt. — Nachdem diese Verteilung
*) Vergl. S. 17—18. a. u. b.
2) Dieses Haus, Nr. 299, in der Prunners fc iftsg a ss e gelegen, war
ehmals Eigentum des nahen Prunnerstifts. Im Jare 1788 wurde
es mit dem bis an die Le derer gasse reichenden Garten an den
Fürsten von Schwarzenberg veräussert, daher der Name. Als im
Jare 1853 das Prunnerstift , welches bis dahin die Irren«*-, Ge-
bar- , Findel- und Lokalsiechen - Anstalt, und das Institut zur Hei-
lung der mit der Lustseuche behafteten Weibspersonen notdürftig und
kümmerlich beherbergt hatte, der erweiterten Irrenanstalt ausschliessend
eingeräumt wurde, handelte es sich um zwekmässige Unterbringung der
andern Institute. Die Gebar- und Findelanstalt wurde im sogenannten
Lazaretgebäude untergebracht, für die Lokal-Siechenanstalt und für die
von der Lustseuche behafteten wurde das schwarzenbergische Haus
sammt Garten gemietet. Hiemit holfte man für alle Institute, auf län-
gere Zeit vorgesorgt zu haben. Um so grösser war die Verlegenheit
35
in solcher Weise geschehen, ergab sich für jede Stiftung ein
veränderter Stand der Kapitalien und Interessen. So erschien
die Hauptstiftung mit einem ursprünglichen Stiftungs - Kapitale
von 22.000 fl. für 8 Waisen, jezt mit einem Kapitale von
28.304 fl. 7 kr. und nach Abzug der Regie-Auslagen und der
Einkommensteuer noch mit einem reinen Jareserträgnisse von
988 fl. 291/4 kr.; ein Resultat, das gestattete, den järlichen
Stiftungsgenuss für die damaligen acht Stiftlinge von 90 fl. auf
98 fl. zu erhöhen und überdiess zwei neue Stiftpläze für Wai-
als im folgenden Jare bei der beantragten Erneuerung des Miet-Kon-
traktes die Aeusserung abgegeben wurde, dass der Fürst das Haus an
einen Privaten zu verkaufen beabsichtige. Hiedurch verloren die ge-
nannten Anstalten wieder ihre Unterkunft, aber auch das Wol der be-
nachbarten Irrenanstalt schien in vielfacher Hinsicht bedroht, zumal
wenn in Folge dieses Verkaufes lärmende oder feuergefärliche Gewerbe
hieher verlegt würden. Es blieb — alle Verhältnisse wol erwogen —
nur der Ausweg offen, dieses Haus für die erwähnten Anstalten zu
erkaufen. Allein die hiezu berufenen Fonde waren unvermögend , der
weltliche Stiftungsfond — wozu die Kellerische Hauptstiftung und die
Zustiftungen gehörten — dagegen in so günstigen Vermögensumstän-
den, dass er den Kaufschilling von seinen verfügbaren Ueberschüssen ,
welche ohnehin verzinslich unterzubringen waren, bestreiten konnte. —•
Der Kaiser genehmigte 20. März 1855 den hierüber von der Regie-
rung gemachten. Vorschlag und so gieng das schwarzenbergis che
Haus sammt dem damit noch vereinigten Gartenanteile im Umfange von
1425 Quadrat-Klaftern um den, des wolthätigen Zwekes wegen, billig
gestellten Preis von 5200 fl. CM. ins Eigentum des weltlichen
Stiftungs-Fondes über, der für die darin untergebrachten Institute
den Mietzins bezieht. Die Stiftungen , die sich an diesem Kaufe be-
teiligten, waren: Die Kellerische Haupt- und Zustiftungen mit
2200 fl.; die Linzer-Bürger-Spitalstiftung mit 1500 fl., die
Theresianische- Civil- und Militär-Mä d ch en s tiftun g,
die Stiftung des Siechenhauses Strassfelden und Weingar-
ten, endlich die Weiserhof- und Vöklamarkter-Spitalstif-
tung — je mit 500 fl.
3*
senknaben mit dem gleichen Genüsse — im Einklänge mit der
im Stiftbriefe vom 11. Jul. 1720 enthaltenen Bestimmung —
zu errichten. Was auch vom 1. Mai 1855 in Wirksamkeit trat.
Aehnliche Veränderungen zeigten sich bei allen Zustiftungen,
nur mit der Ausnahme, dass weil bei diesen die Zal der Stift-
linge, unter welche das Erträgniss zu verteilen kömmt, unab-
änderlich feststeht, diese auch bei jeder Stiftung beibehalten
und nur der Betrag des Genusses erhöht wurde.
Zur leichtern Uebersicht des Gesagten dient die ange-
schlossene Tabelle ; sie enthält von jeder Stiftung den gegen-
wärtigen Kapitals - Anteil, die frühere Zal der Pläze und ihre
Beteilungsart; dann die neue Zal der Stiftpläze und die ihnen
zukommende Beteilungsart. Die Ausdrüke: gegenwärtig und
neu gelten vom Jare 1855, der »früher« vom Jare 1843, die
Geldbeträge sind in CM. zu fassen.
Uebersicht über den Kapitals-Anteil der Kellerischen Hauptstiftung und der
Zustiftungen, die Zal der Pläze und die Beteilungs-Beträge.
1 O S-l K m O Qh Name der Stiftung. Kapitals- Anteil. Frü- here Pläze Betei- lungs- Art Neue Zal der Pläze. Betei- lungs- Art.
fi. i kr. Zal a.| kr. fi. kr.
1 Keller Heinrich 28304 7 8 90 10 98 »
2 Zeppenfeld Rosina . . 7125 54% 3 90 » 3 97 »
3 » Eberhard . . 4662 1 2 90 » 2 97 »
4 Hölbling Nikolaus . . . 4463 % 2 90 » 2 97 »
5 » Bernhard . 2658 16% 1 90 » 1 116 »
6 Geissler Josef .... 4737 24 2 90 » 2 90 »
7 Sedlmayr Eustachius . 15940 31 6 90 » 6 92 »
8 Lachamber Elisabeth . 2589 54% 1 90 » 1 97 »
9 Ehmayr Andreas . 5187 57% 2 90 » 2 97 »
10 Pröller Michael.... 3223 2% 1 90 » 1 120 »
11 Ehrmann v. Falkenau . 2835 56 1 90 » 1 120 »
12 Maria Doser 8825 8 2 90 2 156 »
37
III. Prunner « Stift, auch Neustift genannt.
\, Des Stifters leztwillige Anordnungen, ihre Verwirk-
lichung; Stand der Stiftung.
»Niemals genügte es weder dem Stifter, noch dem Er-
weiterer, noch dem wesentlichen Wolthäter milder Anstalten
bloss für leibliche Pflege der Aufgenommenen zu sorgen; auf
die der Seele ward gleichmässig Bedacht genommen.« *)
Diese Gesinnung teilte ein edler Bürger dieser Stadt und
bethätigte sie durch eine Stiftung, bei deren erstem Entwürfe
er schon ihre enge Verbindung mit einer Kirche an die Spize
stellte , damit so die leibliche Hilfe, welche den darin Aufge-
nommenen gewährt ward , durch die Tröstungen der Religion
erhöht und verstärkt würde. — Dieser edle Bürger hiess: Jo-
hann Adam Prunner. Redlicher und thätiger Kaufmann
hatte er auch durch regen Eifer für das Gemeinwol der Stadt
Linz solches Vertrauen und solche Zuneigung unter seinen
Mitbürgern gewonnen, dass er zum Bürgermeister gewält, diese
Stelle durch volle 13 Jare bis zu seinem Tode bekleidete. —
Seit mehreren Jaren hatte er sich auch am überseeischen Han-
del mit glücklichem Erfolge beteiligt und eben befand sich
eine seiner reichsten Ladungen auf hoher See, als übereinstim-
mende Nachrichten kündeten , dass viele Schiffe den wüthenden
Stürmen erlegen seien. Ob auch das seinige, war ungewiss.
Hoffend und vertrauend auf denjenigen der den Winden und
den Stürmen gebietet, machte er das fromme Gelübde , im
Falle der Rettung die ganze reiche Ladung mit dem Gewinne
zu einer wolthätigen Stiftung zu widmen. Alles ward gerettet
und diese frohe Nachricht kam ihm am 27. des Monats zu,
wesshalb diese Zal in seiner Stiftung eine so hervorragende
Stelle einnimmt.
Treu seinem Gelübde legte er vier Jare vor seinem Tode
den ganzen Plan seiner Stiftung als lezte Willensmeinung in
!) Innocenz III. v. Harter, IV. 406.
38
eigner Handschrift nieder: sie trägt das Datum: Linz am heili-
gen Lichtmesstage 1730. »Ich befehle, so begann er, meine
arme Seele in die unendliche Barmherzigkeit Gottes, dass er
sie in die himmlische Glorie aufnehmen wolle; mein Leib aber
soll christkatholischem Gebrauch nach in meine Gruft zu mei-
nen liebwerthsten Eltern beigesezt werden.« — Seine »liebste«
Frau Schwester M a r i a Anna Gross von Ehrenstein
oder ihre Erben erklärte er zu Universalerben. Nach Aufzälung
mehrer Legate an Verwandte *) und fromme Anstalten * 2 3 * 5) fährt
er fort: »Zu einer Stiftung, welche den Namen von mir haben
und die Prun ne rische Stiftung soll genannt werden,
vermache ich 1. zu Erbauung eines Kirchleins mit drei Altären
wovon der erste zu Ehren der h, Dreikönige, wie sie dem
Jesus Kindlein opfern, der andere dem h. Apostel Jakob
1) So dem Jos. Prunner, Baker in Straubing 1000 fl., der Moniea Ni-
draehin, Tischlerin zu Gmunden oder den Erben 1000 fl., dem Herrn
Georg von Prunner in Wien, der meinetwegen gar vielfältig ist be-
mühet gewesen, oder dessen Erben 12.000 fl.
2) Für 900 heilige Messen, die nach und nach, und 150 davon durch
die P. P. Hyeronimitanos sollen gelesen werden , worunter diejenigen
nicht verstanden , welche Während des Leichenbegängnisses absonder-
lich zu bestellen sind. 2. Ad cassam pauperum vermachte er 150 fl.
3. in folgende fünf Bruderschaften, nämlich der allerheiligsten Dreieinig-
keit, Corporis Christi, Todangst Christi, Maria Verkündigung und ar-
mer Seelen — in jede 25 fl. 4. Verschaffe ich denen armen Leuten
im Bruderhaus, im Siechenhaus bei den Kapuzinern im Weingarten
und im Danmüller-Häusl auf die Hand jedem 3 fl., zusammen 168 fl.,
5. Dem Danmüller-Häusl, weil es von meinem Urahnherrn ist gestiftet
worden — absonderlich — 300 fl. 6. Unserer lieben Pfarrkirche zu
einem Ornat — 500 fl. 7. Der Margareten-Kirche nächst dem Berg
Calvari zu ihrer bäulichen Unterhaltung — 500 fl. 8. Zur Kirche am
Postlingberg, wenn da wie man Hoffnung hat, eine soll erbauet wer-
den —- 500 fl. 9. Jn das Lazaret — 500 fl. 10. Zur Bestreitung des
järlichen Schulgeldes für 27 arme Kinder der drei Stadtschulen —-
legirte er die Summe von 1700 fl,
39
dem Aelteren und der dritte dem b. Laurentius aufgerichtet
werden sollen — 20.000 fl. 2. Zur Unterhaltung eines Bene-
fiz iaten, der wöchentlich nicht mehr als eine freie Messe
haben, die übrigen aber für mich zu lesen obligirt sein soll —
12.000 fl. 3. Zum Unterhalt von 27 Pupillen, welche Bür-
gers-Kinder, oder aber von Bürgermeisteramts-Untertanen sein
sollen — 54.000 fl., also dass ein Pupille järlich mit Kost,
Kleidung und allen übrigen Erfordernissen auf 80 fl. kommen
soll. 4. Zum Unterhalte von 27 armen, jedoch ledigen Manns-
personen und eben so vielen ledigen Weibspersonen 54000 fl.
Von diesen 54 Personen soll järlich eine jede das Interesse
von 1000 fl., d. i. 40 fl. zu empfangen haben. Von diesen
40 fl. aber soll järlich 1 fl. folgsam von allen — 54 fl. zu
Unterhaltung des Hauses zurükbehalten werden; dahin soll auch
dasjenige gewidmet sein , was die hineinkommenden armen Leut
entweder hineinbringen oder aber verlassen. 5. Zur Erbauung
einer Wohnung für den Herrn Benefiziaten, nämlich: Zwei
Zimmer, eine Kammer, und eine Küche — für die Pupillen:
Ein Studierzimmer, ein Schlafzimmer, — für den Instruktor:
Zwei kleinere Zimmer, eine Küche und eine Kammer — für
die 27 armen Mannspersonen zur Erbauung von 27 Stüblein,
deren eines ein wenig grösser als eine Kapuziner-Zelle und
allzeit zwei mit einem Ofen, das 27. aber mit einem ab-
sonderlichen sollen versehen sein; wie auch einer grossen
Stube, in welcher sie ihr Gebet verrichten können. Dann zur
Erbauung gleicher 27 Stüblein und einer Stube für 27 arme,
ledige Weibspersonen, nicht weniger einer — grossen, abge-
teilten Küche, derer sich sowol diese als auch die Mannsper-
sonen zu bedienen haben sollen — 30.000 fl. 6. für die
Besoldung eines Verwalters, der sowol zur Zeit des Baues als
auch nach dessen Vollendung die Administration über dieses
arme Haus haben soll — 3.400 fl. 7. Zur Dotirung des
Kirchleins verschaffe ich — 2000 fl.
Das Recht des Vorschlags (jus pr aesentandi)
40
sowol von dem Benefiziaten , als den Waisen und den armen
sowol Manns- als Weibspersonen , welche allzeit bürgerlich
oder unter das Bürgermeister- Amt gehörig sein
sollen, will ich alternative einem löblichen Stadtmagistrate und
meiner Frau Schwester, nach ihrem Absterben aber ihren Er-
ben (nun der k. k. Oberstwachtmeister, Joseph Ritter v. Son-
nenstein, für seine ältere Schwester) eingeräumt, jedoch eit-
rigst gebeten haben, dass sowol mit der Präsentation eines
Herrn Benefiziaten , als auch der armen nicht nach Gunst son-
dern dahin angetragen werden möchte, dass allezeit derjenige
Herr Geistliche oder diejenigen Armen genommen werden,
welche sich durch ein friedsames Gemüt und tugendsamen Le-
benswandel am meisten recommandiren , und wann etwan eine
arme Person sich ungebürlich verhalten, und nach der ersten
Ermahnung nicht bessern thäte , solle sie alsdann nicht mehr
geduldet, sondern wirklich hinausgeschafft werden , welches
ich auch von unruhigen , unfriedsamen will verstanden haben,
damit nur Uneinigkeit und Zank vermieden werden möchte;
zumal meine Intention dahin geht, dass diese Armen in Fried,
und Ruhe Gott dienen sollen. Daher ganz beweglich bitte,
dass nur keine Ausgelassene geduldet werden möchten.« Ge-
gen das Ende hin sagt er dann: »Hiemit will ich dieses durch-
gehends von meiner eigenen Hand geschriebene Testament im
Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit geschlossen und einen
löblichen wolweisen Magistrat dieser kaiserlichen Hauptstadt Linz
dienstschuldigst und beweglichst ersucht und gebeten haben, dass
derselbe dieses mein Testament, weil solches meistenteils zum
Trost der Armen abzielet, kräftigst schüzen und handhaben und
bevorderist dahin sich beeifern möchte, dass meine wolmei-
nende Intention in allen Punkten observirt und vollzogen werde.«
Vier Jare nachher, 7. Februar 1734 starb Prunn er
und der Stadtrat wenige Tage nachher über die von ihm er-
betene Testaments - Vollziehung unterrichtet, hielt es für seine
heilige Pflicht, die Wolthat dieser Stiftung den Armen je eher
41
je lieber zu eröffnen. Da sieh ein passendes Gebäude, wie es
der Stifter angedeutet , nirgends vorfand, wurde das in der Le-
derergasse gelegene Grunde man nisch-e Freibaus, Eg-
ge r e c k mit dem dazu gehörigen Gartengrunde , der sich bis
über die übelriechende Lu dl (pfüzenartiger Wassergraben)
ausdehnte, um den »leidentlichen« Preis von 3400 fl. erkauft.
Das Gebäude war weder in einem guten noch zum Zweke be-
quemem Zustande, auch war seine Lage wegen der Nähe der
Ludl eine ungünstige, ungesunde. Darum ward das Eggereck
bis auf den Grund abgebrochen und die Materialien zum Neu-
bau des Hauptgebäudes und der Kirche, die man näher gegen
die Donau hin verlegte, verwendet. — Bereits war die Grund-
veste gelegt, als ein kaiserlicher Erlass vom 23. November
1735 die vom Stadtrate getanen Schritte nachdrüklich ahndete
und jedes weitere Vorgehen untersagte , solange nicht der lan-
desfürtliehe Konsens, »ein immobile ad manus mortuas zu
bringen« beigebracht wäre. Auf das gestellte Ansuchen er-
folgte er 26. Aug. 1737 unter der Bedingung, dass die auf
dem Gartengrunde haftenden Steuern nicht andern Bürgern auf-
gelegt, sondern als ein dem Grunde anklebendes onus (Last)
in der Folge von der Anstalt entrichtet werden ; überdiess blieb
dem Stadtrate wol die unmittelbare Obsorge und Disposition
nach dem Willen des Stifters, aber die Oberaufsicht dem je-
weiligen Landeshauptmanne, als landesfürstliehem Repräsentanten.
Dem angefangenen Baue stand nun kein Hinderniss für-
der im Wege; er wurde von jezt an auch so thätig betrieben,
dass am Anfänge des Jares 1740 die Anstalt feierlich eröffnet
werden konnte. — Indessen batte der Kauf der ausgedehnten
Area, der Bau der Kirche und des umfangreichen Wohngebäu-
des, in welchem auch auf ein Krankenzimmer Bedacht zu neh-
men war, die Beiscbaffung der notwendigen Einrichtung, die
in der leztwilligen Anordnung des Stifters unerwähnt ist, die
Summe von 54.222 fl. 59 kr., also einen grösseren Aufwand
als der Stifter ausgeworfen, erfordert, so dass von der ganzen
42
für die Stiftung und das Schulgeld gewidmeten Summe pr,
177.100 fl. nur noch 122.877 fl. 1 kr. verblieben.
Allein während des Baues, wo weder Waisen noch Pfründe
ler zu unterhalten waren , hatten die anliegenden Kapitalien an
Interessen bereits die Summe von 29.122 fl. 59 kr. eingetra-
gen, daher sich am Schlüsse des Jares 1741 die Summe von
152.000 fl. an Aktiv-Kapitalien herausstellte. In den nächst-
folgenden Jaren kam teils durch gute Gebarung und kluge Er-
sparnisse, teils durch die Verlassenschaft der Pfründler, zumal
durch das Legat des Michael Plantner pr. 500 fl. eine
Vermehrung von 7800 fl. hinzu, so dass am 31. Dezember
1752 sich ein Gesammtvermögen von 159.800 fl. und am 27.
Jun. 1764 von 161.883'fl. auswies.
2. Innere Einrichtung.
a) Hinsichtlich der Waisen-Knaben.
Der Z'wek dieser Stiftung war eben derselbe, welcher
dem Stifter des Kellerischen Waisenhauses vorschwebte:
eine Erziebungs - Anstalt zu haben , um in den sonst verlasse-
nen , allen Gefahren preisgegebenen Waisen den Geist der Re-
ligiosität, der Sittlichkeit und Arbeitsamkeit zu weken, zu be-
festigen und fürs ganze Leben, ohne Unterschied des besonde-
ren Berufes — nachhaltig und segensreich zu machen.
Die Mittel hiezu — vom Stifter unerwähnt gelassen —
wurden von den Administratoren, im Einverständnisse mit den
Universal-Erben ausgewält und in Anwendung gebracht; sie sind
ganz dieselben, welche im Kellerischen Waisenhause als die
zwekmässigsten anerkannt und durch eine zwanzigjärige Erfah-
rung bewährt gefunden worden waren. Daher finden wir hier
dieselben religiösen Uebungen, Beschäftigungen,
Erholungen u. s. w. wie wir sie oben angedeutet haben.
Um sie nicht zu wiederholen berühren wir nur dasjenige, was
eine Eigentümlichkeit bildet.
43
In Hinsicht des Unterrichts hatte Prunner nur
einen deutschen Lehrer — »Instruktor« — gestiftet, da
sich aber sehr bald einige Knaben zu den Studien ganz be-
sonders fähig zeigten, nahmen die Administratoren auch einen
lateinischen Präceptor auf, dem ein Gehalt von 100 fl.,
Wohnung, Kost und täglich eine Mass Bier bewilligt wurde;
während jener ausser eben diesen Bezügen nur 70 fl. erhielt.
Beide besorgten den sie treffenden Unterricht. Der deutsche
Lehrer übte die Knaben im Lesen , Schreiben und Rechnen ;
der lateinische in den »rudimentis latinitatis« und wiederholte
mit jenen welche die öffentlichen Schulen besuchten alle Lehr-
gegenstände. Der Erfolg war ein so erwünschter, dass ein
Kommissions - Protokoll vom Jare 1753 ausdrüklich anmerkt:
»Diese Knaben erhalten in seholis publicis jederzeit prciemia.« —
Die Lehrer teilten sich auch in die Aufsicht; einer von ihnen
erschien jederzeit bei Tische; ihre Wohnung war unmittelbar
an dem Schlafzimmer der Waisen, zugleich besorgten sie mit
dem Verwalter die genaue Beobachtung der vorgeschrie-
benen Tagesordnung, zumal der religiösen Uebungen die eben
sie zu überwachen hatten.
Zur Besoldung des Verwalters, »der die Administration
über dieses arme Haus haben solle« hatte Prunner das In-
teresse von 3400 fl. bestimmt. Doch der Magistrat und die
Prunner sehen Erben erkannten es schon bei der Eröffnung der
Anstalt für billig, bei dieser so wol dotirten Stiftung, auch dem
die Aufsicht führenden Manne ein ähnliches Auskommen auszu-
messen, um so mehr, da sich dieser während des Baues und
der Einrichtung der Stiftung viele Verdienste erworben und be-
willigten ihm eine Besoldung von 350 fl. sammt Wohnung,
Holz und Licht.
Ueber das Alter der Knaben , das zum Eintrit befähigte
und zum Austrit nötigte, hatte der Stifter keine Erwähnung
gemacht, auch finde ich nirgends eine normirende Bestimmung.
Aus einem noch vorhandenen Verzeichnisse der Zöglinge des
44
Jares 1753 geht so viel hervor, dass fünfjärige Knaben bis-
weilen aufgenommen wurden und sogar fast achtzehnjärige noch
in der Anstalt verweilten. *) — Der T i s c h brachte dieselben
Gerichte und in derselben Abwechselung, wie im Kellerischen
Hause und zwar in dem Ausmasse, dass für die Knaben z. B.
von einem Pfunde Rindfleisch drei Portionen, vom Gebratenen
wenigere Portionen gemacht wurden: hingegen erhielten die In-
struktoren und Dienstleute * 2) je ein halbes Pfund Rindfleisch
und mehr als ein halbes Pfund Braten für eine Malzeit. — Der
Knaben täglicher Tischtrunk war eine Portion braunes Bier
— aus einer Mass sechs Portionen — zu gewissen Zeiten,
zumal an hohem Festtagen erhielten sie einen »Rekreationstrunk.«
An Kleidung ward järlich jedem verabreicht: ein Kamisol,
ein flanellenes Leibi, drei Hemden, die nötigen Strümpfe und
Schuhe und alle fünf Jare ein brauner tüchener Talar mit
blauen Aufschlägen und ein Hut.
b) Hinsichtlich der männlichen und weiblichen Pfründler.
Die christlich - mildthätige Absicht welche den Stifter
leitete, war: den alten gebrechlichen, armen Individuen des
Bürgerstandes und des Bürgermeister - Amtes , »wenn sie eines
guten Wandels,« eine Freistätte zu bieten, wo sie der Sorge
um die notwendigsten Bedürfnisse enthoben, »in Fried und in
Ruhe Gott dienen« können. — Daher erhielten sie alle nicht
bloss gesonderte Wohnung und ihre Beheizung, sondern
auch jedes wöchentlich 45 kr. zur Anschaffung der Kost, welche
sie sich in ihrer eigenen für die Geschlechter abgeteilten Küche
bereiten konnten, wozu sie gleichfalls das notwendige Holz be-
zogen.
*) Im Jare 1 787 sogar ein neunzehnjäriger.
2) Es ist nicht ohne alles Interesse, von den heutigen JareslÖhnungen
der Dienstleute hinweg auf die damaligen einen Blik zu werfen. Der
Hausknecht erhielt 20 fl., die Köchin 15 fl., die Kücherimagd 12 fl.,
die Stubenmagd 10 fl., die Krankenwärterin 9 fl.
45
Bei der Eröffnung der Stiftung im Jare 1740 wurde ihnen
auch für öffentliche Gottesdienste, für Prozessionen und Lei-
chenbegängnisse, zu denen sie eingeladen wurden , eine passende
Kleidung des Dekorums willen angeschafft; so den Männern
ein brauntüchener Rok, ein Hut, ein Paar Strümpfe; den
Weibern ein zwekrnässiges Ober- und Unterkleid — die aber
nur bei den genannten Gelegenheiten angezogen werden durf-
ten. Darum konnte das erwähnte Protokoll bemerken: man
habe mit dieser Kleidung so gute Wirtschaft geführt, dass sie
bisher und folglich dreizehn ganze Jare gedauert habe. —
Die Verpflichtungen bestanden nur darin dass sie
täglich in der Stifts-Kirche in gesonderten Oratorien nicht nur
der von dem Benefiziaten gelesenen h. Messe , sondern auch
Morgens nnd Abends dem Rosenkränze, der Litanei und den
Psalmen für die Verstorbenen beiwohnten und einmal in jedem Mo-
nat die h. Kommunion nach dem Sinne des Stifters empfingen, 3
3. Auflassung desPrunnerstiftes,Anor dnu n gen für die Wai-
sen und Pfründler männlichen und weiblichen Geschlechts;
Regulirung dieser Stiftung; des Gebäudes Verwendung.
Seit Eröffnung dieser Stiftung waren 46 Jare, seit des
Stifters Tode 52 verflossen, ein Zeitraum, in welchem die An-
sichten der Menschen eine bedeutende Veränderung erlitten
hatten. In Folge dieser erliess Kaiser Joseph 11. am 9. Ok-
tober 1786 von S t e i e r aus jenes oben erwähnte Handbillet
das auch über das Bestehen der Prunnerstiftung den Stab ge-
brochen ; die Waisen wurden in auswärtige Kost gegeben, aber
für ihre Erziehung und gute Behandlung zwekmässige Mass-
..regeln ergriffen; besonders wurden für die studierenden die
besten Kostörter in Linz erforscht und nur jene ausgewählt,
von denen man sich eine anständige und gewissenhafte Er-
ziehung der Jugend versprechen durfte; um ganz sicher zu
verfahren, wurden endlich mit jenen Kostherrn förmliche Kon-
trakte abgeschlossen, in denen ausdrüklich angeführt war, welche
Verbindlichkeit zu übernehmen er sich anheischig gemacht.
Der zur Versorgung eines solchen Kn a b e n von der Hofbuch-
halterei ausgemittelte Betrag wurde auf 85 fl. 18 kr. angesezt;
später auf 82 fl. 20 kr. ermässigt , weil das zur Bezalung des
Schulgeldes vom Stifter ausgeworfene Kapital für eben diesen
Zwek auszuscheiden war.
Den Pfründlern männlichen und weiblichen Ge-
schlechts wurde der Austritt aus dem Stifte gestattet und die
nach dem Masse des Stiftungsvermögens ihnen zukommende
Tagesportion von 6 kr. mit einer Zulage von 2 kr. auf die Hand
gegeben. Die Mehrzal zog es vor , auf diese Zulage zu verzich-
ten, dagegen im Hause zu verbleiben, was auch gestattet wurde,
bis man ein Klostergebäude auf dem Lande — das zu M ü n z-
bach — in Miete bekam, um dort alle Siechen und Gebrech-
lichen verschiedener Stiftungen zwekmässig unterzubringen.
Die tägliche Zulage von 2 kr. wurde für die Regie, Holz, Licht,
Kleidung, Medikamente zurükbehalten, die übrige Stiftungspor-
tion zu Bestreitung der Verköstigung den Armen auf die Hand
gegeben.
In diesem Ausmasse blieben jedoch die Stiftungsgenüsse
nicht immer; neue notwendige Bauten oder wesentliche Ver-
änderungen am Stiftgebäude verkürzten, wenn sie auch nicht
auf ein Mal sondern in mehreren Jaresraten abbezalt wurden,
die Stiftlinge und Pfründler an ihren Bezügen ; noch empfind-
licher wirkten die eingeleiteten Finanz - Operationen; zugleich
trat die auch bei andern Waisenstiftungen eingeführte Uebung
in Anwendung: die Beträge für die Waisen hach Altersstufen
zu bemessen. Daher erhielten z. B. im Jare 1820 die prun-
ne rischen Stiftlinge bis in ihr zwölftes Jar 45 fl. und vom
dreizehnten bis fünfzehnten 36 fl. ; nur Studierende konnten um
den erhöhten Stiftungsgenuss von 75 fl. bei der Landesstelle
ansuchen — eine Uebung, die viele Jare hindurch aufrecht er-
halten wurde.
