Nr. i Nachrichte« Seite 5 Renten von 90 g gibt. Es fehlt an der staatlichen Für- sorge. Und wenn manche Leute sagen, daß die staatliche Fürsorge durch die private Fürsorge ersetzt werden soll, so müssen wir bemerken, daß das nicht möglich ist und wir der menschlichen Gesellschaft nicht vorschreiben können, was sie zu tun und zu leisten bat. Eine besonders wich- tige Frage wäre auch die Errichtung von Heimen fiir solche, die nach dem Gesetze die Pflege in Heimen zu- erkannt haben. Ein Geschäft macht der Staat zweifellos, wenn er die Rente einsteckt und in den Heimen ganz kleine und unbedeutende Versorgung gewährleiste! und während des Aufenthaltes nur ein Taggeld von 70 g gib. Endlich aber möchte ich feststellen, daß an der schlechten Versorgung der österreichischen Kriegsopfer in erster Linie die unsicheren Verhältnisse in Europa Schuld tragen. Wir müssen feststellen, daß es seit 1913 noch keinen wirk- lichen Frieden gibt, daß die Völker noch immer in Waffen strotzen und noch immer Millionen fiir Rüstungszwecke hinausgegeben werden und daß infolge dieser unsicheren Lage die Grundlage für eine ruhige und zeitgemäße Ent- wicklung der Sozialpolitik nicht gegeben erscheint. Wir müssen zu dieser Frage Stellung nehmen und feststellen, daß es vor allem notwendig ist, eine wahre Völkerverföh- nung zu erzielen. Die wirtschaftliche Lage müßte so sein, daß allen die Möglichkeit geboten wäre, ein anständiges Leben führen zu können. Wenn ich in längeren Ausführungen Kritik geübt habe an den augenblicklichen Verhältnissen, so ist es selbstverständlich, daß ich auch die Pflicht habe, darüber zu sprechen, was die nächsten Aufgaben unserer Organi¬ sation sein müssen. Wir müssen feststellen, daß alle Kreise der Bevölkerung, angefangen von den öffent- lichen Körperschaften, bis zur Gesellschaft selbst, die Aufgabe den Kriegsopfern gegenüber nicht erfüllt haben. Wir müssen feststellen, daß es notwendig ist, daß die In- validenorganisation vor allem einen größeren Einfluß auf die Gesetzgebung und die Durchführung der Gesetze erreichen muß. Wir haben in der ständigen Invaliden- fürsorgekommission ein Organ, das bei Herausgabe von Gesetzen mitreden sollte. Dieses Organ hat aber nicht die Erfolge gebracht, die wir uns wünschten. Wir haben gesehen, daß wohl lange Reden gehalten werden, sich aber niemand darum kümmert. Wir sind der Ansicht, daß es notwendig ist, hier den Hebel anzusetzen, um zu er- reichen, daß der Invalidenfürforgekommission größere Rechte eingeräumt werden. Wir verlangen größeren Ein- fluß auf die I. E. K. Es sollen die Kriegsopfer nicht nur in der Schiedskommission mitzureden haben, sondern es soll eine Form gefunden werden, daß bei der gesamten Geschäftsführung der I. E. K; die Organisation auch ein Wort zu sagen hat, damit wir den invalidenfeindlichen Geist bekämpfen können und in erster Linie das gemacht wird, was im Interesse der Kriegsbeschädigten ist. Wir verlangen eine Zusammensetzung der Schiedskommission, die unseren Verhältnissen besser entspricht. Wir woll?n, daß unser Einfluß geltend gemacht wird auf den Ra- tionalrat und auf die politischen Parteien des National- rates und glauben, daß es für unsere Organisation eine Möglichkeit geben wird, weil wir alle Parteien zusam¬ menfassen. Wir haben das Recht, uns an alle politischen Parteien zu wenden und haben das Recht, von allen Antwort zu erhalten, die leider meistens in ein paar Redensarten bestehen. Wir glauben, daß dieser Einfluß geltend gemacht werden muß auf den oberösterreichischen Landtag und auf das Land Oberösterreich, das immer, wenn es sich um Kriegsopferfragen handelt, sagt: Bitte, das geht uns nichts an, das ist Bundessache. Ebenso ist es bei den Gemeinden. In den meisten Gemeinden haben die Kriegsopfer keinen Vertreter und führen Klage, daß