Nr. 1 Entschließung: Die in der heutigen Protestversammlung verfammel- ten Kriegsopfer des Landesverbandes Oberösterreich haben mit Entrüstung Kenntnis erlangt von dem Entwurf zur IX. Novelle des Invaliden-Entschädigungs-Gesetzes und weisen diesen als vollständig unzureichend energisch zurück. Abgesehen von . der unzureichenden Erhöhung der mittleren Stufen der Rentensätze und einer unwesent¬ lichen Erhöhung der Witwen-, Waisen- und Hinterbliebe- nen-Rentensätze, sieht der Entwurf nicht nur keine Ver^ besserungen vor, sondern sollen mehrere Verschlechterun- gen im Gesetze aufgenommen werden. Unerträglich er- scheint es, daß die Bollrente nicht erhöht werden soll, ob- wohl Vollrentner keine Arbeit finden, ja wenn eine solche vorhanden wäre, physisch nicht geeignet sind, einein Er- werbe nachzugehen. Das Recht der Umschulung soll nur bis 1. Jänner 1927 gewahrt werden; Frauen, die nach dem 1. Jänner 1927 einen Kriegsbeschädigten ehelichen, sollen keinen Anspruch mehr auf Witwenrente, ihre Kinder keinen auf Waisen¬ rente haben; das Recht des Ministers, in berücksichtig,mg«-- werten Fällen die Nachsicht der Anmeldefrist zum Inva- liden-Entschädigungs-Gesetz zu bewilligen, soll aufge¬ hoben werden: den Landesverbänden soll das Recht ent- zogen werden, bei der Aufstellung der Listen der ärztlichen Sachverständigen mitzuwirken und die Kriegsbeschädigten sollen vor den Schiedskommissionen die Uebervrüfung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens durch Zu- ziebung eines zweiten Sachverständigen (Vertrauensarzt) nicht mehr begehren dürfen und ähnlicher Härten mehr. Diese sche'nbar „geringfügigen" Gesetzesänderungen wären geeignet, die ganze Rechtsprechung, ja die Existenz vieler Kriegsopfer zu gefährden! Die allen Kriegsopfern geläufigen und in ungezähl¬ ten Eingaben, Vorsprachen und Versammlungen bekannt» gegebenen For^e-unaen der Kriegsopfer blieben im Ent- wurf unberücksichtigt. Der 8 29 soll in der gegenwärtigen Fassung bestehen bleiben; daß Taggeld für in Spitäler und Anstalten befindlichen Kriegsbeschädigten weiter 70 Groschen betragen; Kriegerwitwen sollen in ihrem Privat- nnd Familienleben weiter durch den 8 22/4 be- droht werden; die Absei tigungsmöglichkeit soll so einge- engt bleiben, wie es die ungesetzliche Verordnung vom Dezember 1925 festgelegt hat; kein Wort davon, daß auch Kriegsbeschädigte, die nicht der ständigen Wartung und Pflege bedürfen, in Invalidenheimen untergebracht wer- den sollen. Die Versammelten erklären feierlichst, die Vorlage der Regierng zurückweisen zu müssen und fordern den Lan- desverand Oberösterreich, beziehungsweise den Zentral- verband auf, alle zu Gebote stehenden gesetzlichen Mittel anzuwenden, um den nur zu bekannten Forderungen der Kriegsopfer zum Durchbruch zu verhelfen. Die Bersamm- lung erklärt, geschloffen hinter dem Landesverband Ober- österreich zu stehen und erklärt weiters, des Rufes der Organisation gewärtig zu sein, um erforderlichenfalls in der Öffentlichkeit ihre Entschlossenheit, für die Rechte der Kriegsopfer einzutreten, zu manifestieren. Ablenkungsmanöver. Die Regierung?