47
Erst im Jare 1836 trat auch hierin eine Aenderung ein,
da nachher durch das Glük der Verlosung die frühem Inte-
ressen wieder flüssig wurden, ward durch eine kaiserliche An-
ordnung vom 18. April 1836, im Einklänge mit Prunners
Testament und dem am 30, Jun. 1769 errichteten Stift-
briefe diese mildthätige Stiftung so regulirt, dass nur jene
Knaben eine solche Waisenstiftung erhalten konnten, welche
arm, minderjärig und zugleich beider Eltern oder wenigstens
des Vaters beraubt und Söhne von Linzer-Bürgern oder von
Untertanen des Bürgermeisteramts (der der Stadtgemeinde ei-
gentümlichen Gülten) sind und eine öffentliche Lehranstalt be-
suchen. Diesemnach gelten diese Beträge als Schulstipen-
dien für jede Gattung des Unterrichts. — Die vom Stifter
bestimmte Zal der Stiftlinge wurde strenge beibehalten und
die Dauer des Genusses einer solchon Stiftung auf die Zeit
beschränkt, die zur Beendigung des Schulunterrichts nach sei-
nen verschiedenen Abstufungen und bei Studierenden bis zur
Vollendung der Studien erforderlich ist; vorausgesezt dass die
Fortgangs-Klassen gute sind , widrigenfalls sollte der Stiftungs-
genuss erlöschen; in Uebereinstimmung mit dem, was der Stif-
ter über die Würdigkeit und Unwürdigkeit der Pfründler mit
eindringlicher Bitte ausgesprochen.
Eine nicht unwesentliche Begünstigung für diese Stiftlinge
war auch diese, dass sie nicht nur in Linz sondern an jedem
Orte der österreichischen Monarchie, wo öffentliche Lehranstal-
ten vorhanden, diese Stipendien geniessen konnten; zugleich
fiel jene Verfügung, die Beträge nach Alterstufen zu bemessen
ganz hinweg und alle 27 Waisen erhielten nach dem Willen
des Stifters ganz gleiche Beträge: gleichwie die Pfründler männ-
lichen und weiblichen Geschlechtes einander ganz gleich gestellt
wurden. Nach dem Verhältnisse des sich hebenden Vermö-
gensstandes der prunnerischen Stiftung nun , erhöheten sich stu-
fenweise auch die Beteilungsbeträge für die Waisen und Pfründ-
ler und waren z, B. im Jare 1824 für jene 45 fl. E. Sch.
später 108 fl. B 9 j/ö kr. C. M., endlich 127 fl. 10 kr. C. M.;
für diese die Tagesportion 8 kr. E. Sch., dann 22 kr. endlich
26 (oder 18 kr. öst. W.) wie es noch gegenwärtig der Fall
ist, ein Resultat, wozu neben zwekmässiger Verwaltung und
guter Gebarung auch die stufenweise erfolgten Erhöhungen des
Mietzinses für das Stiftungsgebäude vieles beitrugen. Eben diess
mahnt noch wenige Worte beizufügen, wozu nach der Auf-
lassung der Anstalt das umfassensende Gebäude
selbst, die Kirche und das B en e fi z i u m verwendet
wurden.
J os e ph hatte im erwähnten Handbillete aus S t e i e r
über die Verwendung des Gebäudes nach der Un-
terbringung der Waisen in auswärtigen Kostörtern sich dahin
ausgesprochen: »Der Raum, welchen die Kinder in dem Prun-
ner-Stifte anjezo einnehmen ist Männern oder Weibern dieses
nämlichen Stiftes zur Wohnung anziweisen, wodurch ein Teil
eines Flügels mit den gewölbten kleinen Zimmern leer werden
wird, welcher zur Unterbringung wahnsinniger Menschen männ-
lichen und weiblichen Geschlechts wird gewidmet werden kön-
nen.« Ausserdem hoffte die Regierung in diesem Gebäude
noch die Polizei unterzubringen. *) Wirklich hatte der Landes-
fürst diesen Plan gut geheissen und die von der Hofbau-Kom-
mission berichtigten Risse und Ueberschläge zur erforderlichen
Bauführung mit der Weisung »nach den Entwürfen und mit
Beobachtung der möglichsten Wirtschaft« vorzugehen geneh-
migt. 2) Doch wurde davon Umgang genommen : die Verlegung
der Polizei in einen so entlegenen Teil einer Vorstadt erregte
Bedenken, rötlicher schien es, hier jene Anstalten zu vereini-
gen, welche mit der Irren-Anstalt ohnediess dersel-
ben Verwaltung angehörten, nämlich die Findel- und
*) Hofbericht vom 3. Jul. 1 787.
%) Hofkanzlei % Dekret 17. November 1787.
49
Gebär- Anstalt und später auch die der Lo kalsiechen
und der von der Lustseuche behafteten. So
wurden diese hier unter demselben Dache vereinigt und blieben
es bis zum Jare 1833 , in welchem wie oben 1) erwähnt, das
ganze Gebäude zur Aufnahme der erweiterten Irrenan-
stalt wie der Verwaltung des Stiftungsfondes
gewidmet wurde, gegen Entrichtung eines järlichen Mietzinses
pr. 640 fl.; der im Jare 1842 auf 1050, und am 1. August
1855 auf 3840 fl. G. M. erhöhet wurde. So blieb das schöne
Gebäude auch nach der Auflassung der Anstalt dieser fortan
und nuzenbringend erhalten.
Die Kirche ging im Auflassungsjarc ins Eigentum des
Religionsfondes über, wurde gesperrt und diente viele Jare
hindurch als Magazin zur Aufbewahrung der verschiedensten
Gegenstände, bis sie endlich im Jare 1838 wieder ihrer ur-
sprünglichen Bestimmung zurükgegeben wurde.
Der damalige Benefiziat an dieser Kirche Joseph Adam
Zurmü hl er erhielt vom 1. December 1787 angefangen den
Gehalt von 480 fl. järlich aus dem Religionsfonde und erfüllte
bis an seinen Tod die Stiftungsverbindlichkeiten soweit sie nach
Auflassung der Anstalt noch erfüllt werden konnten; nach sei-
nem Hintritte sollte der Religionsfond dieselben an seine pen-
sionirte oder exponirte Geistlichkeit einzuteilen suchen. * 2) —
Gleichzeitig wurde vom Gesammtvermögen des prunnerischen
Stiftes die zur Stiftung des Beneficiums vom Stifter ausgewor-
fene Summe von 12,000 fl. (sammt Interessen 12,150 fl.) ab-
getrennt dem Religionsfonde eingehändigt und mit Zuhilfenahme
des Spital-Barbara- und des Kreuzwegs-Benefiziums in der Folge
zur Dotation der beiden Domprediger verwendet. (Hofk. 17.
Mai 1796.)
*) Schwarzenberg. Haus Seite 34.
2) Hofkanzlei-Dekret, 28. Jan. 1787.
Mua. Jahr. Ber. XX,
4
50
Das ist im Umrisse die Geschichte dieser schönen, reich
ausgestatteten Stiftung eines Bürgers der Stadt Linz. Durch
seine thätige Wirksamkeit als Bürgermeister hatte er sich die
Zuneigung und Hochachtung seiner Zeitgenossen in hohem
Grade erworben; durch sein reges Mitgefühl für das traurige
Loos verwaiseter Kinder und für die Leiden der Armen und
Siechen, welches sich durch seine Stiftung beurkundet, hat er
für immer in den Herzen der Einwohner dieser Stadt sich ein
unvergängliches Denkmal gesezt, das seinen Namen von Ge-
schlecht zu Geschlecht fortpflanzen wird. Es war daher wirk-
lich ein schöner Akt der Pietät , dass der Magistrat das Bild
Prunners nach dem im Museum Franzisko - Karolinum vorhan-
denen Original-Gemälde lithographiren und zur würdigen Feier
des Andenkens an den vor hundert Jaren Entschlafenen, am 7.
Februar 1834 in zalreichen Exemplaren verteilen lies. *)
IV. Theresianisches Waisenhaus, auch Theresianum
genannt.
i. Hauptstiftung, Zwek, Mittel, Leitung.
Die beiden oben geschilderten Anstalten hatten — die
eine durch die reiche Ausstattung des Stifters, die andere durch
bedeutende Zustiftungen gefördert, allmälig festen Bestand und
innere Kräftigung gewonnen. Sechzig verwaisete Kinder hatten
hier — periodisch sich erneuernd, immer eine schüzende, er-
ziehende und unterrichtende Freistätte gefunden. Jede erledigte
Stelle fand zallose Bewerber und legte das dringende Bedürf-
niss der Erweiterung einer solchen Anstalt immer offener dar.
Die Bevölkerung der Hauptstadt war, zumal seit die Fabrik
T) Vergl. Piliwein Linz. S. 152.
51
Staatseigentum geworden, in stäter Zunahme begriffen ; Arbei-
ter strömten aus verschiedenen Teilen des Landes herzu , in
der Hoffnung: hier Arbeit und Verdienst; im Falle einer Krank-
keit Hilfe, im Falle des Todes für ihre Angehörigen da leichter
Unterstüzung zu finden. — Die wiederholten und länger dau-
ernden Kriege, in deren Folge sogar die Hauptstadt des Lan-
des einmal in feindliche Hände fiel und von den Freunden be-
lagert und erobert werden musste, vermehrten, wie begreiflich
die Zal der Armen und Verwaiseten , unterwühlten den Wol-
stand der Privaten und machten die Quellen der christlichen
Mildthätigkeit immer sparsamer fliessen. Aber auch der Staat,
dem zumal die erstem Jare des siebenjärigen Kriegs tiefe Wun-
den geschlagen , war nicht im Stande aus seinen Mitteln den
Armen und Verlassenen wirksame Hilfe zu schaffen.
Maria Theresia, stets eine teilnehmende Landesmutter
empfand tief die Leiden und Drangsale der armen Verlassenen,
unterstüzte und half, wo es möglich war und bewilligte, weil sich
auch in andern Hauptstädten der Monarchie dieselben Erscheinun-
gen kund gaben , am 30. März 1763 , »dass vom 1. Mai 1763 an
in den Städten Prag, Brünn, Olmüz, Tr oppau, Linz
Klagenfurt, Laibach, Görz, Graz und Wien für
eingeführten Cacao , Ciocolade und Thee ausser der Konsumo-
Maut und den Zöllen auch ein Aufschlag bei den in diesen
Städten aufgestellten Maut- und Zollämtern unter einstens ein-
gehoben werde.« In Wien und Graz wurde er zur Unter-
haltung der Armen — daher Armenleutaufschlag ge-
nannt — gewidmet, in den übrigen Städten zum Behufe von
Waisenhäusern verwendet. Das Erträgnis war auch in
dieser Hauptstadt nicht unbedeutend; es betrug vom 1. Mai
1763 — bis zum Schlüsse des Jares 1764 schon 3182 fl.
8*4 kr. Das folgende Jar gewährte 2681 fl. und da die teil-
nahmsvolle Landesfürstin auch die Rekruten-Boni fik ation
vom Jare 1764 und 1765 pr. 4590 fl. zu gleichem Zweke
bestimmte, konnte man daran gehen, das zu einem Waisen-
4*
52
hause wie geschaffene fürstlich L a m bergische Haus zu
erkaufen.
Dieses Haus lag — was nicht unwichtig war — unferne der
kaiserlichen Fabrik, war von einer Mauer rings umschlossen, hatte
einen geräumigen Keller, zu ehener Erde eine grosse Küche und
mehrere Gewölbe, in den zwei Stokwerken zusammen 24 Zim-
mer und so gut abgeteilt, dass die Absonderung der Knaben
von den Mädchen sich wie von selbst ergab. Dazu gehörte
eine grosse Scheune zur Unterbringung des nötigen Brennholzes
und was ganz besonders erwünscht war, drei Gärten, welche
zwischen der heutigen Lederer- und Eisenbahngasse
weithin sich ausdehnten. — Diese ganze Besizung ward mit
Genehmigung der Landesfürstin um den Preis von 11,000 fl.
erkauft, zum Waisenhause eingerichtet, nach der Stifterin th e-
r e s i a n i s c h e s Waisenhaus, oder T h er e s i anu m ge-
nannt und am 15. Oktober 1766, an ihrem Namenstage förm-
lich eröffnet.
Der Zwek dieser Anstalt war eben derjenige, den wir
bei den vorhergehenden angedeutet haben: religiös-moralische
Erziehung, Entwiklung, Unterweisung und Angewöhnung an
Thätigkeit, damit diese elternlosen bei ihrem Austrite im Stande
wären, auf der im Waisenhause gewonnenen Grundlage fort-
bauend, ihr wahres Wol in jedem Berufe zu fördern. Diesem
Zweke entsprach die strenge eingehaltene Tagesordnung, in
welcher vom frühen Morgen bis zum Abend religiöse Uebungen,
Unterricht, leichtere Handarbeiten , Unterhaltung und Spiele in
freier Luft zwekmässig mit einander wechselten; so jedoch,
dass Arbeitsamkeit, Liebe zur unverdrossenen Thätigkeit hierin
einem Grade ausgebildet wurde, wie sie in den beiden vorher
geschilderten Anstalten einige genaue Beobachter höchst un-
gerne vermissten, ja behaupteten: die gute Kost, das bequeme
Leben, die täglichen Erholungsstunden, die wenig anstrengende
Arbeit in diesen Anstalten hindere die Zöglinge an ihrem guten
Fortkommen, weil sie an die Arbeit nicht gewöhnt, bei ihrem
53
Uebergange zu einem Handwerke, oder zu einer Kunst die Be-
schwerden der Lehrjare nicht auszuhalten vermöchten. *)
Die Oberleitung der Anstalt und ihre rechtliche
Vertretung ward zwei Landräten anvertraut; die unmittel-
bare Aufs i clit dem Hausverwalter und seiner Frau , welche
das gesammte Hauswesen, die Wirtschaft , Verrechnung u. s. w.
besorgten und ausser der Wohnung, Kost, eine Besoldung von
200 fl. genossen. Ein Lehrer, welcher nebst der Kost, der
Wohnung, dem Lichte und Brennholze den Gehalt von 60 fl.
erhielt, unterrichtete die Waisen im Lesen, Schreiben und
Rechnen. — Im Jare 1781 kam ein Lehrer in der Ingenieur-
Kunst hinzu, welcher darin die im Waisenhause befindlichen
Ober- und Unteroffiziers-Sohne in drei Lehrstunden wöchent-
lich zu unterrichten hatte und dafür monatlich 10 fl. erhielt.
Eine Wollspinnmeisterin und eine Flachspinnmeisterin gaben
Anleitung in allen Handarbeiten , die für die k. k. Fabrik und
auch für Privatleute in der Stadt geliefert wurden. Jede der-
selben batte einen Jareslohn von 60 11.; eine Köchin erhielt
16 fl., eine Hausmagd 12 fl.
Die Zal der Waisen wurde anfänglich auf 40 festgesezt,
und zwar 20 Knaben, 20 Mädchen, wovon immer die eine
Hälfte aus dem Civil- die andere aus dem Militärstande zu
waten kam; die gewälten mussten ganz oder halbverwaist oder
wenigstens Kinder sehr armer Eltern, überdiess gesund, nicht
krüppelhaft, nicht unter 6 Jaren sein. Das Recht des Vor-
Schlags — jus pr aesen t o ndi — übte der Landeshaupt-
mann für Civil- der im Lande kommandirende General für die
Militär - Kinder.
Die Dotation des theresianischen Waisenhauses floss
aus verschiedenen, mehr oder minder sicheren Quellen. Die
*) Vorläufiges Gutachten des k. k. Stadtrichters, Johann Michael Schei-
benpogen, Linz 18. Mai 1765.
54
ergiebigste und sicherste blieb fortwährend der erwähnte Auf-
schlag auf die genannten Produkte, der auch immer gegen
3000 fl. järlich ab warf. Die gestattete »Sammelbüchse« und
Getreide - Sammlung im Lande lieferte um so reicheres Ertrag-
niss, je mehr die wolthätige Einrichtung dieser Anstalt bekannt
und gewürdigt wurde. Dazu kam das gar nicht unbeträchtliche
Verdienst, welches die Waisenkinder für das Spinnen , Nähen ,
Striken u. s. w. der Anstalt erwarben. Bei zunehmender Ge-
schiklichkeit und Fertigkeit der Kinder in diesen Handarbeiten
mehrte sich auch stufenweise die Einnahme und die Landes-
hauptmannschaft gab 28. September 1769 die anerkennende
Erklärung ab: die bei der Direktion des theresianischen Wai-
senhauses (die Landräte: Thomas Carl Baussart von Sonne-
wald und der Freiherr von Kurzrok) verwendete eifrigste
und erspriesslichste Sorgfalt habe die Einkünfte desselben auf
ein solches Quantum zu vergrössern Gelegenheit gefunden, dass
um sechs Waisen mehr ihre Erziehung und Ernährung erhal-
ten können.« — Um eine richtige Vorstellung von dem Ge-
deihen der Anstalt zu gewinnen, darf man nur einen flüchtigen
Blik werfen auf das Verhältnis der Ausgaben zu den Empfän-
gen in den ersten drei Jaren, in denen die Ausgaben wie be-
greiflich am grössten waren. Im Jare 1766 betrugen die Em-
pfänge : 15.991 fl. 50% kr., die Ausgaben 15.678 fl. 16 kr.;
im Jare 1767 die Empfänge 11.658 fl. 22Vi kr.; die Ausga-
ben 12.104 fl. 30y2 kr.; im Jare 1768 jene 8.479 fl. 153/4 kr.
diese 9.482 fl. 443/4 kr —
Zur Erzielung dieses Resultates trugen freilich ausser den
erwähnten Faktoren noch andere günstige Verhältnisse wesent-
lich bei: vor allem die Gross nnit der Stifterin, welche
— um anderes unerwähnt zu lassen — im Jare 1767 zwei
Tage vor ihrem Namensfeste die beim Verkaufe der freiherrlich
gr üntali sc hen Lehen eingehenden Gelder und einige Kassa-
reste — zusammen gegen 300 fl. dieser Anstalt zuwendete;
dazu gesellten sich kleinere und grössere Vermächtnisse, die
55
Belohnungen der Waisen für die Begleitung grösserer Leichen-
begängnisse , wozu sie nicht selten gebeten wurden, endlich
die Früchte der gemachten Zustiftungen.
2. Allmälig erfolgende Zu Stiftungen.
a) Ständische.
Die Waisen des Theresianums ermangelten einer eigenen
Kirche und Kapelle. An Wochentagen und dispensirten Feier-
tagen wohnten sie daher in der etwas entfernten Prunnerstift-
Kirche der gewöhnlichen Stiftmesse bei. Der Zeitverlust bei
dem Hin- und Hergehen an jedem Tage, die schnelle Abnuzung
der Kleider und Beschuhung, die zumal bei schlechter Wit-
terung unvermeidlich war, die Gefährdung der Gesundheit der
Kinder, welche nicht selten — weil man im Theresianum keine
Hausuhr hatte, entweder zur Hälfte die Messe versäumten, oder
allzufrüh kommend, lange warten mussten , bewirkte, dass man
von dieser Einrichtung abstand, und statt die Kinder in die
Kirche des Prunnerstifts zu schiken, im Waisenhause selbst
Anstalt machte, dass einer der Minoriten gegen bare Bezalung
täglich die heilige Mess las. — Unter diesen Umständen wen-
dete sich der damalige Verwalter, Andreas Wolff, am 20.
Oktober 1767 an die Landstände mit der bescheidenen Bitte:
»für das Waisenhaus so viel gnädigst zu bewilligen, damit all-
täglich und an den dispensirten Feiertragen die heilige Messe
berichtiget, wie auch eine Hausuhr könnte angeschafft werden.*
Anstatt in dieses Ansinnen einzugehen, beschlossen die Stände
dem Waisenhause järlich 240 fl. zu verabfolgen, dagegen vier
Kinder (zwei Knaben, zwei Mädchen) in dieses Haus zu sen-
den, die aller Wolthaten theilhaftig werden sollten, deren sich
andere Waisen - Kinder sowohl in christlicher Erziehung als
Erlernung vorgescbriebener Handarbeiter} zu erfreuen haben.—
56
Welche Waisenkinder dazu berufen wären, mit welchem Alter
sie ein - mit welchem sie auszutreten hätten, wurde nicht
förmlich ausgesprochen, nur im allgemeinen die Norm beobach-
tet, dass diese Stiftungspläze durch arme Untertanskinder stän-
discher Mitglieder oder auch mit Kindern aus der ständischen
Livree-Dienerschaft besezt wurden, Bestimmmter ausgedrükt
sind die erforderlichen Eigenschaften in dem in der Folge er-
richteten Stiftbriefe, nämlich: halb oder ganz elternlose Wai-
sen oder in ihrer Ermanglung Kinder wahrhaft dürftiger Eltern
vom sechsten bis zum vollendeten fünfzehnten Jare.
b) Khaulteti sehe.
Thaddäus Adam Graf von K h a u 11 e n zu K i r c h b e r g
hatte sein reges Mitgefühl für Arme, Leidende lind Kranke
schon dadurch bethätigt, dass er zur Stiftung zweier Kranken-
bette bei den Barmherzigen zu Linz die Summe von 3000 fl.
widmete, ln seiner leztwilligen Anordnung vom 25. November
1768 vermachte er demselben Orden »zur besseren Betreuung
der armen Kranken« neuerdings 3000 fl. Eine gleiche Summe
legirte er dem lobwürdigen Gotteshause zu Holzhausen,
dann »verschaffe ich, fährt er fort, in die in der k. k. landes-
fürstlichen Hauptstadt Linz neu errichtete k. k. Waisenstiftung
das Theresianum genannt, ein Kapital pr. 6000 fl. gegen
der ausdrüklichen Bedingnis jedoch, dass meinem Herrn Uni-
versal - Erben, seinen Nachkommen und mccessoribus gleich
nach meinem Tode, auch hinnaeh bei sich ergebender Apertur
das jus praesentandi zweien Knaben und zwei Mägdlein privativ
competiren und zustehen solle.« — Nähere Bestimmungen
über die Eigenschaften fehlten, doch galten vom Anfänge her,
dieselben , wie sie im Stiftbriefe der ständischen Zu Stiftung an-
gegeben wurden. Gleiches galt in Hinsicht des Alters der ein-
wie der austretenden Sliftlinge.
57
c) Muggenthallische.
Auch das Jar 1769 wurde durch eine Zustiftung bezeich-
net. Barbara v. Jägerbrein, geborne Helmberger v.
W eitterstorf hatte bei ihrem Tode, ihre Anverwandten,
die Fräulein E1 e o n o r a und Carolina von M uggenthall
zu Erbinen ihres reinen Vermögens in der Weise eingesezt,
dass sie davon während ihres Lebens vollkommene Nuzniessung
hätten ; nach ihrem Tode sollte dasselbe zu einem der Erblas-
serin Seele nüzlichen Werke verwendet werden. Die beiden
Erbinen von der Ansicht geleitet, dass »die Besorgung armer
Waisen billig unter die vorzüglichen guten Werke und der See-
len trostreiche Geschäfte zu zälen sei« , erklärten sich freiwil-
lig : auf der Stelle die nach Abzug der Schulden sich darstel-
lende Summe der Erbschaft pr. 2000 fl. zum Unterhalte eines
Knaben dem Waisenhause zu übergeben, nur behielten sie sich
den Genuss der Interessen für ihre Lebenszeit bevor. Auf die
Zustimmung der Administration kam 11. September 1769 der
Stiftbrief zu Stande , dem zufolge nach dem Tode der beiden
Fräulein die Interessen des genannten Kapitals dem Ther e-
sianum zufliessen sollten, damit ein Knabe dem Institute ge-
mäss auf ewige Zeiten mit allem Notwendigen versehen werden
könnte. — Das Recht des Vorschlags blieb demjenigen
gewahrt, den die Fräulein in ihrem Testamente benennen wür-
den , in Ermanglung dessen einem zeitlichen Herrn E i s e n o b-
mann (Vorsteher der Hauptgewerkschaft) in Steier. — Der
Knabe übernahm die Verpflichtung täglich ein Vater unser und
Ave Maria für die Frau Barbara v. Jägerbrein und die
gesammte Jägerbreinische und Muggenthallische
Verwandtschaft mit Andacht zu beten, nicht minder einen Ro-
senkranz am Tage der h. Barbara, Eleonora und des h.
Carolus für die drei Stifterinen. — Obgleich über die Eigen-
schaften und das Alter des Knaben nähere Bestimmungen fehl-
ten , hielt man sich doch gemeiniglich an die bekannten Normen,
58
3. Auflassung des theresianischen Waisenhauses; Anord-
nungen für die Waisen; RegulirUng der Pfründen; Ver-
wendung des Gebäudes.
Die ursprünglich festgesezte Zal der Waisen ward bereits
im Jare 1769 um sechs vermehrt; nach drei Jaren kamen wie-
der sechs hinzu; acht Jare nachher war die Gesammtzal der
Aufgenommenen — die ständischen und Khautten’schen Stift—
linge mit eingeschlossen — schon auf siebenzig gestiegen und
doch mehrten sich bei jeder Erledigung eines Plazes die Be-
werber , aber auch ausserdem die flehentlichen Bittgesuche,
welche der kaiserlichen Stifterin unmittelbar zugewendet wur-
den., um wenn gleich kein Plaz erledigt war, wenigstens eine
ausserordentliche Aufnahme im Waisenhaus zu erlangen. Ein
solcher Fall trat auch im Jare 1780 ein. Die edle mitleidvolle
Landesfürstin ward wieder auf die rührendste Weise gebeten,
sich eines ganz verlassenen, ganz hilflosen Kindes zu erbarmen
und ihm den Eintritt ins Theresianum zu gewähren. Die Kai-
serin liess auch diese Bitte nicht unerhört. Obgleich sie wol
wusste, dass kein Stiftungsplaz erledigt sei, erliess sie doch die
Weisung das elternlose Kind auf der Stelle aufzunehmen, da-
gegen die künftig sich ergebende Erledigung unbesezt zu lassen.
Das war die lezte Anordnung, welche die edle Fürstin für die-
ses Waisenhaus erliess ; wenige Wochen nachher war sie eine
Leiche. — Die von ihr gegründete Anstalt hatte, so lange die
Stifterin lebte, die ihr gewordene Bestimmung treu und ge-
wissenhaft erfüllt. Dass ihr Sohn und Nachfolger auf dem
Throne — auch über die Waisenhäuser andere Ansichten hege,
war eine bekannte Sache; darum kam es auch nicht unerwar-
tet, dass schon nach ein Paar Jaren, das nach seiner Mutter
benannte Waisenhaus, nachdem es gerade zwanzig Jahre be-
standen, durch das oben erwähnte Handbillet Josephs II. aus
Steier , aufgehoben wurde. *—
Die Waisen des Theresianums wurden eben so wie die
der beiden anderen Häuser in auswärtige Kost gegeben; für
59
ihre Erziehung und gute Behandlung die gleiche Sorgfalt ge-
tragen. Für den Unterhalt der acht und vierzig Waisen ward
wol von der Hofbuchhalterei die Summe 2176 fl. 24 icr., ä
45 fl. 20Kj% kr. beantragt; allein es waren damals — ausser
den vier ständischen und vier Khauttenischen — noch 27 Mi-
litär- und 29 Civil - Waisen vorhanden, also um sechszehn mehr,
als der Berechnung zu Folge hätten sein sollen. Die Sorge
für diese grössere Anzahl war nach der Aufhebung des Waisen-
hauses um so schwerer, um so beängstigender, weil von nun
an die Einnahmsquellen ganz versiegten , die doch bisher so
reichlich flössen , dass auch die grössere Zal der Waisen mit
leichter Mühe erhalten werden konnte, nämlich: das Verdienst,
welches vom Nähen , Striken , Spinnen und anderen Handar-
beiten der Waisen, und von der Begleitung der Leichenbe-
gängnisse dem Hause zugekommen war. — Doch hoffte man
die hieraus entspringende Verlegenheit dadurch einigermassen
zu vermeiden , dass man Kostörter aufsuchte , wo man nicht
die ganze, sondern eine geringere Summe für den Unterhalt
forderte, oder dass einige der Waisen bald ins sechszehnte Jar
einrükten und dadurch zum Austrite aus der Unterstüzung ge-
zwungen würden. Für die Zukunft fiel jede Verlegenheit und
Besorgnis wegen des Unterhaltes umsomehr hinweg , weil die
Zal der landesfürstlichen Stiftlinge — 20 Civil- 20 Militärwai-
sen — durchaus nicht mehr überschritten werden durfte.
Eine vorzügliche Einnahmsquelle blieb — ausser dem
Mietzinse für das Gebäude und für die ganze Besizung , worauf
wir unten zurükkommen — noch immer der Armenleutaufschlag,
der schon vorher 3000 fl. järlich abgeworfen hatte. Diese
Summe hatte das k. k. Mautoberamt fortan järlich an den Stif-
tungsfond abzuführen; dahin kamen auch die übrigen Kapita-
lien des Waisenhauses und die davon abfallenden Einkünfte,
wie der järliche Beitrag der Stände. Hieraus wurden die Geld-
beiträge an die Stiftlinge — und zwar ganz gleich so geschaf-
fen, dass für ein Mädchen vom 6.—16. Jar 30 fl., für einen
60
Knaben vom 6.—12. Jare 45 fl. und vom 12.—16. 36 fl. aus-
gemittelt wurden. Dass auch diese Stiftungsgenüsse durch die
nachfolgenden Finanz - Operationen betroffen wurden , ist nicht
notwendig zu erwähnen; doch blieb auch jezt das Präsentations-
Recht bei allen Stiftungen denjenigen gewahrt, denen es zustand.
