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3. Auflassung des theresianischen Waisenhauses; Anord¬
nungen für die Waisen; RegulirUng der Pfründen; Ver¬
wendung des Gebäudes.
Die ursprünglich festgesezte Zal der Waisen ward bereits
im Jare 1769 um sechs vermehrt; nach drei Jaren kamen wie¬
der sechs hinzu; acht Jare nachher war die Gesammtzal der
Aufgenommenen — die ständischen und Khautten’schen Stift—
linge mit eingeschlossen — schon auf siebenzig gestiegen und
doch mehrten sich bei jeder Erledigung eines Plazes die Be¬
werber , aber auch ausserdem die flehentlichen Bittgesuche,
welche der kaiserlichen Stifterin unmittelbar zugewendet wur¬
den., um wenn gleich kein Plaz erledigt war, wenigstens eine
ausserordentliche Aufnahme im Waisenhaus zu erlangen. Ein
solcher Fall trat auch im Jare 1780 ein. Die edle mitleidvolle
Landesfürstin ward wieder auf die rührendste Weise gebeten,
sich eines ganz verlassenen, ganz hilflosen Kindes zu erbarmen
und ihm den Eintritt ins Theresianum zu gewähren. Die Kai¬
serin liess auch diese Bitte nicht unerhört. Obgleich sie wol
wusste, dass kein Stiftungsplaz erledigt sei, erliess sie doch die
Weisung das elternlose Kind auf der Stelle aufzunehmen, da¬
gegen die künftig sich ergebende Erledigung unbesezt zu lassen.
Das war die lezte Anordnung, welche die edle Fürstin für die¬
ses Waisenhaus erliess ; wenige Wochen nachher war sie eine
Leiche. — Die von ihr gegründete Anstalt hatte, so lange die
Stifterin lebte, die ihr gewordene Bestimmung treu und ge¬
wissenhaft erfüllt. Dass ihr Sohn und Nachfolger auf dem
Throne — auch über die Waisenhäuser andere Ansichten hege,
war eine bekannte Sache; darum kam es auch nicht unerwar¬
tet, dass schon nach ein Paar Jaren, das nach seiner Mutter
benannte Waisenhaus, nachdem es gerade zwanzig Jahre be¬
standen, durch das oben erwähnte Handbillet Josephs II. aus
Steier , aufgehoben wurde. *—
Die Waisen des Theresianums wurden eben so wie die
der beiden anderen Häuser in auswärtige Kost gegeben; für