- und „unparteiische" Tages- und Woaienpreffe, die „neutrale" Gelegenheitszeitung wagten es nicht, das Ungeheuerliche zu besprechen und zu erläu- tern. zu brandmarken, was in, Banken-Untersuchungs- ausschuß bekannt geworden ist. Notgedrungen müssen diese Blätter die kurzen Miteilungen veröffentlichen, die für den Durchschnittsleser selbstverständlich, da ohne Kom- mentar, uninteressant und unverständlich bleiben. Dadurch soll erreicht werden, daß die österreichische Bevölkerung nicht erfahren welche Schandwirtschaft mit den Geldern des Volkes getrieben wurde. Se',re 5 Da hat man erfahren, daß ein staatliches Amt 644 Milliarden in der Frankenspekulation riskiert und dabei 350 Milliarden verloren hat. Darüber wird Stillschwei- gen bewahrt, um die Wahlerschäflein nicht abzustoßen/ denn das könnte mitunter, besonders wenn Wahlen in Aussicht stehen, für die Verantwortlichen unangenehm werden. Die Postsparkasse stand in engster geschäftlicher Ler- bindung mit dem größten Schieber und Spekulanten Bösel, dessen Umsatz das schöne Sümmchen von 163? Milliarden erreichte. Für die Spekulationen auf eigene Rechung stellte ein staatliches Institut einem einzelnen Schieber ungeheure Summen Spargelder und staatliche Gelder zur Verfügung. Alle diese Ungeheuerlichkeiten können die Herren Zeitungsmacher nicht aufregen, sie finden diese erschüt« ternden Tatsachen geradezu als natürliche, selbstve.rständ- liche Entwicklung. Hin und wieder sickert doch etwas durch, es wird be* kynnt, daß die sozialpolitischen Errungenschaften, der revolutionäre Schutt, beseitigt werden sollen, da die er» forderlichen Mittel zur Aufrechterhaltung und Ausgestal- tung derselben nicht zur Verfügung stehen und auch niH aufgebracht werden können. Die geduldigen Menfchlein, die man immer auf bessere Zeiten vertröstet, könnten doch einmal etwas ungemütlicher werden und einmal mit allem Nachdrucke Abhilfe ver» langen. Daher müssen sie auf andere Gedanken gebracht wer¬ den. Mit allen möglichen Mätzchen will man sie ablenken, um zu verschleiern, welche Ungeheuerlichkeiten vorkom¬ men, Die Zeitungen sind voll von Artikeln über Kor- ruption im „anderen Lager", berechnet auf die Partei- leidenfchast, die anläßlich von Wahlen noch mehr aufge« peitscht werden muß. Dieses Manöver, das zur Sicherung der Wähler- maffen aufgeführt wird, erstreckt sich jedoch nicht nur auf die politschen Parteien, sondern auch auf andere Organs sationen, die sich zum Ziele gesetzt haben, das soziale Elend zu mildern. Eine solche Organisation ist unser Zentralverband, der auf die Gesetzgebung Einfluß nimmt, um den Kriegs- opfern die bestmögliche Stellung im Staate zu sä>affen. Daß dabei oft die Kritik eine scharfe ist, wird jeder Mensch begreifen. Daher wird gegen diese Organisationen ein Kampf entfacht, der die Kräfte splittern soll. Alle Mittel sind gerade ^gut genug, um das zu erreichen. Nicht darüber soll aufgeklärt werden, daß alle Kriegsopfer ge- meinsame Interessen haben, in eine geschlossene Organi- sation gehören, ohne Unterschied der Konfession und der politischen Weltanschauung, sondern darüber, daß die- selben sich in Parteirichtungen teilen sollen, denn dann werden sie etwas erreichen. Es ist die besondere Aufgabe des Reichsbundes, die Trennung durchzuführen, die Inva« liden gegeneinander zu hetzen,'sie abzulenken von ihren gemeinsamen Zielen. F. Ae Prsgmatifierung der knegsbejchiidigten Vertraqsangeftellten. (Aus dem „Bund", ^rgon der öffentlichen An» gestellten.) Fast sechs Jahre sind verstrichen, seit der National- rat in einer Resolution zum 90er Gesetz die Regierung aufgefordert hat, auch für 'die nach dem 1. Mai 1920 in den Bundesdienst getretenen kriegsbeschädigten Be?trags- angestellten ein Gesetz vorzulegen. Mit unsäglicher Mühe und in schweren Kämpfen ge- lang es, im Mai 1922 einen Entwurf fertigzustellen, der wenigstens die größten Härten des 90er Gesetzes für die kriegsbeschädigten Bertragsangestellten aus der Welt ge- schafft hätte. Die Geschichte dieses Entwurfes ist hinläng¬ Nachrichten