(Fortsetzung.) Nr. 8 Nachrichten Seite 5 Die zweite Durchführungsverordnung erläutert die materiell-rechtlichen Bestimmungen des Gesetzes, also die Durchführung der Heilbehandlung, der Beteilung mit Körperersatzstücken, der beruflichen Ausbildung sowie der übrigen Geldleistungen. Zuerst wird besprochen, was als Gesundheitsschüdi- gung zu betrachten ist, für die eine Entschädigung ge- bührt. Die Fassung dieser Bestimmungen war ein langer Kampf zwischen Invaliden- und Reglerungsvertretern. Daß unsere Wünsche kein Gehör fanden, muß wohl nicht mehr betont werden, wir kennen die Liebe unserer Re- gierung gut genug. So wird vor allem unterschieden zwischen Gesundheitsstörungen, die durch die Kriegsdienst- leistung herbeigeführt wurden, also vorher nicht vor- Händen waren, sondern neu entstanden sind, und Ver- schlimmerungen schon bestehender Leiden. Darin liegt die Härte für alle jene, die schon vor der Musterung krank waren oder eine in ihrem Körper befindliche Veranlagung hatten, trotzdem aber, da der Staat mit dem Soldaten- material nicht mehr wählerisch sein konnte, einrücken und Dienste leisten mußten. Diese Härte ist eine doppelte, einerseits läßt sich der Gesundheitszustand vor dem Kriege nicht einwandfrei feststellen, ganz gewiß aber läßt sich eine vielleicht vorhandene Erwerbseinbuße nicht prozentuell berechnen, anderseits aber wird der ganz willkürlich an- genommene Prozentsatz der angeblich bestandenen Er- werbsunsähigkeit von dem gegenwärtig festgesetzten ab- gezogen, ohne zu berücksichtigen, daß den unteren Prozent- sätzen verschwindend kleine oder gar keine Renten ent- sprechen. Die Ungerechtigkeit aber liegt darin, daß man einen kranken Menschen zu einer Dienstleistung zwang, die ihm unter normalen Verhältnissen jeder Ärzt aufs strengste verboten hätte, feine Gesundheit also bewußt noch mehr zerrüttete und jetzt eine volle Entschädigung versagt. Ob eine Gesundheitsschädigung aber als verursacht anzusehen ist, hängt davon ab, ob sie auf eine Gefährdung zurückzuführen ist, die mit der Ausübung des Dienstes selbst oder mit den diesem Dienste eigentümlichen Ver- Hältnissen verbunden ist. Also nicht damit ist der Zusam- menhang bewiesen, daß ein Leiden während des Krieges entstanden ist, sondern es muß bewiesen werden, doß die Dienstleistung mit ihren eigentümlichen Verhältnissen das Leiden herbeigeführt oder verschlimmert hat. In die- ser Umgrenzung liegt ebenfalls ein großes Unrecht, ja, die gesetzlichen Bestimmungen werden hier sogar durch die Verordnung eingeschränkt, weil das Gesetz auch dort eine Entschädigung zuerkennt, wo die Gesundheitsschädigung herbeigeführt wurde durch unfreiwillige Verwicklung in Feindseligkeiten. Es ist aber weiters sehr strittig, was man als mit dem Dienste verbundene eigentümliche Ver- Hältnisse zu betrachten hat. Ueberall dorr, wo ein so¬ genanntes „schädigendes Ereignis" nicht klipp und klar angegeben werden kann oder dieses schädigende Ereignis nicht in der Dienstleistung selbst gelegen ist, sind meistens langwierige Verhandlungen notwendig, ehe der Zusam¬ menhang anerkannt wird. So lassen sich z. B. für Geistes- störungen selten Beweise für das schädigende Ereignis erbringen, weshalb diese auch gewöhnlich nicht anerkannt werden. Und doch kann der einfache Menschenverstand nicht begreifen, daß ein so entsetzliches Geschehnis, wie der Krieg nicht so manches empfängliche oder krankhafte Gemüt fchwerstens erschüttert hätte! Aehnlich verhält es sich mit manchen Geschlechtsleiden, die wohl nicht durch den Dienst, gewiß aber durch die mit demselben verbun- denen eigentümlichen Verhältnisse verursacht werden konnten. Jeder Kriegsteilnehmer weiß, daß die Verfüh- rung durch seelische Depressionen, einen gewissen Galgen- Humor und die große