Erst in den lezten Jaren wurde die kumulative Verwal-
tung der Stiftungen aufgehoben und die Absonderung der Haupt-
und Nebenstiftungen wieder vorgenommen; und überhaupt jene
Veränderungen eingeführt, die den stiftbrieflichen Anordnungen
entsprachen. Diesem gemäss zeigt die nachfolgende Tafel die
wichtigeren gegenwärtigen Verhältnisse der Hauptstiftung und
der Zustiftungen.
Uebersicht über die Präsentanten, die Zal der Pläze und die Beteilungs -
Beträge der Theresianischen Hauptstiftung und der Zustiftungen.
Betei-
lungs-
SS Name der Stiftung. Praesentant. Zal der Pläze. Art
M in CM.
o a* fl.| kr.
Statthalter 10 Civilknaben 28
1 Theresianische Waisenstiftung Militär.Comraando Statthalter lOMilitärknaben I 0 Civilmädchen 20 24 —
Militär-Commando 1 OMilitär— » 16 —
2 Ständische Zustiftung . . Vereinigtes Lan- des - Collegium 2 Knaben 2 Mädchen 60 43 24 36
Khauttenische Zustiftung Freiherr von Rum- 2 Knaben 36 48
5 merskirch 2 Mädchen 32 24
4 Muggenfchallische Zustiftung Eisenobmann in Steier 1 Knabe 92 —
Bei der Aufhebung des Waisenhauses wurde zufolge Hof-
Kanzleidekrete 28. Jänner 1787 von der Theresianischen Wai-
senhausstiftung die Summe von 3900 fl. ausgeschieden und als
61
zum Religionsfond gehörig, in diesen abgeführt. Woraus sich
diese Summe gebildet habe , ob aus Vermächtnissen, Geschen-
ken , oder aus dem Verkaufe der kirchlichen Gerätschaften,
weiss ich nicht anzugeben. — Ueber die Bestimmung des
Gebäudes und des ausgedehnten Gartengrundes
hatte sich schon das kaiserliche Handbillet vom 9. Oktober 1786
nachdrüksvoll ausgesprochen. Dadurch, dass die Waisen in
auswärtige Kostörter gegeben werden, »wird das Theresianum
ganz leer, welches zu einem allgemeinen Spital ganz wol ge-
legen wäre; allein da wegen Abgang des nötigen Fundi dazue,
dieses nicht geschehen kann , so ist selbes dem Militari zu einer
Kaserne sammt dessen grossem Garten einzuräumen , in welch
lezterem die Bäkerei und alles was dazue gehört, hergestellt
werden wird.« — Und so geschah cs auch. Gegen eine jär-
liche Miete von 400 fl. kam die ganze Besizung an das k. k.
Militär-Kommando zur Unterbringung des Militär-Verpflegsamtes,
der Magazine, der Bäkerei u. s. w. bis sie im Jare 1805 käuf-
lich an das Militär—Aerar überlassen wurde, dessen Eigentum
sie noch gegenwärtig ist. — Auf diese Weise verschwand auch
diese wolthätige Anstalt und bald — gar bald wird selbst die
Erinnerung daran und der Name verschwinden; hochbejarte
Personen nur nennen noch manchmal das Hauptgebäude »The-
resianum.«
62
V. Anhang zur Seite 14.
Fürs tenb ergi s che s Haus, Fürstenbergisches Beneficium in
der Vorstadt zu Linz.
Den Namen verlieh die Eigentümerin und Stifterin. M a-
ria Elisabeth Theresia, Reichsgräfin von und zu Für-
stenberg, Heiligenberg und Werdenberg, Land-
gräfin in der Baar zu Donaueschingen, Stiftsfräulein des
fürstlich freiweltlichen Stifts Buchau am Feeder-See, erkaufte
am 1. November 1701 vom Prälaten zu Kremsmünster
Ehrenbert Sehrevogl das ehemals Proll’sche, später Plü-
schersche Haus sammt Garten in der Vorstadt zu Linz um
5000 fl. rheinisch und versprach bei Uebernahme dieses Hau-
ses, »im Ostermarkte 1702 ein Tausend Gulden in Barem und
drei Tausend in annehmlichen gut orientalischen Perlen ohne
Verzug abzuführen , die übrigen tausend Gulden aber auf dem
hernachfolgenden Bartholomäi-Linzer-Markt zu entrichten.« —
Dieses Haus, dessen rükwärtsliegender Garten an den ehmaligen
Gottesaker (Glokengiessergasse) stiess, lag zwischen dem Glo-
kenstadel und dem Bruderhause (Schiffwirthshaus heutzutage).
Da eben damals der Stadtmagistrat beschlossen hatte, das Bru-
derhaus nicht nur vom Grunde aus neu zu erbauen , sondern
auch nach dem Wunsche der im Jare 1700 neu errichteten
Bruderschaft der allerheiligsten Dreieinigkeit, darin eine eigene
Wohnung für arme Pilger herzustellen , eroffnete die genannte
Gräfin dem Stadtmagistrate ihren frommen Plan: zwischen ihrem
eben erkauften Hause und dem Bruderhause eine Kapelle zu
Ehren der allerheiligsten Dreieinigkeit erbauen zu lassen und
dahin — gleichfalls auf ihre Kosten — zum Unterhalte eines
Priesters und zur Lesung der h. Messe eine Stiftung zu machen;
63
ein Plan, dessen Verwirklichung der Magistrat bereitwillig för-
derte. Hiedurch ward ja den Siechen und den im Bruderhaus
verweilenden Pilgern die Möglichkeit geboten, täglich der h.
Messe in der ganz nahen Kapelle beizuwohnen ; überdiess hatte
die Gräfin den Vorstehern der Bruderschaft der allerheiligsten
Dreieinigkeit auch das Recht zugesichert, nach ihrem Tode den
jeweiligen Benefiziaten in Vorschlag zu bringen. Gerne bewil-
ligte darum der Magistrat nicht blos den beantragten Bau son-
dern überliess hiezu auch ein Stiik des Bruderhausgrundes, der
sich zwischen den beiden Häusern hinzog.
Der Bau, im Frühjare 1702 begonnen, wurde so eifrig
betrieben, dass am 27. Julius der »Ehrenstein« durch den
Domherrn von P a s s a u , Joseph Dominikus Grafen von
Lamberg — den nachmaligen Kardinal und Fürstbischof —
feierlich eingesezt und am 16. November des folgenden Jares
die erste h. Messe gelesen werden konnte. — Ausser dem
Baue und der Verzierung der Kapelle im Innern und Aeussern,
die 3310 fl. erforderten, bestritt die fromme Gräfin auch die
innere Einrichtung und Ausstattung mit Gefässen, Geräten, mit
Wäsche u. s. w. mit so liberalem Sinne, dass sie — die herr-
lichen Paramente ungerechnet, die sie selbst und ihre Anver-
wandten gespendet — wieder 1200 fl. 56 kr. verwendete.
Kaum waren diese Schritte geschehen und auch ein Be-
nefiziat, Peter Lorenz Fuchy — bisher Kurat zu Wels
— ernannt, wendete sich der damalige Propst zu Spital,
Heinrich F ü r s t e n , an die Stifterin mit dem Anträge : diese
ihre Stiftung mit 6000 fl. zu vermehren und den eben genann-
ten Benefiziaten zum Kanonikus seines Stiftes aufzunehmen,
vorausgesezt, dass jene seinem Stifte förmlich inkorporirt würde.
(2. Dezember 1702.)
Der Annahme dieses in mehrfacher Beziehung willkom-
menen Antrages stand einigermassen das von der Stifterin den
Vorstehern der Bruderschaft zugesicherte Recht entgegen: nach
ihrem Hintritte den jeweiligen Benefiziaten in Vorschlag zu
64
bringen. Nach reiflicher Erwägung aller Verhältnisse fand 1.
Julius 1703 unter den Interessenten diese Vereinbarung statt:
Das Recht, den eben ernannten Benefiziaten und nach seinem
Absterben, oder in Folge einer Versezung desselben einen an-
dern tauglichen Priester dem Ordinariate zu präsentiren blieb
der Stifterin auf ihre Lebenszeit; die Benennung: Fürsten-
bergische Stiftung, F ü r s t e n b e r gis c hes Benefi-
zium, auf immerwährende Zeiten gesichert. Nach ihrem Hin-
trite ging das Patronatsrecht an die Vorstellung der Bruder-
schaft der allerheiligsten Dreieinigkeit und an den Magistrat
»simultanee et concurrenter« über; der Propst von Spital dage-
gen, der ausser der verheissenen Vermehrung der Stiftung pr.
6000 fl. auch 2000 fl. zum Besten der Bruderschaft gewidmet,
erlangte nach dem Tode der Stifterin für sich und seine Nach-
folger das Recht: ohne Dazwischenkunft des Kapitels, bei Ab-
sterben oder anderwärtiger Veränderung des Benefiziaten, ent-
weder aus seiner Mitte —»ex collegiali gretnio« — oder an-
ders woher ein taugliches Individuum den Patronen zur weite-
ren Präsentirung benennen zu dürfen. Gleichzeitig erklärten
sich auch die Stifterin und die Vorstellung der Bruderschaft
bereitwillig, dem Benefiziaten eine bequeme Wohnung in einem
bürgerlichen Hause zu verschaffen.
Der früher gemachten Zusicherung gemäss ward der
neu ernannte Benefiziat F u c h y am 5. Julius 1703 als Kano-
nikus von Spital an- und aufgenommen, hielt daselbst die
gebräuchliche Residenz von drei Monaten und begab sich im
Oktober 1703 wieder nach Linz um vor Allem die Konfirma-
tion von Seite des Ordinariates und was zur gänzlichen Vollen-
dung der begonnenen Fundation noch fehlte, zu Stande zu
bringen.
Wol hatte die Stifterin bereits am 19.. Jänner 1703 ein
Kapital von 13.000 fl. (11.000 fl. zum Unterhalt des Bene-
fiziaten , 2000 fl. zur Erhaltung der Kapelle und zur Bestrei-
tung der laufenden Bedürfnisse) bei der ob der ensischen
65
Landschaft nuzbringend angelegt und auch die nötigen Schritte
gethan, um vom Ordinariate zu Passau die Konfirmation der
Stiftbriefe, Obligationen u. s. w. zu erlangen. Unglüklicher
Weise traten politische Ereignisse ein , die eine mehrmonatliche
Verzögerung herbeiführten. — Der spanische Erbfolge-
krieg, an welchem sich Baiern in Verbindung mit Frank-
reich gegen Oesterreich beteiligte, lieferte Passau, dessen
Fürstbischof auf österreichischer Seite stand, in die Hände des
Kurfürsten von Baiern (8. Jänner 1704) die baierischen Trup-
pen drangen von dort über Peuerbach und Waizen-
k i r c h e n bis nach Eferding unaufgehalten vor; Linz von
Truppen ganz entblösst, schwebte in der grössten Gefahr in
feindliche Hände zu fallen. Wie so viele der angesehensten
Bewohner die bedrohte Stadt verliessen, war auch die Stifterin
zu ihren Anverwandten nach Weitra entflohen. Bei diesen
Wirren waren sogar die ihre Stiftung betreffenden Papiere in
Verlust geraten und da sie selbst sieben Monate von Linz ent-
fernt blieb, ruhte auch die ganze Stiftungs-Angelegenheit.
Ihre Rükkunft bezeichnete sie mit einem neuen Akte der
Frömmigkeit: dem Erläge von 3000 fl. zur Stiftung von zwei
Wochenmessen (Linzer Bartholomäus - Markt 1704) und der
eifrigsten Betreibung der genannten Angelegenheit. Wirklich
wurden die beiden Stiftbriefe — der Stifterin und des Z u-
stifters — am 31. Dezember 1704 endlich ausgefertigt.
Der erste, welcher die Interessen von 2000 fl. zur Er-
haltung der Kapelle und Bestreitung der laufenden Bedürfnisse;
die von 11.000 fl. und 3000 fl. zum Unterhalte des Benefizia-
ten bestimmte, verpflichteten diesen : 1. zur Lesung von vier
wöchentlichen, einer monatlichen und einer Jaresmesse. 2. da-
zu , den armen Fremdlingen in dem neuerbauten Bruderhause
oder künftig erbauten Pilgerhospitale der allerheiligsten Dreief-
nigkeit — allein und nicht anderen Personen , wenn sie etwa
von einer Krankheit überfallen würden, mit Administrirung der
h. Sakramente und andern andächtigen Zusprüchen beizuspringen
Mus. Jahr. Ber. XX. 5
66
und 3. zu Ehren der allerheiligsten Dreieinigkeit — am Feste
dieser, wie auch an den Quatember - Sonntagen — in der
Kapelle den anwesenden und dabei zu erscheinen verbundenen
armen Reisenden den englischen Rosenkranz laut vorzubeten.
Der zweite, welcher die Interessen von 6000 fl. zur bes-
sern Existenz des flirstenbergischen Renefiziaten und die Summe
von 2000 fl. für das Spital der allerheiligsten Dreieinigkeit be-
stimmt hatte, sicherte wie verabredet, nach dem Tode der
Stifterin dem jeweiligen Propste zu Spital das jus de no-
min an di in der Stufenfolge: zu allererst, einen um das
Stift Spital bestens oder doch wol verdienten wirklichen Spi-
taler - Kapitularen oder Kanonicum; im Weigerungsfälle einen
aus Heinrichs , des jezigen Propstes Anverwandten, der dazu-
mal am tauglichsten befunden würde; wäre aber kein dazu
tauglicher vorhanden, einen andern »weltlichen, fromb und
tauglichen Priester.« — Diese drei Stufen hatte jeder Propst
genau und unalterirt zu beobachten. Er verflichtete den Be-
nefiziaten nur zur Lesung einer schon im vorigen Stiftbriefe
aufgezälten Wochen-Messe. — Feierlich wahrte er sich und
seinen Nachfolgern das erwähnte Recht und sollte dieses »wi-
der alles Verhoffen, über kurz oder lang einigermassen in Frage
gezogen oder alterirt werden, solle eo ipso der von anderwärts
hiezu benannte Benefiziat von diesem seinem augmentirten Kapital
pr. 6000 fl nichts gemessen , sondern das Interesse sogleich an-
derswohin und zwar zu der sogenannten h. Kreuz-Kirche
nächst dem Kloster S c h 1 i e r b a c h i s c h e n Markt und Pfarre
Kirchdorf sub eadem obligatione, wie es in der Fürsten-
bergischen Kapelle zu Linz war, bis sur Redintegrirung dieses
unmittelbaren Rechtes gewidmet werden.« Das j u s praesen-
tandi blieb dem jeweiligen Dechant zu Linz und dem Stadt—
lröigistrat, als Vorstehern der löblichen Bruderschaft.
Diese Stiftbriefe sammt der erwähnten Vereinbarung vom
1. Juli 1703 und den Obligationen, die in Abschrift beige-
schlossen wurden, überbrachte mit dem Präsentationsschreiben
67
der ernannte Benefiziat selbst nach Passau und 15. Mai 1705
erfolgte die Konfirmation der Stiftung so wie die Investitur des
Benefiziaten zum grossen Tröste der Stifterin. Im Spätherbste
eben dieses Jares liess sie nun die Leiche ihrer leiblichen
Schwester, Eleonora Philippine Katharina, Gräfin
von Cronsfeld, die 29. Jul. 1702 zu Wien verstorben und
bei den Schotten daselbst beigesezt war, nach Linz über-
tragen und am 23. Oktober in der neuen Kapelle in der Gruft
am Altäre feierlich bestatten.
Die Quelle ihrer Wohlthätigkeit versiegte aber auch jezt
nicht. Um die Kapelle immer in geordnetem Zustande zu er-
halten und zugleich dem Benefiziaten mehrere Erleichterung und
wesentliche Beihilfe zu verschaffen , erlegte sie am Linzer Oster-
markt 1706 bei dem Stifte Spital am Pyrn die Summe
von 1250 fl. als Stiftungs - Kapital zum Unterhalte eines Sa-
kristans und bestimmte diesem auf immerwährende Zeiten eine
Wohnung in ihrem eigentümlichen Hause und zwar »die Stube
und Kammer gleich an der Sakristei unverzeihlich und ohne
einigem Entgelt.« Da das Fest der Trinität nahe war, wen-
dete sie sich durch den Benefiziaten bittlich nach Rom , um
für das Titularfest der Kapelle einen vollkommenen Ablass zu
erhalten, welche Bitte ihr auch von Clemens XI. unterm
12. April 1706 gewährt ward. Im nämlichen Jare stellte sie
auch dem Benefiziaten , für den sie eine bequeme Wohnung
in der Nähe der Kapelle vergeblich gesucht, im mittleren Stoke
ihres Hauses bis auf weiteres eine solche zur Verfügung und
liess zur grösseren Bequemlichkeit desselben aus der Sakristei
eine Thüre in ihr Haus brechen; auf ihre Kosten wurde auch
zur Aufbewahrung des Hochwürdigsten ein Tabernakel verfertigt
und von dem frommen Bürger und Handelsmann, Johann
Jakob Manigl, der schon vor geraumer Zeit 500 fl. *ad
piam Causam« gewidmet, ein ewiges Licht in dieser Kapelle
mit den demutsvollen Worten gestiftet: «Schenke demnach ich
sündige Kreatur und nichtiges Erdenwürmlein zu aller—
5*
arme
68
unthänigst und demütigster Danksagung für alle von Gott dem
Vater, meinem Schöpfer, Gott dem Sohne, meinem Erlöser
und Gott dem heiligen Geiste, meinem Erleuchter und Heilig-
macher , von dem ersten Augenblik meiner Erschaffung an, bis
auf jezige Stund meines Lebens unzalbar erwiesene Gnaden,
hiemit und vermög dieser meiner Donation unter den Lebendi-
gen 500 fl. Kapital zu ebengedachter gräflich fürstenbergischer
Kapelle der allerheiligsten Dreieinigkeit und allda einzurichten-
der ewiger Beleuchtung« (18. Dezember 1706).
Vieles war der frommen Stifterin bisher gelungen , nur
ein lange genährter Wunsch wollte ihr nicht gelingen; ja sie
zweifelte ob sie , weil ihre Kräfte sie mehr und mehr schwin-
den sah , überhaupt die Verwirklichung desselben erleben würde.
Vom Anfänge an hatte sie — besonders auch im Stiftbriefe
— den Benefiziaten verpflichtet, den reisenden Pilgern, welche
im neu zu erbauenden Spitale erkrankten, mit Administrirung
der Sakramente und ermunternden Zusprechungen beizuspringen.
Auch hatte sie die Intention, für diese Anstalt eine bestimmte
Geldsumme zu widmen. Da diese Angelegenheit schon seit Jaren
ganz ruhte , und bei fortdauernden Kriegswehen keine Hoffnung
zur Ausführung dieses Vorhabens sich zeigte, wollte die edle
Frau ihren ursprünglichen Plan, jedoch nur mit voller Zustim-
mung der Vorsteher der Bruderschaft, in etwas abändern. Sie
wollte nämlich , dass jener den Benefiziaten betreffende Punkt
dahin geändert würde, dass der Benefiziat verpflichtet bleibe,
den Armen im Bruderhause — aber nicht andern — die Sa-
kramente auszuspenden. — Hingegen gab sie ihm Gewalt, das
Almosen, so sie zu einer Stiftung für Pilger bestimmt, andern
armen Leuten zu geben und durch Erteilung dieses Almosens
sie zu verobligiren, das Jar hindurch öfferitlich in ihrer Kapelle
fünf englische Rosenkränze von der allerheiligsten Dreieinigkeit
mit ihme laut zu beten : nämlich am Tage des hohen Festes
und an den vier Quatember - Sonntagen sowol für die Stifterin
als für die Seelen der Fürstenbergischen Familie.
69
Der Stadtmagistrat läugnete nicht, dass man wirklich
zur Beherbergung fremder Pilger ein Bruderhaus zu
errichten gesonnen gewesen, aber aus Mangel des nötigen
Vermögens unmöglich es ausführen könne, »zu geschweigen,
dass die Stadt Linz ausser dem also genannten Lazareth
und Krankenhaus, fünf schlecbt-fundirte Armen-
häuser habe, denen alle Bruderschafts - Sammlung zu Ab-
bruch und Nachtheil gereichen würde, mithin unnötig sei,
fremde, ausländische Bettler herzuzuzügeln.« Desshalb wendete
er nichts gegen die beantragte Veränderung ein, nur wünschte
er, »von dem den Pilgern vermeinten Almosen dem ganz nicht
fundirten Krankenhaus zur Erkaufung der bedürftigen Medizina-
lien etwan järlich 50 oder 60 fl. auszuwerfen und beizulegen
und das übrige denen armen Leuten im Bruderhaus zu appli-
ziren, nicht aber bar auszuteilen, sondern gegen gewisse Ob-
ligation, den Trunk und Kost zu melioriren.« — Dass die Stif-
terin auch auf diesen Vorschlag eingehen würde, war voraus-
zusehen. War doch ihr ganzes Bestreben darauf gerichtet,
Leidenden Trost, Armen Unterstüzung, Verlassenen Schuz und
Obdach zu gewähren. — Mitten unter diesem christlichen Stre-
ben raffte sie ein gäher Tod, ein Schlagfluss am 7. Jänner
1717 hinweg. An der Seite ihrer schon heimgegangenen
Schwester wurde sie am folgenden Tage in ihrer Kapelle zur
Erde bestattet. Ihre jüngere Schwester Maria Franziska
verabredete als Universal-Erbin bereits am 5. April 1717 den
Verkauf des Hauses, des Gartens und der Kapelle an Hein-
rich, den Probsten zu Spital »zu einer beständigen Woh-
nung für den dermaligen und künftig jederzeit aus dem löbli-
chen Stift Spital zu präsentirenden fürstenbergischen Benefizia-
ten, sonderbar zu perpetuirlicher Unterbringung der von einem
gewissen Bürger allhier vor kurzer Zeit gestifteten bürgerlichen
Waisen vermainet und gewidmet werden will.« —
So ward das fürstenbergische Haus sammt K a-
pelle und Garten um den Preis von 7400 fl. Eigentum der
70
Kellerischen Stiftung und blieb es, bis es nach Auf-
lassung dieser, sammt Garten zum Besten des k. k. Stifungs-
fondes am 15. Dezember 1787 veräussert wurde. — Die Ka-
pelle wurde gesperrt und gleichfalls veräussert. Der dafür
eingegangene Kaufschilling pr. 000 fl. sollte nach den beste-
henden Direktiven an den Religionsfond abgeführt werden, blieb
jedoch Eigentum des Stiflungsfondes, weil sich bei genauer
Erhebung des Thatbestandes ergab, dass die Kapelle auf den
Hauptmauern der Stiftungshäuser erbaut, mehr für eine Haus-
ais für eine öffentliche Kapelle anzusehen sei *) (Hofkanzlei-
Dekret, 29. Dezember 1789).
Der Benefiziat hatte auch während des Bestehens
des Kellerischen Waisenhauses seine Wohnung in diesem bei-
behalten ; erst nach der Dos ersehen Zustiftung, durch
welche die Zal der Stiftlinge auf 31 erhöht wurde, klagte der
damalige Waisenhaus-Verwalter, Leopold Wazinger sehr
bitter, über die allzubeschränkten Räumlichkeiten; insbesondere
dass die Schlafzimmer für die Knaben und Mädchen viel zu
klein und dadurch ungesund und den Anstand verlezend wären,
Gebrechen, denen auf die leichteste Weise abgeholfen würde,
wenn der Benefiziat seine Wohnung in einem andern Hause
aufschlüge, und dann der von ihm bisher bewohnte Teil des
oberen Stokes für die Waisen in Verwendung käme. — Bald
hierauf wurde für den Benefiziaten das in der Nähe liegende
Haus an dem Plaze, wo heute das neuerbaute Baron von Haan-
sche Haus Nr. 469 an der Landstrasse steht, erkauft und blieb
die Benefiziaten-Wohnung bis zur Auflassung des Waisenhauses.
Das Benefizium wurde für den Religionsfond eingezogen
und in ein Dotations - Quantum zur Pfarre Urfahr umgewan-
delt; »das Präsentations - Recht aber vom damaligen Stadt—
*) Dieses Haus, Nr. 527, jezt Eigentum des Cajetan Mittermüller
zeigt an seinem rechten Flügel rükwärts, troz mancher Umwandlung
noch unverkennbar die Form der ehmaligen Kapelle.
71
pfarrer, Johann Michal Posch und vom Stadtmagistrate an
den Pröpsten von Spital abgetreten und von diesem bis zur
Aufhebung des Stiftes geübt; seit dieser gebürt es dem Reli-
gionsfond. — Der Propst, bereits früher beauftragt, einen zur
Seelsorge tauglichen und approbirten Canonikus zum fürsten-
bergischen Benefiziaten und zur Pfarre Urfahr zu ernennen,
ernannte den Kanoniker, Franz Jos. Mayr und versprach den
bisherigen Benefiziaten, Sigismund von Reinspach in das
Stift zurükzunehmen und alles was ihm vermöge seiner Ver-
dienste und seines hohen Alters gebüre, mit grösster Willfäh-
rigkeit ihm angedeihen zu lassen. — Mayr wurde im Früh-
jare 1785 als fürstenbergischer Benefiziat und Pfarrer in Urfahr
bestätigt. 1) Da durch diese Uebersezung das sogenannte für-
stenbergische Benefiziaten-Haus entbehrlich wurde, er-
ging an den Kameral- Administrator Freiherrn von Lehrbach
der Auftrag, es auf Rechnung des Religionsfondes im gewöhn-
lichen Wege zu veräussern. ?) *)
*) Hofkanzlei-Dekret 20. Marz 1786, Zal 650.
2) Die Nachrichten über diese fürstenbergische Stiftung verdanke ich im
ersten Teile einer Handschrift des Museum Francisco - Carolinum; im
zweiten den Aktenstüken die mir aus der bischöflichen Consistorial-
Kanzlei gefällig mitgetheilt wurden.
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Zur Geschichte
in i 1 d e r S t i ft u n g e n
im
Lande ob der Ens.
Von
Joseph Gaisberger.
III. Lieferung:
Das Linzer Bürgerspital und die damit vereinigten Stiftungen.
1
„....
«Selig ist, der des Armen und Dürftigen gedenket; am Tage des
Unglücks wird ihn erretten der Herr. Der Herr behüte
ihn, und erhalte ihn beim Leben; er bringe ihm Hilfe
auf dem Bette seiner Schmerzen. Psalm. 40.
Vorwort.
Die Freunde und Gönner unseres vaterländischen Museums
erhalten hiemit die dritte Lieferung: »Zur Geschichte milder Stif-
tungen im Lande ob der Ens.« Beschäftigten sich die beiden ersten
vorzugsweise mit den Anstalten, welche in der Hauptstadt -für Er-
ziehung, Unterricht und Bildung der heranblühenden Jugend ge-
stiftet wurden, so verweilet diese auf dem Gebiete der Versorgung
und Verpflegung des siechen, hilflosen, verlassenen Alters. Und
warlich! auch auf diesem hat sich der wolthätige Sinn der Be-
wohner dieser Stadt glänzend bewährt und in sechs Anstalten
schöne, unvergessliche Denkmale der Mildthätigkeit zurückgelassen.
Mehr als hundert Individuen fanden darin für ihr Alter fortwährend
nicht bloss eine Stätte der Zuflucht, sondern auch — je nach
Verschiedenheit der gebotenen Mittel — ein grösseres oder ge-
ringeres Mass von Unterstützung und Verpflegung; jedenfalls soviel,
dass sie am Abend ihres Lebens eine friedliche Stelle fanden, wo
sie das ermüdete Haupt hinlegen konnten. Aber nicht bloss auf
die leiblichen Bedürfnisse der Aufgenommenen beschränkte sich
die schützende Fürsorge der Wolthäter; sie umfasste gleichzeitig
auch die der Seele, und weckte und unterhielt durch festbestimmte
12*
172
häusliche Andachten und religiöse Uebungen einen frommen und
gottergebenen Sinn. — Leider! hat die Zeit, der Umschwung in
den Meinungen und Ansichten der Menschen auch an diesen An-
stalten so arg gerüttelt, dass von allem, was sie ehemals gewesen,
was sie gewährt, wenig —- nur noch der Name und ein täglicher
Unterstüzungs-Beitrag in Geld — Tagesportion — übrig geblieben
ist. Um so mehr bleibt die einfache Schilderung der Gründung
dieser Anstalten, ihrer Wandlungen und Schicksale eine heilige
Pflicht, welche dem Andenken an die edelgesinnten Stifter und
Wolthäter die Gegenwart schuldet.
St. Florian, am 8. Mai 1862.
Der Verfasser.
Das Linzer Bürgerspital und die damit
vereinigten Stiftungen.
/. Das Linzer Bürger-Spital zum heil. Geist.
\. Fruchtloser Versuch, die christlichen W o 1 thä ti gk e i ts-
Anstalten ins Heidentum zu verpflanzen. Mannigfaltigkeit
dieser, ihre Vermehrung, Leprosenhäuser, Lazarethe, heil.
