Die rein militärische oberste Kriegsleitung
Staatssekretär v. Hintze bei der auf 10 Uhr angesetzten Besprechung
über die militärische Lage sagen solle. Ludendorff betonte, man müsse
den Herren absolut reinen Wein einschenken. Haeften konnte sodann
als Ohrenzeuge auf Ludendorffs Veranlassung dem Vortrage über
die militärische Gesamtlage beiwohnen. Ludendorff schilderte dem
Feldmarschall die Lage mit der gleichen rückhaltlosen Offenheit wie
dem Obersten v. Haeften in der vorhergehenden Nacht. Letzterer hatte
daher den Eindruck, daß, wenn der Feldmarschall bei der darauf fol¬
genden Besprechung mit dem Reichskanzler Grafen Hertling und
dem Staatssekretär v. Hintze, der er nicht beiwohnte, die Lage auch
nur mit annähernd gleicher Deutlichkeit schilderte, daß dann die
Staatsmänner hätten wissen müssen, es sei nunmehr höchste Zeit
zum politischen Handeln, und keine Stunde dürfe mehr verloren wer¬
den, um den Krieg möglichst bald zu beenden.
Staatssekretär v. Hintze war bereits am 12. August von Berlin
in Spa eingetroffen und hatte noch am Nachmittag eine Besprechung
mit dem Reichskanzler gehabt. Am 13. August vormittags 10 Uhr
trafen sich der Reichskanzler, Hintze, Hindenburg und Ludendorff.
Bor dem Eintritt in die Unterredung, die im Hotel Britannique im
Zimmer des Generalfeldmarschalls stattfand, nahm Ludendorff den
Staatssekretär v. Hintze zu einer Unterredung unter vier Augen bei¬
seite und sagte ihm etwa, er habe jetzt nicht mehr wie Mitte Juli die
Sicherheit, mit der Offensive den Kriegswillen des Feindes zu bre¬
chen und ihn zum Frieden zu nötigen. Wohl aber würden wir durch
eine strategische Defensive den Kriegswillen des Feindes allmählich
lähmen können. Auf Hintze haben diese Worte sehr stark gewirkt.
In der nun folgenden kurzen Sonderbesprechung zu Vieren be¬
zeichneten die Heerführer eine große Offensive als nicht mehr an¬
gängig; wir brauchten uns aber noch nicht auf die reine Verteidigung
zu beschränken, sondern könnten gelegentlich offensive Vorstöße un¬
ternehmen. Durch diese im großen und ganzen defensive Kriegfüh¬
rung würden wir, ihrer Überzeugung nach, den Kriegswillen des
Gegners brechen und ihn zum Frieden zwingen können. Hintze faßte
das so auf, als wenn es sich nun lediglich um eine Änderung der
Strategie handele. Auch Graf Hertling war daher über diese Er¬
öffnungen der Heerführer nicht besonders betroffen.
Den Hauptteil der weiteren Besprechungen bildeten Klagen der
O.H.L. über die Stimmung in der Heimat und deren Rückwirkung
auf die Front, über das Schwächerwerden der Regierungsautorität,
über die zu geringe Unterstützung der Stellvertretenden Komman¬
dierenden Generale in den Korpsbezirken, über Mängel bei der Ver¬
sorgung und über ungenügenden Mannschaftsersatz. Der Reichskanz¬
ler suchte seine Regierung gegen die erhobenen Vorwürfe zu vertei¬
digen und stellte Berücksichtigung der Klagen in Aussicht. Hintze