Unersahrenheit begünstigt wurden und daß die Heeresverwaltung selbst die Errichtung von ten auf zirka 20.000 Personen anschwellen ließ, so ist für das Zutreffen dieser Behauptung ausschließlich das Bundes- Ministerium für soziale Verwaltung und das Finanzmini- sterium verantwortlich zu machen, die ohne jeden Anlaß und gegen den einstimmigen Protest aller Kriegsbeschädigten- Vertreter in der für die Durchführung der beiden Gesetze bestimmten Kommission den Anmeldetermin für Anspruchs- werber bis zum 11. Juni 1924 erstreckte, trotzdem das In- validen-Entfchädigungsgefetz die Anmeldefrist für Kriegs- beschädigte bereits mit 30. Mai 1922 abschloß. Diese ganz unmotivierte Verlängerung der Anmeldefrist, die überdies mit einer wesentlichen Erleichterung des Ver- fahrens für die Nachzügler verbunden war, mußte zu einer Massenproduktion von Kriegsbeschädigten führen, die aber heute nicht den Anlaß zu einer so bedeutenden Verschlechte- rung des Gesetzes geben darf. Es wäre verständlich gewe- sen, wenn die Regierung eine strenge Ueberprüfung dieser sogenannten Protokollinvaliden auf der Basis des be- stehenden 90 e r Gesetzes in Angriff genommen hätte, um auf diesem Wege jedem Mißbrauch Abbruch zu tun und die Zahl der Anspruchsberechtigten abzugrenzen. Ganz und gar unannehmbar ist die Ausdehnung des Eni- wurfes auf die Pensionisten im § 3. Das 90er Gesetz hat vor allem die Aufgabe gehabt, jenen kriegsbeschädigien Bundes- angestellten, die durch ihre Kriegsbeschädigung ihren frühe- ren Privatberuf aufgeben mußten, eine neue gesicherte Exi- stenz im Bnnöesdienste zu verschaffen und ihnen als Aeaui- valent für ihr vorgerücktes Antrittsalter begünstigte Jahre anzurechnen, damit sie bei einem durch ihr Leiden bedingten früheren Ausscheiden aus dem aktiven Dienste eher in den Genuß des Pensionsanspruches kommen. Es hat nahezu vier Jahre gebraucht, bis der Wille des Gesetzgebers endlich im neuen Gehaltsgesetze klar und deutlich verankert wurde. Einer Aenderung dieser Bestimmungen des neNen Gehalts¬ gesetzes kann daher schon aus rein menschlichen Gründen nicht zugestimmt werden. Der Versuch, auf dem Umwege über das Begünstigungs- gesetz für die Kriegsbeschädigten wesentliche Bestimmungen des neuen Gehaltsgesetzes zu ändern, muß aber in einem Zeitpunkts, wo die gesamte Bundesangestelltenschaft eine Aenderung des Gesetzes zu ihren Gunsten anstrebt, auch vom prinzipiellen Standpunkte nur als ein Faustschlag für die gesamte Beamtenschaft empfunden werden. Statt der nicht länger zu verhindernde» zeitgemäßen Er- höhung der Bezüge der Beamten eine, wenn auch nur teil- weise Verminderung der Bezüge ist ein Hohn, der den Wi- derstand nicht nur der Beteiligten, sondern der gesamten Bundesangestellten hervorrufen mutz. Aus allen diesen Gründen stellt der Unterausschutz das dringende Ersuchen an den 25er-Ausschutz, den Entwurf der Regierung abzulehnen und die kriegsbeschädigien Bundes- angestellten in ihrem Kampfe gegen jede Verringerung ihrer Rechte auf das Tatkräftigste zu unterstützen. In den Tagesblättern erschien am 14. Juli 1925 auch eine amtliche Mitteilung der Regierung, welche die Oes- sentlichkeit und die Kriegsopfer in dieser Angelegenheit beruhigen will, Die Kameraden werden diese amtliche Aus- lassung selbst zu würdigen wissen und sind bereits an alle Blätter aufklärende Gegenschriften ergangen. Kameraden! Kriegsbeschädigte! Bundesangestellte I Jetzt heißt es einig und geschlossen sein, dann wird es auch möglich werden, diesen neuen Anschlag zu parieren und die ganze Frage der dienstrechtlichen Stellung der krieasbeschädigten Bundesangestellten einer dauernden und gerechten Lösung zuzuführen. Wie wir soeben erfahren, ist der besprochene Entwurf im Nationalrate bereits eingedruckt worden.