Geistspitäler.
Nicht einmal der arglistigste Christenfeind, Julian, der
Abtrünnige, konnte den, alle Verhältnisse des menschlichen
Lebens wolthätig durchdringenden und veredlenden Einfluss des
Christentums sich jemals verbergen; ja von seinem leidenschaft-
lichen Streben, den religiösen Gehalt des Heidentums zu erhöhen
hoffte er nur dann einigen Erfolg, wenn es ihm gelänge, jene
christlichen Elemente in das Heidentum zu verpflanzen, die nach
seiner Anschauungsweise der Lehre des göttlichen Heilandes so
zalreichen Anhang gewonnen; wohin er vor Allem die Anstal-
ten der Wolthätigkeit gezält hatte. — Kaum sah er sich
daher auf dem Throne gesichert, wendete er dieser Aufgabe seine
Sorgfalt zu. Als Augustus zugleich Leiter des gesammten Reli-
gionswesens (Pontifex maximus) schärfte er den übrigen Priestern
nicht nur Heiligkeit und Reinheit des Wandels, sondern insbeson-
dere auch Milde und Wolthätigkeit gegen jedermann ein ; in dem
Schreiben an Arsacius, den Oberpriester der Provinz Galatien,
befiehlt er die Errichtung von Herbergen in einzelnen Städten, um
Fremdlinge, Dürftige, Arme, sie mögen welchem Glauben immerhin
174
angehören, darin mit aller Liebe zu bewirten; für die Mittel, von
denen alles bestritten werden soll, habe er bereits Vorsorge ge-
troffen. »Es ist eine Schande, fügt er hinzu, wenn von den Juden
niemand betteln gebt, die gottlosen Galiläer (so nannte er höh-
nend die Christen) dagegen nicht bloss die ihrigen, sondern
auch die unsrigen ernähren, so dass es den Anschein hat, als ob
wir den unsrigen keine Hilfe und Unterstützung zukommen Hessen.
Belehre auch die Heiden, dass sie zu solchen Dienstleistungen bei-
tragen *).« —
Durch solche Anordnungen und dadurch befohlene Wolthä-
tigkeitsanstalten hoffte er das Heidentum veredelt und gehoben,
den heidnischen Baum mit den schönsten christlichen Früchten
geschmückt und dem Christentum einen gefährlichen Rivalen an
die Seite gestellt zu sehen. — Eitle Hoffnung! Was der Kaiser
angeordnet, war ein Samenkorn ohne empfänglichen Boden, ein
Zuruf, der in den Herzen der Heiden keinen Anklang gefunden,
da noch immer die Ansicht Geltung hatte, dass warme Teilnahme
als Gebrechen einer kleinlichen Seele alle Guten vermeiden sollen * 2).
Eine ganz andere Gesinnung beseelte die Christen. Die
Teilnahme für Leidende, die Sorge für Dürftige und Arme wurzelt
ja im innersten Wesen des Christentums; auf dem Gebote der
Liebe »beruht das ganze Gesez und die Prophetena — und selbst
die kleinste Gabe — ein Trunk frischen Wassers dem Durstenden
dargereicht, galt gewissermassen demjenigen, der menschliche Ge-
stalt angenommen und selbst dieses Gebot, bis zum Kreuzestode
befolget hat. — Desshalb war, wie die Apostelgeschichte zeigt,
thätige Nächstenliebe bereits im Beginne des Christentums ein un-
vertilgbares Merkmal seiner Bekenner und blieb es, wie selbst der
feindselige Julian eingestehen musste, unter dem Schwerdrucke der
härtesten Verfolgungen. — Kaum aber waren diese geendet, trat
*) Juliani epistola 49. — Kaiser Julian, der Abtrünnige, von J. Auer,
Wien 1855. S. 199.
2) Omnes boni misericordiam vitabunt, est enirn vilium pusilli animi. Seneca
de dementia //. V, —
175
sie in so hellerem Glanze hervor. — Das Wort des göttlichen
Heilandes: »Arme werdet ihr immer unter euch haben« — wol
zu Gemüt führend, sorgte die thätige Nächstenliebe nicht nur für
die Gegenwart sondern auch für die Zukunft; sie rief unter Lei-
tung und Unterstützung der Kirche — Anstalten der Milde ins
Daseyn, die auch den kommenden Geschlechtern in den mannich-
faltigen Nöten und Bedrängnissen des Lebens ein gastfreundliches
Obdach darbielen könnten.
Bereits im sechsten Jarhunderte werden Anstalten für Arme,
Kranke, Verwaisete, Altersschwache *) auf eine Weise erwähnt, dass
sie nicht erst damals entstanden seyn können. Die karolingischen
Könige voll Eifer und Sorgfalt für die Begründung und den Unter-
halt solcher Anstalten bestimmten nach altem Gebrauche hiezu einen
Teil der bischöflichen und klösterlichen Zehnten und Opfer, er-
klärten die für Arme, Kranke, Dürftige errichteten Gebäude für
geheiligte, unantastbare Orte * 2) und übertrugen die Aufsicht
und Leitung derselben den Bischöfen und Vorstehern der Klöster;
ja bald wurde kaum e i n Kloster angetroffen, das nicht eine solche
Anstalt zur Beherberguug der Fremden, der Armen, der Kranken
an seiner Seite gehabt haben sollte. Und nicht ärmer waren die
folgenden Jarhunderte an solchen Werken der christlichen Näch-
stenliebe. Immer hatte diese wachen und hellen Blik für die
möglichen Gefahren, Leiden und Bedrängnisse der Mitmenschen,
um vorbeugend, unterstüzend, helfend da einzutreten, wo Rat,
Hilfe, Trost und Schuz am dringendsten schien. Daher sorgte sie
nicht bloss für Kranke und Arme, für Kinder und Hochbejarte,
sondern — nachdem die Wallfahrten in das gelobte Land, in die
ewige Stadt Rom und an andere heilige Orte sehr zugenommen
hatten — auch für Reisende, Wanderer und Pilger. Die zu diesem
*) Ptochotrophia, nosocomia, orphanotrophia, gerontocomia. Cod. Justi-
nian. I. Tit. III. 46.
2) Ptochotrophium, id est, venerabilis locus, in quo pauperes et infirmi
homines pascuntur. Nosocomium, id est, locus venerabilis, in quo aeg-
roti homines curantur. Capitulare.
176
wolthätigen Zwecke hervorgerufenen Anstalten gewährten den
durch verödete Gegenden, über wenig betretene Gebirgszüge Wan-
dernden, durch manniehfaltige Gefahren bedrohten und ermüdeten
Pilgern einen Platz der Ruhe, der Erquickung — ein gastliches
Obdach, daher hospitia, hospilalia zugenannt. —
Um die uralten, uns ferner liegenden Hospitien auf dem
Mont-Cenis, auf dem grossen St. Bernhard mit Stillschweigen
zu übergehen, stiftete vor-dem Ende des Jares 1146 der edelfreie
P i 1 i g r i n v. S a 1 c h h e y m e n , nachdem er den Dienst der
Wallen mit dem Dienste Christi vertauscht, mit all seinem Gute
zu Vechclapruke ein Spital für Pilger und Arme *), ebenso im
Jare 1160 0 11 o c a r VII. von Steiermark am Eusse des
Semering im Zerewald mit reicher Ausstattung ein Hospital
um den Bedrängnissen der Reisenden und Armen in seinem Lande
einigermassen abzuhelfen * 2). — An den gefährlichen Stromschnellen
der Donau, unterhalb Grein, am Struden und Wirbel,
wo die Gefahren des Schifbruchs so gross und drohend waren,
gründete die edle Frau Beatrix von C h 1 a m b im Jare 1185
zu St. Nikola am Struden »zum Frommen der Fremden und
anderer Wanderer ein Spital und eine Kirche, damit sie hier die
süssen Tröstungen der Nächstenliebe finden könnten 3).« — Nur
wenige Jare nachher stiftete am Fusse des Pührn, an dem
rauhen Uebergangsgebirge aus Obe rösterreich nach Steier-
mark und von da nach Kärnten und Italien, Otto 11. Bischof
von Bamberg, in dem seiner Kirche angehörigen Garsten-
t h a I e ein Spital, und wies diesem genau begränzte Besitzungen,
eine Baustelle, und eine bedeutende Waldung am Erlibache an 4).
*) Stütz, Geschichte von St. Florian. S. 249.
a) Statuimus peregrinorum et pauperum per len am nostram levare inopiam.
Calles. Annal. ■Auslriae T. II. 33.
3) Nobilis mulier Beatrix de Chlamb Hospitale ad peregrinorum usus et
aliorum transeuncium construere eepit et Ecclesiam fabricare — ul ibi
peregrini ae transeuntes grata reperiant solacia haritatis. Urkunde n-
buch des Landes ob der En si II. 394,
4) Urkundenb. II. 423 — 425.
177
Nach diesem Vorgänge schenkte auch der Herzog von Steier-
mark seine dortigen Lehen dahin ‘), und Coelestin III. solcher
Anstalten wolthätiges Wirken jederzeit unterstüzend, nahm dieses
Spital nicht nur in seinen Sehuz sondern erteilte ihm auch die Erlaub-
nis, in den Diözesen von Salzburg und P a s s a u Sammlungen zu
veranstalten ^). Ein anderer Edler unseres Landes, Friderich
von Rot, hatte schon etwa sechzig Jare vorher den Reisenden,
die aus dem Westen diesen Weg über den Pührn nach Italien
einschlugen und die Brükc zu W e 1 s zum Uebergange über die
Traun benüzten, dadurch einige Erleichterung verschafft, dass er
sie von der Entrichtung des Brückenzolls, welcher der Kirche zu
Würz bürg gebürte, durch freiwillige Hingabe einiger seiner
Besizungen befreite * 2 3). In gleicher Gesinnung erbaute im Jare
1293 Bernhard von P r a m b ach Bischof von P a s s a u im
vereinsamten und von Wäldern damals umrungenen Donauthale
ein kleines Kloster, Engels cell und stattete es mit seinem
väterlichen Erbteile grossmütig aus, damit die armen Wanderer, die
von Eferding nach P a s s a u durch jene wenig gesicherte Ge-
gend zogen, dort aufgenommen und mit Speise und Trank erquikt
werden könnten 4). —
Die nächstfolgenden Jarhunderte boten ein weiteres Feld dar,
worauf die vom christlichen Glauben durchdrungene, menschen-
freundliche Gesinnung sich glänzend bewähren konnte, ln Folge
der zalreichen Pilgerfahrten, wie der Kreuzzüge, die oftmals unser
Land berührten, war nicht bloss die schreckliche Krankheit des
1) Urkunden!). II. 423 — 425.
2) ,Urkundenb. II. 44-1 — 445.
a) Urkundenb. II. 171.
4) Cum ascendentibus versus Pataviam nec per longam vie distantiam, hoc
est int er Everding et Pataviam, honest i viri aliquod invenirent liospitium
nec pauperes receptaeulum aut corporis alimenlum — salubre providi-
mus velut in medio spatio itineris habitaculum Dei fieri ubi possent ca-
pita transcuntium fatigatorum reelinari. Stütz, Geschichte des Klo-
sters Wilhering, S. 5 70.
178
Aussazes, sondern auch die Pest in das Abendland gedrungen,
denen im fünfzehnten Jarhunderte der schwarze Tod auf dem
Fusse gefolgt war. Mehrere Jare hindurch wurden davon die
Österreichischen Länder und Deutschland auf arge
Weise verheert. Einzelne christlich gesinnte Menschen, fürstlichen
und bürgerlichen Standes, wie ganze Gemeinden, Städte und Ort-
schaften wetteiferten den Unglüklichen, soweit menschliche Hilfe
ausreichte, alle möglichen Dienste zu leisten. Zur Aufnahme und
Pflege dieser Erbarmungswürdigen wurden — zumal für Aussäzige
und Pestkranke, in mehr abgelegener Gegend, Krankenhäuser
errichtet, welche Leprosenhäuser — von lepr a, der A u s-
saz — oder nach dem Namen des armen Lazarus, welchen
der Heiland in der Gleichnissrede bei Lukas 16, 19—31 neben
dem reichen Prasser anführt, Lazarethe und hospitalia
genannt wurden. —
Manche von diesen wurden, gleich demjenigen , welches
schon im achten Jarhunderte von einem angelsächsischen Könige
in Rom unter dem Namen Sassia gegründet, und von Inno-
c e n z III. erweitert dem h. Geistorden anvertraut worden war
(1204) eben diesem Orden zur Leitung übergeben. Bereits fünf
Jare nachher ward ein ähnliches in Oesterreich von Leo-
pold VII. am rechten Ufer der Wien, in der Gegend der heutigen
Karlskirche errichtet und gleichfalls dem h. Geistorden über-
geben. Fast hundert Jare nachher erlangte eben dieser Orden
auch im Lande ob der Ens, in Pulgarn, eine Stätte, durch
den frommen Sinn der edlen Frau Margaretha von Falken-
berg, die hiedurch den lezten Wunsch ihres Gemahls, Ulrichs
von Capellen, gewissenhaft erfüllte !). —
Wenn an andern Orten solche Anstalten auch nicht dem ge-
nannten Orden anvertraut wurden, waren sie doch unter den
Schutz des heiligen Geistes, des Trösters der Armen und Kran-
ken , gestellt, woher sie »Heiligengeist -Spital, Spital *)
*) Stütz, Geschichte des Klosters des h. Geistordens zu Pulgarn,
in den Beiträgen zur Landesknnde von Oesterr. ob der Ens, II. 60. —
179
zum heiligen Geist« hiessen; Namen, die den Anstalten,
auch wenn diese durch Zeitverhältnisse mancherlei Veränderungen
erlitten hatten, doch unverlierbar geblieben sind und den ur-
sprünglichen Charakter noch immer widerspiegeln.
Eine solche Anstalt gründete im J. i 401 ein einzelner Bür-
ger in der Murvorstadt zu Graz, Nikolaus Essl und fügte die
Kapelle zum h. Geiste hinzu. *) Heinrich, Herzog v. Baiern-
Landshut, genannt der Reiche, stiftete 1417 das h. Geist-
gotteshaus und Spital in Braunau** 2), dem nach drei Jaren ein
ähnliches, wieder dem h. Geist geweihtes zu Juden bürg durch
den Edlen Johann v. G r e i s s e n e k , 3) und wieder wenige Jare
nachher ein gleichgcnanntes zu S c h ä r d i n g am I n n nachge-
folgt war. 4) Aber diesen war an Alter das h. Geist-Bürge r-
Spital zu Linz vorangegangen und wir wollen, was sich
über seine wechselnden Verhältnisse zerstreut vorfindet, in Kürze
zusammenstellen.
2. Wahrscheinlicher Zeitpunkt der Gründung des Linzer-
BürgerspitalsjUmfang des ursprünglichen Stiftungsgutes; seine
Vergrosserung durch Schenkungen, Vermächtnisse und Zu-
stiftungen von beiläufig 1300 — 1626 nach Chr.
Ueber das Stiftungsjar und das älteste Stiftungs-
Gut des Bürgerspitals steht nichts sicheres fest. Ein sonst
gut Unterrichteter nimmt als Stiftungsjar 1334 an; allem An-
scheine nach durch ein Missverständniss irre geführt. 5) »Die Chronik
der Stadt Linz« von dem sorgfältigen Registrator, Leopold Josef
Sündt, der am Ausgange des 17. und in den ersten Dezennien
des achtzenten Jahrhunderts lebte, aus den Akten der Registratur
]j Klein, Geschichte des Christentums in Oesterr. und Steiermark, III. 4-16.
2) Söltl, die frommen und milden Stiftungen der Wittelsbacher. Lands-
hut 1858. S. 51.
*) Klein, III. 416.
4) La mp recht, Schärding am Inn. Wels 1860. S. 552.
5) Fundationis anliquitate praestät Hospitale civicum, anno 1554 con-
dition . Insprug g e r //. 19.
180
zusammengetragen, bemerkt zum J. 1334: Das »Bürgerspital be-
stand von uralters her nur in einem Hause und einer kleinen
Kapelle, welch leztere man in diesem Jare etwas besser er-
baute, wozu der Ritter Ulrich von Tann 1) und Friderich der
Tungozzinger ^ Bürger allhier, zu Ehren des h. Geistes
einen Kaplan und Gesellenpriester mit Bewilligung A 1 b e r t s des
Bischofs von Passau (1320 — 1342) gestiftet hatten, welche täg-
lich zwei heilige Messen zu lesen und zu gewissen Zeiten eine
Predigt zu halten verbunden waren.« —
Somit bestanden Spital und Kapelle bereits früher; im ge-
dachten Jare wurde das Spital nicht erst gegründet, nur die Ka-
pelle erweitert. — Hiemit ist freilich der Zeitpunkt der Stiftung
noch nicht bestimmt und nur ermittelt, dass diese vor dem Jare
1334 statt gefunden haben müsse. Im Zusammenhalte mit dem,
was voraus erwähnt wurde, wird man jedoch nicht allzuweit irre
gehen, wenn man das erste Dezennium des vierzehnten Jarhunderls
als wahrscheinlichen Anfangspunkt annimmt. Natürlich nahmen die
damaligen unbedeutenden Gebäude nur einen kleinen Teil jener
Area ein, auf der sich der jezige Bürgerhof ausdehnt. * 2
!) Vergl. weiter unten.
2) Tungozzinger, ein angesehenes, wolliabendes, frommes Bürger-Ge-
schlecht in Linz, das hier und in Steier in mehrern Zweigen blühend,
in vielen Urkunden des 14. Jahrhunderts, die für Linz und die Klöster
W i 1 h e r i n g, St. Florian, Garsten und G1 e i n k ausgestellt wurden,
entweder als Zeugschaft leistend oder handelnd und vergabend aufge-
führt wird. — Friderich, der Wolthäter des Spitales, war zufolge einer
Wilheringer - Urkunde vom 24. April 1320, Richter in Linz, ln einer
andern vom 10. August erscheint er zugleich mit seinem Sohne Fride-
rich, und heisst von da an bis 1353 gewöhnlich Friderich der alte
Tungozzinger. Im J. 1560 ist ein anderer seiner Söhne Paul,
Richter in Linz, und Friderich eben daselbst Un gelter (Mautner)
im Jare 1365. Ein Enkel, gleichfalls Friderich genannt, Pfarrer in
Steier, erscheint in einer Gleinker - Urkunde vom 21. Dezember 1391,
als Zeuge für seine Tante Catharina, die Wittwe Erasmi des Schrei-
bers von Steier. Eben dieser Friderich ward später zum Prälaten
von Garsten gewält. —
181
Das Stiftungsgut, welches den Fortbestand der Anstalt
vorzugsweise sicherte, waren nach der Sitte jener Zeit, die auf
realem Grunde baute, liegende Gründe. Früher Eigentum des
Gemeindewesens wurden sie in christlicher Gesinnung dargebracht,
um Verarmten, Kranken, Hilflosen — zumal aus seiner Mitte —
einen Zufluchtsort zu eröffnen. Den ursprünglichen Umfang dieser
Gründe anzugeben, ist unmöglich; jedenfalls waren sie bereits in
der zweiten Hälfte des vierzehnten Jarhunderts von bedeutender
Ausdehnung und bildeten einen beinahe ununterbrochenen Komplex
von Aeckern, Gärten und Wiesen, welcher im Süden der eigent-
lichen Stadt beginnend, in einem grossen Bogen um ihre östliche
Seite sich umherschlang und in ihrem Nordosten durch die Donau
geschlossen ward; sie nahmen somit einen grossen Teil jenes
Raumes ein, auf dem die Vorstädte, die wir die obere und
mittlere nennen , um vieles später erbaut worden sind.
Die Bewirtschaftung dieser ausgedehnten Gründe, die einem
Spitalmeister anvertraut war, sollte durch ihre Erträgnisse
den Unterhalt der Pfründler schaffen und decken. Hatten sich
hiebei allmälig Missbrauche eingeschlichen, oder walteten ökono-
mische Rücksichten vor, ist nicht bekannt; im J. 1377 gieng
man von der bisherigen Verfahrungsweise ab. Der damalige Stadt-
richter und Mautner, Friderich Kr afft von Pazzau, der Stadt-
rat und die Gemeinde der Bürger vererbrechteten mit Wissen und
Rat des obderensichen Hauptmanns, Heinrich von Wallsee (1376
— 1386) alle die Spitaläker und den Baumgarten dabei sammt
zweien Krautgärten, dann die Pflanzenbeete, Wiesmahd und die
Felder in dem Werd dem Ulrich von Tann,1) seiner Hausfrau und
ihren Erben um 32 Pfd. Wienerpfenninge und mit dem Gedinge,
»dass sie järlich in den Spitalhof 6 Mezen Waiz, 2 Mut dürres
Korn, ein Mut Hafer, ein halbes Mut Gerste, 40 Mezen Amb. *)
*) Vermuthlich der Sohn des oben angeführten Wolthäters. Dieser er-
scheint mit seinem Bruder Hanns von Tann in mehrern Urkunden aus
der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts als Zeuge; im Jare 1354 war
er bereits todt.
182
(Amer? Sommerdinkel?), zwei Nährschweine, jedes 60 Pfd. Pfen-
ninge wol werth, 3 Fragner Säke mit Obst, und von dem Kraut-
garten das Drittel gesottenes Kraut dienen und liefern, heinebst
denen armen Pfründlern vier Kühe halten und mit ihrem Vieh
zu Haus und im Feld ernähren; dann für die armen im gedachten
Spitalhof die Gemächer, den Stadl und Bauhaus, den Kasten oben
auf dem Keller, den Stall zunächst der Kirchen mit Dach nach
ihrer Nothdurft bewahren sollen.« —
Wenige Jare nachher (1392) übergab vorerwähnter Ulrich
von Tann den Spittelhof mit den dazu gehörigen Grundstücken
seiner Tochter Dorothea und seinem Schwiegersöhne Rudel
dem Pint er von Langhag, die dem Richter, dem Rate und
dem Spitalmeister alle Forderungen und Dienste zu reichen an-
gelobten.
War hiemit für den Unterhalt der Pfründler Vorsorge ge-
trofen, so wurde überdiess — wenigstens zeitweilig — eine Samm-
lung von Geld und Viktualien auf dem Lande für das Bürgerspi-
tal bewilligt. Um vieles mehr gewährte die Mildthätigkeit derjeni-
gen, welche von Gott mit zeitlichen Gütern gesegnet, in den in
dieser Anstalt geborgenen Armen, Kranken, Hilflosen den Gegen-
stand fanden, der vom göttlichen Heilande seinen ßekennern so
liebevoll war an’s Herz gelegt worden. Das war, wie anderwärts,
so auch hier der nie versiegende, der unerschöpfliche Quell, der
in vielen, vielen Kanälen seine hellen Wasser versendet, um zu
erfrischen, zu stärken, was zu welken, was zu verschmachten in
Gefahr ist. — Auf diesem Wege flössen Gaben und Schenkungen
vorübergehender Art, aber auch Vermächtnisse und förmliche jZu-
stiftungen ein, an deren Früchten die Dürftigkeit und Armut sich
auch jetzt noch erfreuen kann.
Die älteste Schenkung rührt her von der edlen Stifterin des
Spitales zu Steier, von der römischen Königin Elisabeth,
die in ihrem Testamente vom 24. April 1328 unter den vielen
Anstalten, welche sie bedachte, auch des Spitales zu Linz
nicht vergass. Zugleich mag diess zur Bestätigung der Ansicht
dienen, dass das oft erwähnte Institut vor dem Jare 1334 ge-
183
gründet worden sein müsse. — Eine andere frommgesinnte Frau
Bertha die Zartin hatte am 11. November 1349 im Einver-
ständnisse mit ihren Kindern Peter und Klara die reiche Schen-
kung von sieben Gütern »am Dietreichsperig« in der Riedmarch
an das Kloster Wilhering mit der Widmung gemacht, dass
der Abt und die Sammlung (Konvent) dem Stadtpfarrer zu
Linz und dem S p i tale der Siechen daselbst je Sß
Wienerpfenninge järlich diene, wofür der Pfarrer von Linz für sie
und ihre Vorvordern ewiglich einen Jartag halten sollte. — Die
bedeutende Schenkung des Holzberger- und Hausergutes
zu Berg »zur Mehrung der Spitaler« erfolgte im J. 1445 von
dem Bürger in Linz, Peter von Ordach, unter der Bedingung,
dass »jeder Kaplan im Spital alle Sonn- und Montage des Ge-
bers und seiner Erben mit einem englischen Grusse gedenken,
nach Gottesleichnamstag aber eine Seelenmesse halten und vom
Spitale dagegen 20 S empfangen solle.«
Grosse Verdienste um das Bürgerspital erwarb sich nicht
lange hernach der Spitalmeisler Georg Waldinger, der diese
Stelle viele Jare hindurch mit grosser Umsicht, rastloser Thätig-
keit und edler Uneigennützigkeit bekleidete. Aus den, von ihm
in den Jahren 1493 — 1495 gelegten Rechnungen erhellet, dass
durch ihn ein eigentliches Urbarium^ zu Stande kam, worin das
Besiztum der Anstalt: Liegende Gründe, Zehnte, Geld- und Ge7
treid - Dienst, namentlich aufgeführt waren. Doch waren unge-
achtet der redlichsten und weisesten Verwaltung die er handhabte,
die Einkünfte nicht immer zureichend, sämmtliehe Ausgaben zu
deken; um die Pfründler ordentlich zu unterhalten, musste die
Sammlung von Geld und Lebensmitteln auf dem Lande fortgesetzt
werden.
In diese Zeit der umsichtigen Verwaltung dieses Mannes
fallen auch diese Erwerbungen: Am Sonntage Invocavit 1498
wurde von Maximilian Brandstätter der freieigene Zehent zu
Aich (W a 1 d e ck) auf dem Rieplbauerngute (später
Schieferstein, jetzt der Westbahn gehörig) für das
Bürgerspital erkauft. — Am Georgitag 1510 erteilte Kaspar v.
184
Schallenberg zu St. U1 r i ch und Luftenb'erg dem
Spital einen Verleihebrief über den Zehent des Mün chhofes
zu T h a 1 h e i m b der Pfarre Schon her in g, anfänglich unter
der Bedingung, dass alle 12 Jare ein neuer Lehenbrief zu neh-
men war; was im Todesjare des Wolthäters »1535« ganz auf-
gehoben wurde. — Bereits vor dieser Begünstigung hatte der
Kaplan zur heiligen Dreifaltigkeit, Caspar Sulzberger, dem
Spitale ein Kapital zugeeignet, damit von den Interessen an den
Quatembertagen unter andern auch an die Armen im Spitale drei
Schillinge Pfenninge ausgeteilt werden könnten. Der Betrag des
Kapitals wird nirgends erwähnt, war jedoch allem Anscheine nach
nicht unbedeutend; die Pfarrkirche, die im Jahre 1509 durch
einen furchtbaren Brand den Turm und alle Gloken verloren, ver-
schrieb am Lamberti - Tage 1511 dem Spitale für das Darlehen
dieses Kapitals den ganzen ihr zustehenden Auzehent und räumte
ihn dem Spitalmeister für dasselbe ein. -— Im nämlichen Jare
wurde von Peter und Franz Hausruker und deren Ge-
schwistern wegen einer dem Spitale schuldigen Summe und ver-
sessenen Interessen, der ganze Zehent auf der Rissenhub, dann
der ganze Zehent auf zwei Feldern des Gutes zuJDed (Gemeinde
L e o n d i n g) mit allen zustehenden Gerechtsamen als ein frei-
eigenes Gut überlassen. — Waldinger, der zum Wole dieser
Anstalt, wie erwähnt so vieles zu Stande gebracht, bedachte diese
auch bei seinem Lebensende und vermachte ihr testamentarisch
sein eigenes »Haus, Aeker, Stadel, und Garten vor der Stadt am
oberen Burgfeld an der Landstrassen im Landweg gelegen,« wo-
für der Magistrat die Summe von 300 Pfd. Pf. am Georgitag 1543
an das Spital entrichtete.
Der Ruf der Anstalt war bereits so fest gegründet, dass ihr
Schenkungen und Vermächtnisse nicht nur aus der Nähe sondern
auch aus der Ferne zu Teil wurden. So wurde das Glanzer-
gut zu Strass am Neubau, in der Hörschinger Pfarre,
welches im Jahre 1543 von der St. Erharts-Zeche (Bruder-
schaft der Schuster) erkauft worden war, am 16. Dezember
1549 dem Spitale freieigen überlassen unter der Bedingung, dass
185
die armen Brüder und Schwestern , Meister und Gesinde im Spi-
tale mit allen Notwendigkeiten versehen werden sollen. —
Barbara Kranzinger schenkte in ihrem Testamente 1567,
5 Pfd. Pf. und Susanna V e i gl gleichfalls in Folge leztwilliger
Anordnung vom 10. September 1576 »den armen im Bürgerspital
wohnenden Leuten drei gwendt Acker im untern Burgfeld vor
der Stadt zu Linz gelegen« — gleichwie durch Wolfg. Schauer
ein Viertel Weingarten in A i c h w e g bei Klosterneuburg
am 25. September 1609 eben dahin vergabt worden war.
3. Die Zustande des Bürgerspitals verschlimmert durch den
B a u e r n a u fr u h r. Massregeln zur Verbesserung derselben;
neue Vermächtnisse und Zustiftungen, vom Jare 1 626 — 1 754.
