Es war also wieder ein gewaltiger Sieg, den die Ostarmee erfochten hatte. Uber den Verlaus der Kämpfe veröffentlichte der deutsche Große Generalstab am 20. und 22. Februar folgende Berichte: „Seit Monaten waren unsere unter den Befehlen des Generals v. Below in Ostpreußen stehenden Truppen auf verteidigungsweises Verhalten angewiesen. Aus 50 Prozent Landwehr-, 25 Prozent Landsturm- und 25 Prozent anderen Truppen zusammengesetzt, verteidigten diese Truppen die Lande östlich der Weichsel, vor allem die Provinz Ostpreußen, erfolgreich gegen einen mehrfach überlegenen Feind, dessen Stärke in 6 bis 8 Armeekorps Anfangs Februar noch etwa rund 200000 Mann betrug. Die numerische Überlegenheit der Russen war auf diesem Kriegsschauplatz eine so große, daß die deutschen Truppen starke natürliche Stellungen aussuchen mußten, die sich an den großen Masurischen Seen und hinter der Angerapplinie anboten. Das Land zwischen diesem Ge- biet und der Grenze mußte dem Feinde überlassen werden. In widerholten Angriffen versuchte dieser sich in den Besitz der befestigten Stellungen der Deutschen zu setzen. Trotzdem er hierzu stets an Zahl überlegene Kräfte aufbot, wurden alle seine Angriffe die sich mit Vorliebe gegen den Brückenkopf von Darkehmen und den rechten deutschen Flügel auf den Paprodtker Bergen richteten, stets abgeschlagen. Vis zur Brust im Wasser durchwateten am ersten Weihnachtsfeiertag Teile des 3. sibirischen Korps das Sumpfgelände des Nietlitzer Bruchs. Ihr Angriff wurde ebeuso abgewiesen, wie die noch im Januar und Februar gegen den linken deutschen Flügel versuchten Offensivunternehmungen. Anfang Februar war endlich die Zeit gekommen, wo frische deutsche Kräfte verfügbar wurden, um nach dem ost- preußischen Kriegsschauplatz gebracht unb dort zu einer um- fassenden Bewegung gegen die Russen eingesetzt zu werden. Das Ziel dieser Operationen war neben dem in erster Linie er- strebten Waffenerfolge die Säuberung deutschen Gebietes von dem russischen Eindringling, der hier schrecklich gehaust hatte. Wohl verschleiert durch die deutschen Stellungen und Grenzschutztruppen und sorgfältig vorbereitet, vollzog sich in den ersten Februartagen hinter den beiden deutschen Flügeln die Versammlung der zur Offensive bestimmten Truppen. Am 7. Februar trat der Südflügel zum Angriff an, etwas später setzte sich die Nordgruppe (diese aus der Gegend von Tilsit) in Bewegung. Die Erde war mit Schnee bedeckt und scharf durchfroren, alle Seen waren von dickem Eise bedeckt. Am 5. Februar war außerdem erneuter Schneefall eingetreten, der das ganze Gelände mit einer außerordentlich hohen Schnee- decke überzog; endlich setzte unmittelbar nach diesem Schnee- falle erneut Frost und mit ihm ein eisig kalter Wind ein, der an vielen Stellen zu den stärksten Schneeverwehungen führte und damit den Verkehr auf Bahnen und Straßen ganz be- sonders erschwerte, ja den Kraftwagenverkehr gänzlich ausschloß. Die deutsche Führung hatte sich aber auf die besonderen Schwierigkeiten eines Winterfeldzuges wohl vorbereitet. Die Truppen waren mit warmer Bekleidung ausgestattet. Tausende von Schlitten, Hunderttausende von Schlittenkufen waren bereitgestellt worden. Um an die feindlichen Hauptkräfte heranzukommen, hatte der deutsche Südflügel zuerst die 40 km tiefe Waldzone des Johannisburger Forstes und dann den Pisseck zu überschreiten, der den Ausfluß des Spirdingsees bildet und auf russischem Gebiet als Pissa dem Narew zustrebt, in den er zwischen Lomza und Ostrolenka mündet. Der Feind hatte sowohl im Wald seine Verhaue angelegt als auch die Pisseckübergänge besetzt und befestigt. In Johannisburg und Bialla lagerten stärkere russische Truppen. In einem der von ihnen besetzten Orte war für den Sonntagabend ein Tanzfest angekündigt, als gerade an diesem Tage — völlig überraschend für die Truppen sowohl als die Führung — die deutsche Offen- sive einsetzte. In aller Stille brachen sich die deutschen Angriffskolonnen ihre Bahn und gewannen am Nachmittag Fühlung mit dem Feind. Die jungen Truppen des Generals v. Litzmann er- zwangen sich am Nachmittag und in der Nacht zum 8. bei Wrobeln den Übergang über den Pisseck. Trotz stark verschneiter Wege und heftigen Schneetreibens, das den ganzen Tag anhielt Brückenbau über die Weichsel durch deutsche Pioniere. Auf Grund einer photographischeu Aufnahme für die „Illustrirte Zeitung" gezeichnet von Alfred Liebing. 230