804 Robert Sommer Die richtige Therapie entspringt also hier wie immer nur aus einer sehr genauen Diagnostik, die manchmal nicht unerhebliche Schwierigkeiten hat. 4. Infolge von Schmerzen, die nach Verwundungen in der Narbe z. B. durch Einklemmung und Reizung von sensiblen Nerven entstehen können, kommt eine eigentümliche Bewegungsstörung zustande, die darin besteht, daß bestimmte Bewegungen zur Vermeidung von Schmerzen nicht ausgeführt werden. Meistenteils ist dies mit einer ängstlich krampfhaften Spannung in Muskelgruppen verknüpft, die weit über das eigentlich geschädigte Gebiet hinausgehen. Schon lange vor dem Krieg hat Möbius dieses Krankheitsbild unter dem Namen Akinesia algera, d. h. schmerzhafte Unbeweglichkeit beschrieben, und vielfache Erfahrungen an Kriegs verletzten haben die Auffassung dieses Forschers durchaus bestätigt. 5. In nach meiner Erfahrung prozentuarisch kaum in Betracht kommenden Fällen kommt nach Verletzung einzelner Nerven auch Simulation von Sym ptomen in Betracht. Die genauere Untersuchung ergibt jedoch, daß es sich in solchen Fällen in der Regel um psychogene (hysterische) Störungen handelt, die außer ordentlich leicht mit Simulation verwechselt werden können. Auch kommen gelegentlich ebenso wie in dem Gebiet der Nervenkrankheiten im allgemeinen gemischte Störungen vor, indem sich psychogene Nervenstörungen mit bewußter Simulation vereinigen. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle handelt es sich auch dann, wenn Simulation eines Symptomes auftritt, um eine psychogen-nervöse Grundkrankheit. Aus der vorstehenden Übersicht ist ersichtlich, daß die Diagnose und dement sprechend die Wahl der Behandlung von Nervenverletzungen in manchen Fällen außerordentlich schwierig sein kann. In diesem Zusammenhang muß ich wenigstens kurz auf einige Behandlungs methoden eingehen, soweit sie technischer und mechanischer Natur sind. Ich hebe dabei folgende Punkte hervor: 1. Nach der vorhergehenden Darstellung handelt es sich vielfach um organische Verletzung bestimmter Nerven, die chirurgisch behandelt werden müssen. 2. In vielen Fällen liegen abnorme Muskel Spannungen vor, die häufig mit Schmerzhaftigkeit verknüpft sind und aus diesem Grund dem Betroffenen starke Beschwerden machen. Sucht man solche Muskelspannung mit passiven Bewegungen zu beseitigen, so steigern sich häufig die Schmerzen, sodaß die Patienten jede mechanische Berührung und Behandlung schließlich ängstlich ablehnen. Ver sucht man dagegen, nachdem der betreffende Gliedabschnitt in warmes Wasser gebracht ist, ganz langsam und vorsichtig die Dehnung der spastischen Muskulatur, so stellt sich heraus, daß diese viel besser geht, als ohne dieses Verfahren. Die Gründe dieser eigentümlichen und therapeutisch sehr wichtigen Erscheinung sind noch nicht genügend aufgeklärt. Die allgemeine Erfahrung spricht dafür, daß Muskel spannungen in warmem Wasser geringer werden. Außerdem kommt wahrscheinlich der ablenkende Einfluß der dabei ausgelösten Empfindungen in Betracht. Vielen Patienten ist die Wärme und Feuchtigkeit angenehm. Ich persönlich bin vor langer Zeit durch einen mit diesem Verfahren erzielten Erfolg bei einer vorher sehr hartnäckigen psychogenen Kontraktur auf dieses Verfahren hingelenkt worden