Das Bürgerspital bestand bereits dreihundert Jare zum Wole
und Tröste vieler, die da für ihr hilfloses Alter einen Ort der
Zuflucht gefunden hatten. Von namhaften Unfällen war dieses Haus
immer verschont geblieben. Das änderte sich. Auch Anstalten der
Wolthätigkeit unterliegen denselben Wechselfällen , wie die ein-
zelne Familie. Was der arbeitsame Hausvater mit Mühe erworben,
mit eigener Aufopferung gesammelt, und als Sparpfening seinen
Kindern zu hinterlassen gedacht, geht oft durch einen unerwar-
teten Unfall, der ausser aller Berechnung lag, plötzlich verloren,
und nicht bloss die Gegenwart bleibt getrübt, auch der Blick in
die Zukunft ist umdunkelt. So erging es unserer oft genannten
Anstalt. -— Der d r e i s s i gj ä r i g e Krieg, im zweiten Jarzehend
des 17. Jarhunderts in einem benachbarten Lande begonnen,
machte sich, obgleich in weiterer Entfernung geführt, bald auch
hier allzusehr fühlbar. Was christliche Liebe sonst gerne dem
Dürftigen, dem Hilflosen darreicht, forderte der Krieg für sich
und die edle Regung des Mitleids musste vor dem Drange der
Kriegsbedürfnisse allmälig ganz und gar verstummen. Zum grössten
Unglüke wurde die Brandfakel der Zwietracht auch in unser eige-
nes Land geschleudert; ein innerer Aufruhr genährt durch Aus-
länder erhob das Schlangenhaupt und wälzte sich gegen die Haupt-
stadt heran und schloss sie so enge ein, dass die eigentliche
Mus. Jahr. Ber. XXII. 13
186
Stadt auf allen Seiten von den wütenden Hebellen umrungen und
belagert, die Vorstädte und somit auch das Bürgerspital Feindes-
händen preisgegeben blieben. Die Wut der aufrührer’schen Bauern
erreichte den höchsten Grad, nachdem ihr oberster Anführer,
Stefan Fadinger, als er eben die Anordnungen zu einem
Hauptsturme auf die Stadt traf, am 28. Junius 1626, tödtlich
verwundet vom Pferde sank und nur mit genauer Not nach Ebels-
b e r g gerettet worden war. Zwei Tage darnach stekten die Be-
bellen sogar die Vorstädte in Brand, wodurch ausser 55 Scheunen
auch gegen achtzig Häuser zu Grunde gingen. Das wütende Ele-
ment hatte das ausserdem Schmidt höre gelegene alte Ball-
haus ergriffen. Das »ungeheure Dachwerk« dieses Gebäudes ver-
breitete den Brand schnell auf das benachbarte Bürgerspital und
seine Kirche, die sammt dem Spitalhofe und seinen Nebengebäuden
in Asche gelegt wurden. Die Drangsale und Leiden hatten auch jetzt
noch kein Ende ; der Zustand der Belagerung durch die wütenden
Bauern dauerte fort. Als man endlich nach sechswochentlicher
Qual daran ging, das erhaltene notdürftig zu schützen., zeigten
sich die grossen Schäden und Verluste.
Die Felder; Gärten und Wiesen des Spitals waren, 250
Jare fremder Bewirtschaftung überlassen, jezt »ziemlich abgeödet;«
der lezte Besizer, Hanns Krensberger — insgemein Spittel-
bauer genannt ~ war auf die Gant gediehen und bald darauf
verstorben; die Gebäude lagen in Trümmern und forderten gebie-
terisch schleunigen Wiederaufbau. — Bei diesem Baue, der 1630
begonnen ward, erhielt das Bürgerspital eine grössere Ausdeh-
nung ; der Spitalhof ward damit in Verbindung gebracht, der dahinter
liegende grosse Garten ihm zugeeignet, und mit einer Mauer um-
schlossen. — Zur Bestreitung all dieser Auslagen und zur Tilgung
von Schulden musste ausser einer Area von drei Tagwerken an das
Siechenhaus zu Strassfelden wegen einer Schuld von 300 fl.
— ein grosser Teil der Stiftungsgründe im Jare 1636 hindange-
geben werden, nämlich:
1) Das Burgfeld, sogenannt, weil es die Ostseite des
Stadt - Burgfriedens abschloss. Es umfasste vom Lazaret-
187
Felde an das Feld bei der e i s er n e n Hand, das Sp i z - Semi-
nar i u m - und Karmel i t e r - Feld gegen dreissig Tagwerk
betragend. 2) Das Gottesaker- und Siechen hau s f e 1 d
— von dem Siechenhause Strassfel den (Erzieh ungshaus,
ordinäres Militärspital-Reconvaleszentenhaus) bis zum Gottesaker
St. Barbara (Mayerhofe rische und nächste Behausungen
an der Landstrasse) —gegen 15 Tagwerke. 3) Das Ka p uz in e r-
fe 1 d, 13 Tagwerke und 4) die Kreuzpoint — 4 Tagwerke,
endlich das sogenannte Kl e z lmay r - G ü tl bei St. Margarethen
bestehend in einer Wiese, einem Holzgrunde, Ziegelstadl und
einem Häusl. Die Käufer: Johann Wimmer, Georg Schrekinger,
Thomas Wapplhammer und Anton Eckart bezalten die
Summe 2700 fl., leisteten die früheren Gaben und Getreidedienste
und verpflichteten sich jeder auf der Kreuzpoint an der Land-
strasse ein bürgerliches Haus zu bauen und für die zeitweilig
notwendige Räumung des Stadtgrabens Sorgfalt zu tragen. —
Die Käufer teilten die gekaufte Area dergestalt, dass Wimmer,
Wapplhammer und Eckart vom Kapuziner- und Burgfelde — jeder
15 Tagwerke und V4 von der Kreuzpoint erhielt; Schrekinger hin-
gegen ausser 13 Tagwerken im Gottesaker- und Siechenhausfelde
und dem lezten Viertel der Kreuzpoint, das Klezlmayr-Gütl. —
Wimmers Anteil an der Kreuzpoint — ein Wiesgrund — er-
strekte sich zwischen der Landstrasse und der heutigen neuen Bet-
lehemgasse und ward im Norden durch den untern Stadtgraben, im
Süden durch den grossen Spitalgarten begränzt. — Der von Wimmer
auf diesem Grunde erbaute Hof, der übrige Wiesgrund sammt den
15 Joch im Burgfelde gelangte im Jare 1693 um 6730 fl. an die
Stadtgemeinde, welche im folgenden Jare die ledigen 15 Tag-
werke im Burgfelde sammt vier Pferden, Wägen und Pflügen und
andern Mayrschaftsgegenständen um die Summe von 2630 fl. dem
Bürgerspitale zuwendete; dagegen den Hof und den Wiesgrund
an zehn Parteien zum Baue von Häusern veräusserte. So ent-
standen die Häuser am untern Graben und von dort einwärts in
der neugeschaffenen Sakgasse, die 32 Klafter lang, im Süden
durch die Spitalgartenmauer geschlossen war. — Erst im Jare
13*
188
1761 wurde diese Sakgasse — die neue Bethlehemgasse
dadurch verlängert, dass ein Stük vom Spitalgarten und ein zwei-
tes vom Garten des Nordikums abgetrennt und so mit der alten
Bethlehemgasse — ehemals Schlichtlgasse genannt,
die neue in Verbindung gesezt ward.
Sehre kingers Anteil an der Kreuzpoint erst rekte sich
an der linken Seite der Landstrasse von den Karmeliten ange-
fangen bis zum Herrnhause. Da die ihm zu Teil gewordenen
Grundstüke : das Siechenhaus- und Gottesaker-Feld ohnehin ganz
nahe lagen, erbaute er einen Hof sammt Garten, der, nachdem er
mehrmals den Besizer gewechselt, zulezt von Mössbach erwor-
ben und der M ö s s b a c h h o f genannt ward. Was von der Kreuz-
point Wapplh ammer erhielt lag an der rechten Seite der
Landstrasse ; begann beim ehmaligen Rosa Seeaui sehen Hause
(St. Julien) und reichte in bedeutender Breite bis an den Gottes-
aker St. Barbara *). Weil ein grosser Teil des ihm überlas-
senen Kapuziner - Feldes sich unmittelbar anreihte, erbaute er am
Plaze des heutigen Mittermüller Hauses einen Hof, der später
an die Landgräfin von Fürstenb erg übergieng nnd nach ihrem
Tode das Kelle Fs che Waisenhaus aufnahm * 2). — Der vierte Teil
der Kreuzpoint, Eckarts Anteil, reichte vom Seeau’schen Hause
und Garten gegen die Stadt zu so weit, dass die nachmals erbauten
Häuser des Freiherrn v. Manstorf (Pilati oder Kronberger), des
Klosters Baumgartenberg (Bibliothek) auf dieser Area stan-
den , und auch die Rauchfangkehrer- Gasse aus ihrem
Teile geschaffen wurde, während die westliche Begränzung ein Teil
des Kapuziner - Feldes bildete 3).
*) Yergl. Anhang 1.
2) Yergl. Lieferung II. S. 14.
3) Nach Urbarien von den Jaren 1565 und 1591 hatte das Bürgerspital
auch andere, von verschiedenen Wolthätern herrührende Grundstücke be-
sessen, von denen ich nicht anzugeben vermag, wann und unter wel-
chen Bedingungen sie hindangegeben wurden. Dahin gehören 1. in der
mittleren Vorstadt-, im ehemaligen Harrachfelde — der lichte Winkel
genannt —• eine Wiese mit Scheunen, welche mit den andern Spital-
189
Ausser der Veräusserung der genannten Grundstüke wurde
zur Bestreitung der Baukosten auch eine Sammlung veranstal-
tet, welche die Summe von 1234 fl. eintrug, eine Summe,
die wol darum keine höhere Ziffer erreichte, weil die Drangsale
des inneren Aufruhrs lange nachwirkten und durch die dringenden
Bedürfnisse des noch immer fortdauernden Krieges die sonst so
reich fliessende Quelle der christlichen Nächstenliebe abgeschnitten
war. Darum blieb auch die Lage des Bürgerspitales mehrere Jare
hindurch eine ziemlich gedrükte. — Erst kurze Zeit vor der Be-
endigung des unheilvollen Krieges besserten sich diese Verhältnisse
durch die bedeutende Stiftung eines Mitgliedes des inneren Rates.
Dominicus Zampanell widmete zufolge leztwilliger Anordnung
vom Jare 1640 zur Unterhaltung zweier Armen im Spitale, deren
Präsentation er sich selbst und nach seinem Absterben der
gründen in Verbindung stand. 2. An der rechten Seite der Landstrasse,
zum Teile gegenüber dem Spitale eine Wiese von Feldern durchzogen,
die westlich von der Herrengasse, östlich von der Landstrasse begränzt
ward, im Süden aber an die Kreuzpoint stiess und im Norden sich so-
weit ausdehnte, dass wenigstens das heutige Gasthaus zur goldenen Ka-
none noch auf dieser erbaut ward. Auf dieser Area erstanden an der
Landstrasse die Hauser des Stiftes Lambach (Schernthaner),
Sey ringer (Eggert), S o n n e n s t e i n (Prandstetter), F ö 1 n s c h 1 a g
und Praun (St. Flo ria n), Reichardts eder (Bauer), ebenso diesen
gegenüber in der Herrengasse die Häuser des Stiftes Kremsmünster
(Bischofhof), des Grafen Harr ach zu Rohrau (Prandstetter),
des Stiftes Schlierbach (k. k. Tabakamt), der Leocadia v. Grubern
(Kreuz), Daster (Franz Kasberger). Später wurden auch in der,
die Landstrasse mit der Herrengasse verbindenden Quergasse, die allein
noch in ihrem Namen »Spittel wiese« das Andenken an das Vergangene
bewahrt, zu beiden Seiten Häuser errichtet. Alle diese, wenn sie nicht
zu Freihäusern erhoben oder auf andere Weise von der Verbindlichkeit
gelöst wurden, entrichteten bis zum J. 1848 Grunddienste an das Bür-
ger-Spital. — Endlich eine dritte, dem Bürgerspitale eigenthümliche
Wiese befand sich unten am »Ludelek im Werd.« Zum richtigen
Verständnisse darf man sich nur gegenwärtig halten, dass noch in der
ersten Hälfte des vorigen Jarhunderts, beiläufig an dem Landungsplätze
der österreichischen Dampfschiffe, von dem Hauptstrome ein schmaler
190
Eckart*shen Familie vorbehielt, 3800 fl, ferner zur Erweite-
rung der Spiralkirche und zu bequemerer Wohnung der Spitaler
nach Abzug des dem Siechenhaus gemachten Legates pr. 3000 fl.
annoch 11000 fl., denen Anton Eckart von Tann im näm-
lichen Jare ein bei der Landschaft anliegendes Kapital pr. 500 fl.
zum Wole »der armen Spitaler im Bürgerspital« beigefügt hat.
Ein anderer Bürger, dessen Wolthätigkeit sich fast auf alle
milden Anstalten dieser Stadt ausdehnte, Ulrich Schreiner, ver-
schaffte 4. Mai 1667 von den bei gemeiner Stadt Linz anliegenden
4000 fl. zu dem Bürgerspitale 2000 fl. mit der Bedingung, dass
von den davon entfallenden Interessen gewisse Pfründler unter-
halten und nach geschehener Präsentation seines Eidams, Johann
Peisser, und seiner Hausfrau, Eva Maria, nach deren Ab-
Arm sich trennte; er giöng quer durch den Raum des jezigen Hauptzoll-
amtes, hielt dann die Trage der Eisenbahn inne, parallel mit der Lede-
rergasse, benezte links den Prunnerstiftsgarten und floss dann in der
jezt noch sichtbaren Vertiefung zwischen der Fabrik und den Gründen
des Lenzlbauer wieder in den Hauptstrom. Dieser Arm, dessen Gewässer
nicht selten verunreinigt war, hiess Ludel, und die ausgedehnte Slreke
des ehemals flachen, durch einen Damm geschützten Ufers vom Tren-
nungspunkte bis zu dem des Einflusses im Werd und die Spitalwiese
am nordöstlichen Ende, gegenüber der im J. 1572 durch eine unge-
heuere Wasserfluth abgerissenen Au gelegen, war ein grosses Dreiek,
dessen Basis der Stadt zugekehrt war, während die Donau und die Ludel
die beiden Seiten bildeten. Ein unternehmender Kaufmann Christian
Sündt, der Vater des oben genannten Stadtregistrators, der im J. 1672
eine Manufaktur in Cadis und andern Wollzeugen nebst einer Schön-
färberei errichtete, erkaufte hiezu wegen der günstigen Lage einen Teil
der Wiese; ein anderer Teil ward im J. 1 728 zur Erbauung einer Holz-
legstätte um 300 fl. hinzugekauft, und als in der Mitte des vorigen Jar-
hunderts diese Fabrik in ärarialische Verwaltung übergieng und bedeutend
vergrossert wrard, wurde wieder ein Teil der Wiese ängekauft, gleichwie
auch ein Privat, Thomas R e n d 1, ehemaliger Landschafts-Einnehmer,
einen andern zur Anlegung eines Gartens und Hauses an sich gebracht,
hat; wesswegen von dem Besizer dieser, wie von der Fabrik bis zum
J. 1848 Grunddienste ans Spital entrichtet wurden,.
191
leben aber von deren ältestem Kind und Kindeskind, männlichen
oder weiblichen Geschlechtes vom Magistrate angenommen und die
schreinerischen Pfründler genannt werden sollen. — Da
die Interessen des von Ulrich Schreiner vermachten Kapitals zum
Unterhalte zweier Pfründler nicht ausreichten, wurde die erwähnte
Stiftung durch den Eidam noch mit 700 fl. baren Geldes, das zu
Händen des Stadtkammeramts 27. Februar 1668 abgeführt ward,
vermehrt. — Zehn Jahre nachher im Osterlinzer-Markt 1678 stif-
tete Gatharina Grundemann von Falkenberg geborne
von G r u b e g g, eine durch tiefe Frömmigkeit und so unerschöpf-
liche Freigebigkeit ansgezeichnete Frau, dass sieben milde Anstalten
ihre Errichtung grösstentheils ihr verdankten 1), jarlich 72 fl. zur
Unterhaltung einer Person — »an Trank und Kost wie andere
Spitaler« — und behielt deren Aufnahme, Präsentation und Ab-
sezung sich und ihren Nachkommen bevor. Bei deren gänzlichen
Absterben sollte die Macht und Gewalt der Aufnahme an den diess-
ortigen Kirchenamtsverwalter übergehen.
Eine andere christlich gesinnte Frau, Eva Sc ho rer, ver-
machte durch leztwillige Anordnung vom 31. October 1709 dem
Spital, dem Thonmüller- und Armenhaus, auch beiden Siechen-
häusern 1000 fl., ein Legat, welches durch Franz Müller auf
1362 fl. 30 kr. so vermehrt wurde, dass dem ßürgerspitale und
Thonmüllerhaus hievon 700 fl., mithin vom abfallenden Interesse
28 fl., den armen Häusern aber 1 fl. 30 kr., dem Verwalter 1 fl. 30 kr.
und den sämmtlichen Armen 22 fl. zu statten kommen sollen. — *)
*) Sie starb 27. November 1697, wurde in Linz in der Pfarrkirche, in
der von ihr erbauten Kapelle und Gruft beigesezt. In der schönen Grab-
schrift heisst es unter anderm:
Quae dum viveret,
Semper in Laboribus et circa plurima solicita fuit,
Jn re divinä tarnen maxime.
festes tampiae solicitudinis septem post se,
reliquit fundationes pias et perpetuas
multo suo acre in diversis locis erectas.
Hoheneck I., 223.
192
Unbedacht blieb unsere Anstalt endlich auch nicht von dem Manne
dessen Andenken von beinahe allen Wolthätigkeitsanstalten dieser
Stadt dankbar gefeiert wird, von Wolf Martin Fortunat Freiherrn
von Ehr mann auf Falkenau und FreinwÖrth, k. k. Hat und
Landrat in Oesterreich ob der Ens. In seinem am 8. Juli 1744
in der Stadt Baden Landes Oesterreich unter der Ens errich-
teten Testamente hat er §.19 zu dem Bürgerspitale der k. k. und
landesfürstlichen Hauptstadt Linz ein Kapital pr. 2220 11. vermacht
»zur immerfort fürdauernden Einnahme und Versorgung einer
bürgerlich verarmten (und so es immer sein kann) allein einer
Mannsperson, dero Vorschlag dem löbl. Stadt-Linzer-Magistrat zu-
kommen , die wirkliche Beangnehmung sothaner Person hingegen
einem jeweiligen Herrn Patri profcssori theologiae polemicae e S. J.
zustehen, nicht weniger besagtes Bürgerspital verbunden sein solle»
an sein des Herrn Stifters Absterbungstag, so den lezten Dezem-
ber 1756 erfolget ist, alle Jare eine hl. Messe in der Spitalskirche
zu Trost seiner armen Seele lesen und dabei, wo nicht die übrigen
gestifteten Spitaler, doch wenigst dieser neueinkommend und nach
dessen Tod weiters hinfolgenden Baron Ehrmannischen Spitaler
erscheinen und ihr Gebet vor den H. Stifter verrichten zu lassen
auch für das erste Mal und nicht Öfters — denen wenig oder
vielen bei dieser Messe erscheinenden Spitalern 20 fl. auf die
Hand auszuteilen.« —
So erfreulich die ökonomischen Verhältnisse der Anstalt durch
diese Zustiftungen allmälig sich gestalteten, fehlte es ihr auch nicht
an fühlbaren Verlusten ; selbst die Belagerung Wiens durch die Tür-
ken blieb nicht ohne nachteilige Wirkung Das Bürgerspital besass
durch die S c h a u e r i s c h e Schenkung einen Weingarten und
ein Haus in der Nähe von Klosterneuburg und einen zweiten in
A i c h w e e g durch das Vermächtnis des Wolfgang Helfendo r-
fer vom 24. Mai 1669; beide wurden während der 12 Wochen
dauernden Belagerung durch die umherstreifenden Schaaren arg
verwüstet und das Haus in Asche gelegt. Zürn Wole des Spitals
schien es ratsam, das soferne Besiztum um den Preis von 2800 fl.
zu veräussern. (31. Dez. 1695.)
193
4. Des Bürgerspitals Besizstand, Einkünfte.
Etwa zwei Jare vor dem Tode des zulezt genannten Zustif-
ters wurde eine k, k. Kommission beauftragt, in den Gesammtzu-
stand des Bürgerspitals, worüber laute Klagen sich erhoben hatten ,
genaue Einsicht zu nehmen. In dem hierüber erstatteten Berichte
wird das Bürgerspital »ein grosses Werk« genannt, und — das
war es auch; es war für jene Zeit eine durch Besiz, durch Zin-
sungen und erzielte Naturprodukte bedeutende Domaine. — Nach
einem abschriftlichen Urbarial - Extrakt, der eben dieser Kommis-
*nfrtiiijniiiT~ir'T-T
sion vorgelegt wurde, besass die Anstalt — ausser dem grossen
umfassenden Gebäude, und der anliegenden Area — worauf wir
unten zurückkommen,
1. Liegende Gr Li n d e : Aecker und Wiesen , und zwar:
a) Das Karmelitern -, Seminarium-, Eiseinhand-, SpizLazareth-
und Jesuiten - Feld beiläufig 27 Tagwerk, b) Die Stokhofwiese ,
1 % Tagw. c) Den Bruderhaus - Garten und den Hebenstreit’schen
nächst dem Schlosse, d) Einen Akergrund nächst des Breitwieser-
Gartens. e) Hatte sie das Recht zu heuen im Gottesaker bei St.
Barbara, in der Schiess-Stätte und den Stadtgräben.
2. Grunddienste von verschiedenen Häusern in der
Stadt, in den Vorstädten und in der nächsten Umgebung der
Stadt, järlich 69 fl. 4 kr.
3. G r u n d h e r r 1 i c h e Gaben in Geld von Spitals-
untertanen — 74 fl. 14 kr.
4. 0 r d i n a r i G e t r e i d e d i e n s t von mehrern in der
Stadt und in den Vorstädten gelegenen Häusern und den Bauern-
gütern : M u f f I - oder Gatterhub in Hörsching, Gessel-
bäk und Rieplbauer in Waldek, Exenberger in Ober-
weid] h am der Pfarre St. Florian; Lippl, Hauser und
Holzberger in Berg, Lahrnhauser in Hag; 0 b e r le-
be r b a u e r, Schuster, Oberstiegelbauer, Wurm,
Feiertag in Lustenau und Breitwieser in Waldek —
in Weizen 7 Metzen 10 Massl; Korn 4 Muth 14 Metzen; Gerste
14 Metzen 10 Massl; Hafer 3 Muth 11 Metzen 8 Massl.
194
5. Getreidezehent vom Münchhofe zu T h a 1 h a i m b
der Pfarre Schönhering, dem Kaplanhofe, Fischer
im Gries, Peyrl, Grosshoch st rasser, Ober - und
Unterreise tb au er in St. Peter, Steinbrüklmühle,
B 1 ü m e 1 m ü h 1 e , Fleischhauer und untere W i r t h zu
Kl e i n m ü n c h e n , Thomerlgütl am S e y e r b ü h e 1; May r-
gut in Oed; Rieplbauer in Walde k, Bergmayr,
Griesmayr, Rieseneder und W'iesmayr in der St. Ge-
meinde W i 1 d b e r g.
6. Küchendienst, nämlich 13 Stück Faschinghühner,
7 St. Martini - Gänse, 240 St. Ostereier, dann Weilmachtbrod und
Käse erfolgten von den Gütern: Hauser, Lippl und Holz-
berger in Berg, Lahenhäuser in Hag, Wurm, Ober-
lehenbauer, Feiertag und Oberstiegelbauer in Lu-
stenau, Schuster bei der eisernen Hand, und vom
G o 11 e s a k e r - Amt in Linz ').
7. Erträgnisse der Wasser- Büchse. Die den
Fischmarkt zu Linz besuchenden fremden Fischer waren verpflich-
tet, für jedes von ihnen an den Fischmarktstägen gebrauchte Wannei
(Fischtrühel) an jedem Tage einen Kreuzer auf Rechnung der
Bürgerspitals - Stiftung zu entrichten. Diese hatte dagegen die
Verpflichtung, die nötigen Fischtrühel, eine Fischwage samrat Ge-
wichten , eine Bank und eine kleine Hütte auf dem Stadtplatze in
erforderlichem Zustande zu erhalten und die Aufstellung, Weg-
sehaffung und Aufbewahrung dieser Gegenstände auf ihre Kosten
besorgen zu lassen. — Die Wasserbüchse (Kasse), in welche diese
Kreuzer flössen, befand sich in den Händen des Spitalmeisters. —
Der Betrag war, wie begreiflich, in verschiedenen Jaren verschie-
den; im J. 1752 war er 132 fl. 2 kr. * 2)
*) Ein Teil des ehemaligen Gottesackers zu St. Barbara war Spitalgrund,
daher rührte ungezweifelt auch das dem Spitale zukommende Recht des
Heuens. —
2) Der Vergleichung willen mögen dieselben Einnahmsquellen mit ihren Er-
trägnissen in den Jaren 1847, 1848 hier einen Platz finden, wobei nur
195
Das Bürgerspital besass endlich — seit wann, kann ich
nicht angeben — bereits im J. 1584 eine Sch ifm üble, die
an der Donaubrüke befestigt war. Was sie dem Bürgerspital jar—
lieh gewährte, finde ich nirgends erwähnt, wol aber, dass dieses
Recht die Mühle an die Brüke zu hängen, im J. 1836 vom Aerar
mit 900 fl. G. M. abgelöst wurde. (Pi 11 wein, Linz, Einst und
Jezt. I. 152.)
5. Verwaltung, beobachtete Mangel und Gebrechen bei der
Gebahrung.
Wie bereits oben erwähnt/ward, stand die Oberaufsicht über
das Bürgerspital dem jedesmaligen Statthalter oder Landeshaupt-
manne zu; das Recht der Präsentation gebürte, wenn nicht etwas
anderes ausdrüklich festgesezt war, dem Stadtrate, der die ver-
antwortliche Leitung einem aus seiner Mitte, einem Spital-
meister oder Spitalverwalter anvertraute. Dieser, gewisser-
massen die Seele der Anstalt, besorgte die Wirthschaft auf den
eigenthümlichen Gründen, nahm die Giebigkeiten von den Unter-
tanen in Empfang, erhob die entfallenden Interessen, bestritt die
sich ergebenden Auslagen, legte am Schlüsse des Jares genaue
Rechnung und wies nach, was zum Frommen und Nuzen der An-
zu erwähnen ist, dass ausser dem Küchendienste, auch der Getreidedienst
und der Getreidezehent nach den durchschnittlichen Marktpreisen in Geld
ab gelöst wurde.
Unter tansgiebigk eiten im Jare 1847 im Jare 1848
Einl.-Sch. Einl.-Sch.
fl. kr. fl. | kr.
1. Grunddienst 68 15% G8 15%
2. Grundherrn che Gaben . 62 59% 62 39%
5. Getreidediensfc 182 7 U% 995 7%
4. Getreidezehenfc 1511 52% 837 58
5. Küchendienst 6 46 6 46
6. Wasserbüchse (Fischmarktgefälle) 84 32 82 4
Summe 5561 19% 2052 50%
d 96
stalt geändert, vorgekehrt oder ganz beseitigt werden sollte. Un-
geachtet dieser so gegliederten Leitung und Verwaltung der An-
stalt hatten sich im Verlaufe der Zeit Verhältnisse entwikelt, die,
wenn sie zu spät beseitigt wurden, das Wol derselben gefährden
mussten. Die lauter werdenden Klagen führten zur Abordnung
einer eigenen Kommission, deren Aufgabe es war, sich über die
Verwaltung und Gebahrung und insbesondere darüber genaue Aus-
künfte zu verschaffen, »ob den stiftbrieflichen Bestimmungen, zu-
mal in Verabreichung des den Pfründlern ausgeworfenen Unter-
haltes, nachgekommen werde?«
Die Kommission, deren protokollführendes Mitglied Franz v.
Schwing li a i m b gewesen , fand durchaus keinen Pfriindler, der
irgend eine gegründete Ursache zur Klage gehabt hätte, selbst die
stereotypen Beschwerden über Art und Beschaffenheit der Viktualien
verstummten; alles traf man geordnet und »sauber« (reinlich) und
gegen die Amtswirksamkeit des Spitalverwalters Johann Mich. Aig-
ner nichts einzuwenden. — Demungeachtet konnten manche Miss-
stände und Gebrechen, weil nachteilig der Anstalt, nicht unbe-
achtet und im Berichte an die Regierung nicht unerwähnt ge-
lassen werden, die darum von dieser auch ernstlich gerügt wurden.
Solche waren — ausser dem befremdenden Mangel eines eigent-
lichen Stiftbriefes —
1. Die j ä r 1 i c h sich wiederholende Ausgabe
auf Pensionen für Individuen, die um das Spital sich niemals
verdient gemacht hätten — im Betrage von 138 fl.