ihnen von den Gemeinden kein Interesse entgegengebracht wird. Ich meine, daß es insbesondere eine große und wichtige Aufgabe der Organisation ist, Stellung zu nehmen zur Aufklärung der Oeffentlichkeit. Wir müssen alles daran setzen, der Oeffentlichkeit die wahre Loge der Kriegsopfer vor Augen zu führen durch die Presse. Un- sere Forderung geht dahin, daß die gesamte Tagespresse die Verpflichtung hat, Artikel aufzunehmen, die der Oef- fentlichkeit über die wirkliche Lage der Kriegsopfer Auf» klärung geben. Wir müssen erwähnen, daß sich gewisse Zeitungen ausschweigen, weil sie Schlechtes nicht sagen können und Gutes nicht berichten wollen. Wenn das Ver¬ ständnis für die Lage der Kriegsopfer in die Öffentlich- keit mehr eingedrungen ist, dann ist auch zu erwarten, daß aus der Oeffentlichkeit Hilfe geholt werden kann und daß auch die Ansicht der verschiedenen Vertreter' z. B. in den Gemeinden, eine andere wird. Wenn wir aber festge- stellt haben, daß an der schlechten Lage die weltpolitische Lage die Schuld trägt, so dürfen wir auch an dieser Frage nicht vorübergehen und müssen überlegen, ob es doch nicht unsere Pflicht ist, auch hier soweit als möglich mitzuhelfen. Es ist dies die Frage des Kampfes gegen den Krieg. Ich glaube, es ist kein Zweifel, daß diejenigen, welche den Krieg mitgemacht haben und wissen, was der Krieg be- deutet, ihre Stimme nicht dafür hergeben würden, daß neuerlich Krieg geführt wird. Wir müssen uns aus mora- lifchen und praktischen Bedenken sagen, daß sede Ver- mehrung der Kriegsopfer die Lage derselben bedeutend verschlechtern würde. Aus beiden Gründen müssen wir uns sagen, daß es Aufgabe der Gesamtorganisation sein muß, Einfluß zu nehmen auf die Bestrebungen, den dauernden Völkerfrieden zu schaffen. Wir glauben, daß die Völker zu dem Resultat kommen müssen, spätere Kriege zu verhindern und eine internationale Schieds- gerichtsbarkeit zu schaffen. Ich glaube, daß wir dieser Idee dienen können, wenn sich alle Organisationen der ehemaligen kriegführenden Staaten zusammenschließen zu einer Internationale, die einen doppelten Zweck hat, und zwar Stellung zu nehmen zur Friedensfrage, aber auch zu beraten, wie den Kriegsopfern aebolfen rre?d;y könnte. Wir könnten dann gemeinsam vorgehen, wenn die eine oder andere Regierung gegen die Kriegsopfer einen Anschlag im Sinne führt. Ein Ereignis in letzter Zeit hat bewiesen, daß die Verbesserung der Lage der österreichischen Kriegs- opfer möglich wäre. Es wurde in Genf der Beschluß ge¬ faßt, für diese Verbesserung einzutreten und uns im Kampf um die IX. Novelle zu unterstützen. Der inter- nationale Zusammenschluß der Kriegsopfer hätte nicht nur ideelle, sondern auch praktische Aufgaben. Wir wissen sehr gut, daß die Frage der Bekämpfung des Krieges keine fo leichte ist. In erster Linie müssen wir uns mit der Er- ziehung der Kinder befassen. Es muß ihnen die Frie- densfreundlichkeit von klein auf schon eingeimpft werden und die Schrecken des Krieges vor Augen geführt werden. Es ist ein Verbrechen, den Kindern die alte Heldenidee einzupflanzen. Es gibt andere Gelegen- heiten, Heldentum zu zeigen, als im Dienste des Hurra- Patriotismus. Kameraden und Kameradinen! Zum Schlüsse will ich noch einmal erwähnen, daß unser Kamps nur dann zum Siege fiihren wird, wenn wir in Geschlossenheit und Einigkeit vorgehen. Es ist notwendig, daß wir alle klein- lichen und persönlichen Bedenken ausschalten und uns nur leiten lassen durch die große Idee. Wir können dieses Ziel erreichen, wenn wir nicht nur einig, sondern auch vom entsprechenden Pflichtbewußt- sein erfüllt sind. Dieses Gefühl muß jeden Funktionär be- feelen, aber auch die Mitglieder müssen ihrer Pflicht gegenüber den Funktionären und der Gesamtorganisa- tion nachkommen. Alle für einen und einer für alle!