Der 30. September 127
ausstellte. Personalfragen traten in den Vordergrund, und eine höchst
unerfreuliche parteipolitische Jagd nach Ämtern setzte ein.
Vom Standpunkte der O.H.L. gesehen war es richtig, alles nur
irgend Mögliche für die Beschleunigung der Regierungsbildung zu
tun. Am 30. September vormittags rief Ludendorff den Leiter der
militärischen Stelle im Auswärtigen Amt, Oberst v. Haeften, an,
teilte ihm die schwerwiegenden Entschlüsse vom 29. September mit
und ersuchte ihn, in Berlin alles daranzusetzen, um die Regierung
zum schnellen und energischen Handeln zu veranlassen. Er wolle zwar
hiermit nicht drängen, jeder Tag des Zögerns und der Untätigkeit
aber könne verhängnisvoll werden. Auf den Staatssekretär v. Hintze
sollte Haeften in dem Sinne einzuwirken suchen, daß er noch weiter
im Amte bliebe und die Einleitung des Friedensschrittes durchführte.
Hintze wollte indes hierauf nicht eingehen. Dem Obersten v. Haeften
erklärte er am Nachmittage des 30. September, die neue Regierung
werde spätestens am 1. Oktober nachmittags gebildet sein, und dann
könne das Friedensangebot abends abgehen. Der verhängnisvolle
Termin des 1. Oktober, den Hintze schon in Spa dem General Luden¬
dorff genannt hatte, wurde damit nochmals bestätigt. Haeften äußerte
sofort seine Zweifel an der Möglichkeit der Einhaltung dieses Zeit¬
punktes.
Als Oberst v. Haeften am 30. September abends mit dem Vize¬
kanzler v. Payer über die neue Regierungsbildung sprach, bezeichnete
dieser den Prinzen Max von Baden als die einzige Persönlichkeit, die
in dieser schwierigen Lage die Unterstützung der parlamentarischen
Mehrheit finden würde. Er bat den Obersten, die Zustimmung Hin-
denburgs und Ludendorffs zu der Kandidatur des Prinzen Max zu
erwirken. Wieder sprach sich hierin eine gewisse Abhängigkeit aus, in
der sich die politische Leitung gegenüber der militärischen befand.
Beide Generale stimmten zu, und Haeften wurde beauftragt, den am
1. Oktober morgens in Berlin eintreffenden Chef des Zivilkabinetts
v. Berg davon zu verständigen. Herr v. Berg, der dieser Kandidatur
in Spa lebhaft widersprochen hatte, gab daraufhin dem Obersten
v. Haeften die Ermächtigung, den damals in Dessau weilenden Prin¬
zen Max von Baden telephonisch nach Berlin zu bitten. Der Prinz
teilte seine Ankunft für den Nachmittag mit.
Inzwischen hatte Gras Roedern alle für die Vorbereitung der
Friedensfrage in Betracht kommenden Regierungsstellen verständigt
und dem Vizekanzler v. Payer den Auftrag übermittelt, die Bildung
der neuen Regierung vorzubereiten. Für seine Tätigkeit war die Tat¬
sache bestimmend, „daß die beiden zur Beratung des Herrschers in der
wichtigsten militärpolitischen Frage des Krieges berufenen Organe
des Reiches, nämlich der Leiter der auswärtigen Politik und die
O.H.L., über den einzuschlagenden Weg sich völlig geeinigt hatten, so-