2. Die an verarmte Bürger aus den Spitalmitteln
verabreichte Unterstüzung pr. 168 fl. 30 kr., die vom
Magistrate angewiesen wurde, ohne dass in den Stiftungsbriefen
eine solche Ausgabe sich vorfände. Statt solcher ungerechtfertigten
Unterstüzungen wäre es besser, einen oder den andern über die
gewohnte Pfründler - Zal aufzunehmen. Gleiche Bewandtniss habe
es mit dem vom B ü r g e r s p i t a 1 e an das Pfarrkirchen-
amt durch so viele Ja r e abgeführten »B r o d - und
B r a t e 1 g e 1 d e.« Die genaue Prüfung der Spitals- und Pfarr-
kirchenamts-Rechnungen zeigte klar, wie dieser Missbrauch ent-
197
standen. Im J. 1574 wurden zwölf Schüler aus der lateinischen
Schule zur Pfarrmusik »vom Magistrate in das Spital verordnet«,
und diesen allda täglich 12 Pfund Fleisch verabreicht, was sich
nach dem damaligen Fleischpreis järlich auf 56 fl. belief. Mit
diesen Schülern, auf welche die moralische Atmosphäre der Spi-
taler kaum segenreich wirken konnte, hatte es keinen Bestand;
es wurden »gesezlere Pfarrmusikanten« aufgenommen unter glei-
cher Remuneration. — Vom J. 1642 an wurde statt des »Natural-
Fleisches wöchentlich 1 fl. 4 kr. 2 Pf. 1 Heller, oder fürs ganze
Jar 56 fl. an das Pfarrkirchenamt unter dem Namen »Brod- und
Bratelgeld« abgeführt, seit 13. März 1711 auf 30 fl. reduzirt und
in die Besoldungen der Pfarrmusikanten aufgenommen. — Diese
ganz ungerechtfertigte Ausgabe, die fast 180 J. sich hinzog, hatte
auf der Stelle' aufzuhören.
3. Die nachlässige Eintreibung der a u s h a f-
tenden Rük stände, die nach der Rechnung des Jahres 1752
bereits 4336 fl. 3 kr. 3 Pf. betrugen, ohne dass energische Schritte
zur Fiereinbringung derselben jemals gethan worden wären, obgleich
unter den Schuldnern auch mit Haus und Hof versehene Bürger sich
befanden. Darum ward dem Magistrate eingeschärft, ohne weitere
Zögerung, wenn nicht auf vollständige Rükzalung des Ganzen,
wenigstens auf unverweilte Abführung der versessenen Interessen
zu dringen und gegen die Renitenten die erforderlichen Zwangs-
mittel anzuwenden. — Endlich ward auch zu bedenken gegeben,
ob es dem Bürgerspitale nicht weit nüzlicher
wäre, alle dahin gehörigen Dienste, Unterta-
nen, Aeker, Wiesen, Gärten nach vorläufig geschehenem
Anschlag und unparteiischer gerichtlichen Schäzung dem Meist-
bietenden zu überlassen. — Nach hiesigen Landesbrauch
mit Vorbehalt des einen oder des andern Grunddienstes zu ver-
erbrechten — und den im Spital befindlichen Pfründlern nach
dem Verhältnisse der gegenwärtig von ihnen genossenen Verpfle-
gung — ohne etwas abzubrechen — entweder das bare Geld zu
reichen, wie es im Bruder hause geschieht, oder auf jeden
Pfründler für die Kost wöchentlich ein gewisses auszuwerfen.
198
Der Grund zu diesem Vergehen liege in der oft gemachten Er-
fahrung , dass den meisten Stiftungen die ihnen eigentümlich an-
gehörenden Wiesen, Aeker, Gärten und Grundstiike denjenigen
Nuzen bei weitem nicht schaffen, den man sich versprechen
könnte ; überdiess würde durch die angedeutete Veräusserung,
welche ohnehin der all-erhöhsten Gesinnung
entsprechend ist, — jedem Unterschleif, Bevortheilung
und järlich sich steigenden Wirthschaftsauslagen vorgebeugt werden.
Aber selbt der Einwurf: »es sei schwer das so erzielte Kapital
sicher anzulegen und bei den vorwaltenden Kriegsunruhen , die
Interessen zum Unterhalte der Pfründler hereinzubringen, sei un-
begründet; denn eines Teils befände sich die Landschaft jezt in
bessern Umständen ; andern Teils wäre nun in diesem Lande die
Landtafel eingeführt und somit die Gelegenheit das Geld sicher
unterzubringen mehr gewahrt.
6. Innere Einrichtung, Zal und Eigenschaften der Aufzu-
neh in enden, ihre Verpflegung und Verpflichtung; Wächter
der Hausordnung.
Die nächste Folge der angeordneten Untersuchung war der
Entwurf eines förmlichen Stiftbriefes, der am 6. Juni 4 760 vom
Bürgermeister, Richter und Rate ausgestellt, ganz nach dem was
bisher Gewohnheit und Recht gewesen , errichtet ward. — Diesem
gemäss sollte, weil das Vermögen hinreichend, die Zal von
36 Spitalern immer unterhalten werden. — Die Präsentation
blieb bei den Privatstiftungen den Stiftern oder ihren Erben ge-
sichert ; die übrigen wurden wie bisher vom Stadtmagistrate auf-
genommen , doch mussten sie immer bürgerliche, oder m i t-
bürgerliche Personen seyn. — Von dem Hintritt eines Pfründ-
lers und der darauf folgenden Aufnahme eines andern wurde die
Anzeige an die Kommission der milden Stiftungen gemacht. —
Bis auf etwa erfolgende Abänderung der »Naturalkost« in eine
Geldentschädigung erhielt jeder Spitaler zur V erpflegung wö-
chentlich 12 Pfund Brod 3/4 Pfund Rindfleisch; an Fasttagen
aber eine »abgewechselte« Mehlspeis mit lauterer Suppe, Kraut
oder Rüben und anstatt des vorhin in natura genossenen Weines
199
täglich 2 kr. Dann geniest jede Person an folgenden sechzehn
heiligen Fest- und Aposteltagen, nämlich : Neujar, Dreikönige
Lichtmess, Joseph, Christi Himmelfahrt, Dreifaltigkeit-Sonntag,
Frohnleichnam, Pauli Bekehrung, Mathias, Philipp, Johannes,
Peter, Jakob, Bartholomäus, Mathäus und Simon statt eines Pfundes
Braten oder statt eines halben Pfundes Karpfen an Fasttagen
4 kr. ; dann durch die heil. Fastenzeit Fischgeld 18 kr. und extra
Weingeld 42 kr. ; am grünen Donnerstag sechs gebakene Semmel-
schnitten; zu Ostern 1 V2 Pfund kälbernes Bratl nebst einem Stükl
geselchtes Fleisch, 2 Pf. Speck und 4 Eier; dann zu Pfingsten
wieder 1 V2 Pfund kälbernes Bratl und ein Stükl geselchtes Fleisch;
zu Martini J/4 Gans, zu Weihnachten und Fasching 1 */2 Pfund
schweinenes Bratl, und jedesmal dazu extra 2 kr. Weingeld und
ein Schüsserl voll Salz ; bei Schlachtung der Speckschweine erhielt
jeder 3 Brat- und 1 Leberwurst nebst 4 Fasching - Krapfen, jeder
zu V4 Pfund, am heil. Pfingstage ein Schüsserl voll Schmalzkoch
und zu den vier Quatemberzeiten 1 l/2 Pfund Käse. — Ueberdiess
wurden unter alle Spitaler zu gleichen Teilen die Interressen ver-
teilt aus den zu diesem Behufe gemachten Stiftungen ; auch wur-
den die drei Gemeinstuben so wie die Küche mit dem erforder-
lichen Holze versehen ; der Stiftbrief enthielt auch die Zusicherung
dass bei sich mehrenden Einkünften Bedacht genommen werden
würde sämmtliche Spitaler mit gleichen Mänteln und nach Thun-
lichkeit mit ganzen Kleidern zu versehen, damit sie bei den öffent-
lichen Prozessionen und in den Kirchen mit anständigem Aeussern
erscheinen könnten.
Die Verpflichtungen, denen die Spitaler sich zu un-
terziehen hatten, betrafen: das Gebet und den Besuch der
Ordinari- und Stift messen. Täglich beteten sie einen
Rosenkranz für die lebenden und abgestorbenen Wolthäter, drei
Vater unser und Ave Maria für Erhaltung der lieben Feldfrüchte;
dann nebst den gewöhnlichen Tisch- und Nachtgebeten täglich
Abends die lauretanische Litanei, an ihrer Stetle Donnerstags
die aller Heiligen, am Freitage vom Leiden Christi; überdiess täg-
lich sechs Vater unser und Ave Maria zu Ehren des h. Sebastian
200
und Florian, drei Vater unser und Ave Maria zu Ehren der unbe-
flekten Empfängniss Mariens um Abwendung aller anstehenden und
erblichen Krankheiten, und drei Vater und Ave um lange und
beglückte Erhaltung des durchlauchtigen Erzhauses Oesterreich. —
Am Montage, Mittwoch und Freitag wohnten sie insgesammt
den wöchentlichen drei Stiftsmessen bei und beteten für alle ver-
storbenen Wolthäter einen Rosenkranz in der Stille, desgleichen
an den 16 oben angeführten Fest- und Aposteltagen. -—
Andere Verpflichtungen trafen sie nur wechselweise, so z. B.
wegen der Stiftung der Eva Schorer wohnten alle 1 4 Tage am Frei-
tage der Messe bei den Karmeliten jederzeit nur zwei bei und
beteten für die Wolthäterin einen Rosenkranz in der Stille. Das-
selbe geschah jeden zweiten Freitag bei den Minoriten in der
Todten - Kapelle für die Hölbling’sche Stiftung und am Feste St.
Pauli in der Spitalkirche für die Egger’sche Stiftung, während für
die Verleiher anderer Stiftungen beim Empfange der Interessen
drei Rosenkränze andächtig zu beten waren.
Die letzte Verpfichtung betraf das Vermögen.
Fiel einem Pfründler eine Erbschaft zu oder besass er bereits beim
Eintrite ein Vermögen , so fiel die eine Hälfte dem Spitale zu und
zu dessen Versicherung händigte er dem Meister (Verwalter) die
Schuldbriefe oder sonstigen Vermögens - Dokumente ein, während
er mit der .andern Hälfte frei verfügen konnte. Diese Verpflich-
tung wurde jedem Pfründler gleich bei seinem Eintrite ordentlich
vorgelesen. —
Ueber genaue Erfüllung aller Verpflich-
tungen wachte der jeweilige Spitalverwalter;
er handhabte auch die Hausordnung, sorgte dafür, dass alle
Pfründler, zur Sommerszeit spätestens um 8 Uhr, Winterszeit um
6 Uhr zu Hause seien. Die in Beobachtung der Hausordnung
fälligen, in ihren Andachtsübungen lässigen oder in ihrem Wandel
anstössigen wurden das erste und änderte Mal von ihm »korri-
girt« (zurechtgewiesen) und zur pünktlichen Beobachtung ihrer
Schuldigkeit ernstlich ermahnt und bei nicht erfolgender Besserung
aus dem Spitale gestossen.
201
Für die gesammte Mühewaltung nach innen
und nach aussen erhielt der Spitalverwalter 40 fl, und —
bis auf weitere Anordnung folgende »Natural-Accidentien« : Bei
Schlachtung der Speckschweine sechs Brat- und sechs Leber-
würste nebst zwei alten Hühnern, zur Faschingszeit V4 schweine-
nes Fleisch und zwölf Faschingkrapfen, am grünen Donnerstag
zwölf gebackene Semmelschnitten; zu Ostern y4 kälbernes Fleisch
und zwei »geselchte Hammen« und zwölf rothe Eier, zu Pfingsten
x/i Fleisch und ein Schüsserl Schmalzkoch ; zu Martini */4 schwei-
nenes Fleisch und eine Gans, zu Weihnachten y4 schweinenes
Fleisch; wenn eine Kuh kälbert, von jedem Kalb V4 und wenn
eine Schwein — salva venia — Junge wirft, jedesmal hievon ein
Spanferkl.
7. Veräusserung der Grundstücke, Aeker und Wiesen und
der Mayerschafts-Fahmisse; Aufhören der Natural-
Verpflegung.
Was die oft erwähnte Kommission dem Magistrate zu be-
denken gegeben und durch den Beisaz dass »die Veräusserung des
Besiztumes ohnehin der allerhöchsten Gesinnung entsprechend sei«,
unterstüzt hatte, wurde in reifliche Erwägung gezogen und eine
unparteiische Schäzung eingeleitet. Obgleich ein genauer Ausweis,
der die Mayerschafts-Erträgnisse der Jare 1745—1754 zusammen-
stellte, gegen die Veräusserung sprach und auch die Buchhaltung
nicht umhin konnte, sich für die Fortführung als das Erspriess-
lichere zu erklären, erfolgte doch bereits 23. November 1761 an
den bürgerlichen Schifmeister, Franz Winkler, der Verkauf
1. der Aeker und Wiesen nebst dem zu den Feldern be-
nötigten Samengetreide und Dünger um einen Kaufschil-
ling pr. 9147 fl, 30 kr. — 2. Des sogenannten Heben streit-
schen Gartens pr. 200 fl., des Häusels im Feld pr. 350 fl.
und der weiteren todt- und lebendigen Fahrnisse pr, 871 fl, 24 kr.
zusammen gegen einen wahren Kaufschilling pr. 1421 fl, 24 kr.
Wogegen der Käufer 3. die järlichen auf die Realitäten geschla-
genen Steuern nicht nur »punctuel« zu dem Spitalamt abzuführen
Mus. Jahr. Per. XXil. 14
202
sondern auch in Veränderungsfällen die bei den bürgerlichen Häu-
sern und Grundstücken gewöhnlichen Gefälle gehörig zu entrichten
schuldig ist 1). Gleichwie 4. dem Käufer die Heu- und Grumet-
fechsung auf den Stadtwällen und Gräben, so wie es vorhin bei
dem Spitalamt genossen worden, ebenfalls auf ein beständiges über-
lassen wird, so hingegen demselben und seinen Nachfolgern ais-
lang selbe gleich gesagten Genuss haben , die Schuldigkeit obliegt,
sämmtliche vor den besagten Stadtwällen befindlichen Planken in
gut baulichem Zustande herzuhalten, dann nicht minder wie vorhin
vom Spitalamt geschehen, den Stadtgraben auf seine Unkosten aus-'
räumen und mit dem benötigten Holz aussezen zu lassen. Endlich
das für die Spitalpfründler alljärlich notwendige Brennholz jederzeit
»gratis« führen zu lassen und den ganzen Betrag pr. 10.568 fl. 54 kr.
nach und nach in Terminen im baaren zu erlegen. —
J) Von den Spitalgründen giengen bereits 18. Dezember 1761 käuflich um
die Summe 423G fl. an das Kloster der Elisabethinerinen über: 1. Das
Spitzfeld, 33/8 Tagw. 2. Das Jesuitenfeld, 3 72 Tagw. 3. Das Lazaret-
feld, 123/8 Tagw. ohne lange in dessen Besize zu bleiben. Einigen
Privatpersonen schienen diese gut gelegenen Felder, zumal das Spiz-
feld, zur Aufführung von Wohngebäuden sehr geeignet; daher suchten sie
dieses von den Klosterfrauen käuflich zu erwerben. Da ihrem Wunsche
nicht willfahrt wurde, wendeten sie sich unter verschiedenen Vorwänden
an die Landesstelle und erwirkten die Entscheidung: »Das Kloster habe
den Bittstellern nicht nur in Ansehung des Spizfeldes statt zu thun, son-
dern auch mit den andern Gründen ein Gleiches zu beobachten« (23. Mai
1784). So gieng das Spizfeld an die Bittsteller, und im folgenden Jare
das Lazaret- und Jesuitenfeld um 3120 fl. an den Kaufmann Balthasar
Angerer über. 4. Das Karmelitenfeld, 2 y4 Tagw. erkaufte Franz Peter-
mandl am Mössbachhof; 3. Das Seminariumfeld, 97/8 Tagw. erwarben:
Peter Stokbauer, Johann Stockbauer und Ambros Priemayr und teilten es
so, dass jeder 3 y4 Tagw. erhielt, !/4 gemeinsam blieb. 6. Das eiserne
Handfeld, 7 % Tagw. gieng über an den Besizer des obern Priemayr-
Gutes, Johann Mich. Dietscher. 7. Die Stockhofwiese, 15/8 Tagw, an
den Schiffmeister Moll, Der Hebenstreit’sche Garten u. s. w. an Math,
Berger. —
203
Die notwendige Folge des Verkaufs der Mayerschaft war,
dass nun mit dem Beginne des folgenden Jares die Verpflegung
der Pfründler mit den Naturalien ein Ende nahm; nur blieb noch
die Naturalwohnung und das notwendige Brennholz mit einer Ent-
schädigung von 9 kr. täglich für jedes Individuum *).
8. Verpflanzung mehrerer Siechen ins Biirgerspital. Erweite-
rungsbau; neue Ge bahrungs-Geb rechen, daher strenge
Aufsich tsmass regeln.
Noch vor der Veräusserung der Spital - Aeker, wahrschein-
lich im J. 1757 wurden die beiden Siechenhäuser im Wein-
garten und bei Strassfelden* 2), sowie das Th o n m üll e r-
H ä u s 1 3) aufgehoben. Das Siechenhaus bei Strassfelden wurde
den barmherzigen Brüdern eingeräumt, die beiden andern ver-
äussert. Der eine Teil des Kaufschillings lieferte das für die Na-
tural-Kost ausgemittelte Wochengeld, der andere wurde dazu
verwendet, den hinteren Trakt des Bürgerspitals, wohin die nun
obdachlosen Siechen verpflanzt wurden, zwekentsprechend auszu-
bauen. Zu diesem Bau mögen auch die Gelder, welche für den
Verkauf des ehemaligen Todtengräber - Häusels (Schachermayer)
und des Benefiziaten - StÖkels (der rükwärtige Teil des Hauses
Karl König), die beide zum Bürgerspitale gehörten, eingegangen
sind, verwendet worden sein, aber keineswegs hingereicht haben.
War schon dieser Abgang zu deken, so zeigten sich unerwartet
auch andere Ausfälle: die Interessenzalungen stokten und die Un-
tertans - Giebigkeiten blieben ausstehend. Um allen Forderungen
zu genügen sah man sich genötigt, ein Aktiv-Kapital zu künden.
Diese Gebarung verbunden mit neuen Geldanweisungen an das
Spital dünkte im Rükblike auf die vor wenigen Jaren erlassene
Warnung der Landesstelle doch zu arg; sie tadelte strenge die
eingerissenen Missbräuche, betraute einen der Räte mit der spe-
ziellen Oberaufsicht Uber die Anstalt und erliess 17. Junius 1780
9 Vergl. Piliwein, Linz, S. 256. —
2) Vergl. Anhang 5. —
3) Vergl. unten IL, 5. —
14*
204
an den Magistrat die geharnischten Verhaltungsbefehle: »Nachdem
man eine solche Gebarung, welche den Untergang der ganzen
Stiftung nach und nach unfehlbar nach sich brächte, keineswegs
mit gleichgiltigen Augen ansehen kann, als wird ihme — Magistrat
nachfolgende Massgab zur genauesten Befolgung und Richtschnur
anmit vorgeschrieben : i. Hat sich derselbe aller Geldanweisungen
an besagtes Spital, unter was immer für einem Vorwände, be\
eigener Dafürhaftung zu enthalten. 2. Hat derselbe alle Interesse-
und Untertans - Ausstände, ohne alle Rüksicht, mit allem Ernste
und alienfälliger Exekutionsführung alsogleich einzutreiben. 3. Solle
künftighin kein Pfründler mehr aufgenommen werden, es seie
denn, dass er — Magistrat — die vorläufige Anzeige bei der
k. k, Mildenstiftungs - Kommission allhier hievon gemacht und von
da aus die weitere Begnehmigung erhalten habe, 4. Wird dem-
selben bei schärfester Ahndung untersagt, weder ein Aktiv-Kapital
aufzukünden, noch eine Passiv-Schuld für das Spital zu kontra-
hiren, bevor nicht derselbe hiezu die Einwilligung erwähnter k. k.
Mildenstiftungs - Kommission eingeholt hat. Endlich wird demsel-
ben ernstgemessen aufgetragen, dem k. k. Landrat Grafen Albert
v< Klamm, als welchem die Oberaufsicht über das hiesige Bürger-
spital eingeräumt worden ist, alle schuldige Parition und Gehorsam
zu leisten und demselben alle erforderlichen Auskünfte ohnweiger-
lich zu geben, welches man ihme •— Magistrat — zum schuldi-
gen Nachverhalt und weiterer Verständigung des Bürgerspital-Ver-
walters W a z i n g e r anmit hat erinnern wollen. —
9. Besorgniss ob des Fortbestandes des Bürgerspitals. Frucht-
lose Schritte der Bürgerschaft diesen zu sichern. Verkauf
des Spitals an mehrere Bürger. Tagesportion für die
Pfründler.
Sechs Monate nach diesem Erlasse starb Maria Theresia;
Josef II. folgte ihr auf dem Throne. Die Ueberzeugungen und
Grundsäze des neuen Herrschers, die in den, in schneller Folge
eingeführten Neuerungen und Reformen — zumal auf religiös-
kirchlichem Gebiete sich kundgaben, liessen auch für das Fortbe-
stehen des Bürgerspitals ernstliche Besorgnisse hegen* Diese mehr-
205
ten sich, je nachdrüklicher die Errichtung von centralisirten Ver-
sorgungs-Anstalten betrieben wurde. Wirklich war die Auflö-
sung des Bürgerspitals bereits im Frühjare 1786 in nahe
Aussicht gestellt und in einem Schreiben vom 26. Junius an das
bischöfliche Konsistorium das Ansuchen gestellt, dafür zu sorgen,
»dass für die kurze Zeit, als das Spital bestehen wird, für die
dasigen schwachen Armen täglich eine Messe in der Spitalkirche
durch einen Religiösen oder sonstigen Geistlichen gelesen werde.«
Der so gefasste Entschluss reifte bald zur wirklichen Ausführung
heran. Im Oktober desselben Jares erfolgte die Auflösung meh-
rer Wolthätigkeits - Anstalten dieser Stadt j); lauter und lauter
gieng der Ruf, dass das Bürgerspital zunächst an die Reihe kom-
men dürfte. Desshalb wendete sich die gesammte Bürgerschaft
bittlich an die Regierung: »Das Bürgerspital, welches dem Ver-
nehmen nach aufgehoben werden soll, zum gedeihlichen Unter-
stand und Unterhalt der entkräfteten, mühseligen und mitleidens-
würdigen, bürgerlichen Personen, welche den bürgerlichen Last
allda durch viele Jare getragen haben , in seiner bisherigen Ein-
richtung ferner zu belassen.« Sie stellte vor, es sei grösstenteils
eben durch die Wolthätigkeit diessortiger Mitbürger zu dem Ende
gestiftet worden, auf dass es zu ewigen Zeiten für derlei arme
Personen ein ordentliches Verpflegungshaus seyn und verbleiben
soll; überdicss würde die Aufhebung dieses für die mittel-, hilf—
und kräftelosen Bürger gestifteten Spitals die traurige Folge haben,
dass sie nach ihrer Zerstreuung der kontribuirenden Bürgerschaft
und dem immer mehr unzureichenden Armeninstitute zur Last
fielen, zumal kein einziges Versorgungs - Institut vorhanden und
Niemand im Stande ist, dieselben im Erkrankungsfalle um das
ausfallende Handgeld mit Kost, Wohnung, Kleidung, Arznei und
andern Notwendigkeiten zu versehen, während im gestifteten Spi—
tale für alles dieses schon Sorge getrofen wäre.
Die Landesstelle mit der Geschichte der Anstalt wie mit dem
gefassten Beschlüsse der Errichtung von Versorgungs - Anstalten *)
*) Vergl. II. Lieferung, S. 31. —
206
nicht unbekannt, suchte sogleich (21. Februar) die Bürgerschaft
wegen der ausgesprochenen Besorgnisse zu beruhigen und das
künftige Loos auch der Pfründler in einem weniger trüben Lichte
darzustellen. Die Bürgerschaft würde in Hinsicht ihrer spitalfähi-
gen Armen durchaus nichts verlieren; zufolge der am 29. De-
zember 1787 eingelangten a. Entschliessung sei der Bürgerschaft
das Präsentationsrecht gewahrt, und die präsentirten armen Bür-
ger bekämen auch nach der neuen Versorgungs - Anstalt ihren
ehemaligen Stiftungsbetrag und zwar wenn sie ausser dem Versor-
gungshause wohnen, noch mit täglich 2 kr. Wohnungszulag; zu-
gleich hätten sie noch die Möglichkeit für sich, mit Handarbeiten
sich ein weiteres Verdienst zu schaffen ; im Erkrankungsfalle aber
entweder bei den Barmherzigen oder Elisabethinerinen unentgelt-
lich aufgenommen und verpflegt zu werden, ja seinerzeit, Alters
oder der abnehmenden Kräfte halber in das zu errichtende Ver-
pflegungs - und Siechenhaus einzutreten und sich aller Betreuung
zu erfreuen; zuverlässig würden die Versorgungs - Anstalten auch
dem Armeninstitute mehr vor- als abträglich seyn.
Da sonach die Hoffnung, das Bürgerspital in seinem Be-
stände zu erhalten scheiterte und bereits die einleitenden Schritte
zu seiner Versteigerung gemacht wurden, stellten einige Bürger
durch den Bürgermeister, Carl Pfü 1 b von Ehrenheim, die
Bitte: das Bürgerspital sammt dem, was dazu gehört, um die
Summe von 12000 fl. ohne weitere Versteigerung übernehmen zu
dürfen, um das durch mehrere Jarhunderte zum Besten der bür-
gerlichen Gemeinde verwendete Gebäude auch fürder der Gemeinde
zu erhalten (15. Jul. 1788). Die Regierung unterstüzte mit Wärme
diesen Antrag (30. Aug. 1788), der auch am 1. Jänner 1789 die
Genehmigung des Kaisers erhielt. So überliess die Regierung
im Namen des milden Stiftungsfondes der allhiesigen Bürgerschaft:
das Bürgerspitalgebäude sammt dem grossen Hof, dem kleinen
Höfel, wo der Brunnen stehet, und einen rükwärts gegen den
Garten, 84 □ Klaftern messenden Erdgrund, nicht minder die
sogenannte Wachsbleiche, dann einen daranstossenden Garten und
öden Hofgrund, 260 [[] Klaftern messend, nebst dem sogenann-
207
ten Ringelschmiedhause, dann dem kleinen Höfel rükwärts, den
Plaz, wo gegenwärtig die Holzhütten stehen, sammt einem 170
[[] Klaftern messenden Gartengrund, ebenso wie das Kirchen - Ge-
bäude und den hier anstossenden Oelberg. —Die für jeden Pfründ-
ler ausgemittelte Tagesportion betrug 11 kr, —
10. Spitalkirche zum heil. Geist. Benefizium. Reihe der
B enefiziaten.
Opferwillige Nächstenliebe hatte das Bürgerspital geschaffen
und zum Unterhalte der durch Alter und Krankheit Verarmten das
bedeutende Stiftungsgut dargebracht; aber auch für die geistliche
Tröstung Vorsorge getrofen, Desshalb bestand bereits vor dem
Jare 1334 neben dem Biirgerspitale eine kleine Kapelle, die im
erwähnten Jare »etwas besser erbaut wurde.« — Doch war und
blieb ihr Umfang auch jezt ein ganz bescheidener, wie der im
J. 1594 aufgenommene Plan der Stadt, nach weiset. Im Bauern-
aufruhr wurde sie mit den vorhandenenen Kirchengeräten in Asche
gelegt — ein Schaden, der wenigstens zu 3000 fl. veranschlagt
wurde. Da die Verluste, welche durch diese Katastrophe die
einzelnen Bürger und das Gemeinwesen erlitten hatten, ungeheuer
waren, betrug die zum Wiederaufbau veranstaltete Sammlung auch
nur die Summe von 1232 fl., somit konnte die Kapelle nur im
frühem Umfang notdürftig wieder hergestellt werden. — Das Be-
dürfnis ihrer Vergrösserung und Erweiterung stellte sich bei zu-
nehmender Bevölkerung dringender hervor. Wegen ihrer günstigen
Lage von den Stadtbewohnern wie vom Landvolke sehr besucht,
konnte sie — zumal an Sonn- und Festtagen — die zuströmende
Menge so wenig fassen, dass' gewöhnlich die Hälfte der Gläubi-
gen ausserhalb des Kirchleins stehend dem Gottesdienste bei-
wohnte. — Erst nach Beendigung des dreissigjärigen Krieges war
es möglich, diesem Bedürfnisse einigermassen Rechnung zu tragen.
Zum Glüke war eben einige Jare vorher die bedeutende Zustiftung
Zampanellis erfolgt, die ausdrüklich »die Erweiterung der
Spital - Kirche« betonte. Darum ward im J. 1658 das Kirchlein
bis auf den Grund abgebrochen und vom neuen und in grösserer
208
Dimension allmälig aufgebaut. Das stattliche Gebäude, wie es im
Vischer’schen Prospecte der Stadt Linz abgebildet erscheint, ist bis
zur Auflösung der Anstalt wesentlich unverändert geblieben. Da
man gerade damals mit dem Plane, ein freiwilliges Arbeitshaus
zu errichten, sich befasste, ward das gesperrte Gotteshaus des
Bürgerspitals hiezu bestimmt. Bereits ward der Kostenüberschlag
für die Herstellung dieser für 90 Personen beantragten Anstalt
berechnet, und nur zu 2754 fl. 56 kr. angesezt, weil nichts weiter
notwendig zu seyn erklärt wurde, als lediglich die Kirche mit
Pfeilern in 3 Stokwerke zu teilen und die Stiege in der Sakristei
anzubringen. (Hofbericht vom 3. Julius 1787). Auf die oben er-
wähnte Bitte der Bürger wurde der Plan der Errichtung des Ar-
beitshauses ganz fallen gelassen und so wie das Spital mit dem
was dazu gehört, so gieng auch die Kirche in Privatbesiz über
und wurde im Laufe der Zeit so umgestaltet, dass — rechnet
man den noch erhaltenen kleinen Oelberg hinweg — ihre ursprüng-
liche Bestimmung nichts mehr ahnen lässt. —
Dem Beispiele Ulrichs v. Tann und Fried. Tungoz-
zinger, die zum Unterhalte eines Kaplans (Benefiziaten) an der
heil. Geistkirche bereits im Jar 1334 eine Stiftung gemacht
hatten, folgten andere nach, ohne dass ich im Stande bin, die
Beträge und Bedingungen der einen und der andern bestimmt
nachzuweisen. Aus den Akten — zumal aus den Präsentations-
schreiben , in welchen der Stadtrat den jeweiligen Kandidaten dem
Fürstbischof von Pas sau zur Verleihung der Jurisdiktion empfahl,
geht soviel hervor, dass der Spital - Benefiziat die Früchte meh-
rerer — vermuthlich kleiner — Stiftungen zugleich
genoss. Noch im Jahre 1717 werden diese— im Präsentations-
schreiben in folgender Reihe aufgezält: Beneficia ad St. Spiritum,
Allerheiligen, Adriani, St. Martini, des Spitals, Doppelhammers, St.
Margarithae, St. Joannis et Fridcrici Tungozzinger. — Die Erträgnisse
dieser mögen zum anständigen Unterhalte eines Benefiziaten in fried-
lichen, ruhigen Zeiten bei weiser Sparsamkeit und kluger Gebahrung
allenfalls ausgereicht haben. Als aber die Wirren und Unruhen
der lutherischen Bewegung sich auch in Linz fühlbar machten, die
209
Stadt ungeachtet, aller Abmahnugen sogar lutherische Prädikanten
im Spitale aufstellte und sie dem landesfürstlichen Verbote zum
Troze zu halten strebte ; schwanden die frühem Erträgnisse des
Benefiziums zusehends zusammen; die Einäscherung des Spitals
und der Kirche im Bauernaufruhr und die Wehen des dreissig-
järigen Krieges waren so wenig angethan, diese zerrütteten finanzi-
ellen Zustände des Benefiziums zu bessern, dass fast sechzig Jare
hindurch (1600 — 1665) die Stelle eines Spitalbenefiziaten un-
besezt blieb. Die gewöhnlichen Dienste in der Woche hindurch
verrichtete einer der Kooperatoren der Pfarrkirche, hingegen die
Predigten und Gottesdienste an Sonn- und Festtagen einer der
Kapuziner im Weingarten. In zuletzt genanntem Jare wurde wieder
ein Benefiziat zum heil. Geiste ernannt, der um doch standesgemäss
leben zu können, auch das Schlossbcnefizium mit dem andern
vereinigte. Dieses vom jeweiligen Landeshauptmanne verliehene
Benefizium trug järlich 40 Pfd. Pfen. zalbar aus dem Stadtlin-
zerischen Brukenamt, wozu noch 30 fl. aus verschiedenen Beiträ-
gen kamen. —
Diese Vereinigung dauerte so lange, bis durch neue Stiftun-
gen der finanziellen Lage des Spitalbenefiziaten wieder eine wesent-
liche Verbesserung zugieng. Solche Woltbäter waren : der eifrige
Beförderer der Ehre Gottes und thätige Spitalamtsverwalter Mathias
Panlechner, der nebst andern milden Stiftungen auch 600 fl.
zu Stiftmessen in der Spitalkirche bestimmte, wo er auch, wie er
gewünscht, nach seinem Tode beigesezt wurde (1691). Zu glei-
chem Zwecke widmete wenige Jare nachher — warscheinlich
1718 — Lemermayer 2150 fl. und 1742 die bürgerliche Wittwe
Anna Maria Pohr 1000 fl. zur Spitalkirche für eine jeden
Samstag um 7 Uhr zu lesende heilige Messe. Von den Interessen
erhielt der Geistliche 34 fl., die Kirche 3 fl., der Messner 2 fl.,
der Spitalverwalter 1 fl. — Der ehemalige Domvikar zu Pass au,
nachher Spitalbenefiziat zu Linz, Paul Egger, bestimmte
testamentarisch 600 fl. zu dem Spitalgotteshause zum heil. Geist
in der Absicht, dass dort alle Monate zwei heil. Messen vom da-
sigen Benefiziaten, zu ihm gelegensamen Tagen für den Stifter
210
und seine Freundschaft sollen gelesen werden. Von den Interessen
gebürten dem Benefiziaten für jede Messe 45 kr., dem Schulmei-
tster järlich 2 fl., die übrigen 4 fl. verblieben dem Gottesbause.
Eben dahin vermachte er noch 500 fl. »damit in unserer lieben
Frauenkapelle ein ewiges Licht in der vor dem Altäre hangenden
Ampel beständig unterhalten werden kann.« —
Andere Schenkungen bezweckten zu gleicher Zeit auch die
würdigere Feier des Gottesdienstes an bestimm-
ten Festen. So wurden im November 1776 der Kirche 750 fl.
in der Absicht vermacht, dass järlich zu Pfingsten eine achttägige
Andacht vom heil. Geiste gehalten würde , die darin bestand, dass
in der ganzen Oktave Vormittag um 10 Ubr eine heilige Messe,
Abends um 6 Uhr die lauretanisehe Litanei mit dem Segen im
Anfänge und am Ende statt fand. Dem Benefiziaten wurden für
jede heilige Messe 30 kr., und für seine übrige Bemühung 2 fl.
bestimmt; für den Schulmeister wegen Besorgung der Musik 4 fl.
30 kr. für jeden der zwei Assistenten 2 fl. für die Schiffel- und
Rauchfassträger u. s. w. 5 fl., für den Organisten 1 fl. 20 kr.,
und für die Beleuchtung mit 20 Kerzen 8 fl. 40 kr. an die Kirche.
— Eine Schenkung von 600 fl. erhielt eben diese Kirche im Jare
1779 auf dass bei der an Sonn - und Feiertagen gesungenen
Messe der Segen mit dem Venerabile — anfangs und am Schlüsse
gegeben werde. Hiefür erhielt der Benefiziat 8 fl., der Schulmeister
für das Orgelspiel und für die Beischaflüng der Glut 4 fl., die
Ministranten 4 fl. und die Kirche 8 fl. — Die letzte Schenkung die
im J. 1780 von einem Ungenannten pr. 900 fl. erfolgte, stellte die
Bedingung, dass von den Interessen järlich in der Adventzeit an
Sonn- und Feiertagen eine gesungene Messe gehalten, an den
andern Tagen aber während der Messe eine Aria de Beatä gesungen,
auch vor- und nachderselben mit dem hochwürdigsten Gut der
Segen gegeben werde. — Für diese Verrichtungen bekam der Bene-
fiziat 12 fl., der Schulmüi^x .6 fl., die Kirche 12 fl.
Wenige Jare nach dieser Schenkung, als die Aufhebung des
Bürgerspitals bereits beschlossene, nächstens zu vollziehende Sache
war, ergieng 26. Juni 1786 an das bischöfliche Konsistorium die
211
kaiserliche Anordnung, »dass das Benefizium des Bürgerspitals
gleich jezt ad Fundum religionis übernommen, solches zur Dotirung
des Kooperators zu Li eben au angewendet und nur die Verfü-
gung getrofen werden sollte, dass durch einen Kapuziner , hiemit
ohne neue Auslage für den Fond, im Spital die Messen gelesen
und ein pensionirter Geistlicher aus einem aufgehobenen Kloster
als Kooperator in Liebenau, der ehestens zur Vormerkung nam-
haft zu machen, angestellt werde.« — Auf die vom Konsistorium
abgegebene Gegenvorstellung, dass der gegenwärtige Benefiziat
bereis investirt sei, erfolgte 18. Juli 1786 die Entscheidung, dass
dieser investirte Benefiziat gleich jedem andern bei dem Genüsse
seines Benefiziums zu verbleiben habe und dass er nur in soweit
als Kooperator in Liebenau angewendet werde, als er die Fähig-
keit und Kräfte zu weiteren seelsorglichen Verrichtungen noch
besize. Wenn ersagter Benefiziat der Untauglichkeit wegen — die
aber zu erproben ist — nicht angestellt werden könnte, wäre ein
anderer pensionirter Religiös in Liebenau anzustellen.
Da diese Untauglichkeit zur Seelsorge durch ärztliche Zeug-
nisse zur Genüge nachgewiesen war, wurde der vom Konsistorium
in Vorschlag gebrachte Kapuziner, Oberfurt n er, nach Liebenau
gesendet, der tödtlich erkrankte Benefiziat, Simon Leutner,
in seiner Stellung belassen. Wenige Wochen darauf war er eine
Leiche. Auf das Ansuchen des Magistrates 5. Dezember 1786,
das von der Bürgerschaft gestiftete Benefizium auch ferner erhalten
zu sehen, stellte schon damals sowol das Konsistorium als auch
die Regierung den Antrag, dieses Benefizium zur Dotirung eines
Dompredigers zu verwenden, aber -— vergeblich. Dasselbe wurde
für jezt, wo das järliche Erträgniss zu 405 fl. 55 kr. mit der
Obligation, von 365 Messen nachgewiesen war , zum Religionsfonde
eingezogen, und erst Kaiser Franz II. genehmigte 17. Mai 1796
dass zwei eigene Domprediger in Linz angestellt, aus dem Reli-
gionsfonde dotirt, zu diesem aber die erledigten einfachen vier
Benefizien des Spitals, des Prunn erstifts1) von St. B a r- *)
*) Vergl. II. Lieferung, S. 49, —
212
b a r a *) und vom Kreuzweg * 2) vorsehriffcmässig eingezogen
werden sollten.
Es erübrigt nur noch jene namhaft zu machen, die im Ver-
laufe der Jarhunderte dieses Benefizium, das öfter auch Spital—
pfarr genannt wurde, genossen haben 3). Soweit sie bekannt,
waren sie: 1) Stephan vom Jare 1335. — 2) Bernhard R a k-
holer, »Pfarrer im Spital zum hl. Geist genannt,« v. 1424. —
3) Martin Grabmer, mit gleicher Bezeichnung v. 1488. —
4) Georg Deissenbäk, v. 1498. — 5) Johann K h e s s e 1-
boden, v. 1507.— 6) Mathias PortinJ, v. 1521. — 7) Con-
rad Gross, v. 1537, der im nächstfolgenden Jare resignirte. —
8) Johann N e y g e r sc h m i'd t, v. 1538, wurde nach 3 Jaren
»wegen üblen Verhaltens der Pfarre entsezt,« — 9) Matthäus
Aichinger, v. J. 1541; starb 28. Jänner 1550; wurde in
Puchen au beerdigt. 10) Martin Haberer, »ein geistreicher
Mann«, v. 1551 — 1560. Nacli Haberers Hinscheiden nahm die
Stadt einen Prädikanten Johannes Ammeranger auf, der je-
doch bald abgeschaft wurde; sein Nachfolger Sigmund t ward
binnen Jaresfrist wegen nicht guten Benehmens beurlaubt. —
11) Georg Reu ss, v. 1562; legte 1568 diese Stelle nieder. —
12) Georg Lichtenwalte r-, v. 1569, ward nach zwei Jaren
wegen anstössigen Wandels fortgcscha'ft. 13) Hanns K h ü r s c h,
ein verheirateter lutherischer Prädikant v. 1572, der 1574 mit
Tod abgieng, worauf der Stadtpfarrer einen Geistlichen, Johannes
präsentirte, der 1580 schnell dahin starb. Von da blieb die Stelle
unbesezt, indem der Stadtrat einen lutherischen Prädikanten auf-
stellen wollte, den die Stadtpfarrer Martin Burgleitner (1552
— 1582) und Johann Karbo (1582 — 1590) nicht annehmen
konnten. Selbst nach dem landesfürstlichen Befehle, die Spital-
pfarre mit einem Katholiken zu besezen, beharrte die Stadt auf
der Präsentation eines Abgefallenen, Johann Apellius, bis
*) Vergl. Anhang 1.
2) Yergl. Anhang 2.
3) Yergl. Sündt’sche Chronik und Acten des Consistoriums. —-
213
dieser in Folge eines Befehles des Landeshauptmanns abgesezt
ward und der bisherige Stadtpfarr-Kaplan: 14) Bartholomäus Hör-
mann als rechtmässiger Benefiziat anerkannt wurde. (1592 —
1600.) Nach seinem Tode blieb die Stelle wegen unzureichenden
Subsistenzmitteln unbesezt, bis endlich im J. 1665 der Doktor
der Theologie, 15) Wolfg. Italus, dieses Beneflzium mit dem
Schlossbenefizium vereinigt erhielt; als dieser Stadtpfarrer in Ef e r-
ding geworden, 1683, folgte 16) Christoph Zill harter —
16. Nov. 1698. — 17. Bernhard Burkhardt Pyttner v. Ehren-
berg, v. 1698 — 11. Dezember 1717. — 18) Johann Adam
Schachermayr, bisher Kaplan an der Stadtpfarre, v. 20. De-
zember 1717 — Jun. 1721. — 19) Johann Wolfg. König, bis-
her Kaplan an der Stadtpfarre, v. Julius 1721 — 22. Sept. 1721,
wo er die Pfarre Amstetten erhielt. — 20) Franz Jos. Schauer,
bisher Stadtkaplan in Eferding, v. Okt. 1721 — Febr. 1732. —
21) Jakob Eustach. Sedlmayr, bisher Pfarrer zu HellmonsÖd,
v. April 1732 — 25. Aug. 1743. — 22) Johann Paul Egger,
bisher Domvikar in Passau, v. Sept. 1743 — 6. Jan. 1753.—
23) Ignaz Wöber, v. Jan. 1753 — Febr. 1754, wo er als
ganz junger Priester starb. — 24) Josef Guschl, Sohn des um
Linz verdienten Stadtrichters, v. März 1754 — Sept. 1757. —
25) Anton Jqs. Stokher, bisher Vikarius in Laakirchen, v.
Jan. 1758 — Mai 1772. — 26) Georg Adam Holzinger,
bisher Kaplan an der Stadtpfarre, v. 27. Jul. 1772 — 1. Mai
1785. — 27) Simon Leutner, bisher Kurat in Pöstling-
berg, v. 27. Jul. 1785 — Nov. 1786.
//. Die mit dem Linzer - Bürg erspitale vereinigten
Stiftungen.
1. Das Bruderhaus.
Das Bürgerspital stand grundsäzlich jenen offen, die dem
Bürgerstande angehörten, die diese Eigenschaft nicht nachweisen
konnten, waren und blieben, obgleich durch harte und treue
Dienste, die sie Bürgern geleistet, entkräftet und im Alter nun
äskSSsS?»
I
214
hilflos, davon ausgeschlossen. Die christliche Gesinnung der Ein-
wohner dieser Stadt erofnete frühzeitig auch diesen eine Frei-
stätte ; das Bruderhaus, wo sie anfänglich wenigstens »Dach
und Fach« finden sollten. — Im J. 1563 erkaufte der Ratsbürger
Sebastian Murauer von dem Bürgers-Sohne, Johann B o n i a t,
drei kleine Häuser mit dem dazugehörigen anstossenden Garten.
Sie lagen an der nach Ebelsberg führenden Landstrasse,
links von dem Kreuze, an der Stelle, wo heut zu Tage das Schif-
wirtshaus auferbaut ist. Der Kauf wie der nötige Umbau
wurde aus den Mitteln des Bürgerspitals bestritten; darum galt
das Bruderhaus als »blosse Filiale und Zuhaus zum Bürgerspitale.«
Diesem gebürte die Benüzung des dazu gehörigen Gartens, wie
auch der etwa entfallende Hauszins, dagegen auch die Erhaltung
des Hauses und Tragung der Steuern und Lasten. Die Verwal-
tung war dem jeweiligen Spitalmeister anvertraut; die unmittelbare
Obsorge des Hauses, wie »der armen Leut« führte ein Mann,
»der Bruderwirt« genannt, der ausser der freien Wohnung da-
selbst, järlich 6 fl. Belohnung, und zu gewissen heiligen Zeiten —
gleich den Spitalbewohnern — Wein und Speisen erhielt. Er
wachte über die Ordnung im Hause, über Verrichtung des vorge-
schriebenen Gebetes Morgens und Abends und den Besuch der
Kirchen, in denen die Stiftmessen und vorgezeichneten Andachts-
übungen stattfinden mussten. Die Zal der Aufgenommenen war 20,
denen ausser der freien Wohnung, nur die Beheizung—21 Klft.
Holz — gewährt wurde. — Leider wurde im J. 1626 auch dieses
Haus ein Raub der Flammen. Bei den grossen Verlusten, welche
das Mutterhaus selbst erlitten, konnte die Filiale erst in den
Jaren 1630 — 36 durch gesammelte Almosen nur notdürftig
und mit beschränkten Räumlichkeiten wieder auf-
gebaut werden. Doch trat auch hier eine Aenderuug zum Bessern
ein. Edelgesinnte Menschen, deren wolthätiges Wirken wir bereits
bei andern milden Anstalten erwähnten , liessen auch dieses arme
Haus nicht unbeachtet; sie suchten durch Geschenke, Gaben, Ver-
mächtnisse jeder Art den in dieser Freistätte untergebrachten Armen
den Abend des Lebens zu erheitern und zu erleichtern. Um den-
i
215
selben bequemere, der Gesundheit zuträglichere Wohnungen her-
zustellen, und auch Pilgern auf ihren Wallfahrten eine Unterkunft
zu bieten, legirte zufolge Kodizils vom J. 1698, Richard Speer,
»des innern Ratsverwandter« zur Erbauung und Erweiterung des
Bruderbauses 3000 fl. mit der Bedingung, dass alle Samstage
von den armen Leuten ein Rosenkranz gebetet werde. Der Pfar-
rer zu Hörsching, Andreas Girr a, widmete zu ähnlichem
Zweke 2000 fl. in der Voraussezung, dass jene wöchentlich zwei
Rosenkränze beten und am Jarestagc (seines Absterbens?) der
heiligen Messe in der Pfarrkirche beiwohnen. Michael Prunn er
vermehrte 5. März 1739 diese Stiftungen gleichfalls mit 2000 fl.,
damit die im Bruderhause befindlichen Pfründler am Tage des h.
Michael und der h. Susan na beichten und kommuniziren, da-
gegen das entfallende Interesse immer bar erhalten. — Aehnliche
Vergabungen unter ähnlichen Bedingungen erfolgten auch von Anna
Magdalena Eder, gebornen Männer, von Pr and state r, dem
Bürgermeistar Johann Adam Prunner, Eva Schorer, P o h r,
Maria Elisabeth Huetstock und Nicolaus v. Hölbling. Aber
unter die vorzüglichsten Wolthäter dieses Hauses gehört die oben
erwähnte Katharina von Grund emann und ihr Gemal, der
k. k. Hof kammerrat Georg Gonstantin v. Falke n b erg auf
Streitwiesen und Eggerek, der »in Erwägung der Ver-
gänglichkeit aller irdischen Dinge und eingedenk, dass nur die
Werke der Barmherzigkeit uns über das Grab hinaus begleiten
und vor dem schrekliehen Gerichte uns schützen werden, kurze
Zeit vor seinem unerwartet eingetretenen Tode, 2. Jänner 1691 zum
Trost und Heil seiner armen Seele, wie auch der gesammten
grundemannischen Familie, einzig und allein durch und umb Gottes
Willen zu geben und zum hiesigen sogenannten Bruderhaus 3000 fl.
zu stiften« beschlossen hatte. Dem Stiftbriefe gemäss, den die
Wittwe im folgenden Jare ausstellte, wurde die Summe in drei
Terminen entrichtet und der Magistrat versprach, die Interessen
des Kapitals järlich 130 fl. zu Händen des verordnetcn Spital-
meisters zu erlegen. Von dieser Stiftung, welche die gründe-
mannische hiess, sollten dem Willen des Stifters entsprechend,
216
den zwanzig Armen im Bruderhause, allwöchentlich das ganze Jar
hindurch — ausser der h. Fastenzeit — dreimal gutes frisches
Rindfleisch — einer jeden Person ein halbes Pfund — gereicht
werden, welches nach dem jezigen zu 14 Pfenningen gemachten
Fleischsatz, 91 fl. ausmacht. Von den restirenden 39 fl. erhielt
der »Ordinarispitalmeister« für seine Mühewaltung järlich 3 fl., die
übrigen 36 fl. wurden zur Anschaffung des Brodes für die zwanzig
Armen verwendet. — Hingegen erhielt die Familie Grundemann
das Recht unter der Zal von 20 Pfründlern , zwei Personen zu
präsentiren; alle aber waren für dieses Almosen verpflichtet, wö-
chentlich am Freitage, dem Sterbetage des Stifters, für ihn und
seine gesammte Freundschaft im Bruderhause einen Rosenkranz
laut und Öffentlich zu beten und der für ihn gestifteten h. Messe
in der Karmeliten-Kirche beizuwohnen. Nach der lezten Willens-
meinung der Wittwe dieses Wolthäters fielen diesem Hause aus
ihrer Verlassenschaft noch 1087 fl. zu. — Ausser den bereits
erwähnten Naturalbezügen erhielten die Pfründler auch die Interes-
sen von den andern Vermächtnissen auf die Hand, so dass —
wenigstens kurze Zeit vor der Auflassung der Anstalt — der An-
teil eines jeden 11 fl. 5 kr. järlich betrug. —
Als im J. 1787 dieselbe eintrat, wurde die Tagesportion
auf 5 kr. späterhin auf 11 kr. E. Sch. gesezt. — Das Haus war
mit dem anstossenden Kellerischen Waisenhause von Kaiser Joseph
zum Gebär- und Findelhause bestimmt; doch bald ward aus guten
Gründen von diesem Plane abgelassen *), das Haus an den Meist-
bietenden veräussert und der Kaufschilling zum Stiftungsfonde
verwendet.
2. Die Krauss’sche Stiftung.
Die zwekmässige Einrichtung und strenge Ordnung, welche
im Bruderhause gehandhabt wurde, bewog einen wolthätigen Bür-
ger dieser Stadt, Georg Adam Krauss, zu einer ähnlichen Stif-
tung, »In Erwägung, dass Gott dem Allmächtigen weit angenehmer
9 Vergl. II. Lieferung, S. 32. —
217
ist, wenn noch in Lebzeiten die milden Stiftungen zu Stande ge-
bracht, als wenn selbige bis nach dem Tode verschoben werden,«
stiftete er zufolge leztwilliger Anordnung vom 31. März 1735 zum
Unterhalte von 12 armen, männlichen oder weiblichen Personen
im Bruderhause die Summe von 7010 fl., die bei der Stadt zu
4% angelegt, jährlich das Interesse von 280 fl. 24 kr. gab. Hie-
von erhielt jeder der zwölf Pfründler täglich 3 kr.; zu Ostern,
Pfingsten , Weihnachten und am Tage seines Namens- und Schuz-
patrons (Georg) 7 kr., und ebenso alle Quatembertage jeder 7 kr.
endlich jeder järl. eine Klafter Holz. — Vermöge der mit dem Magi-
strat getroffenen Uebereinkunft wurden den 12 Pfründlern sechs
kleine Zimmer (Stübl), worin immer zwei zu gegenseitiger Hilfe
in Krankheitsfällen, wohnen sollten, eingeräumt, überdiess ein
Zimmer zu Verrichtung des Gebetes und eine Küche , aber Män-
ner und Frauen immer von einander geschieden. — Zur Bestreitung
der Reparaturen erhielt das Bruderhaus järlich 10 fl., der Ver-
walter für seine Sorgfalt 4 fl. , der Bruderwirt 2 fl.; den andern
zwanzig Pfründlern, »die ohnehin einen geringen Genuss hatten«
warf er zum besseren Unterhalt järlich 10 fl. aus in der Hofnung
dass sie alle Quatemberzeit und am Feste St. Georgi für ihn einen
Rosenkranz laut und andächtig beten und für ihn und seine Freund-
schaft aufopfern. Seine weitere Meinung war, dass diese Fun-
dation die Kraus s’ sc he genannt bliebe, dass die von ihm ge-
stifteten zwölf armen Personen auch ganz gleich gekleidet, und
aus seinen Mitteln den zwölf ersten die Kleider angeschafft wür-
den; nach ihrem Ableben waren die Kleider der Verstorbenen von
den Neupräsentirten abzulösen, oder im Falle sie ganz unbrauch-
bar waren, von den Pfründlern neue, aber von gleicher Form
und Farbe anzuschaffen.
Das Recht der Präsentation behielt er sich auf seine
Lebenszeit bevor, nach seinem Tode seinem Bruder Mathias,
nach dessen Hintrite seiner liebsten Ehewirtin M arie Eleonora
K r a u s s, dann seiner Anverwandten Sara Pauernfeindt
und ihrem Gemal, Sebastian. Nach dem Tode dieser vier »soll
die Präsentation aller zwölf Pfründler in perpetuum auf einen wol-
Mu». Jahr, Per, XXII. 15
218
löbl. wolweisen Magistrat zu Linz fallen.« Hinsichtlich der Eigen-
schaften der Aufzunehmenden bekannte er dankbar, er
habe als Bürger von Linz durch die Gnade Gottes sich »die Mittel
erobert;« darum wolle er auch den hiesigen armen Personen sie
zum Tröste seiner Seele gemessen lassen ; nur ordnete er an , dass
in die Kraussische Stiftung keine andern Armen präsentirt und auf-
genommen werden sollen, als welche der Stadt - Linzerischen Juris-
diction unterworfen, sich auch hei derselben oder der Bürger-
schaft durch Treue , eifrige Dienste oder in anderweg meritirt ge-
macht oder von solchen Eltern herkommen , die der Stadt Linz
unterworfen gewest.« Ausserdem ward noch erfordert: ein guter
Lebenswandel und ein solcher Zustand des Bewerbers, dass ersieh
selbst zu erhalten nicht mehr im Stande war.
Für diese Unterstützung legte er den zwölf Pfründlern die
auf einer im Gebetzimmer aufgehangenen Tafel verzeichneten V e r-
p flieh tun gen auf, alle Tage um 10 Uhr Vormittag für ihn in
seinen Lebzeiten um eine glückliche Sterbestunde einen heiligen
Rosenkranz Öffentlich und mit lauter Stimme , nicht weniger am
Abend um 5 Uhr unserer Frauen lauretanische Litanei nebst drei
Vater unser und Ave Maria andächtig zu beten; nach seinem zeit-
lichen Hintrite aber für seine abgeleibte Seele und für seine An-
verwandten aufzuopfern; ausserdem alle Quatemberzeiten wie auch
am Festtage des heil. Georg, dann die andern obengenannten heil.
Zeiten zu beichten, und das hochheilige Sakrament des Altars zu
empfangen und für ihn und seine arme Seele zu appliciren. —
Zu diesem Behufe verfügten sich an den genannten Tagen alle
zwölf Personen miteinander in die Kirche und Niemandem war ge-
stattet sich der vorgeschriebenen Andacht zu entziehen. Geschah
es dennoch, wurde der Schuldige das erste Mal mit dem ausge-
worfenen Taggehalt, das zweite Mal mit einem Wochen- und das
dritte Mal mit einem Monatgelde gestraft und dieses »in die
Büchse« gelegt. Blieb die Bestrafung ohne die gehoffte Besser-
ung wurde der Schuldige der Stiftung unwürdig erklärt, ent-
lassen und eine andere Person aufgenommen. War hingegen die
Ursache der Versäumniss eine erhebliche, wurde nicht gestraft,
219
sondern die unterlassene oder versäumte Andacht musste ehestens
nachgeholt werden. — Aehnliches verordnete er auch gegen un-
friedfertige und zanksüchtige, doch war die Sache vorher immer
genau zu untersuchen.
Starb ein Kraussischer Pfründler, gehörte die gesammte Hin-
terlassenschaft der Stiftung; davon wurden auch die Begräbniss-
kosten bestritten; hinterliess der Pfründler nichts, wurden die
Begräbniss - Kosten einstweilen von der Stiftung übernommen;
dagegen blieb die hiedurch erledigte Stelle so lange unbesetzt,
bis der Vorschuss zurückerstattet werden konnte. Ausser den Ver-
lassenschaften der Pfründler erwuchsen dieser Stiftung auch einige
kleinere Kapitalien aus den sogenannten Einkaufsgeldern.
Allmälig nämlich ward es auch gestattet, sich gegen Erlag von
100 fl. einzukaufen. Daher führt ein Rechnungs - Extrakt vom 12.
Juli 1760 an: das Einkaufsgeld der Maria Katharina E h r e n 1 e i t-
ner vom 13. Juni 1739, pr. 100 fl., ein Kapital von 600 fl.
vom 1. Mai 1745, ein anderes vom Jare 1757, entstanden aus
Einkaufs- und Verlassenschaftsgeldern. Ueberdiess
hatte der Stifter selbst in spätem Jaren noch bedeutende Schen-
kungen von 920 fl., 610 fl. und 500 fl. gemacht und die Ver-
teilung der Interessen genau angeordnet. Daher der Gesammt-
betrag eines Pfründlers im Jare 28 fl. 39 kr. ausmachte. — Bei
der Auflassung dieser Anstalt im oben angeführten Jare, wurde
die Tag.esportion auf 8 kr. später auf 17 kr. E. Sch. angesezt.
3. Die Thonm ül 1 er’sche Stiftung. (Thonmüller Häusl.)
Das für die Stadt Linz verhängnisvolle Jar 1626 hatte den
Wolstand der Bürger mächtig erschüttert, die Zal der Armen be-
deutend vermehrt. Die bestehenden wolthätigen Anstalten waren
bei den grossen Verlusten, die sie selbst erlitten, nicht im
Stande, einer grossem Anzal von Pfründlern als bisher Auf-
nahme zu gewähren. Wieder war es ein Bürger voll christlicher
Gesinnung, der ein kleines Asyl für arme, entkräftete Individuen
des weiblichen Geschlechtes eröfnete, das war der Siechenamts-
Verwalter Pankratius Thonmüller; er erkaufte im erwähnten
Jare von Andreas Wartberger um 40 fl. die Brandstätte des
15*
220
sogenannten H e u b i n d e r - H ä u s e 1 s in der heutigen Klamm-
ga.sse, und lies es soweit wieder herstellen, dass es zwölf
Pfründlerinen eine geräumige Wohnung hot. Anfänglich scheinen
diese ausser der Wohnung und Beheizung — andere Bezüge nicht
genossen zu haben. Der Stifter des nach seinem Namen genannten
Thonmüller - Häusls vertraute zuversichtlich auf die opferfreudige
Gesinnung seiner Mitbürger, die er zumal in seiner Stellung als
Siechenamtsverwalter genau kennen zu lernen vielfache Gelegenheit
gefunden hatte. Sein Vertrauen war nicht vergeblich. Der bekannte
Handelsmann, Dominicus Zampanelli überliess im Jar 1640
dieser armen Anstalt 200 fl. mit dem Wunsche , dass die Inte-
ressen hievon den Armen auf die Hand gegeben werden. — Die
in Wolthaten unerschöpfliche Susanna G a t h a r i n a v. Grün-
dern ann öffnete ihre freigebige Hand auch den Armen im Thon-
müller - Häusl; sie vermachte diesem und dem Siechenhause
nächst den Kapuzinern, am 3. Nov. 1693, 4250 fl. mit
der Willensmeinung, dass jedem Pfründler daselbst wöchentlich
dreimal */% Pfund Fleisch, in der Fasten aber ein Stockfisch oder
wras anderes gereicht werde. Der Ueberschuss der entfallenden
Interessen pr. 3 fl. 45 kr. wurde den beiden Verwaltern für ihre
Mühe und Sorgfalt zuerkannt. Die Stifterin behielt sich und ihren
Erben das Recht bevor: genaue Einsicht zu nehmen ob alles pünkt-
lich befolgt werde ; ferner auf ihren Namen zwei des Almosens
bedürftige Personen aufzunehmen und nach deren Absterben an-
dere zu substituiren. Für dieses Almosen sollte wöchentlich an
dem Tage an welchem die Stifterin mit Tod abgehen würde,
ein Rosenkranz gebetet und dreimal in der Woche der in der
Minoriten - Kirche täglich abzuhaltenden Seelenmesse beigewohnt
werden. —
Die erwähnte Wolthäterin des Bruderhauses Rosina Pohr,
beschenkte auch 29. Oktober 1709 dieses »Häusl« mit derselben
Summe von 300 fl. In ihre Fusstapfen tratt bald hierauf die ver-
wittwete Frau Maria Johanna v. Khautten auf Kirchberg,
geborne v. Eislsberg, die am 30. Jun. 1718 für diese Anstalt
1200 fl. vermachte; »die sollen — so lautete ihr Wille — zu
221
5 % auf sicheres Ort angelegt, und das fallende Interesse alle
Jare, so viel auf eine Person kommt, auf die Hand ausgeteilt
werden; dabei sind die armen Leut schuldig, wann die sowol
zu meiner selbst eigenen, als meiner liebsten Eltern und Befreun-
deten Seelen Heil bei denen P. P. Carmeliten allhier auf ewig
gestiftete wöchentliche zwei heilige Messen, nämlich alle Freitage
und Samstage gelesen werden, von ihnen allezeit drei Personen
dabei zu erscheinen und einen Rosenkranz vor mich zu beten.« —
Nach ihrem am 26. Jänner 1725 erfolgten Hinscheiden erlegte
2. Febr. 1725 der Universalerbe, Leopold v. Eislsberg, die
ganze Summe, 1200 fl. Der Stadtmagistrat übernahm die Sorge,
dass dem Willen der Stifterin von den Armen genau nachgekom-
men würde und zur stäten Erinnerung an sie, liess er einen
kleinen Grab - oder Gedächtnisstein im Armenhause einmauern. —
Da der Gründer dieses kleinen Institutes Ahnherr der Prun-
neris c h e n Familie gewesen war, galt es dieser als Ehrensache,
jenes grossmütig zu unterstüzen ; so wies der Bürgermeister J o-
hann Adam P r u n n e r jenem 800 fl. zu , auf dass von den
Interessen das wöchentliche Brodgeld an die armen Leute ausge-
teilt würde, und der Baumeister Michael Prunner 2000 fl.
mit dem Wunsche, dass die Pfründler am Tage des h. Michael
und der h. Susanna beichten, kommuniziren und ihre Andacht für
ihn und für seine Ehekonsortin aufopfern. (1739.) — Bald her-
nach 17. Mai 1742, widmete eben dieser Anstalt, Magdal. Meidl
das Kapital von 1200 fl., damit alle Sonn- und Feiertage der
von ihr gestifteten Messe sechs Personen beiwohnen und nach
dem Gottesdienste für sie und ihres Mannes Seele einen Rosen-
kranz beten, und ebenso an ihrem und ihres Mannes Namenstage,
wie an dem ihres Absterbens beichten, kommuniziren und diese
Andacht für sie aufopfern. —
Die jüngste Zustiftung — vom 4. Mai 1765 — rührt her
von der Frau v. T r a 11 n e r n. »Jenen zwölf Personen, die in
der Stiftung des Thonmüller-Häusls sind, und die Obliegenheit
haben, dass den gestifteten heiligen Messen jederzeit neun bei-
wohnen und den Rosenkranz laut beten, die übrigen drei aber
222
am Montag, Mittwoch und Samstag in der Barbara - Kirchen den
Kreuzweg auf gleiche1 Meinung abbeten, sollen jeder derselben
järlich 9 fl. und in Summa 108 fl. quartalweise baar auf die Hand
abgeführt werden.« — Desshalb erlegte sie das erforderliche
Kapital zum Bürgerspital und verordnete, dass auch der Spital-
amts - Verwalter für seine Bemühung järlich 12 fl. erhalte. —
Durch diese Wolthaten war es möglich gemacht, dass jede Pfründ-
lerin dieses anfänglich wahrhaft armen Häusels järlich 20 fl. 55 V4 kr.
an Geld auf die Hand erhielt. — Uebrigens besass auch diese
Anstalt, gleich dem Bruderhause und der Krauss’schen Stiftung
weder Aeker noch Zehente, noch Untertanen, sondern nur die
wenigen Kapitalien, welche gutherzige Wolthäter nach und nach
gespendet haben; zugleich gehörten alle drei Anstalten zum Bür-
gerspitale und wurden durch denselben Spitalamts-Verwalter ver-
waltet , wesswegen sie auch hier vereinigt behandelt wurden.
Das unansehnliche ursprüngliche Stiftungsgebäude wurde im
J. 1752 gegen das naheliegende, geräumigere Jobst’sche Haus
vertauscht, das bald hierauf — vermutlich 1765 — an Andreas
Prambäk veräussert wurde. Der Kaufschilling floss in den Ver-
sorgungsfond , die Pfründierinen wanderten, wie schon erwähnt,
ins Bürgerspital. Als auch dieses aufgelassen wurde, ward die
Tagesportion für jede Person auf 7 kr. gesezt, —
Anhang.
1. Gottesake r und Benefizium zu St. Barbara. Reihe d er
Benefiziaten.
Nach der frommen Sitte der ersten Christen, die Gräber
der Verstorbenen in die nächste Nähe der Haupt- oder Pfarr-
kirche zu verlegen, verfuhren auch die Bewohner dieser Stadt.
So lange die Pfarrkirche noch im Schlosse bestand, wurden die
Verstorbenen nahe dieser, zwischen dem Schlosse und der uralten
Martins-Kirche beerdigt. Als mit Ausgange des d3. Jar-
223
hunderts [) die Pfarre in die Ebene herab, an den Ort der jezi-
gen Pfarrkirche verlegt wurde, fanden auch die Beerdigungen in
ihrer nächsten Umgebung statt, und im Verlaufe der Zeit ward sie
auf allen Seiten von Gräbern und Denkmalen umgeben, so dass
zu wiederholten Malen auf Erweiterung des Plazes Bedacht ge-
nommen werden musste. Im J. 1541 brach in der Stadt die Pest
aus und rafte viele Opfer hinweg. Zur Beruhigung der Gemüter,
die vor den Gefahren der Anstellung erbebten, wurde auf höhern
Befehl ein zweiter Gottesaker hinter dem Bürgerspitale auf einem
diesem eigentümlichen Grunde errichtet, der anfänglich die an
der Seuche Verstorbenen aufnahm , allmälig zum allgemeinen Be-
erdigungsplaz sich erweiterte. Bei dem schnellen Aufblühen der
mittlern und obern Vorstadt und der steigenden Zunahme der
Bevölkerung und der Wohnungen, schien es dringend notwendig,
den Gottesaker weiter nach aussen in grössere Entfernung von
den Häusern zu verlegen und hiezu wurde ein anderer Spitalgrund
ausersehen, beiläufig derjenige Baum an der Landstrasse, welchen
jezt die Mayerhofer sehe und die nächstfolgenden Behausungen,
Nro. 547 — 551, einnehmen. Mit bedeutendem Aufwande wurde
er in den lezten Jaren des 16. Jarhunderts mit einer Mauer um-
schlossen, in seiner Mitte eine der heiligen Barbara geweihte
schöne Kirche aufgeführt (1658), und beiläufig zehn Jare darauf
durch eine grossmütige Stiftung bereichert.
Die Stifter gehörten zweien Bürgerfamilien an, deren wol-
thätige Gesinnung wir bereits oben erwähnt haben. Johann Peisser,
des innern Raths Bürger und Handelsmann, errichtete 29. Sep-
tember 1670 im Namen seines Schwiegervaters, Ulrich Schrei- *)
*) In einem alten chronikartigen Liede, das Sun dt anführt, heisst es:
Zwölf hundert sechs und achtzig Jar
Vom Schloss herab gebauet war,
Die Pfarr zu Ehren Mariae rein
Und ihrem lieben Kindelein:
Jesu, der uns alle hat erlüst (erlöst)
Von des Teufels G’fahr und Lust (List.)
ner, der leztwillig 2000 fl. bestimmt hatte, und in seinem eige-
nen, mit 3600 fl. an dieser Kirche ein Benefizium, »um hiedurch
die Ehre Gottes des himmlischen Vaters, der allerseligsten Mutter
Mariae und aller lieben auserwählten Heiligen noch mehr es fort-
zupflanzen, wie auch denen von unserer lieben Frauenpfarrkirche
ziemlich weit entlegenen Vorstädten und andern reisenden fremden
Personen zu auferbaulicher Andacht, auch denen von der schwe-
ren Hand Gottes berührten uud im Fegfeuer leidenden christgläu-
bigen Seelen mit Trost um Erledigung von den Peinsqualen ver-
mittels eines andächtigen Gebetes beizuspringen — noch mehr
Gelegenheit an die Hand zu geben.« —
Sich selbst, seinen Kindern und Kindeskindern männlichen
Geschlechts, nach ihrem Abgänge seinen Brüdern und ihren Leibes-
erben und nach deren gänzlichem Erlöschen dem wolweisen Ma-
gistrate überliess er das Recht, dem Bischof zu Pass au »einen
exemplarischen weltlichen Priester, der keinem Orden verbunden,
sondern mit seinen Sachen frei und unverhinderlich zu verfügen
Macht und Gewalt hat v o r z u s t e 11 e n.« Dieser erhielt von den
zu 5 % angelegten 2000 fl. seines Schwiegervaters die järlichen
Interessen pr. 80 fl. und von dem von ihm herrührenden Kapitale
von 3000 fl., järlich 150 fl., zusammen 230 fl. Hingegen hatte
er wegen der 80 fl. für den Stifter und seine Hausfrau alle Wo-
chen am Montage eine h. Messe in der Barbarakirche und wegen
der 150 fl. für ihn und seine Hausfrau nach ihrem beiderseitigen
Hintrite wöchentlich zwei Messen, nämlich Freitags und Samstags
und am Barbarafeste »mit grossem Fleiss und sonderbarer Andacht
zu lesen.« — An den übrigen Tagen der Woche war er unge-
hindert zur Verbesserung seines Einkommens in derselben Kirche
andere heilige Messen zu lesen und auch ein und anderes Bene-
fizium mit seinem und seiner Nachkommen Vorwissen anzuneh-
men. — Die vom Schreiner’schen Kapitale noch erübrigten 20 fl.
wie die Interessen von seinen 600 fl. waren bestimmt, teils zur
Nachschaffung der Messkleider, des Opferweins, der Beleuchtung,
teils zur Belohnung des Messners, des Zechprobstes und des Kir-
chen - Verwalters, dann zur Erhaltung des Oelbergs im Gottes-
225
aker, welchen er neu hatte erbauen lassen, gleichwie er auch
die Kirche selbst mit Messkleidern und Antependien reichlich ver-
sehen hatte. — Zehn Gulden waren überdiess als kleine Vergü-
tung für die Mühen des jeweiligen Präsentanten bestimmt, —
Diese Stiftung ward auch vom damaligen Fürstbischof v. Passau
Wenzel v. Thun, am 24. März 1672 genehmigt.
Als Benefiziaten erscheinen in den Akten :
1) Christian Ta 11 er v. 1672 — 1704 (?). — 2. Andreas
Augustin Kr afft, investirt 11. Dez. 1704. — 3) Franz R e i s s,
v. 1705 (?) — 11. Oct 1749. — 4) Johann Baptist Monquin-.
tin, Urenkel des Stifters von mütterlicher Seite, Doctor beider
Rechte, der der hohem Studien willen einige Zeit in Rom gelebt *)
und nachher bei seinem Anverwandten, dem Propst von H o r n i k
sich der Seelsorge gewidmet hatte — investirt im Febr. 1750 —
Juli 1753, worauf er Pfarrer in Unterösterreich wurde. — 5) Franz
Xav. Khermayr, hatte früher in der Kirche der Jesuiten zu
Linz (Domkirche) durch zwei und zwanzig Jare die Stelle eines
Subdiakonus eingenommen, investirt 29. Juli 1754, starb im Früh-
jahre 1756. — 6) Joseph Med egg, investirt 10. Juni 1756;
zwölf Jare nachher verfiel er in Irrsinn, entfernte sich jetzt von
seiner Wohnung und konnte troz allen Nachforschungen nicht
wieder ausfindig gemacht werden. Nach mehrjärigem Zuwrarten>
nachdem auch die Frist, die im Citationspatent vom 21. Nov. 1774
ausgesprochen war, fruchtlos vorübergegangen, wurde im Jän. 1776
derjenige als Benefiziat investirt, der seit 1773 provisorisch diese
J) Monquintin unterstützte sein Gesuch auch mit dem Zeugnisse über
seinen Aufenthalt in Rom, in welchem es unter anderm heisst: »Ego
(Josephus comes de Thun) S. R. Romanae pro tentonicd natione audi-
tor et sacrae regiae Majestatis Ungariae Bohemiae . . apud S. sedem
prominister . . teslatum facio qnod Dominus Joann. Bapt. de Monquintin
austriacus Viennensis clericus per mens es novem, quibus conti-
nenter in domo med hic Romae commoratus est, semper
omnino ante me di am noctem domum se receperit, itemque
mores praesetulerit, qui probum, ingenuum piumque ecclesiasticum decent,«
1585
226
Stelle eingenommen. — 7) Christian Seyr aus dem Pusterthale
gebürtig. — Nach einer Fassion, die im Jare 1782 abgegeben
wurde , betrugen die järlichen Einnahmen dieses Benefiziums
328 fl., worauf 215 Messen hafteten. — Seyr scheint im Jare
1795 bereits gestorben zu sein.
2. Das Kreuzweg-Ben efizium zu St. Barbara in Linz.
»Wenn wir den Wunsch hegen, sagt der seraphische Doctor,
in der Tugend, in der Gnade, vom Guten zum Bessern Fortschritte
zu machen, müssen wir täglich das Leiden des Herrn mit inniger
Andacht uns zu Gemüte führen.« Wahrhaftig! Grundes genug, warum
schon in frühen Zeiten tausende und tausende von Christen voll
Sehnsucht zu jenen Stätten eilten, die Zeugen gewesen waren von
dem Leben, Leiden und Sterben unseres Heilandes. Bei dem An-
blike der geheiligten Stellen, wo er gelitten, trat die Grösse des
Opfers, das für die sündige Menschheit gebracht worden, mit aller
Macht vor ihre Seele ; erschüttert im Innern, ergriffen von dem
überwältigenden Eindruke fanden sie nur in Thränen der Reue,
des Schmerzes, des heissen Dankes Erleichterung. Umgewandelt
in ihrem Innern, gestärkt durch die Gnade, die ihnen da geworden,
mit einem Frieden im Herzen, den die Welt nicht geben kann,
eilten sie in die Heimat zurük und entflammten durch die leben-
dige Schilderung desjenigen, was in ihrem Herzen vorgegangen,
auch bei andern die Sehnsucht in das Land der Verheissungen zu
wallen. Aber wie klein war die Zal derer, die es konnten! Wie
gross die derjenigen, die ihrem frommen Drange keine Befriedi-
gung gewähren konnten ! Aber die Kirche, die gleich einer lie-
benden Mutter, auch die geheimen Anliegen, Bedürfnisse und leisen
Wünsche ihrer kranken Kinder erräth und erkennet, kam auch
diesem natürlichen Drange vermittelnd entgegen ; sie übertrug die
Gnaden und Ablässe, deren nur die zu den Leidensstätten wall-
fahrtenden teilhaftig werden konnten, auch auf andere Orte; und
wenn nach dem Breve Benedicts XIII. vom März 1726, ihre
Gewinnung noch auf die Kirchen der Franciscaner beschränkt blieb,
dehnte sie Clemens XII. im Jare 1731 auf jeden Kreuzweg
227
— so hiess der Cyclus der Vorstellungen aus dem Leiden Jesu —
aus, der wo immer, mit Zustimmung des Diözesan - Bischofes,
des Pfarrers durch einen Franciscaner errichtet ward. Von diesem
Zeitpunkte an trat der fromme Eifer einen solchen Kreuzweg auch
hier zu errichten und den leidenden Heiland auf seinem Leidens-
wege in Andacht zu begleiten, an vielen Orten unseres engern
Vaterlandes, zumal in dieser Stadt immer kräftiger hervor; Ge-
schenke, Vermächtnisse, Stiftungen waren schon früher und jetzt
von Hohen und Niedern gemacht, immer von dem Wunsche be-
gleitet, dass »die neue Andacht — die Kreuzwegandacht — dauernd
eingeführt und erhalten werde,« zur wahren Herzensfreude des-
jenigen Mannes, der damals als eifriger Oberhirte die Passauer-
Diözese leitete : Joseph Dominicus, Graf von L a m b e r g.
Kurze Zeit nachdem er zum Fürstbischöfe von Passau gewält wor-
den, hatte er in einem von apostolischem Eifer durchwehten Pasto-
ralschreiben, um die dankbare Erinnerung an das Erlösungswerk
mehr zu beleben, angeordnet, dass an jedem Donnerstage und
Freitage die wichtigen Momente der Angst und des VerSchei-
dens des Heilandes in allen Pfarrkirchen seines Sprengels
durch Glokengeläute angedeutet werden. Um so freudiger erteilte
er 11. März 1734 die Erlaubnis, »in der Barbara-Kirche
zu Linz den hierosolymitanischen Kreuzweg mit
Errichtung der vierzehn Stationen zur Erlangung der Ablässe ein-
zuführen und durch den Geistlichen, Franz König, zur Ausfüh-
rung zu bringen,« — um welche ihn der eifrige Beförderer dieser
Andacht, Johann Karl Berthold Sebastian Freiherr v. Hochhaus,
kais. Rat und Landrat und der oberösterreichen Landschaft Gene-
raleinehmer, im Namen der übrigen Wolthäter gebeten hatte. Die
Opferfreudigkeit dieser, ihre Bereitwilligkeit für diese Andacht
etwas Dauerndes zu schaffen, nahm zu, und nach wenigen Jaren
konnte der genannte Beförderer an den Fürstbischof die Bitte
stellen : die Errichtung eines beneficii saecularis des heiligen Kreuz-
wegs zu bestätigen und dem neuangehenden Benefiziaten Franz
König und allen seinen Nachfolgern die genaue Vollziehung die-
ses Andachtswerkes aufzutragen. —
228
Sobald die notwendigen Erhebungen gemacht und alle Ver-
hältnisse rechtlich geordnet erschienen, erfolgte (17. Octob. 1746)
auch die Bestättigung des Stiftsbriefs. Diesem zufolge war
der Benefiziat verpflichtet: 1) An jedem Nachmittage im Sommer
um 3/4 auf 5, im Winter um % nach drei Uhr, nebst Gebung
des Segens mit dem Cihorio die im Kreuzwegbüchel enthaltenen
Gebete von einer Station zur andern andächtig vorzubeten; an den
vier Quatembertagen auf dem privilegirten Hochaltäre das hoch-
würdige Gut um 8 Uhr auszusezen, dann die mittwöchige Ordinari-
messe zu lesen, eine kurze Predigt zu halten und die Kreuzweg-
gebete öffentlich zu verrichten, nachmittag aber um 3 Uhr eine
gesungene Litanei mit Aussezung des Hochwürdigsten zu halten.
Aehnliches fand am Kreuz-Erfindungs- und Erhöhungs-
Tage — den Hauptfesten des Kreuzweges — statt. — 2) Am
ersten Montage eines jeden Monats um 8 Uhr die Barbara-Bruder-
schaftsmesse mit Aussezung des Venerabile, an den andern Mon-
tagen mit der des Kreuzpartikels zu lesen. — Dazu kamen noch :
die freitägige Stiftmesse der Bürgerin Anna Maria Pohr vom Jare
1742, die zwölf Quatembermessen von Anna Meiringer, vom
Jahre 1729 und dreissig Messen gestiftet von Magdalena Tauber,
gebornen Pohr. Zur beständigen Wohnung des Benefiziaten
wurde nahe der Kirche ein eigenes Haus vom Grunde aus erbaut
auf einer der richterischen Familie eigentümlichen Area,
wofür noch järlich zwei Messen zu persolviren kamen. — Ausser
dieser Wohnung, dem Ertrage der Stiftmessen und den Interessen
der Stiftungs-Kapitalien, die zusammen järlich 301 fl. gaben, hatte
er noch so viele Messen frei, dass die Gesammteinnahme zu 405 fl.
nachgewiesen wurde, wovon jedoch 51 fl. für Musik, Beleuchtung,
Unterhaltung der Stationshilder abzurechnen waren.—> Das Recht
der Präsentation des Benefiziaten war zwischen dem Dechant
von Linz und dem Magistrate abwechselnd. Die Erhaltung des
Benefiziaten - Hauses lag zu gleichen Teilen ob: der Stadtpfarr-
kirche, der Stadt Linz, der Bruderschaft und der Kirche zu St.
Barbara; hingegen fielen die zur Kreuzwegs - Stiftung gemachten
Opfer und Vermächtnisse, zur Hälfte dieser, zur Hälfte dem Bar-
229
bara - Gotteshause zu. Benefiziaten waren: 1) Franz König,
von 1746 .... 2) Michael Seiz, von 1762? f Dezemb. 1772.
3) Johann Georg Früh tr unk, von 1773 — 1795.
5. Die beiden Siechen haus er in Linz.
Ausser dem Bürgerspitale bestanden auch frühzeitig zwei
Siechenhäuser: das obere und untere. — Jenes, vielleicht
bereits im 13. Jarhunderte errichtet *), heisst gewöhnlich S i e-
chenhaus im Weingarten oder an der Sandgstätte
und vom 17. Jarhunderte ab auch Siechen haus bei den
Kapuzinern. Nach dem jezigen Häuser - Verzeichnisse ist es
das in der Kapuzinergasse gelegene Haus Nr. 612. — Zur Auf-
nahme in dieses wie in das andere, eigneten sich wahrhaft Sieche,
sofern sie zugleich arm, gut gesittet und zu Linz zuständig waren.
Anfänglich gewährte dieses — immer arme — Haus den Aufge-
nommenen vermutlich bloss Wohnung und Beheizung, bis es
durch die Grossmut derselben Wolthäter, die wir bei andern An-
stalten genannt haben, in Stand gesezt wurde, mehreres zu leisten. —
Ausser den Interessen, die von geschenkten Kapitalien järlich ent-
fielen, bezog es auch von 2 untertänigen Häusern in der genann-
ten Gasse, nämlich Nr. 613 und 638, den Grunddienst, der im
J. 1847 3 fl. 14 kr. betrug. Die Zal der Pfründler, die im Jare
1757 ins Bürgerspital überwanderten, betrug zwanzig, von denen
jeder bei der Auflassung auch dieser Anstalt 7 Kreuzer täglich
erhielt. —
Das untere Siechenhaus, welches dem ehmaligen
Freisize Strassfelden (Herrenhaus) gegenüber liegend
auch Siechenhaus Strassfelden genannt ward, wurde
1353 erbaut * 2). Nach zweihundertjärigem Bestände wurde es von
einer böswilligen Frau, Susanna, in Brand gestekt und ein-
*) Nosocomium coenobio PP. eapucinorum vicinum, aetatem suam a scie~
culo XIII. recenset. Insprugger II., 19. —
2) Nosocomium alierum versus Strassfelden, qUod anno 1383 coeptum, cum
ruinas subinde egisset, pietate Annae Pichlerin anno 1387 (?) ex funda-
mentis reparatum est. Insprugg er. II., 19. —
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geäschert. (1558). Eine höchst wolthätige Wittwe, Anna Pich-
ler zum Ketten h o f und Indernsee, nahm sich der
verarmten Anstalt thätigst. an; erbaute auf einem dazu gehörigen
Grunde an der nach Ebelsberg führenden Strasse ein ganz neues
Haus (das jezige innere Militär-Spital - Rekonvaleszenten - Haus) und
stattete es mit dem nötigen aus. (1602). Zur besseren Subsistenz
erhielt die arme Anstalt im J. 1639 die Erlaubnis auf dem Lande
und in der Stadt — zumal während der Jarmärkte — Almosen
sammeln zu dürfen. Nach und nach erholte sich dieses Institut
durch die Geschenke und Vermächtnisse christlich gesinnter Wol-
thäter; es gewann — ich kann nicht angeben wann und wie? —
Grundbesiz und Untertanen. Es bezog vor der Durchführung der
Grundentlastung, z. B, im Jare 1847:
1) An Grunddiensten von 26 Häusern in und bei
der Stadt Linz 30 fl. 47 kr.
2) An grundherrlichen Gaben von zwei Häusern in
Linz und drei Bauerngütern : vom G a n g e I b e r g g u t zu St.
Johann im ehemaligen Distrikts - Kommissariat Helfenberg,
vom Engelgütl zu Gold w erd bei Ottensheim und dem
Fischergut zu Hör sc hing — zusamen 20 fl. 202/4 kr.
3) An Getreidedienst von den zwei zulezt genannten
Gütern — 287 fl. 2% kr.
4) An Getreide- und Sa k zehent vom G a n g e 1-
berggut zu St. Johann, Fischergut in Schmidberg,
Pfarre St. Veit, Teufelsbrukmii hiergut in der Pfarre
St, Johann, vom Zistlpointner-, Ganglhoffried-, Gla-
serhell-, Probst - und Mössl-Gut — alle fünf in F r i e n-
dorf in der Pfarre Hörsching — 562 fl. 202/* kr. oder in
Summa 900 fl. 303/i kr.
Die Zal der Pfründler war auch hier zwanzig und die Tages-
portion eines jeden nach der im J. 1787 erfolgten Auflösung des
Bürgerspitals 8 kr. — Ueber die jezigen Verhältnisse des Bürger-
spitals und der damit vereinigten Stiftungen, sowie der beiden
Siechenhäuser vergl, die folgende Uebersicht.
4. Uebersicht über den Kapitals-Anteil des Burgerspitals
und der damit vereinigten Stiftungen, so wie der beiden
Siechenhauser, Za 1 der Pläze, Tagesportion.
Post- Nr. Name der Stiftung Kapitalsanteil Zal der Pläze Tagespor- tion eines Pfründlers
Österr. Währ. Öst. W.
A. | kr. kr.
1 Bürgerspital . ) 36 15
2 Bruderhaus i 20 8
> 82751 17%
3 Krauss’sche Stiftung . 12 12
4 Thonmüller-IIaus . ) 12 10
5 Siechenhaus Weingarten . I 20 8
\ 30148 32
6 Siechenhaus Strassfelden . J 20 8
Es bedarf wol nicht der Erinnerung, dass — ausser den
Pfründler-Portionen — auch noch andere Auslagen zu bestreiten
sind. ---
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